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Manuscripte dieses Stück dem Plautus zueignen, so haben doch die Kunstrichter erwiesen, daß es weit neuer, und ungefähr zu den Zeiten des Theodosius des jüngern geschrieben sey.

Dieses haben wir vor diesesmal von dem Leben und Schriften des Plautus anführen wollen. Wir werden schon noch öftrer Gelegenheit haben, von ihm zu reden, wo wir dasjenige, was wir etwa noch übergangen haben, nachholen werden.

1

[I.] 1

Die Gefangnen,

ein Lustspiel.

Aus dem Lateinischen des M. Accius Plautus überseßt.

Vorbericht des Nebersegers.

Wir halten hiermit unser Versprechen, und scheuen uns nicht, noch einmal zu behaupten, daß die Gefangnen des Plautus mit eines von den schönsten Stücken sind, die jemals auf den Schauplatz gekommen sind. Johann Douza, ein Mann, der sich in seinen Anmerkungen über den Plautus als einen wahren Kenner komischer Schönheiten gezeigt hat, spricht: Quotiescunque manum Plauti Captivis iniectare libet, me sibi prorsus consimilem, hoc est captivum reddunt, eadem opinor ratione qua olim Graecia capta ferum victorem cepit, et sic ut iis ultro vinciendum me praebeam, faveamque ipse servituti meae: neque adeo si liceat aufugere velim: ita isthaec nimis lenta (ut meo more Plautissem) vincla sunt literaria. Quo magis intendas, tanto adstringunt arctius etc. Wir könnten noch mehr solche Urtheile anführen, wenn wir den Leser nicht lieber selbst wollten urtheilen lassen. Dieser Vorbericht ist auch zu nichts bestimmt, als nur etwas weniges von unserer Uebersetzung zu gedenken. Wir haben uns bestrebet, sie so einzurichten,

1 Zweytes Stück.

daß sich Plautus darinne ähnlich bleiben möge. Wir haben genau, übersezt, wo es möglich gewesen ist; wir sind von dem Originale abgegangen, wo es der natürliche und komische Ausdruck der Gedanken, oder unübersetzliche Wortspiele nothwendig erforderten. Mit den lettern würden unsere feinern Kunstrichter vielleicht etwas tyrannischer umgegangen seyn, als wir es zu thun gewagt haben. Sie würden sie mit einer verächtlichen Miene übergangen, und uns dafür mit einigen von ihren ausgesuchten und zärtlichen Wendungen beschenkt haben, die eben so weit von dem Komischen entfernt sind, als des Plautus Spielwerke nimmermehr von dem wahren Wiße. Sie werden uns mit Erbarmung ansehn, daß wir uns Mühe genommen haben, die Wortspiele theils durch ähnliche Wortspiele zu überseßen, theils in die Anmerkungen zu bringen, daß der Leser ja nichts von diesem Schatze verliere. Doch sie werden so gütig seyn uns so lange als Uebersetzer, welche mit ihrem Originale gewissenhaft umgehen wollen, anzusehen, bis wir einmal unsere Gedanken von dem Gebrauch der Wortspiele in den Komödien entdecken, und ihnen das Recht geben, unsern Geschmack zu verdammen. Wir waren Anfangs Willens in den Anmerkungen alle Schönheiten unsers Dichters zu entwickeln; allein wir fanden, daß sie zu weitläuftig würden als daß man sie mit Vergnügen, bey dem Stücke zugleich, lesen könne. Wir entschlossen uns also, die Empfindungen unserer Leser ungehindert fortgehen zu lassen, und unsere Gedanken darüber in eine besondere Abhandlung, die wir in dem dritten Stücke liefern wollen, zu bringen. Die wenigen Anmerkungen aber, welche noch geblieben sind, enthalten größtentheils nichts, als was wir zur Erklärung unsers Originals, und zur Rechtfertigung unsrer Uebersetzung, nothwendig beybringen mußten. Findet unsre Arbeit Beyfall, so wird es uns ungemein ermuntern, alles mögliche anzuwenden, daß wir einmal die sämmtlichen Lustspiele des Plautus unfern Landsleuten übersetzt vorlegen können. Könnte man was bessers thun, den ißt einreißenden verkehrten Geschmack in den Lustspielen einigermaßen zu hemmen ?

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Der Vorredner an die Zuschauer.

