Page images
PDF
EPUB

SERAPEUM.

Zeitschrift

für

Bibliothek wissenschaft, Handschriftenkunde und ältere Litteratur.

Im Vereine mit Bibliothekaren und Litteraturfreunden

[blocks in formation]

dem Director der Bibliothek, Mitgliede des Reichsrathes und Staatssecretair Baron M. von Korff,

und

auf Befehl Seiner Majestät des Kaisers
bekannt gemacht1).

In den früheren Jahresberichten der Kaiserlich Oeffentlichen Bibliothek sind die verschiedenen Massregeln auseinandergesetzt worden, welche die Direction zu ergreifen beabsichtigte, um einerseits diese Haupt-Büchersammlung des russischen Reichs auf eine dem gegenwärtigen Zustande der Künste und Wissenschaften in Europa entsprechende Weise zu vermehren, und anderseits dem Lese-Publikum, namentlich

1) Wie gewöhnlich als besondere Schrift erschienen: St. Petersburg, Buchdruckerei der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften 1856. 24 SS. 8o.

XVII. Jahrgang.

23

aber dem mit ernsteren wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigten Theile desselben, bei Benutzung der Bibliothek alle irgend wünschenswerthe Bequemlichkeit zu bieten.

Unter dem gnädigen Schutze zweier Monarchen sind nunmehr die beabsichtigten Einrichtungen nach und nach in's Leben getreten und in voller Wirksamkeit. Die Jahresberichte der Bibliothek können daher fortan nur eine einförmige Uebersicht der durch die einmal festgestellte Ordnung erzielten Resultate geben.

Was die beiden jüngstverflossenen Jahre betrifft, so ist es eine besondere tröstliche Erscheinung, dass die politischen Ereignisse, wie feindlich sie auch, dem Anscheine nach, friedlich wissenschaftlichen Beschäftigungen sein mochten, dennoch weder die Verwirklichung der besagten Bibliotheks-Einrichtungen zu hemmen, noch auch die Zahl der Leser zu vermindern im Stande waren. Im Gegentheile scheint es, und dies ist nicht in der Bibliothek allein bemerkbar geworden, dass der Krieg von wohlthätigem Einflusse für Russlands inneres Leben gewesen.

I. Personal-Chronik.

Die Bibliothek verlor durch den Tod zwei im Staatsdienste hochgestellte Ehrenmitglieder: den Präsidenten der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften und ehemaligen Minister der Volksaufklärung Graf S. S. Uwarow und den Reichs-Controleur Grafen A. G. Kuschelew-Besborodko. Beide waren einst Vice-Directoren der K. O. Bibliothek gewesen, Graf Uwarow vom 12. März 1812 bis zum 29. März 1833, Graf Kuschelew-Besborodko vom 9. Mai 1833 bis zum 25. April 1835.

Ebenso verlor die Bibliothek eines ihrer ältesten Ehrenmitglieder in der Person des verdienten Schriftstellers K. N. Batiuschkow, und einen Ehren correspondenten in der Person des als eifriger Sammler und Kenner vaterländischer Alterthümer bekannten J. N. Zarsky.

:

Ernannt wurden zum Ehrencorrespondenten, der Director der administrativen Bibliothek beim k. k. Ministerium des Innern zu Wien Dr. Const. v. Wurzbach-Tannenberg, welchem auch für mehrfache der Bibliothek erwiesene Gefälligkeiten, und in Anerkennung seiner bibliographischen Leistungen überhaupt, durch Kaiserliche Huld der St. Stanislaus-Orden 3. Classe zu Theil wurde. Zum Commissionair der Bibliothek, der St. Petersburgische Buchhändler Adolph Münx.

Im Beamtenpersonale war die einzige Veränderung, dass der Coll.-Registrator Bartolomejew an die Stelle des in ein anderes Dienstverhältniss übergegangenen Coll.-Assessors Golowatschow, als Aufseher des Dejourwesens trat.

