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Vertheidiger und Repråscutant desselben zu seyn. Galt's ge rade nicht von Einzelnen, weil hier Schwachheiten oder Boss heiten aller Art dazwischen spielen mochten, so galt's gewiß doch von einem ganzen Korps solcher Månner, und schien's zweifelhaft zu seyn, wenn nur Männer dieser Art zus sammenkamen, so galt's gewiß doch, sobald sie vermischt mit mehreren wahren Repräsentanten des Landes sich zusammenfanden. Der Geist des Korps ergriff fie. Es liegt gar we nig daran, ob die, die zusammenkommen, ordentlich von der Mehrheit derer gewählt werden, deren Sache sie zu führen haben. Alles liegt nur daran, daß man häufig und ster zus sammenkomme, häufig und stet als Korps handle, und daß es nur eine gewisse Mehrheit gescheiter und redlicher Männer sey, die, ohne eine ångstliche Verhüllung ihres Konvents, selbst kraft der Rechte des Landes über große Gemeinangelegenhei ten berathschlage. Daher ist in manchem Lande die gut eins gerichtete Kollegienverfassung desselben eine weit beffere Schußwehr des allgemeinen Wohls geworden, als selbst die ständische Konstitution. Daher sind die Fälle nicht selten, daß, wo die lieben Stände geschwiegen haben, die Kollegien gespro chen haben, und gewiß hat selbst Friedrich der Große seinen Kammergerichtsråthen, die in Müller Arnolds Sache uners schütterlich blieben, cine stille Ehrfurcht und Achtung nicht versagen können, wenn schon der Augenblick, da nun einmal selbst dieser Kbuig bloß wollte, ein harter Moment war. Daher ruht denn auch oft auf diesem und jenem landesherrs lichen Collegium eine allgemeine Ehrerbietung des ganzen Publikums, indeß das ständische Korps zu einer Nichachtung herabsinkt, die bei der ursprünglichen Bestimmung desselben

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fast unmöglich seyn sollte, und doch überall unverkennbar hervorbricht.

Mag's also hier in Wirtemberg immerhin nur erst so gewesen seyn, daß großentheils landesherrliche Beamte, Jus stizbeamte oder oft selbst bloße Domånenverwalter zusammenkamen. Die Fortbildung zu einem wahren Repräsentantens Korps fand sich endlich von selbst.

Mit Recht wird es eine viel größere publicistische Anomalie zu seyn scheinen, daß große und kleine Kommunitåten, Orte, die Stadtrechte hatten, und Ortschaften, die noch bloße Dörfer waren, Deputirte auf diesen Konvent schicken durften, obs schon weit der zahlreichste Theil der Einwohner derselben keine wahren Grundeigenthümer waren. Was sie von Grundstücken besaßen, war weit der größte Theil theils Pachtgut, theils Lehen, die bei dem Tode des Besizers, dem Rechte nach, der Herrschaft Wirtemberg oder irgend einer Korporation heimfies len. Diese Pacht- und Lehnleute also sollten nun als großes politisches Korps, das seine Deputirten zusammenschickt, aufs treten dürfen gegen ihren Herrn und Fürsten, der der wahre Grundeigenthümer war? Noch trug aller ihr Zustand mehr dean eine Spur der ehemaligen strengeren Hörigkeit, mit der fie der Herrschaft Wirtemberg zugethan gewesen und zum Theil selbst noch verwandt waren. Die ersten und wichtigsten Rechte der persönlichen Freiheit fehlten ihnen, und sie also, die erst noch der Ertheilung mancher solchen Rechte bedurften, die das nachfolgende aufgeklärtere oder bloß kühnere Zeitalter geradehin natürliche Rechte zu nennen pflegte, sollten jcht politische Rechte genießen, wie sie damals die viel freies ren Einwohner mancher andern deutschen Staaten nicht zu genießen hatten?

Doch die politische Freiheit oder vielmehr die schöne neue Entwickelung derselben, die einem dritten Stande im Staat eine Eristenz gab, hat sich in den verschiedenen deutschen

Ländern, wo sie zu einiger Vollendung kam, von den verschiedensten Anfängen aus oft höchst unscheinbar gebildet. Nicht selten sind die größeren Rechte früher errungen worden, als die geringeren, und was man für tauben Samen hielt, ist aufgegangen, da hingegen, wo die Saat oft schon zum vollen Grünen gekommen zu seyn schien, kein Korn derselben zur Reife kam.

So im Ungewissen, ob's zum Reifen kommen werde oder nicht, stand's auch hier in Wirtemberg, bis 32 Jahre nach jenem ersten Konvente, der den Anfang dieser neuen Ordnung ver Dinge gemacht hatte. Da erst alsdann firirten sich mit einem Male neue Verhältnisse, die das Schicksal der politischen Freiheit des Landes völlig entschieden. Da erst brach der Lag an, den die gutdenkenden Männer des Landes, die dem hohen Fürstenhause und den Landeseinwohnern wohlwollten, fehnlich erwartet hatten. Am Morgen desselben war's ein fürchterlicher Orkan, der Alles zu zertrümmern drohte und den muthvollesten Patrioten bange machen mußte, aber der Rath und die Hülfe der Verständigen kam noch gerade zur rechten Zeit zur Rettung.