Diese zwey Gefangnen, die ihr hier stehen sehet, sizen nicht, sondern'.. stehen. Es kann mir es jeder von euch bezeugen, daß ich die Wahrheit rede. Der Alte, welcher hier wohnet, heißt Hegio, und ist dieses Gefangnen Vater. Wie es aber komme, daß er bey seinem eignen Vater diene, will ich euch, wenn ihr mir zuhören wollt, erzählen. Hegio hatte zwey Söhne. Einen davon, als ein Kind von vier Jahren, entführte ihm ein Knecht, welcher sich damit fortmachte, und ihn in Elis an den Vater dieses andern Gefangnen verkaufte. Ihr begreift es doch? . Nun gut. Wie aber? Du, dort unten im Winkel, du sprichst, nein? Tritt näher her. Wenn du keinen Plaß zum sizen finden kannst, hier ist Platz zum stehen. Soll sich denn der Schauspieler zum Bettler schreyen? Nimm mir es nicht übel, deinetwegen werde ich mich nicht zerreißen. Ihr aber, die ihr einen bequemen Ort inne habt, dankt es euerm Reichthum, und hört vollends das Restchen, denn ich bleibe die Restchen nicht gerne schuldig. Der flüchtige Knecht, wie ich schon gesagt habe, verkaufte seinen jungen Herrn, den er von Hause mitgenommen hatte, an dieses Vater. Dieser schenkte ihn alsobald seinem Sohne zu seinem besondern Knechte, weil sie beynahe von einem Alter waren. Nunmehro aber dient er in seinem väterlichen Hause seinem eignen Vater, ohne daß es der Vater weis. In der That, die Götter spielen auch mit den Menschen, wie mit Fangebällen. Nunmehro wißt ihr, wie er den einen Sohn verlohren hat. Der andre aber ist im Kriege, den die Aetolier und Elienser mit einander geführt haben, zum Gefangnen gemacht worden, (denn das geschieht, so viel ich weis, im Kriege dann und wann) und der Arzt Menarchus in Elis hat ihn an sich gekauft. Hegio gegentheils kauft-eliensische Gefangne auf, in Hoffnung, daß er einen darunter finden wird, mit dem er seinen gefangnen Sohn austauschen könne; weis aber nicht, daß einer davon sein eigner Sohn sey. Weil er nun gestern gehört, daß ein sehr

1 Ich mag diesen Einfall eben nicht vertheidigen. Plautus hat es ohne Zweifel selbst eingesehen, daß er nicht der vortrefflichste ist. Es ist ihm genug gewesen, wenn er nur seine Absicht, die Römer zum Lachen zu bewegen, damit erlangt hat. So ein Anfang verspricht eine reiche Erndte lächerlicher Sachen. Man sehe übrigens, mit was für Lebhaftigkeit er das, was die Zuschauer wissen sollen, erzählet, und mit was für Kunst er das versteckt, was sie iso nicht wissen, sondern was sie selbst bald sehen sollen. Und man sage mir, ob in vielen neuen Komödien die ersten Auftritte, ob sie gleich das Dialogische voraus haben, so angenehm find, als dieser Prolog?

vornehmer eliensischer Ritter sey gefangen worden, so hat er, zu seines Sohnes Besten, keine Unkosten angesehen, sondern hat diesen Ritter, nebst seinem Knechte, bey den Quästors von der Beute erkauft, damit er durch ihn seinen Sohn desto leichter wieder erhalten könne. Diese aber haben sich folgende List ausgesonnen, wodurch der Knecht seinen Herrn nach Hause verhelfen könne: sie haben nämlich Kleider und Namen unter einander verwechselt, daher heißt nun dieser Philokrates und jener Tyndarus, und Tyndarus spielt heute des Philokrates, und Ph ilokrates des Tyndarus Rolle. Dieser wird seine List vortrefflich ausführen, und nicht allein seinen Herrn in die Freyheit verseßen, sondern zugleich seinen eignen Bruder erhalten, und ihn als einen Freyen in sein Vaterland zu seinem Vater zurück helfen. Alles das aber wird er von ungefähr thun, wie es denn meistentheils geschieht, daß die Menschen mehr Gutes von ungefähr, als mit Willen, thun. Denn von ungefähr haben sie, ohne jemands Einrathen, ihre List also eingerichtet, daß dieser bey seinem eignen Vater in der Knechtschaft bleiben muß. Er dienet nun also seinem eignen Vater, ohne daß er es weis. Was für eine elende Creatur ist der Mensch, wenn ichs bedenke!

Dieses nun, ihr Zuschauer, ist es, was ihr schichte, wir aber als eine Fabel anzusehen haben.

