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führen, sondern sie mußten alle verkauft wer den, sey es nun zum Verbrauch an Ort und Stelle, sey es zur weiteren Versendung nach der Levante, die nur durch Venetianer geschehen durfte.

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Aber auch den Bürgern der Republik selbst stand die Theilnahme an dem Handel keinesweges frey, sondern diese wurde durch besondere Vergünstigungen des Staates (also der Oligars chie) bedingt, welcher auch auf die Art und Weise wie der Handel betrieben wurde, den unmittelbarsten Einfluß ausübte. Jährlich gina gen zu bestimmten Zeiten Flotten nach den vers schiedenen Häfen ab, die zu dem Handelsgez biet der Republik gehörten. Sie standen unter einem von dem Staate ernannten Befehlshaber, der die genauesten und ins Einzelnste ge= henden Verhaltbefehle hatte; sie bestanden theils aus bewaffneten, dem Staate zugehörigen Galeeren, theils Fahrzeugen von Privatleuten; aber auf diese lettere verladene Waaren zahlten fünf Procent vom Werth; und auch die Benuzung jener war eine Vergünstigung und wurde häufig als Monopol auf eine Reise oder ein Jahr verkauft. Die Befehlshaber der Galeeren waren wie sich denken läßt, Nobili. Die Zahl dieser Flotten, ihre Bestimmung, ihre Verhaltungsbefehle wechselten nach Umständen. So z. B. finden wir im Anfange des funfzehnten Jahr: hunderts fünf folcher Flotten, wovon die erste nach Catalonien und Syrien im Januar, abging -die zweyte nach Flandern im April die dritte nach Morea und Trebizonde im Julius die vierte nach Barut und Syrien im August die fünfte nach Alexandria im September. Es scheint also, daß nach Syrien zwey Flotten gin= gen, wovon die erste zuerst in Barcelona Waas

ren absehte. Zuweilen gingen außerdem noch besondere Abtheilungen nach Africa, Irland, Pors tugal, England; im vierzehnten Jahrhundert dagegen finden wir eine Zeitlang nur drey, nach Syrien, Tana (dem schwarzen Meer) und Flan dern. Waren die Meere sehr unsicher so wurden mehrere Abtheilungen vereinigt, oder auch einige Galeeren abgesandt, um besonders in den Gewässern von Cyprus zu kreuzen. Zuweilen aber wurde dann der Seehandel ganz untersagt und die Waaren aus der Levante vom schwarzen Meer oder Constantinopel aus durch Bulgarien zu Lande transportiert. Der Hauptzweck dieser Flotten war der unmittelbare Verkehr zwischen Benedig, der Levante und Flandern; aber unterwegs nahmen sie auch die Producte der dazwischen liegenden Länder auf; Alles jedoch nach genauen oft wechselnden Vorschriften. So durfte z B. die Flandrische Flotte auf der Hinreise bloß in Venedig laden, auf der Rückreise aber nach Belieben überall. Noch auffallender aber muß uns ein anderer Grundsaß erscheinen, der in dem Verkehr mit Flandern beobachtet wurde. Es durften nåmlich für die nach Flandern aus: geführten Waaren `(theils Asiatische Producte, theils Venetianische Fabricate) weder baares Geld noch Wechsel nach Venedig gebracht werden, fondern nur Waaren, theils Flandrische Fabricate, theils rohe Stoffe, besonders Wolle. Der Zweck einer dem Auscheine nach so unzweckmäs Bigen Maaßregel läßt sich kaum befriedigend er: rathen, z. B. sollte vielleicht dadurch den Venez tianischen Fabriken immer eine hinreichende Menge rover Stoffe und in der Ausfuhr nach der Levante ein gehöriges Verhältniß von Fabrica ten und baarem Selde gesichert werden? Doch ist leicht einzusehen, wie wenig dieß die Noth.

wendigkeit, geschweige den Nuten jener Bes schránkung erklärt. Noch ist zu bemerken, daß der Verf. kein einziges Beyspiel eines unmittel baren Verkehrs durch Benetianische Schiffe zwis schen Flandern und der Levante erwähnt, was doch die Preise der Levantischen Waaren so sehr vermindert, und also den Benetianern einen Borz zug vor ihren Nebenbuhlern auf den Flandrischen Märkten verschafft hätte.