Herzog Ulrich, ein junger Fürst voll Kraft und Muth, dem aber erst Jahre und Erfahrung die nöthige Weisheit geben mochten, weil seine Erzichung traurig versäumt worden. war, fah sich mit einem Male in eine so allgemein zerrůttete Staats-Dekonomie versunken, daß bloße Sparplane nicht mehr helfen, und kaum die stattlichsten neuen Volkssteuern noch retten konnten. Auch war bald mit hellem Haufen das Volk aufgestanden gegen diese neuen Steuern, denn man war des Steuerns måde, weil man nicht zur Hülfe zu steuern glaubte, sondern nur zur weiteren Verschwendung.

Benachbarte Fürsten eilten herbei, kaiserliche und kurs pfälzische und würzburgische Gesandte kamen; alle kamen, um Unruhen schnell zu vermitteln, die bei der damaligen Disposition des ganzen Zeitalters leicht epidemisch und allge mein werden möchten.

Mit hoher Noth wurde zu Tübingen ein Vertrag zu Stande gebracht. *) Der Herzog mußte den Städten und Amtseingeseffenen seines Landes mir Brief und Siegel Rechte verwilligen, wie sie noch kein deutscher Fürst mit einem Male gegeben hatte, und sie dagegen übernahmen eine so beträchtliche Masse der fürstlichen Schulden, wie das mals auch in größeren und volkreicheren Staaten der. dritte Stand allein nicht gethan haben würde. Von mehr als einer Million war die Rede.

Sie waren freigebig im Uebernehmen, und mißtrauisch in der Art, wie sie es thaten. Sie verwilligten nicht ihrem Fürsten neue Steuern, die er einziehen und zu Abtragung der drängenden Schulden verwenden möchte. Denn weder den Räthen, noch dem jungen Fürsten selbst mochte man trauen, ihm, der wohl voll guter Entschlüsse zu seyn schien, aber noch nicht zu der Festigkeit des Charakters gekommen war, die allein gegen äußere und innere Reizung die Probe hält. Sie selbst also machten Anstalt, daß mehr als eine Million Schulden von gewiffen Steuern, die sie besonders dazu aussetzten, terminweise in gewissen Jahren getilgt wer den könnte.

Man eröffnete also neue Finanzquellen, man verwilligte neue Steuern. Ihr Ertrag sollte in eine neu errichtete

*) 8. Juli 1514.

Kasse fließen, deren Kafficre der Herzog und jener Depus tirten-Konvent gemeinschaftlich zu ernennen hatten, und die auch sowohl jenem, als diesem, jährlich von der Verwendung der eingegangenen Gelder Rechnung ablegen sollten.

In diesen Dispositionen lag also die unverkennbare Nothwendigkeit, einen neuen landschaftlichen Ausschuß zu organiz siren, weil doch nicht das ganze Deputirtenkorps alle Jahre vollzählig zusammenkommen konnte, und wahrscheinlich das, was schon seit Langem als eine Art von landschaftlichem Ausschusse bestanden hatte, *) in Abgang gerathen oder wenigstens nicht für diesen Zweck organisirt worden war.

Die Rechte und Pflichten dieses Ausschusses aber ergas ben sich leicht aus seiner ganzen Bestimmung. Er konnte nichts verwilligen, sondern sollte bloß über die Verwendung der neu verwilligten und eingehenden Gelder wachen. Er

*) In der Regimentsordnung von 1498 heißt es: „und nachdem gemeyner Landschaft an dieser Sach und Handlungen am meisten und höchsten gelegen ist, so sollen die vier von der Landschaft ståtigs by und um die Canzly sie.“

Diese Vier sind nicht vorher und nicht nachher genannt. Man scheint wohl gewußt zu haben, wer gemeint sey, sobald man so sprach.

Auch schon in der Herzogsurkunde wird der Ausschuß von der Landschaft, der den übrigen zur Regierung des vakant ge= wordenen Fürstenthums beigeordnet werden solle, auf vier bestimmt, und in den Beschwerden, die die Landschaft_vor Schliefung des Tübingischen Vertrags übergab, heißt es: „der Landschad soll fürohin in der Canzley, in Gegenwart vier Personen von der Landschaft, umbgeschlagen, und solches sonsten ohne derselben Beiseyn nicht vorgenommen werden.“

Man wird durch solche historische Spuren natürlich auf die Idee geleitet, daß ein gewisser herkömmlicher Typus eines landfchaftlichen Ausschusses überall hier vorausgesezt werde.

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