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Euch blühn sechs liebliche Töchter.
So mögen sie, rief er begeistert aus,
Sechs Kronen euch bringen in euer Haus
Und glänzen die spätsten Geschlechter!"

Und mit sinnendem Haupt saß der Kaiser da,
Als dächt' er vergangener Zeiten ;

Jezt, da er dem Sänger ins Auge sah,
Da ergreift ihn der Worte Bedeuten.
Die Züge des Priesters erkennt er schnell,
Und verbirgt der Thränen stürzenden Quell
In des Mantels purpurnen Falten.

Und Alles blickte den Kaiser an,

Uno erkannte den Grafen, der das gethan,
Und verehrte das göttliche Walten.

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Schiller.

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Kaiser Rudolfs Bitt zum Grabe.

(1291)

Auf der Burg zu Germersheim,
Stark am Geist, am Leibe schwach,
Sißt der greise Kaiser Rudolf,
Spielend das gewohnte Schach.

Und er spricht: „Ihr guten Meister!
Aerzte! sagt mir ohne Zagen:
Wann aus dem zerbrochnen Leib
Wird der Geist zu Gott getragen?"

Und die Meister sprechen: „Herr,
Wohl noch heut erscheint die Stunde."

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ΙΟ

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Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe.
Freundlich lächelnd spricht der Greis:
„Meister! Dank für diese Kunde!"

Auf nach Speier, auf nach Speier!"
Ruft er, als das Spiel geendet;

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Wo so mancher deutsche Held

Liegt begraben, sei's vollendet!

Blast die Hörner! bringt das Roß,
Das mich oft zur Schlacht getragen!"
Zaudernd stehn die Diener all;

Doch er ruft: „Folgt ohne Zagen!"

Und das Schlachtroß wird gebracht.

,,Nicht zum Kampf, zum ew'gen Frieden,"
Spricht er,,,trage, treuer Freund,
Jezt den Herrn, den lebensmüden!“

Weinend steht der Diener Schaar,

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Als der Greis auf hohem Rosse,

Rechts und links ein Kapellan,

Zieht, halb Leich', aus seinem Schloffe.

Trauernd neigt des Schlosses Lind'

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Vor ihm ihre Aeste nieder,
Vögel, die in ihrer Hut,
Singen wehmuthsvolle Lieder.

Mancher eilt des Wegs daher,
Der gehört die bange Sage,

Sieht des Helden sterbend Bild,
Und bricht aus in laute Klage.

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Aber nur von Himmelslust

Spricht der Greis mit jenen zweien,

Lächelnd blickt sein Angesicht,
Als ritt er zur Luft im Maien.

Von dem hohen Dom zu Speier

Hört man dumpf die Glocken schallen.
Ritter, Bürger, zarte Frau'n

Weinend ihm entgegenwallen.

In den hohen Kaisersaal

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Ist er rasch noch eingetreten ;
Sißend dort auf goldnem Stuhl,

Hört man für sein Volk ihn beten.

,,Reichet mir den heil'gen Leib!"

Spricht er dann mit bleichem Munde;

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Drauf verjüngt sich sein Gesicht

Um die mitternächt'ge Stunde.

Da auf einmal wird der Saal
Hell von überird'schem Lichte,
Und entschlummert sißt der Held,
Himmelsruh' im Angesichte.

Glocken dürfen's nicht verkünden,
Boten nicht zur Leiche bieten,
Alle Herzen längs des Rheins
Fühlen, daß der Held verschieden.

Nach dem Dome strömt das Volk,
Schwarz, unzähligen Gewimmels.
Der empfing des Helden Leib,
Seinen Geist der Dom des Himmels.

Justinus Kerner.

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Der Landgraf von Thüringen.

(1307)

Der edle Landgraf Friederich
Mit der gebißnen Wange
Auf seiner Wartburg ritterlich
Sich wehrt und schirmet lange.

In seinen Adern heiß ihm rollt
Das Blut der Hohenstaufen.

Darum ihm Papst und Habsburg grollt,
Die ihm das Land verkaufen.

Der Kaiser Albrecht, Rudolfs Sohn,
Zertritt die deutschen Lande,
Fügt zu dem Unrecht kalten Hohn
Und zu dem Elend Schande.

Die Wartburg, auf den Fels erhöht,
Die kann er nicht gewinnen,

Der edlen Freiheit Wiege steht

In ihren stolzen Zinnen.

Doch droht des Hungers Uebermacht

Die Burg zu übermannen.

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Er trägt ihn selbst auf seinem Arm,
Den Knaben neugeboren;

Vom starken Ritt wird ihm so warm,
Schon bluten ihm die Sporen.

,,Fort, fort! dort weht das Reichspanier,
Schon blinken tausend Speere.

Der Kaiser ist's, voll blut'ger Gier,

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