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als eine wahre Ge

Eines habe ich noch

mit wenigem zu erinnern. Es verlohnt sich, in der That, der Mühe,

itidem ut saepe iam in multis locis

Plus insciens quis fecit, quam sciens, boni.

Dieses sind des Plautus Worte. Wir wollen hierbey die Stelle aus dem Terentius anmerken wo er eben dieses den Parmeno zum Schluffe der Hecyra sagen läßt:

equidem plus hodie boni.

Feci imprudens, quam sciens ante hunc diem unquam.

Aus dieser Stelle darf es nicht allein bewiesen werden, daß Terentius den Plautus nachgeahmet habe.

2 Haec res agetur nobis, vobis fabula: so heißt eigentlich die Stelle. Wenn ich sie aber nach der Einsicht beurtheile, welche Plautus nothwendig von der Einrichtung der Schauspiele muß gehabt haben; so komme ich auf die Vermuthung, daß die beyden Pronomina versezt worden sind, und daß es heißen solle: Haec res agetur vobis, nobis fabula. Denn dieses eben macht die Vollkommenheit der Schauspiele aus, wenn die Zuschauer eine wahrhafte Geschichte, und keine Vorstellung einer erdichteten Begebenheit, zu sehen glauben. Die Schauspieler aber müssen es niemals aus den Gedanken lassen, daß sie nur vorstellende Personen find, und ihre Vorstellungen so wahrscheinlich machen müssen, daß sie den Zuschauer zu hintergehen im Stande seyn können. Doch kann es auch seyn, daß die erste Leseart die rechte ist, und daß Plautus ganz was anders dabey gedacht hat.. Vielleicht will er den Vorredner dadurch sagen lassen: ihr könnt zwar das, was wir vorstellen werden, für eine Fabel ansehen, für uns aber ist es schon eine etwas wichtigere Sache, weil unsere Belohnungen, wenn wir es gut machen, darauf beruhen.

daß ihr diesem Spiele zuhört. Denn es ist nicht so oben hin nach der gemeinen Weise gemacht; es sind keine unzüchtigen Verse darinne, mit welchen man das Gedächtniß zu beladen sich schämen muß. Es kömmt kein mehneidiger Hurenwirth, keine treulose Buhlerinn, kein großsprecherischer Soldat vor.

Uebrigens dürft ihr euch des Kriegs wegen nicht bange seyn lassen, den, wie ich gesagt habe, die Aetolier und Elienser mit einander führen. Es kömmt nichts auf dem Schauplage davon vor. Denn es wäre sehr unbillig, wenn wir, da die Zuschauer ein Lustspiel erwarten, plötzlich in ein Trauerspiel fallen wollten. ' Will aber jemand von euch Krieg haben, der fange nur Händel an. Wenn es ihm glückt, daß er an einen kömmt, der stärker ist als er, so wird es gewiß ein so artiges Treffen seßen, daß er sich gerne in Zukunft für alle Treffen bedanken wird.

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Lebet wohl, ihr gerechtesten Richter im Frieden, und tapfersten Helden im Kriege! Ich gehe ab.

Erster Aufzug.

Erster Auftritt.

Ergafilus.

Die Jugend hat mir den Zunamen Hure gegeben, weil ich beständig ungerufen bey ihren Gastereyen bin. Ich weis wohl, die Herren Wißlinge sagen, daß der Zuname sehr albern sey; allein ich . . ich sage, daß er schon recht ist. Denn wenn ein Buhler bey der Schmauserey würfeln will, so ruft er seine Hure dabey an. Nicht wahr, sie ist also angerufen? Freylich. Ist es denn nun viel anders mit uns Schmarußern, die wir niemals zu einem Schmause gerufen werden? Wir sind also allezeit ungerufen? Angerufen und ungerufen aber ist ja nicht so weit

1 Hoc paene iniquum est Comico choragio,
Conari de subito nos agere Tragoediam.

Die neuern Comici würden sehr wohl thun, wenn sie diese kleine Erinnerung merken wollten. Es ist, als wenn sich unsere Zeiten verschworen hätten, das Wesen der Schauspiele umzukehren. Man macht Trauerspiele zum Lachen, und Lustspiele zum Weinen. Den Franzosen könnte man es noch eher erlauben, daß fie sich diese kleine Abwechselung machten. Sie haben schon Trauerspiele genug, die zum Weinen, und Lustspiele, die zum Lachen bewegen. Warum die Deutschen aber, die ihnen hierinne noch weichen müffen, da mit Ruhm anzufangen glauben, wo diese mit Schanden aufgehöret haben, das begreifen wir nicht.

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