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unterscheiden. Die ganze Sache ist eine Kleinigkeit. In Ansehung der Erfindung, glaube ich, werden sie größtentheils neu seyn, und ich will es andern überlassen, dasjenige noch besser zu erzehlen, was hundert andere schon gut erzehlt haben. Was wird man aber von dem Ausdrucke sagen? Ich hätte der Art des nur gedachten französischen Dichters folgen müssen, wann ich die Mode hätte mitmachen wollen. Allein ich fand, daß unzählige, weil sie ihm ohne Geschicklichkeit nachgeahmet haben, so Läppisch geworden sind, daß man sie eher für alte Weiber, als für Sittenlehrer halten könnte; ich sahe, daß es nur einem Gellert gegeben fey, in seine Fußtapfen glücklich zu treten. Ich band mich also lieber an nichts; und schrieb sie so auf, wie es mir jedesmal am besten gefiel. Daher kommt es, daß einige niedrig genug sind; andere aber ein wenig zu poetisch. Daher kommt es so gar, daß ich verschiedene lieber in Prosa habe erzehlen wollen, als in Versen, zu welchen ich vielleicht damals nicht aufgelegt war.

Ich komme auf die Sinngedichte. Ich habe hierinne keinen andern Lehrmeister als den Martial gehabt, und erkenne auch keinen andern, es müßten denn die feyn, die er für die feinigen erkannt hat, und von welchen uns die Anthologie einen so vortreflichen Schatz derselben aufbehalten. Aus ihm also und aus dieser Sammlung, wird man verschiedene übersetzt, und sehr viele nachgeahmt finden. Daß ich zu beißend und zu frey darinne bin, wird man mir wohl nicht vorwerfen können; ob. ich gleich beynahe in der Meinung stehe, daß man beydes in Sinnschriften nicht genug seyn kann. Ich habe bey den wenigsten gewisse Personen im Sinne gehabt, und ich verbitte also im voraus alle Erklärungen.

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Den Schluß in dem ersten Theile machen Fragmente; solche Stücke nehmlich die ich entweder nicht ganz zu Stande gebracht habe, oder die ich dem Leser nicht ganz mitzutheilen für gut befinde. Ich hätte sie also wohl ganz und gar zurück behalten können? Vielleicht; und es kömmt darauf an, ob man nicht etwas darunter findet, welches gleichwohl der Erhaltung nicht unwerth ist.

Anfangs war ich willens einige kleine Stücke durch ein Zeichen merklich zu machen. Diejenigen nehmlich, die ich mir nicht ganz zuschreiben kann, und wovon ich die Anlage aus dem oder jenem französischen Dichter geborgt zu haben, mir nicht verbergen kann. Doch da dieser Zeichen nur sehr wenige geworden wären, und ich aufferdem überlegte, daß es dem

Leser fehr gleichgültig sey, wem er eigentlich einen Einfall zu danken hat, wenn der Einfall ihm nur Vergnügen macht; so habe ich es gar unterlaffen. Ich werde ohnedem der Gefahr nicht ausgesetzt seyn, daß man auch aus meinen Poesien, zur Ehre des deutschen Wißes, Proben ins Französische überfezt, und zum Unglück gleich auf solche fällt, die von einem Franzosen- entlehnt. sind.

Der zweyte Theil enthält Briefe. Man wird ohne Zweifel galante Briefe vermuthen. Allein ich muß bekennen, daß ich noch bis jezt keine Gelegenheit gehabt habe, dergleichen zu schreiben. Mir Correspondentinnen zu erdichten, und an Schönheiten zu schreiben, die nicht eristiren, schien mir in Prosa ein wenig zu poetisch zu seyn. Es sind also nichts als Briefe an Freunde, und zwar an solche, an die ich etwas mehr als Complimente zu schreiben gewohnt. bin. Ich schmeichle mir so gar, daß in den meisten etwas enthalten ist, was die Mühe sie zu lesen belohnt. Wenn man an Freunde schreibt, so schreibt man ohne ängstlichen Zwang, und ohne Zurückhaltung. Beydes wird man auch in meinen Briefen finden, und ich will lieber, ein wenig nachläßig und frey scheinen, als ihnen diese Merkmahle abwischen, welche sie von erdichteten Briefen unterscheiden müssen. Ich habe ihrer einen ziemlichen Vorrath, und die welche ich hier ohne Wahl, so wie sie mir in die Hände gerathen, mitgetheilt, sind die wenigsten. Es wird mir angenehm seyn, wenn meine Freunde nicht die einzigen sind, die etwas darinne zu finden glauben.

