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Vorurtheilen zuvorzukommen, ließ der Herr de la Mothe gleich bey der ersten Vorstellung seines Trauerspiels, Romulus, ein Nachspiel aufführen. Diesem Exempel haben hernach andere Comödienschreiber gefolgt, und sie wünschten alle, daß dieser Gebrauch möchte eingeführet werden: aber niemand wollte den Anfang machen, aus Furcht, es möchte den Zuschauern gleich bey der ersten Vorstellung ihrer Stücke ein übler Begrif von denselben gemacht werden.

Bis hieher die Anekdoten. Wir wollen denselben noch eine kurze Nachricht von dem Ursprunge des Französischen Theaters beyfügen.

Nichts ist ungewisser, als der Ursprung der Französischen Schauspiele und theatralischen Stücke, und man kann fast nicht anders, als muthmaßlich, davon reden. Man findet keine Spur davon in der ersten und zweyten Linie der Könige von Frankreich. Man weis nur, daß unter der dritten Linie derselben Constantia aus der Provence, Roberts Ge= malin, Gaukler und Pantomimen nach Paris kommen ließ. Hier muß man also die Epoche der ersten Parisischen Comödianten bestimmen, und doch kan man noch nichts zuverläßiges davon sagen. Man bekömmt hierinnen eher kein kläreres Licht, als unter der Regierung Carls V. oder zu Anfang der Regierung Carls VI.

Frankreich hat den Ursprung seiner dramatischen Gedichte der Andacht der Herren Paters zu danken. Der größte Nußen, welchen sie vielleicht in der Welt gestiftet haben. Wenn man den meisten Schriftstellern, welche hiervon Nachricht gegeben haben, glauben soll, so erwählten sie dazu die Geheimnisse ihrer Religion, die Jungfrau Maria und die Heiligen, und machten daraus den Gegenstand des Vergnügens und der Erbauung des Volks.

Man weis, daß unterschiedene Bürger in Paris, aus einer Art von Andacht, unter einander eine Gesellschaft zu Erbauung eines Theaters errichteten, um auf demselben Stücke von andächtigem Inhalte und besonders das Geheimniß des Leidens Christi, vorzustellen. Sie wählten hierzu die Vorstadt St. Maur diesseits Vincennes. Taselbst errichteten fie ein Theater und stellten auf demselben das Leiden Christi vor. Sie mußten anfangs einige Widersprüche von dem Prevot der Kaufleute erdulden: als sie aber vor dem Könige einige Stück, welche ihm gefielen, vorgestellet hatten, so ertheilte er ihnen im Jahr 1402 in einem Patent die Freyheit, sich ordentlich zu seßen. Diese Bürger, welche sich Brüder

des Leidens Christi nennten, errichteten ihr Theater auf dem Saal des Hospitals der Dreyeinigkeit, in der Straße St. Denis, worauf sie verschiedene Geheimnisse des alten und neuen Testaments und einige aus dem Leben der Heiligen vorstellten.

Dieses erste Theater behielt fast 150 Jahr eben dieselbe Einrichtung. Aber man ward endlich diese allzu ernsthaften Schauspiele überdrüßig. Auf die Geheimnisse folgten moralische Handlungen, auf die moralischen Handlungen lustige Stücke, auf die lustigen Stücke Narrenpossen, oder vielmehr man machte aus allem diesem halb ernsthafte, halb possierliche Stücke, an welchen sich das Publicum ärgerte. Man nahm ihnen ihr Theater, und das Haus zur Dreyeinigkeit ward wieder ein Hospital, welches es bey seiner Anlegung hatte seyn sollen.

Im Jahr 1548 verließ diese Gesellschaft diesen Ort, und da sie sich viel verdienet hatte, so kaufte sie den alten Pallast der Herzoge von Bourgogne, welcher nur noch in einem Mauerwerk bestund. Sie ließ daselbst einen Saal, ein Theater und die andern Gebäude bauen, welche man noch izo sieht! Das Parlament erlaubte ihr, sich daselbst zu setzen, doch mit der Bedingung, daß sie lauter weltliche, erlaubte und ehrbare Stück spielen sollte.

Die Brüder des Leidens Christi, welche Profession von der Gottseligkeit machten, konnten sich lange Zeit nicht zu weltlichen Stücken bequemen und 40 Jahre hernach, nämlich 1588, überließen sie ihr Theater zur Miethe einem Trupp Französischer Comödianten, welcher sich damals mit Erlaubniß des Königs zusammen that. Die Stücke, welche man damals spielte, waren schon ein wenig erträglicher, als die Stücke der Brüder des Leidens Christi. Der Geschmack ward allmählich mehr ausgebreitet und gereiniget. Die unter Ludwig XI. erfundene Buchdruckerkunst, und die unter Franciscus I. wieder hergestellten Wissenschaften hatten eine neue Laufbahn eröffnet. Die Bücher waren gemein geworden, man hatte. Sprachen gelernet, man übersette die Lust- und Trauerspiele der Alten; man wagte es so gar, aus diesen Schauspielen neue Französische zu machen. Etienne Jodelle von Paris ist der erste unter den Französischen Poeten, welcher Schauspiele in Französischer Sprache verfertiget hat. Die Neuigkeit dieser Schauspiele machte den meisten Ruhm dieses Poeten aus. Von dem Jodelle bis zu dem Robert Garnie war der Fortgang der dramatischen Werke in Frankreich nicht sehr merklich. Dieser lettere war aus

