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Doch

Unvollkommenheiten der geliebten Person muß man vortheilhafte Namen geben. Hiezu hilft die Gewohnheit nicht wenig, welche oft die Augen so verblendet daß sie wirkliche Fehler für Schönheiten ansehen. — — wie eigensinnig, wie wunderlich ist das Gemüth eines Frauenzimmers ! Wie oft wenn man sich ihrem Besize am nächsten geglaubt hat, sieht man fich am entferntesten davon! Diesen kleinen Wiederwärtigkeiten zu begegnen, dahin zielen die leßten Lehren des Dichters. Man seße dem Eigenfinne der Geliebten Gefälligkeiten entgegen. Man bekenne, daß man Unrecht habe; dieses ist allezeit das sicherste Mittel mehr als Vergebung zu erlangen. Verliebte, die sich wieder vertragen, lieben sich allezeit zärtlicher, als sie sich vorher geliebt haben; „und wenn ja bey der Geliebten „Skrupel übrig blieben; sizen ja noch Wolken des Mißtrauens auf ihrer „Stirne, und leset ihr in ihren Augen, daß ihr unruhiges Herz befürchtet „nicht geliebt zu werden; so schwöret ihr, daß eure Seele sie anbete, und „wiederholt diesen Schwur hundertmal; beneßt ihre Hände mit Thränen, „erhebet ihre Reiße, fallet ihr zu Fusse, rufet den Tod an. Wo ist das „grausame Herz das hierdurch nicht sollte gerührt werden?" Die Geliebte sucht die Verzweifelung zu stillen, durch längstgewünschte Gunstbezeigungen. Hier kömmt es drauf an, die Zeit sie einzuernten zu beobachten. Oft wird man in den süsfesten Augenblicken gestört, und alsdenn muß der Liebhaber sein Spiel zu verstecken wissen. - Der Dichter hat bisher den Verliebten nur kleine Schreckbilder gewiesen; jezt aber zeigt er ihnen ein wirkliches. Der geliebte Gegenstand wird krank. Hier hat die Liebe ihre stärkste Probe abzulegen; für die sie aber nur allzusehr belohnt wird, wann die Kranke wieder hergestellt wird. Frühlings, welche sie auf das Land ladet?

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Folgt sie der Stimme des
Folget ihr dahin; da ist es,

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wo euch die Liebe den schönsten Triumph vorbehält; da untersteht man sich alles, da erhält man alles. Muse, hier hemme deinen Lauf, und wag es nicht mit einem allzukühnen Blicke in das Heiligthum zu „dringen, wo das Opfer erblasset, und die Liebe es betrachtet. Dieses „Geheimniß verlangt die tiefste Verschwiegenheit. Laß auf deiner Stirne, „Muse, die Anmuth und Schamhaftigkeit verschwistert prangen; fliege in „den Himmel zurück; dein Weg ist vollendet. — Liebe, du lehrest mich deinen Dienst, und deine Geheimnisse, die du in meinen Liedern „niedergelegt hast. Deine unsterblichen Myrten umkränzen meinen Früh„ling, ich fang dein Gefeß der Welt, und hatte noch nicht zwanzig Jahre."

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Hiermit endet der Dichter seine Kunst zu lieben. Zum Schlusse des Werks findet man noch ein Gedichte über den Tod seiner Zulni, die er in dem ersten Gesange als seine Muse angeruffen hat. Dieses Gedichte ist ungemein zärtlich, und vielleicht ist mehr Empfindung darinne, als in allen sechs vorhergehenden Gefängen; wovon wir dem Leser das Urtheil überlassen wollen, da wir ihn gnugsam in den Stand gesezt haben, es fällen zu können.

Der Tanzbär. [f. Band I, S. 130.]

Der Adler und die Eule. [s. Band I, S. 129.]
Mordan. [f. Band I, S. 160.]

Monat November 1751.

Die Religion. [f. Band I, S. 218 u. f.]

Monat December 1751.

Der Herrmann und der Nimrod würden in diesen Blättern keinen Platz gefunden haben, wenn sie nicht der unbekannte Verfaffer folgendes Schreibens seiner Aufmerksamkeit und Gedult gewürdiget hätte.

Mein Herr.