Obgleich der größere Theil des Venetianischen Handels Zwischenhandel war, so nahmen doch die eigenen Fabricate einen sehr großen Theil daran, sowohl in der Land als Seeausfuhr; des Salzhandels nicht zu gedenken. Die bedeus tendsten derselben waren Waffen, Wachs und besonders Seidenzeuge und Glaswaaren, und in Bezug auf diesen Theil der Betriebsamkeit leuchtet die Zweckmäßigkeit der Venetianischen Staats wirthschaft zum Theil auf den ersten Blick ein, Kein Gewerbe wurde durch einen besondern Schuh, z. B. durch Ausschließung remder Fa bricate begünstigt, sondern höchstens durch er fchwerte Ausfuhr und begünstigte Einfuhr der rohen Stoffe; es fiel z. B. dem Staate nicht ein, zu Gunsten der inländischen Wollarbeiter, Französische und Flandrische Tücher, die nun eins mal in der Levante vorgezogen wurden, durch Einfuhrzölle zu drücken. Dagegen wurde aber auch kein Gewerbe mit Abgaben belastet, son: dern alle waren nur beschränkt durch die Gildeneinrichtungen, die man zur Behauptung des Credits im Auslande durch gute Waare für no thig erachtete, und die es auch seyn mochten, da noch viel mehr wie jeßt die mechanischen und che mischen Proceduren der verschiedenen Gewerbe Geheimnisse waren, ohne deren Kenntniß der

Uneingeweihte keine gute Waare liefern, sone dern nur dem Ruf des Gewerbes schaden konnte. So konnten alfo in Venedig keine erzwungene, erkünftelte Industriezweige aufkommen und die vorhandenen gebiehen bloß durch wirkliche UeberTegenheit über fremde Nebenbuhler. Sollten wir aber angeben worin die Hauptursache der Blüthe des Handels und der Industrie und dadurch der Macht Venedigs lag, so wäre es dieß, daß alle Erwerbszweige entweder ganz frey oder doch nur mit höchst unbedeutenden Abgaben belegt waren. Sehen wir dagegen wie das Hauptverdienst- oder wenigstens der Hauptzweck unserer neuern Staatsverwaltungen zum Theil noch jest darin besteht, jeden Erwerbszweig auf möglichst vielfache Weife mit Abgaben zu belasten, wie unsere Finanzminister ihren schönsten Ruhm darin gesucht has ben, an dem Patienten immer und immer noch eine Stelle aufzufinden, die die Möglichkeit eis nes Aderlasses, Raum für einen Schröpffopf darbietet, so müssen sich wohl einige Zweifel an der Unfehlbarkeit unserer Civilisation, oder viels mehr, einige Erklärungen für deren in so vieler Hinsicht traurige und dem Anscheine nach kaum. heilbare Resultate aufdrången. - Als eine der Hauptursachen der ins ungeheure vermehrten Ausgaben und Auflagen hat man die stehenden Heere angegeben, allein man darf nicht vergesfen, daß die Venetianische Kriegsmacht ebenfalls fast ganz aus besoldeten, stehenden Heeren bez stand. Was man nun übrigens von den Han delseinrichtungen der Republik denken mag, die Resultate derselben sprechen laut genug: eine Handelsflotte (im Anfang des 15ten Jahrhunderts) von 3000 Fahrzeugen mit 25000 Matrosen, außer 300 großen Schiffen von 700 Zon

nen; zu ihrem Schuge waren zu jeder Zeit 45 große Galeeren in See, mit 11000 Seeleuten und Kriegern bemannt. Im Jahre 1421 zählte der Doge Mocenigo mit freudigem Stolze auf: Mailand zahle jährlich an Venedig 1600000 Du= caten; der Verkehr mit der Lombardey belaufe fich auf 28 Millionen Ducaten, allein 84000 Stücke Tuch würden dahin ausgeführt, Bucker für 15000, Sclaven für 30000, Seidens und Goldzeuge für 25000 u. f. w. Diese Uebersicht eines Handelsgebietes, daß nur einen kleinen Theil des Gesammthandels der Republik auss machte, gibt einen ungefähren Begriff von dem Ganzen, und wir möchten es dem Verf. fast Dank wissen, daß er sich nicht auf ausführlichere Ein- und Ausfuhrtabellen eingelassen hat, um, wie es so oft geschieht, sich und andere zu taus schen. Nachdem wir der Königin des Mits telmeeres so ausführlich erwähnt haben, erlaubt uns der Raum nicht, dem Verf. in seinen Uns tersuchungen über die untergeordnetern Handelsstaaten mit derselben Ausführlichkeit zu folgen. Auch scheint es ihm selbst bey mehreren nicht gelungen zu feyn, sehr befriedigende Angaben zu finden. So z. B. erfahren wir über die Handelseinrichtungen der Genueser nichts wesentlis ches, als daß dem Handel mit dem ́ ́schwärzen Meere eine eigene Behörde von sechs Mitglies dern, uffizio di gazaria vorstand. Einen Bes griff von dem Betrag des Genuesischen Handels geben jedoch Thatsachen wie die, daß 1379 eine einzige Galeere eine Ladung von 150000 Dus caten an Werth trug. Von Pisa erfahren wir zwar wohl daß der Handel mit Africa und Sicilien dem mit der Levante gleich kam, oder ihn sogar überwog, aber nichts Näheres über

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