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Bestimmung einer speciellen Minimalfläche.

Eine von der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin am 4. Juli 1867 gekrönte Preisschrift. Nebst einem Nachtrage und einem Anhange.

Die physikalisch-mathematische Klasse der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften hat für das Jahr 1867 folgende mathematische Preisfrage gestellt:

„Es soll irgend ein bedeutendes Problem, dessen Gegenstand „der Algebra, der Zahlentheorie, Integral-Rechnung, Geometrie, „Mechanik und mathematischen Physik angehören kann, mit Hülfe „der elliptischen oder der Abelschen Transcendenten vollständig gelöst werden."

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einer, wie der Verfasser glaubt, nicht ganz unwichtigen Aufgabe, welche der Forderung der Akademie insofern wenigstens entspricht, als deren vollständige Lösung mit Hülfe der elliptischen Functionen erhalten wird.

Bei dem Versuche, durch ein von vier geraden Strecken gebildetes Vierseit die kleinste Fläche zu legen, ergibt sich, dass diese Aufgabe in gewissem Sinne vollständig gelöst werden kann, wenn dieses Vierseit eine durch zwei gegenüberliegende Ecken gehende Symmetrie-Ebene besitzt.

Werden die vier Seiten dieses Vierseits gleich lang angenommen, und jeder der vier Winkel als 60°, eine Annahme, welche der Untersuchung sich zuerst darbietet und in gewissem Sinne als einfachste und nächstliegende Specialisirung der allgemeinen Aufgabe angesehen werden kann von welchem Gesichtspunkte aus wird sich in der Folge herausstellen, so ergibt sich, dass in diesem Falle nicht nur die Coordinaten eines Punktes der Minimalfläche sich durch elliptische Integrale ausdrücken lassen, deren obere Grenzen einfache

algebraische Functionen zweier unabhängigen Variabeln sind, sondern dass auch die analytische Gleichung der Fläche selbst sich durch elliptische Functionen der Coordinaten rational ausdrücken lässt.

Der vorliegende Fall scheint einer der ersten zu sein, in welchem Betrachtungen, die von einer gegebenen Begrenzungslinie ausgehen, in Verbindung mit der Theorie der elliptischen Functionen zu einer analytischen Gleichung der durch diese Begrenzungslinie gehenden Minimalfläche führen.

Dieser Umstand ermuthigte den Verfasser, veranlasst durch die für das Jahr 1867 gestellte mathematische Preisfrage, die nachstehende Arbeit der Königlichen Akademie vorzulegen.

Der erste Theil derselben beschäftigt sich

mit der Untersuchung einer Minimalfläche, welche durch vier Kanten eines räumlichen Vierseits geht, innerhalb desselben einfach zusammenhängt und keinen singulären Punkt besitzt,

ferner

mit der Integration der durch die vorangegangene Untersuchung sich ergebenden Differentialgleichung für den angegebenen einfachsten Fall.

Der zweite Theil enthält

die Anwendung der Theorie der elliptischen Functionen auf diesen speciellen Fall, sowie einige besondere Untersuchungen, zu welchen derselbe Veranlassung gibt und durch welche die Lösung der Aufgabe zu einem gewissen Abschlusse gebracht wird. Der ganzen Untersuchung werden zu Grunde gelegt die für die Theorie der Minimalflächen fundamentalen Entwickelungen, welche Herr Weierstrass in dem Monatsbericht der Akademie vom October 1866 veröffentlicht hat. Die in dem ersten Theile dieser Mittheilung [S. 612-625], welcher bis jetzt allein vorliegt, enthaltenen Sätze werden im Folgenden als bekannt vorausgesetzt und wird durch Angabe der Seitenzahl auf dieselben verwiesen werden.

Erster Theil.

Es sei ein von vier geraden Strecken gebildetes räumliches Vierseit ABCD gegeben, welches eine durch die Ecken A und C gehende Symmetrie-Ebene besitzt. Durch dasselbe sei eine Minimalfläche gelegt.

Es wird angenommen, das gegebene Vierseit begrenze auf dieser Fläche ein in seinem Innern von singulären Stellen freies, einfach zusammenhängendes Stück derselben, welches mit M bezeichnet werden möge. Ferner wird angenommen, dass bei der getroffenen Voraussetzung über die Gestalt des gegebenen Vierseits die Symmetrie-Ebene der Begrenzungslinie von M zugleich eine Symmetrie - Ebene des Flächenstücks M selbst sei. 1) *)

Dieses vorausgesetzt, denke man sich das betrachtete Flächenstück M in den kleinsten Theilen ähnlich abgebildet auf eine Halbebene u, in der die imaginären Theile der complexen Grösse u positiv sind (Fig. 1.), so dass der Umgrenzungslinie der Fläche in der Ebene die Axe des Reellen entspricht. [A. a. O. S. 612.]