Sie sind sehr unachtsam auf die merkwürdigsten Begebenheiten im Reiche des Wizes. Sie haben Ihren Lesern noch gar nichts von den neuen Lichtern erzählet, welche diesem Reiche in der leztverwichenen Michaelsmesse aufgegangen sind. Haben Sie denn den Herrmann und den Nimrod noch nicht gelesen? Oder haben Sie denn nicht wenigstens die Vorrede des Vormunds des guten Geschmacks in Deutschland durchgelaufen, welche derselbe dem erstern vorgesetzet hat? Da würden Sie gefunden haben, daß es nunmehr mit dem Deutschen Wiße aufs höchste gekommen ist, und daß, wenn die Ausländer auch zehn Henriaden aufzuweisen hätten, wir Deutsche ihnen doch nunmehr beherzt unter die Augen treten, und ihnen dieses Heldengedicht selbst zum Muster ihrer künftigen Werke dieser Art vorlegen könnten. Warum haben Sie denn Deutschland zu diesem längst vergebens gewünschten Zeitpunct noch nicht Glück gewünscht? Ich will doch nimmermehr hoffen, daß Sie ein Franzose sind, welcher vor allen Meisterstücken des Deutschen Wißes Augen und Ohren verschließet, um nur das bisgen Ehre seiner wißigen Landsleute noch in Ansehen zu erhalten. Da wir längst den Ausländern in allen Arten von Gedichten Troß biethen konnten, so fehlte es uns nur

noch an einem Heldengedichte; und siehe, das haben wir nun, Gottlob ! an dem Herrmann, wie der Titel desselben klärlich ausweiset. Kommen Sie mir ja nicht mit dem Meßias, und sagen Sie etwan, daß dieses auch ein Heldengedicht sey. In der Schweiz und in derselben incorporirten Landen kann er allenfalls dafür gelten: aber in Deutschland hat er das Diploma noch nicht erhalten; und ist es, zu dessen Beweise nicht genug, daß ihn noch kein G... dafür erkennet? Siehe den Wurmsaamen, den ersten Gesang. Es ist also gewiß, daß nunmehr der leere Raum in der Deutschen Dichtkunst durch diejenige hochfrehherrliche Feder glücklich ausgefüllet worden, welche uns den Herrmann in den so natürlich fließenden trochäischen Versen, in 12 Büchern, wie Virgil seine Aeneis, geliefert hat.

Aber zu gleicher Zeit erschien auch noch ein anderes Heldengedicht, der Nimrod des Herrn Naumann welcher schon über 10 Jahr auf die Presse gewartet hatte. Welch ein Reichthum eines poetischen Wißes wird nicht dazu erfordert, von einem Helden, von welchem uns alle Geschichte weiter nichts erzählet, als daß er ein gewaltiger Jäger vor dem Herrn gewesen, ein Heldengedicht von ganzen 24 Büchern zu schreiben! Zu was für schönen Episoden hat nicht dieser Mangel in der Geschichte dem Dichter Gelegenheit gegeben, welcher die Aufmerksamkeit des Lesers bald mit einem todten und wieder auferweckten Pferde, bald mit dem noch vor der Sündflut im Gebrauch gewesenen groben Geschüß, bald von dem Taubenschlage eines glückseligen Schäfers, bald von der Capelle des Nimrod, bald von dessen Hofnarren, welcher seinen hölzernen Säbel auf der rechten Seite stecken hat, und mit tausend andern belustigenden Erdichtungen, unterhält! Der Dichter hat seinem Wiße völlig den Lauf ge= lassen, und sich mit den Reimen nicht abgegeben, sondern Hexameters ohne Füße erwählet, an welche er sich aber auch nicht so genau gebunden, daß er nicht öfters Octameters und Pentameters hätte sollen mit unterlaufen lassen. Ich schäme mich, mein Herr, daß ich Ihnen Neuigkeiten aus dem Reiche des Wizzes erzählen soll, welche Sie Ihren Lesern zuerst hätten erzählen sollen.

Dahin gehöret auch die neueste und leßte Ausgabe der critischen Dichtkunst des berühmten Hrn. Prof. Gottscheds. Ja, mein Herr, dieses ist die allerlette Ausgabe, oder vielmehr die leßte Umgießung derselben. Herr Gottsched hat dieses selbst feyerlich versichert. Er hatte in

den bisherigen Ausgaben so vieles weggenommen, hinzu geseßt und verändert, und doch wuste er selbst nicht, woran es doch liegen müßte, daß fie noch nicht für vollkommen erkannt werden wollte. Endlich befann er sich, daß es in derselben noch an Anweisungen zu Sechstinnen, Ringelreimen, Madrigalen, und andern dergleichen poetischen Marcipanen, fehlte. Diesen Mangel nun hat er in dieser neuen Ausgabe sorgfältig ersetzt, und dadurch alles geleistet, was man noch von einer Gottschedischen Dichtkunst verlangen konnte. Ich bin 2c.

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Bey den ißigen Lustbarkeiten, an welchen das Theater den meisten Theil nimmt, wird es nicht unrecht seyn, dem Leser einige theatralische Anekdoten aus Paris zu erzählen.

