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Es wurden 2232 Lesebillette vertheilt und im Laufe des Jahres im Ganzen 32,755 mal benutzt. Die Bändezahl der zum Lesen verabfolgten Bücher belief sich auf 32,446, wovon 21,268 in russischer und 11,178 in fremden Sprachen.

Ausserdem erhielten 116 Personen die Erlaubniss in den Büchersälen verschiedener Bibliotheks-Abtheilungen zu arbeiten.

Die Mehrzahl der gelesenen Bücher gehört dem Inhalte nach in das Fach der vaterländischen Geschichte und Landeskenntniss im weitesten Sinne. Nächstdem wurden die Sectionen der Natur- und Realwissenschaften am meisten benutzt.

Ueber 1000 Personen haben die Bibliothek an den hierzu festgesetzten Tagen (Sonntags oder Dienstags um 1 Uhr) besucht, um die Sehenswürdigkeiten unter der Leitung eines Bibliothekars in Augenschein zu nehmen. Auch hatte die Bibliothek die Ehre den hohen Besuch II. KK. HH. des Prinzen Karl von Preussen, des Prinzen Christian von Dänemark und des Herzogs Wilhelm von Baden zu empfangen.

Slavische Prachtwerke.

Zuvörderst dürfte das auf Kaiserliche Kosten herausgegebene Werk über die Alterthümer am Kimmerischen Bosphoros eine Erwähnung verdienen, welches in Russischer Sprache aber mit nebenstehendem französischen Text unter dem Titel erschienen ist: „Antiquités du Bosphore Cimmérien conservés dans le musée de l'Eremitage. Petersburg 1854. fol.“ 2 Bände Text mit einem Bande Abbildungen.

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Seit der gelehrte Blaremberg dem in Kertsch angelegten Museum der in jener Gegend aufgefundenen klassischen Alterthümer vorstand, sind dort umfassende Ausgrabungen veranstaltet worden; dass er den Beruf dazu hatte, geht aus seiner Schrift De la position des trois forteresses Tauro - Scythes, dont parle Strabon, avec cartes, plans etc. par Mr. de Blaremberg, Odessa 1831." hervor. Die wichtigsten hier gefundenen Gegenstände wurden nach der Eremitage gebracht; die weniger werthvollen dagegen und die zu schwer fortzuschaffendeu wurden in dem zu Kertsch angelegten klassischen Museum untergebracht, wovon in folgendem Werke umständliche Nachricht gegeben ist: Reise nach dem südlichen Russland und der Krim, von dem Fürsten Anatole v. Demidoff, deutsch herausgegeben von J. F. Neigebaur. Breslau 1854 bei U. Kern." Freilich haben in dem eben beendeten Kriege die Engländer und Franzosen manches von dort weggeführt, und manches wird auf deren Rechnung sonst verschwunden sein; daher die

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Bekanntmachung der in Petersburg: aufbewahrten Gegenstände von diesem klassischen Boden um so erwünschter ist. Der Reichthum an Gold-, Schmuck-, Silber- und Bronce-Geräthe, Terra-Cotten, Anticaglien, geschnittenen Steinen und gemalten Gefässen ist ausserordentlich, und man erhält hier den Beweis von dem blühenden Zustande der alten griechischen Colonien, welche grossentheils von dem fruchtbaren Milet, der Mutter von 100 Töchtern, ausgegangen waren. Ueber die Bedeutsamkeit der dortigen Alterthümer verweisen wir auf folgende wissenschaftliche Reise: Dubois de Montperreaux voyage autour du Caucase, Paris 1843.