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Diese Halbebene möge die obere heissen und der geometrische Ort der Grösse u sein; die andere, untere Halbebene sei der geometrische Ort der zu u conjugirten complexen Grösse u1.

Die vier Punkte, welche den Ecken A, B, C, D der Fläche entsprechen, seien u11), u(2), U(3), U4. Liegen dieselben alle vier im Endlichen, so entspricht der unendlich entfernte Punkt der Halbebene u einem Punkte der Fläche, in welchem sie den Charakter einer algebraischen Fläche hat; derselbe ist dann im engeren Sinne kein singulärer.

*) Diese Nummern beziehen sich auf die in dem Anhange zu dieser Abhandlung enthaltenen mit denselben Nummern bezeichneten Anmerkungen.

v =

Wird die Halbebene u durch die rationale Function ersten Grades

(1)

น-น น—น (3) abgebildet, so entsprechen den Punkten die Punkte v = 0, V, 0, V. (Fig. 2.)

auf eine Halbebene v in den kleinsten Theilen ähnlich

Fig. 2.

uu uu u beziehlich (9), U(4)

(1)7

(9)7

Es ist zu erwarten, dass bei

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dieser Abbildung der Durchschnittslinie der Minimalfläche mit ihrer Symmetrie-Ebene eine durch den Punkt 0 gehende, auf der Axe v = des Reellen senkrechte Gerade entsprechen wird, während je zwei Punkten der Fläche, welche in Bezug auf die Symmetrie-Ebene symmetrisch sind, in der Abbildung zwei Punkte entsprechen, welche in Bezug auf diese Gerade symmetrisch sind. Es wird daher angenommen, dass die vier singulären Punkte eine solche gegenseitige Lage haben, dass - ist, oder dass

)

=

(2)

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Die Formeln des Herrn Weierstrass sind nun [a. a. O. S. 616]

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wo mit u, irgend ein bestimmter Punkt der oberen Halbebene bezeichnet ist, welchem der Punkt x, y, z, der Fläche entspricht, und wo der vorgesetzte Buchstabe R andeutet, dass nur der reelle Theil der folgenden Function genommen werden soll.

Es mögen diese Formeln folgendermassen geschrieben werden:

x = x ̧+‡ƒ (G2(u) — H3 (u)) du + } ƒ (G; (n,) − H; (u,)) du,,

u (0)

U1(3)

y = Y + } fi(G*(u)+H* (u)) du — § ƒ i (G; (u,) + H; (u,)) du,,

2 =

worin u,, u

1(0) 7

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U (0)

U1(0)

2 G (u) H (u) du + † f 2G, (u,) H ̧ (u,) du,,

U1(0)

G,(u,), H(u,) die conjugirten Werthe zu

u, u, G(u), H(u) bezeichnen. Die Veränderlichkeit von

(0)

u ist auf die obere, diejenige von u, auf die untere Halbebene beschränkt.

Die Functionen G(u), H(u), G1(u,), H1(u,) haben für alle Werthe ihrer Argumente den Charakter ganzer rationalen Functionen, mit Ausnahme der Werthe u, u, ug und u U (2), U(3)

(1)

Es ist nun die Bedingung aufzustellen, welcher diese Functionen genügen müssen, damit den Strecken u U(3), U(3)

...

(1)

...

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U(2) U(2)

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und u u der Axe des Reellen auf der Fläche gerade Linien entsprechen, welche sich unter den vorgeschriebenen Winkeln an einander anschliessen.

Die Axe des Reellen gehört sowohl zu dem Gebiete von u als zu dem von u1, auf derselben ist u, = u und du, = du.

[blocks in formation]

Die Cosinus der Winkel, welche die der Strecke u u2, entsprechende Seite AB des gegebenen Vierseits mit den Coordinatenaxen bildet, seien a, ß, y; das Linienelement der Fläche werde mit dl bezeichnet, so müssen, wenn der Grösse u nur solche Werthe beigelegt werden, welche der Strecke uu, angehören, und u, = u, du gesetzt wird, die Gleichungen bestehen

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