Ich habe gesagt, daß diese beyden Theile nichts als Kundschafter sind. Einige ernsthafte Abhandlungen, und verschiedene größre Poesien, wozu ich die dramatischen Stücke vornehmlich rechne, möchten ihnen gerne folgen. Unter den letzten sind einige, welche schon die Probe der öffentlichen Vorstellung ausgehalten, und wenn ich sie selbst rühmen darf, auch Beyfall gefunden haben. Die Probe des Drucks ist die letzte und wichtigste.

Ich kann hier meine Vorrede beschliessen, und muß den Leser um Verzeihung bitten, daß ich von nichts als von mir geredet habe.

Briefe.

Aperto pectore officia pura miscemus. Nihil in conscientia latet, quod scriptorum cuniculis occulatur. Symmachus.

1753.

Erster Brief.

An den Herrn P.

Schon seit vierzehn Tagen hätte ich Ihnen ihre Handschrift von den unglücklichen Dichtern wieder zurück schicken können, weil ich sie gleich in den ersten Abenden durchgelesen hatte. Allein ich glaubte diese Eilfertigkeit würde nicht gelehrt genug lassen, wenigstens nicht freundschaftlich genug. Denn nicht wahr, entweder Sie hätten gedacht: nun wahrhaftig der muß sehr viel müßige Stunden haben, daß er sich so gleich hat darüber machen können! oder: ja, in der kurzen Zeit mag er auch viel gelesen haben; über alles läuft er doch weg, wie der Hahn über die Kohlen! Die eine Vermuthung sowohl als die andre war mir ungelegen; mir, der ich so gerne immer beschäftiget scheinen will; mir, der ich auf nichts aufmerksamer bin, als auf die Geburthen meiner Freunde. Ich würde also ganz gewiß ihr Werk wenigstens noch acht Tage auf meinem Tische haben rasten lassen; doch Sie fordern es selbst zurück, und hier ist es. Nun? aber ohne Beurtheilung, werden Sie sagen? Als wenn Sie es nicht schon wüßten, daß ich durchaus über nichts urtheilen will. Wollen Sie aber mit so etwas zufrieden seyn, das aufs höchste einer Meinung ähnlich sieht, so bin ich zu ihren Diensten. Sie zeigen eine sehr weit= läuftige Belesenheit, die ich sehr hoch schäße, nicht viel Mühe gekostet hat, sie zu zeigen. die unglücklichen Dichter aufgetrieben haben! Was für tragische Scenen ziehen Sie ihren Lesern auf! Hier sißt einer in einer ewigen Finsterniß, und sieht das Licht nicht, welches gleich ihm alles belebet; dort

wenn es Ihnen anders Gott weis, wo Sie alle

schmachtet einer auf einem Lager, das er seit Jahren nicht verlassen. Jener stirbt, fern von seinem Vaterlande und seinen Freunden, unter Barbaren, zu welchen ihn die Empfindlichkeit eines Groffen verwiesen; dieser in seiner Vaterstadt, mitten unter den Bewundrern seiner Muse, im Hospitale. Dort sehe ich einen welche Erniedrigung für euch ihr Musen! am Galgen; und hier einen, gegen welches der Galgen noch ein Kinderspiel ist, mit einem Teufel vom Weibe verheyrathet. Die moralischen Züge welche Sie mit unterstreuen sind gut; ich hätte aber gewünscht, daß sie häufiger wären, daß sie aus ihren Erzehlungen ungezwungener flöfsen, und in einem minder schulmäßigen Tone dahertönten. Auch das gefällt mir nicht, daß Sie keine Klassen unter den unglücklichen Dichtern machen. Diejenigen, welche so zu reden die Natur unglücklich gemacht hat, als die Blinden, gehören eigentlich gar nicht darunter, weil sie unglücklich würden gewesen seyn, wenn sie auch keine Dichter geworden wären. Andre haben ihre übeln Eigenschaften unglücklich gemacht, und auch diese sind nicht als unglückliche Dichter, sondern als Bösewichter, oder wenigstens als Thoren anzusehen. Die einzigen, die diesen Namen verdienen, sind diejenigen, welche eine unschuldige Ausübung der Dichtunst, oder eine allzueifrige Beschäftigung mit derselben, die uns gemeiniglich zu allen andern Verrichtungen ungeschickt läßt, ihr Glück zu machen verhindert hat. Und in diesem Verstande ist ihre Anzahl sehr klein. Ia sie wird noch kleiner, wenn man ihr vorgebliches Unglück in der Nähe mit gesunden Augen, und nicht in einer ungewissen Ferne, durch das Vergrösserungsglas ihrer eigenen mit allen Figuren angefüllten Klagen betrachtet. Ist es nicht ärgerlich, wenn man einen Saint Amant, einen Neukirch, einen Günther so bitter, so ausschweifend, so verzweifelnd über ihre, in Vergleichung andrer, noch sehr erträgliche Armuth wimmern hört? Und sie, die Armuth, ist sie denn etwa nur das Schicksal der Dichter und nicht viel mehr auch aller andern Gelehrten? So viel Sie mir arme Dichter nennen können, eben so viel will ich Ihnen arme Weltweise, arme Aerzte, arine Sternkundige 2c. nennen. Aus diesem Gesichtspunkte also, mein Herr, betrachten Sie, wann ich Ihnen rathen soll, ihre Materie etwas aufmerksamer, und vielleicht finden Sie zuleht, daß Sie ganz unrecht gethan haben, ich weis nicht was für einen gewissen Stern zu erdichten, der sich ein Vergnügen daraus macht, die Säuglinge der Musen zu tyrannisiren. Sind Sie meiner