la Ferte Bernard in Maine gebürtig. Er bildete seinen Geschmack nach den Trauerspielen des Seneca. Er bemühte sich, diesen Dichter nachzuahmen, und es gelang ihm völlig. Von seiner Zeit an bis zum Alexander Hardy erlangte die dramatische Poesie eine neue Vollkommenheit. Dieser lebte zu Anfange des 17. Jahrhunderts und war aus Paris gebürtig. Vor dem Corneille hielt man ihn für den berühmtesten theatralischen Schriftsteller. Seine Arbeit ward ihm überaus leicht, und kein Poet hat eine so große Menge Trauerspiele gemacht, als er. Er lieferte den Comödianten jährlich auf 6 Trauerspiele: aber seine Verse sind rauh und seine Ausarbeitungen finster und ernsthaft. Von dem Hardy an bis zu dem Corneille ist die Veränderung des Französischen Theaters merklicher: aber Corneille und Moliere haben es zu derjenigen Größe erhoben, welche Racine und Regnard unterstüzet haben, und welche noch izo durch die Werke der Herren Crebillon, Voltaire, des Touches, la Chauffee und Boissy fortdauert.›

Johann Huarts Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften

Worinne er die verschiedenen Fähigkeiten die in den Menschen liegen zeigt. Einer jeden den Theil der Gelehrsamkeit bestimmt, der für sie eigentlich gehöret. Und endlich den Aeltern Anschläge ertheilt wie sie fähige und zu den Wissenschaften aufgelegte Söhne erhalten können.

Aus dem Spanischen übersezt von
Gotthold Ephraim Leßing.

1752.1

Vorrede des Ueberseßers.

Von den spanischen Gelehrten werden wenige unter uns so bekannt feyn als Johann Huart, nicht sowohl nach seiner Person, als nach seinem Werke dessen Uebersetzung wir hier liefern: denn in Ansehung jener trift der Ausspruch des Seneca, oder wenn man ihn lieber einem Franzosen zuschreiben will, des Herrn de la Bruyere, auch an ihm ein: viele kennt man und viele sollte man kennen. Unzählige Halbgelehrte haben sich mit ihren Geburtstägen und Sterbestunden, mit ihren Weibern und Kindern, mit ihren Schriften und Schriftchen in die Register der Unsterblichkeit eingeschlichen: nur einen Mann, der über die Grenzen seines Jahrhunderts hinaus dachte, der sich mit nichts gemeinem beschäftigte und kühn genug war neue Wege zu bahnen, findet man kaum dem Namen nach darinne, da doch die geringsten seiner Lebensumstände auf den und jenen Theil seines Werks ein sehr artiges Licht werfen könnten. Unterdessen können gleichwohl meine Leser mit Recht von mir verlangen, ihnen davon so viele mitzutheilen, als sich hier und da auftreiben lassen. Ich will es thun; man schreibe mir es aber nicht zu, wann sie nur allzutrocken und unzulänglich scheinen sollten.

Johann Huart wurde zu St. Jean Pie de Port, einer kleinen 1 ZERBST In der Zimmermannischen Buchhandlung. 1752.

Stadt in dem niedern Navarra, an dem Flüsse Neve, gebohren. Dieser Umstand ist gewiß, weil er sich selbst auf dem Titel seines Werks natural de sant Juan del pie del Puerto genennt hat. Seine Geburtszeit ist desto ungewisser; und Antonius in seiner spanischen Bibliothek weiß selbst nichts mehr zu sagen, als daß er um 1580 gelebet habe. Wer sie ein klein wenig näher wissen will, der begnüge sich mit folgender Muthmassung. Das Bücherschreiben, sagt er gleich im Anfange dieses Werks, follte man bis in dasjenige Alter versparen in welchem der Verstand alle diejenige Stärcke erlangt hat, deren er fähig ist. Er setzt dieses Alter zwischen das einunddreyßigste bis zum einundfunfzigsten Jahre. Wann man nun glaubt, wie man es mit größter Wahrscheinlichkeit glauben kann, der welcher diese Regel giebt, werde sie selbst beobachtet haben, so kann man, von dem Jahre 1566, in welchem er dieses sein einziges Werk zum erstenmale herausgegeben hat, zurückgerechnet, unmaßgeblich behaupten, daß er gegen das Jahr 1520 gebohren sey. Und wenn man sich auf die Umstände dieser Zeit und der vorhergehenden Jahre besinnt, so wird es nicht schwer fallen eine wahrscheinliche Muthmassung anzugeben, wie unser Huart als ein Spanier, ausser seinem Vaterlande, zu St. Jean Pie de Port, welches jezt der Krone Frankreich zustehet, damals aber zu dem Königreiche Navarra gehörte, sey gebohren worden. Wer weiß nämlich nicht, daß um das Jahr 1512 der König von Spanien Ferdinandus Katholicus den päbstlichen Bann an dem Könige Johannes Labretanus vollzogen und sich in den Besit des ganzen Königreichs Navarra sette? Wie leicht kann es also nicht seyn, daß die Aeltern unsers Huarts mit der spanischen Armee in diese Gegend kamen?

Daß er in Alcala de Henares studirt habe, ist aus dem einigermassen zu schliessen was er von dem Leichenredner des Antonius Nebrissensis er= zehlt; ob es gleich nach dem Jahre welches wir unterdessen für sein Geburtsjahr angenommen haben, nicht wohl möglich ist, daß er selbst könne dabey gewesen seyn, indem Antonius schon 1522 gestorben ist. Er mag nun aber hier oder in Salamanca studirt haben, so ist es doch gewiß, daß er sich besonders der Arzneykunft gewidmet und in dieser Facultät die Würde eines Doctors angenommen hat. Er hat hierauf practicirt, und sich größten Theils in Madrid aufgehalten, wo er ohne Zweifel auch ge= storben ist. Von der Zeit seines Todes aber weiß ich nichts als daß er um das Jahr 1590 nicht mehr gelebt hat.

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