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Und als der frühe Morgen im Osten kaum gegraut,

Da hat ein feltnes Schauspiel vom Lager man geschaut ;
Es öffnet leise, leise sich das bedrängte Thor,

Es schwankt ein Zug von Weibern mit schwerem Tritt hervor.

Tief beugt die Last fie nieder, die auf dem Nacken ruht,
Sie tragen ihre Ehherrn, das ist ihr liebstes Gut.

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Halt an die argen Weiber!" ruft drohend mancher Wicht; Der Kanzler spricht bedeutsam: „Das war die Meinung nicht."

Da hat, wie er's vernommen, der fromme Herr gelacht: 25

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Und war es nicht die Meinung, sie haben's gut gemacht : Gesprochen ist gesprochen, das Königswort besteht,

Und zwar von keinem Kanzler zerdeutelt und zerdreht.“

So war das Gold der Krone wohl rein und unentweiht.
Die Sage schallt herüber aus halb vergeßner Zeit.
Im Jahr elfhundertvierzig, wie ich's verzeichnet fand,
Galt Königswort noch heilig im deutschen Vaterland.
Adalbert von Chamisse.

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Schwäbische Kunde.

(1190)

Als Kaiser Rothbart lobesam
Zum heil'gen Land gezogen kam,
Da mußt er mit dem frommen Heer
Durch ein Gebirge, wüft und leer.
Daselbst erhub sich große Noth,
Viel Steine gab's und wenig Brot,
Und mancher deutsche Reitersmann
Hat dort den Trunk sich abgethan.

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Den Pferden war's so schwach im Magen,
Fast mußt der Reiter die Mähre tragen.
Nun war ein Herr aus Schwabenland,
Von hohem Wuchs und starker Hand,
Deß Rößlein war so krank und schwach,
Er zog es nur am Zaume nach,
Er hätt es nimmer aufgegeben
Und kostet's ihn das eigne Leben.
So blieb er bald ein gutes Stück
Hinter dem Heereszug zurück.
Da sprengten plößlich in die Quer
Funfzig türkische Reiter daher,
Die huben an, auf ihn zu schießen,
Nach ihm zu werfen mit den Spießen.
Der wackre Schwabe forcht sich nit,
Ging feines Weges Schritt vor Schritt,
Ließ sich den Schild mit Pfeilen spicken
Und thät nur spöttlich um sich blicken,

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Bis Einer, dem die Zeit zu lang,

Auf ihn den krummen Säbel schwang.

Da wallt dem Deutschen auch sein Blut,

Er trifft des Türken Pferd so gut,

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Er haut ihm ab mit Einem Streich
Die beiden Vorderfüß' zugleich.

Als er das Thier zu Fall gebracht,

Da faßt er erst sein Schwert mit Macht;

Er schwingt es auf des Reiters Kopf,

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Haut durch bis auf den Sattelknopf,

Haut auch den Sattel noch in Stücken,
und tief noch in des Pferdes Rücken;
Zur Rechten sieht man, wie zur Linken,
Einen halben Türken heruntersinken.

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Da packt die Andern kalter Graus,
Sie fliehen in alle Welt hinaus,
Und Jedem ist's, als würd' ihm mitten
Durch Kopf und Leib hindurchgeschnitten.
Drauf kam des Wegs 'ne Christenschaar,
Die auch zurückgeblieben war,
Die sahen nun mit gutem Bedacht,
Was Arbeit unser Held gemacht.

Von denen hat's der Kaiser vernommen,
Der ließ den Schwaben vor sich kommen,
Er sprach:,,Sag' an, mein Ritter werth!
Wer hat dich solche Streich' gelehrt?"
Der Held bedacht' sich nicht zu lang:

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Die Streiche sind bei uns im Schwang, Sie sind bekannt im ganzen Reiche,

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Uhland.

Man nennt sie halt nur Schwabenstreiche."

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Barbarossa.
(+1190)

Der alte Barbarossa,
Der Kaiser Friederich,
Im unterird'schen Schlosse
Hält er verzaubert sich.

Er ist niemals gestorben,

Er lebt darin noch jest,
Er hat im Schloß verborgen
Zum Schlaf sich hingefeßt.

Er hat hinabgenommen
Des Reiches Herrlichkeit

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Und wird einst wiederkommen.
Mit ihr, zu seiner Zeit.

Der Stuhl ist elfenbeinern,
Darauf der Kaiser sigt;
Der Tisch ist marmelsteinern,
Worauf sein Haupt er stüßt.

Sein Bart ist nicht von Flachse,

Er ist von Feuersglut,

Ist durch den Tisch gewachsen,
Worauf sein Kinn ausruht.

Er nicht als wie im Traume,
Sein Aug' halb offen zwinkt;
Und je nach langem Raume
Er einem Knaben winkt.

Er spricht im Schlaf zum Knaben : „Geh' hin vor's Schloß, o Zwerg,

Und sieh, ob noch die Raben
Herfliegen um den Berg!

Und wenn die alten Raben

Noch fliegen immerdar,

So muß ich auch noch schlafen

Verzaubert hundert Jahr'."

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Rückert.

Der Schenk von Limburg.

Zu Limburg auf der Feste,
Da wohnt ein edler Graf,
Den keiner seiner Gäste
Jemals zu Hause traf.

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Er trieb sich allerwegen
Gebirg und Wald entlang,
Kein Sturm und auch kein Regen
Verleidet ihm den Gang.

Er trug ein Wams von Leder
Und einen Jägerhut
Mit mancher wilden Feder;
Das steht den Jägern gut.
Es hing ihm an der Seiten
Ein Trinkgefäß von Buchs;
Gewaltig konnt er schreiten,
Und war von hohem Wuchs.

Wohl hatt' er Knecht und Mannen
Und hatt' ein tüchtig Roß,

Ging doch zu Fuß von dannen,
und ließ daheim den Troß.
Es war sein ganz Geleite
Ein Jagdspieß, stark und lang,
An dem er über breite
Waldströme kühn sich schwang.
Nun hielt auf Hohenstaufen
Der deutsche Kaiser Haus.
Der zog mit hellen Haufen
Einstmals zu jagen aus.
Er rannt' auf eine Hinde
So heiß und hastig vor,
Daß ihn sein Jagdgesinde
Im wilden Forst verlor.

Bei einer fühlen Quelle

Da macht' er endlich Halt;

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