Erinnerungen bald satt? Doch, noch eine.

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Ich finde, daß Sie in ihrem Verzeichniß einen Mann ausgelassen haben, der vor zwanzig andern eine Stelle darinne verdienet; den armen Simon Lemnius.. Sie kennen ihn doch wohl? Ich bin 2c.

Zweyter Brief.

An ebendenselben.

Wahrhaftig, ich bewundre Sie! Ein Beywort, an dessen Nachdruck ich nicht einmal gedacht hatte, legen Sie mir in allem Ernste zur Last? Ich fürchte, ich fürchte, wir werden über den armen Simon Lemnius in einen kleinen Zank gerathen. Und da sehen Sie es, daß ich das Herz habe, ihn noch einmahl so zu nennen, ob Sie ihn gleich den verleumderischen, den boshaften, den meineidigen, den unzüchtigen heissen. Aber sagen Sie mir doch, geben Sie ihm diese Benennungen, weil Sie seine Aufführung untersucht haben, oder weil sie ihm von andern gegeben werden? Ich befürchte das lettere, und muß also den armen Lemnius gedoppelt beklagen. War es nicht genug, daß ihn Lutherus verfolgte, und muß sein Andenken auch noch von der Nachwelt befeindet werden? Aber Sie erstaunen; Lutherus und verfolgen, scheinen Ihnen zwey Begriffe zu seyn, die sich widersprechen. Geduld! Wann Sie wollen, so will ich Ihnen alles erzählen; und alsdann urtheilen Sie. Vorher aber muß ich Sie um alles was heilig ist bitten, mich nicht für einen elenden Feind eines der größten Männer, die jemals die Welt gesehen hat, zu halten. Lutherus stehet bey mir in einer solchen Verehrung, daß es mir, alles wohl überlegt, recht lieb ist, einige kleine Mängel an ihm entdeckt zu haben, weil ich in der That der Gefahr sonst nahe war, ihn zu vergöttern. Die Spuren der Menschheit, die ich an ihm finde, sind mir so kostbar, als die blendendste seiner Vollkommenheiten. Sie sind so gar für mich lehrreicher, als alle diese zusammen genommen; und ich werde mir ein Verdienst daraus machen, sie Ihnen zu zeigen. 1 — — Zur

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[1 So muß der sprechen, der aus Ueberzeugung und nicht aus Heucheley lobt. Aus dieser leztern Quelle sind, leider ein großer Theil der uneingeschränkten Lobsprüche geflossen, die Luthern von unsern Theologen beygelegt werden.

Denn loben ihn nicht auch diejenigen, deren ganzen, losem Geiße und Ehrgeize man es nur allzuwohl anmerkt, daß sie im Grunde ihres Herzens, nichts weniger als mit Luthern zufrieden sind? die ihn heimlich verwünschen, daß er sich auf Unkosten seiner Amtsbrüder groß gemacht, daß er die Gewalt und den Reichthum der Kirche den Regenten in die Hände gespielt,

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