Unter dem Titel von Kanzelei-Beamten wurden ohne Gehalt einige junge Leute in der Bibliothek angestellt, die ihren Universitäts-Cursus beendigt hatten und, in Erwartung einer Anstellung im regelmässigen Staatsdienste, ihre Kenntnisse durch Theilnahme an den Bibliotheksarbeiten zu erweitern und sich zugleich nützlich zu machen wünschten.

Zu Ostern 1855 geruhte Seine Majestät der Kaiser den durch Diensteifer ausgezeichneten Beamten der Bibliothek, auf Fürsprache der Direction, Allergnädigst Belohnungen an Rang, Orden und Gelde zu verleihen. Dies waren die ersten allgemeinen Belohnungen, die der Bibliothek seit ihrer Umgestaltung zu Theil geworden.

Die Beamten der Bibliothek und des unter derselben Oberleitung stehenden Rumänzowschen Museums betheiligten sich, wie sie auch früher stets gethan, soweit es ihre Mittel gestatteten, bei verschiedenen patriotischen Collecten. Sie steuerten 127 R. S. zum Besten der Familien von Flott-Offizieren, die bei der Vertheidigung Ssewastopols gelitten hatten, und 16 R. S. zu dem Denkmale Shukowsky's bei.

II. Einkünfte.

Die Geldmittel der Bibliothek hat Seine Majestät der Kaiser mit freigebiger Hand durch einen jährlichen Zuschuss von 6000 R. S. zu den etatsmässigen Summen, vom 1. Juli 1856 ab zu rechnen, vermehrt, sowie ausserdem durch Anweisung einer Summe von 3500 Rbl. S:, die anfänglich dazu bestimmt war, eine von J. N. Zarsky hinterlassene Sammlung alter kirchenslawischer Bücher anzukaufen, die sodann aber, da man mit den Erben nicht Handels einig werden konnte, der Bibliothek zu anderweitigem Gebrauche verblieb.

So hat Seine Majestät der Kaiser, sogleich von den ersten Tagen Seiner Regierung an, der Oeffentlichen Bibliothek, die den Denkmälern des National-Ruhms beigezählt wird, Beweise desselben gnädigen Wohlwollens zu geben geruht, dessen sie sich beständig von Seiten des Erlauchten in Gott ruhenden Vorgängers Seiner Majestät zu erfreuen gehabt hat.

Die übrigen gelegentlichen Einkünfte des verflossenen Jahres waren:

Durch Doubletten-Verkauf

Durch Absatz verschiedener Publicationen der
Bibliothek.

[ocr errors]
[ocr errors]

Rbl. K. 2849 6112

846 10 334 99

An Procenten der Reichs-Cassenscheine etc.
Als Geschenk von drei unbekannten Personen 1008
Als Geschenk von dem Ehrenmitgliede der Bi-

Latus 5038 702

[ocr errors]

Transp.

bliothek, Staatsrath J. Th. Basilewsky. Als Geschenk von der Wittwe des Stabs-Rittmeisters E. S. Tschebyschew

Als Geschenk von dem Ehrenmitgliede der Bibliothek, dem wirklichen Staatsrathe A. N. Demidow

Rbl. K. 5038 702 1000

100

[ocr errors]
[blocks in formation]

Summa 6538 702

III. Innere Einrichtungen.

Wenngleich das Haupt-Augenmerk jeder öffentlichen Bibliothek auf angemessene Vermehrung des Bücherschatzes gerichtet sein muss, so ist daneben doch auch noch so manches andere zu berücksichtigen, nämlich die materielle Einrichtung der Büchersäle und Lesezimmer, die Mittel den Forderungen der Leser so schnell als möglich zu genügen, und bis zu einem gewissen Grade selbst der Anblick, den das Innere der Bibliothek gewährt, insofern es wünschenswerth erscheinen kann, dass die Aussenseite wenigstens einigermaassen der Bedeutung und Wichtigkeit des Inhaltes entspreche.

Nach der gänzlichen in diesem Sinne ausgeführten Umgestaltung der innern Einrichtung der Bibliothek, wurden auch im Jahre 1855 wiederum einige bauliche Verbesserungen und Verschönerungen vorgenommen, die unter anderm eine Vermehrung der Plätze im Lesersaale und eine beträchtliche Erweiterung der in der Bibliothek seit einigen Jahren bestehenden Austellung von bibliographischen Merkwürdigkeiten zum Zwecke hatten.