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Es ist zu bedauern, dass die Beschreibung der in der Eremitage zu Petersburg aufbewahrten höchst wichtigen Alterthümer in der vorliegenden Pracht-Ausgabe wenigen deutschen Gelehrten zugänglich sein kann; doch ist zu hoffen, dass in den Bibliotheken, wohin das Werk als kaiserliches Geschenk gekommen ist, bald von den Gegenständen Abzeichnungen werden veranstaltet werden, um den Alterthumsforschern Gelegenheit zu geben, die von den gelehrten Herausgebern gelieferten Erläuterungen mit den ähnlichen Griechischen und Römischen Funden zu vergleichen. Dies dürfte besonders bei Erklärung der hier befindlichen Vasen - Bilder der Fall sein. Hierbei verdienen besonders die Grabhügel eine vorzügliche Aufmerksamkeit, die sich nicht allein hier in dem ehemaligen Reiche Mithridats so häufig vorfinden, sondern die sich durch das ganze Neu-Russland erstrecken, und den Herausgebern Veranlassung gegeben haben, diese Kurghans mit den Nurhagen auf der Insel Sardinien zu vergleichen. S. Die Insel Sardinien, geschichtliche Entwickelung der gegenwärtigen Zustände derselben, von J. F. Neigebaur. 2. Aufl. 1856." Die Russische Regierung hat viele dieser Hügel öffnen lassen und es haben sich Spuren gefunden, dass Menschen lebendig begraben worden sind, was auch von den Scythischen Königs-Gräbern bekannt war, deren Sklaven mit ihnen begraben wurden. Wir dürfen uns über diese Grausamkeit nicht wundern; dasselbe geschah noch zu Rom 536 nach Erbauung der Stadt, als sich zwei Vestalinnen hatten entführen lassen. Zur Sühne der beleidigten Gottheit wurden auf dem Forum Boarium, auf derselben Stelle, wo schon früher Menschenopfer stattgefunden hatten, ein Grieche und eine Griechin, nebst einem Gallier und einer Gallierin lebendig begraben. (S. Liv. XXII. 57.) Wir Christen dürfen uns darüber am wenigsten wundern, wenn wir zu Ehren Gottes der Menschenliebe haben Tausende lebendig verbrennen sehen, weil sie sich von Gott und göttlichen Dingen eine andere Vorstellung machten. Auch wurden noch vor ein paar Jahren die Reisenden auf das Schicksal einer Nachfolgerin jener Vestalinnen in Herrmannstadt in Siebenburgen aufmerksam gemacht, indem

ihnen ein Nonnenkloster gezeigt ward, wo eine von einem Kapuziner verführte Nonne vor nicht langer Zeit lebendig eingemauert worden war.

Wenn das vorliegende Prachtwerk auf kaiserliche Kosten ausgezeichnet ausgestattet ist, so darf man sich darüber nicht wundern; allein erfreulich ist es, wenn auch Privatpersonen für litterarische Unternehmungen bedeutende Opfer bringen. Hierin haben sich in der neuesten Zeit mehrere Polen ausgezeichnet. Ueberhaupt hat die Polnische Gesellschaft den Vorzug, dass sie die Wissenschaft achtet und die ihr zu bringenden Opfer nicht scheut und darin mitunter Deutschland beschämt. Der Graf Raczinski in Posen hat sich nicht nur um die Herausgabe eines Codex diplomaticus jener Provinz verdient gemacht, worauf er beträchtliche Summen verwandte, sondern er hat auch seine reiche Bibliothek der Stadt nicht nur vermacht, sondern auch dazu ein prachtvolles Gebäude aufgeführt und dem öffentlichen Gebrauche übergeben. Besonders aber ist der weit verbreitete litterarische Sinn anzuerkennen; während in Deutschland auf den Putztischen der vornehmen Damen Bücher aus den Leihbibliotheken gefunden werden, die schon Spuren früheren Gebrauches an sich tragen, findet man hier mehr neue Bücher. Dort werden von der ersten Klasse der Gesellschaft mehr Bücher gebraucht als in Deutschland in gleichen Häusern. Hier besteht die jährliche Anschaffung gewöhnlich nur in dem Gothaischen genealogischen Kalender und in den Ranglisten des stehenden Heeres, während in gleichen Verhältnissen bei den Polnischen Familien viel mehr Bücher gekauft werden. Ueberhaupt wenden die Leute in Deutschland, welche dazu im Stande wären, am wenigsten auf Bücher. Ein Buchhändler in Kopenhagen sagte dem Einsender: Ich verkaufe hier mehr deutsche Bücher, als einer meiner Collegen in Berlin; denn hier kaufen die Vornehmen Bücher. Dies hat natürlich auch auf die gesellige Unterhaltung Einfluss. In Polen gehört der Gelehrte zur ersten Gesellschaft und wird ebenbürtig behandelt, während in einer deutschen Provinzialstadt an öffentlicher Wirthstafel der Baron v. Z... sagte: Mir gilt der Gelehrte und Schuhmacher ganz gleich; denn beide haben ihr Metier gelernt, und beide werden dafür bezahlt!