Pechantre hatte in einem Wirthshause auf dem Tische einen Zettel liegen lassen, auf welchem einige Ziffern und über denselben die Worte stunden: Hier soll der König ermordet werden. Der Wirth, welcher sich schon über die Mienen und über die Zerstreuung dieses Poeten Gedanken gemacht hatte, hielt es für seine Schuldigkeit, diesen Zettel zu dem Quartiercommissar zu tragen, welcher ihm sagte, er solle, wenn der Unbekannte wieder zu ihm zu Tische käme, ihm ja davon Nachricht geben. Bechantre kam wirklich einige Tage darauf wieder, und kaum hatte er angefangen zu effen, so sah er sich mit einer Menge Häscher umgeben. Der Commissar zeigte ihm sein Pappier, um ihn von seinem Verbrechen zu überführen. Ach! mein Herr, sagte der Poet, wie froh bin ich, daß ich meinen Zettel wieder habe! Ich suche ihn schon etliche Tage. Das ist der Auftritt, in welchen ich den Tod des Nero in einem Trauerspiele, an welchem ich arbeite, bringen will. Der Commissar schichte seine Häscher wieder nach Hause, und einige Zeit darauf ließ Pechantre sein Trauerspiel aufführen.

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Der Comödiant Montfleury griff sich einmal so an, da er in der Andromacha die Wut des Orestes vorstellte, daß er krank ward und starb. So hatte auch die Mariamne des Tristan dem Mondory den Tod verursachet. Daher pflegte man zu sagen, daß künftig kein Poet mehr seyn würde, welcher nicht würde die Ehre haben wollen, in seinem Leben einen Comödianten ums Leben zu bringen.

Timokrates, das Trauerspiel des Thomas Corneille, ward 80 mal

hintereinander vor einer großen Menge Zuschauer aufgeführet, welche es beständig wieder gespielet haben wollten. Die Comödianten wurden müde, es zu spielen. Einer von ihnen trat einmal vorn vor auf dem Theater und sagte: Meine Herren, Sie werden nicht müde, den Timokrates zu sehen: wir aber find müde, ihn zu spielen. Wir befürchten, wir werden unsere andern Stücke vergessen. Lassen Sie ihn uns doch nicht mehr spielen! Hierauf ward er nicht mehr wiederholet, und auch niemals wieder gespielet.

La Fontaine war bey der ersten Vorstellung seiner Oper Asträa in einer Loge hinter einigen Damen, welche ihn nicht kannten. Fast bey allen Stellen schrie er: Das ist abscheulich! Die Damen wurden müde, immer einerley zu hören, und sagten zu ihm: Mein Herr, das ist nicht so schlecht. Der Verfasser ist ein wißiger Kopf. Es ist der Herr de la Fontaine. Ach! meine Damen, verseßte er, ohne sich was merken zu lassen, das Stück taugt nichts. Dieser la Fontaine ist ein dummer Kerl.

Ich bin es.

Als Racine den Brunet sagen hörte: Meine Herren, das ist das Theater des Herrn Tancourt, erwiederte er: Sage vielmehr, sein Schaffot, sage vielmehr sein Schaffot!

Der Comödiant Chamesle starb, als er aus dem Kloster der Cordeliers kam, wo er zwey Seelenmessen, eine für seine Mutter und eine für seine Frau, hatte lesen lassen. Für diese zwey Messen gab er dem Küster 30 Sols, welcher ihm 10 wiedergeben wollte. Chamesle aber sagte zu ihm: Die dritte soll für mich, ich will sie eben hören gehen. Als er aus der Kirche ging, sette er sich auf eine Bank bey der Thür der Allianz, welches ein Wirthshaus neben dem Comödienhause ist, wo er ein wenig mit seinen Cameraden plauderte. Als er zu dem einen sagte: Wir wollen heute zu Mittage mit einander essen, starb er.

In der Fastenzeit 1721 ward das Trauerspiel des de la Mothe, die Maccabäer, aufgeführet. Bey der Vorstellung desselben war dieses etwas besonders, daß der alte Baron die Rolle eines Kindes, in der Kappe und in herabhangenden Kinderärmeln, vollkommen gut spielte, ob er gleich damals 70 Jahr alt war.

Der Gebrauch, allezeit ein Nachspiel nach den neuen Stücken aufzuführen, ist erst 1722 aufgekommen. Man spielte vor dieser Zeit die neuen Comödien allein, und begleitete sie erst, wenn sie 8 bis 10 mal waren vorgestellet worden, mit Nachspielen. Man glaubte alsdenn, daß das Stück anfinge, weniger zu gefallen. Diesen zuweilen ungegründeten Lessing, sämmtk. Werke. III.

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