Dort liegen mehr denn sechzig, so blutig und so bleich, Auf Bahren und auf Wagen, getragen und geführt, Göz Weißenheim eröffnet den langen Leichenzug, Drei edle Grafen folgen, bewährt im Schildesamt, Von Sachsenheim zween Ritter, der Vater und der Sohn, 65 Einst war ein Herr von Lustnau vom Scheintod auferwacht, 70 Er kehrt im Leichentuche zu seiner Frau bei Nacht, Das Lied, es folgt nicht weiter, des Jammers ist genug, Dort auf den Rathhausfenstern, in Farben bunt und klar, 75 Als nun von seinen Wunden Graf Ulrich ausgeheilt, Er schlägt die Augen nieder, man bringt ihm Wein und Da faßt der Greis ein Messer, und spricht kein Wort dabei, Und schneidet zwischen Beiden das Tafeltuch entzwei. Uhland. 21 Der reichste Fürst. (1495) Preisend mit viel schönen Reden Ihrer Länder Werth und Zahl, Saßen viele deutsche Fürsten Einst zu Worms im Kaisersaal. „Herrlich," sprach der Fürst von Sachsen, Wohl in manchem tiefen Schacht." ,,Seht mein Land in üpp'ger Fülle," 5 10 „Große Städte, reiche Klöster," Wohl nicht steht an Schäßen nach.“ Eberhard, der mit dem Barte, Sprach: Mein Land hat kleine Städte, Doch ein Kleinod hält's verborgen: Ich mein Haupt kann kühnlich legen Und es rief der Herr von Sachsen, Justinus Kerner. 15 20 25 22 Kaiser Max zu Worms. (1495) Zur Gruft sank Kaiser Friedrich. Gott geb' ihm sanfte Ruh ! Zu rathen und zu fördern, daß Recht und Licht gedeih'! Einst in dem dumpfen Rathsaal sprang Mar empor in Hast, 5 Der Staub der Pergamente nahm ihm den Odem fast, Den Treu'n liebt er vor Allen, wohl einem Gärtner gleich, Es wallten nun die Beiden die Straßen ein und aus, Dort auf dem großen Marktplaß sahn sie ein stattlich Haus, Da rief der Kunz: „Mein König, schließt Eure Augen schnell! 15 Denn, traun, schon las manch einer sich blind an dieser Stell'. Französisch ist's; Ihr wißt ja, wie's Frankreichs Söhne treiben, Die anders schreiben als sprechen, und anders lesen als schreiben, Und anders sprechen als denken, und anders sezen als singen, Die groß in allem Kleinen, und klein in großen Dingen.“ 20 Ein Rittersmann aus Frankreich wohnt in dem stolzen Haus, Sein Wappenschild, hell glänzend, hängt hoch zur Pfort' hinaus, Mit Schnörkelzügen zierlich in blankem Goldesschein Schrieb rings ums bunte Wappen er diese Worte ein : ,,Erst Gott zum Gruß, wer's lieset!— Auf, Deutscher, kühn und werth, 25 Hier harrt ein Schild des deinen, wenn kampfesfroh dein Schwert, Und magst du mich bezwingen nach Ritterbrauch und Recht, Ernst schritt der König fürder; doch an des Ritters Schild Und höher stieg die Sonne; der Franzmann lag im Sand, So schlägt ein deutscher Ritter"; er sprach's und stand verklärt, 35 Wie Sanct Michael, der Sieger, mit seinem Flammenschwert. "Ihr habt Euch mir ergeben als lezten Rüdenknecht, Wohlan, Ihr sollt erfahren nun meines Amtes Recht!" Sein Schwert nun schwang er dreimal: „Steht auf, mein Ritter werth! So schlägt ein deutscher König, seid brav wie Euer Schwert!" * 40 Viel saft'ge Trauben schwellen ringsher um Worms am Rhein, „Milch unsrer lieben Frauen," so heißt dort jener Wein; Saugt jene Milch, ihr Greise, sie macht euch wieder zum Kind, Herr, gib unserm Lande viel Milch so füß und lind! |