Eine Ausstellung dieser Art ist es allein, was den Besuch von Bibliothekssälen dem Publikum anziehend zugleich und belehrend machen kann. Denn im Vorübergehen seinen Blick über hochgethürmte Bücherwände streifen zu lassen, ist gewiss ein ebenso geringes als unnützes Vergnügen. Die Direction ist daher darauf bedacht gewesen, das Kostbarste und Seltenste, was die Bibliothek an Handschriften und Autographen, Drucken, Kupferstichen, historischen Exemplaren, Einbänden und dergl. mehr besitzt, in besondern Glasschränken und Laden, nach Art naturhistorischer Museen, zur Schau darzulegen, so dass der aufmerksame Beschauer auf seinem Gange durch die Säle die hervorragendsten Erscheinungen des Bücherwesens und der Litteraturen aller Zeiten und Völker aus eigner Ansicht kennen lernen kann, der bloss Neugierige aber wenigstens eine bunte Augenweide findet, die vielleicht doch den Wunsch in ihm rege macht, das Gebiet seiner Kenntnisse gelegentlich zu erweitern.

Der Zuwachs der Ausstellung besteht nun in zwei neuen Reihen von Schauladen, welche die Säle der russischen und der linguistischen Litteratur in ihrer ganzen Länge durchschneiden und zusammen eine Ausdehnung von 100 Arschinen haben. Der Kostenbetrag dieser neuen Einrichtung beläuft sich auf 925 R. S.

Die erste Vitrinen-Reihe ist für eine chronologisch und nach den Typographien geordnete Sammlung der seltensten und bemerkenswerthesten kirchenslawischen und russischen Drucke bestimmt, die zweite für eine Auswahl von BibelAusgaben in allen Sprachen der Welt. Das Nähere über diese beiden Sammlungen gehört jedoch in unsern nächsten Jahresbericht, da sie erst im Laufe des Jahres 1856 abgeschlossen sein werden.

IV. Erwerbungen.

A. Gedruckte Bücher.

Die Bibliothek erhielt zufolge Allerhöchsten Befehls und auf Verfügung der Oberbehörde die Fortsetzung der in der II. Abtheilung der Höchsteigenen Kanzelei Seiner Majestät gedruckten Kriegs- und Reise-Journale Peters des Grossen (für die Jahre 1713-1726) sowie der Kammer-Fourier-Journale (für die Jahre 1726, 1767–1769), desgleichen ein Exemplar der Antiquités du Bosphore Cimmérien, conservées au Musée Impérial de l'Ermitage einer Prachtausgabe in 3 Bänden folio patente, durch deren Druck sich die Typographie der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften verdient gemacht hat, denn dies Werk ist unbestritten die glänzendste Leistung des inländischen Buchdrucks.

Ihre Majestät die Kaiserin-Mutter beehrte die. Bibliothek mit einem kostbaren Geschenke, bestehend in dem zu Berlin 1853 unter dem Titel: Zur Erinnerung an die Reise des Prinzen Woldemar von Preussen nach Indien in den Jahren 1844-46, erschienenen Prachtwerke, das nach des Prinzen eigenhändigen Skizzen illustrirt, nur in wenigen Exemplaren gedruckt und nicht in den Buchhandel gekommen ist.

Auf Befehl Sr. K. H. des Grossfürsten Konstantin Nikolajewitsch wurden der Bibliothek verschiedene ihr fehlende Publicationen des Marine-Ressorts zugestellt. Entsprechende Verfügungen sind auch von Seiten der Oberverwaltung der Wegecommunication und öffentlichen Bauten, sowie des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten, des Minister-Staatssecretairs des Königreichs Polen und verschiener anderer Behörden zur Bereicherung der Bibliothek erlassen worden. Betreffend die Pflichtexemplare der im Inlande erschienenen Schriften, welche die Bibliothek von den Cen

« PreviousContinue »