Diesem in der ersten Gesellschaft Polens herrschenden litterarischen Sinne verdanken wir mehrern vor Kurzem erschienene Prachtwerke, auf welche die Verfasser und Herausgeber sehr bedeutende Summen verwendeten. So haben Graf Dzieduczicki in Lemberg und Graf Jalinski in Posen durch Prachtausgaben von Werken über die polnische Geschichte sich verdient gemacht, von dem letztern ist ein geschichtlicher Roman „Bracia Lissowcsyki" sehr beliebt, und von dem erstern ein eben solcher aus der Zeit von Boleslaus Crziwasti,

„Zbigniew - Olesniecki." Von demselben besitzen wir aber auch ein schätzbares Werk: Skarga und sein Zeitalter. Dies umfasst die wichtige Zeit der Streitigkeiten zwischen der katholischen und der morgenländischen Kirche, durch die Jesuiten veranlasst, worin man jetzt den Ursprung des Verfalles des sonst so mächtigen Polens findet, welches sonst seine bedeutendsten Männer auf den Universitäten Italiens hatte erziehen lassen, weshalb auch die Reformation und Socinus dort so viele Anhänger in der ersten Gesellschaft fand.

Das bedeutendste Prachtwerk der polnischen Litteratur der Gegenwart ist aber die Geschichte der Kunst in Polen während des Mittelalters, von dem Baron Bastawiecki und dem Grafen Isnezdziecki, welches vor Kurzem in Warschau heraus kam. Dieses mit aller typographischer Pracht ausgestattete Werk enthält Abbildungen von Kunstwerken, welche Polen in Kirchen und Schlössern enthält. Hier finden sich Gold- und Silber-Geräthe und Schmuck, Zierrathen von Waffen u. s. w., von alten Gemälden und Miniaturen, Elfenbeinarbeiten, Stickereien u. s. w. Die trefflich gearbeiteten Drucke dieser Abbildungen sind zum Theil von bedeutenden Künstlern in Paris gefertigt. Die Herstellung dieses Werkes kostet über 20,000 Thaler, und auch die beiden andern erwähnten Verfasser sollen gleiche Summen auf ihre Werke verwendet haben. Geh. Rath Neigebaur.

Zur Druckgeschichte der zwölf Artikel.

Die zwölf Artikel der Bauern aus dem Jahre 1525 sind bekannt genug und bei Panzer (Annalen d. ält. deutsch. Lit. Nürnb. 1805. Bd. 2.) unter den Numern 2704-2709 in sechs Ausgaben verzeichnet. Vor mir liegen nur zwei Wiederabdrucke, der eine, wie es scheint, wort- und zeichentreu bei Gropp (Würzburgische Chronik u. s. w. I. Theil. Würzburg, 1748. S. 109-111). der andere bei Zimmermann (Allgemeine Geschichte des grossen Bauernkrieges. Zweiter Theil. Stuttgart, 1842. S. 99-105) mit der Unangemessenheit, dass hie und da zum allgemeinern Verständniss ein Wort oder eine Wendung etwas modernisirt" wurde. Wenn auch eine solche mehr oder weniger leichte Vermummung eine Untersuchung mit bestimmten und genauen Resultaten verbietet, wie denn eine solche nur an den Besitz der Originale gewiesen ist, so ist denn doch noch immer Eigenthümliches und höchst Bedeutungsvolles vorhanden, um für die Geschichte der zwölf Artikel in Fassung und Druck sichere Schlüsse und wahrscheinliche Vermuthungen zu gestatten.

Der Abdruck bei Gropp ohne Ueberschriften der einzelnen Abschnitte lautet (S. 110):

(A.) Zum 11. wollen wir den Brauch, genannt den Tods-Fall, ganz und gar abgethan haben, den nimmer leyden noch gestatten, dass man Wittwen und Waysen das Ihre wider Gott, Ehr und Recht also schändlich nehmen und berauben soll, wie es an vielen Orthen mancherlei Gestalt beschehen ist; und die uns beschützen und beschirmen sollen, haben uns geschunden und geschaben, und wenn sie wenig Fug hätten gehabt, hätten sie es gar genommen; dass Gott nicht mehr leyden will, sondern soll ganz ab sein, und kein Mensch hinführo schuldig seyn zu geben, weder wenig noch viel.

Bei Zimmermann dagegen findet sich (S. 105) diese Stelle in folgender Weise:

Eilfter Artikel.

(B.) Zum Eilften wollen wir den Brauch, genannt der Todfall, ganz und gar abgethan haben, nimmer leiden noch gestatten, dass man Wittwen und Waisen das Ihrige wider Gott und Ehren also schändlich nehmen und sie berauben soll, wie es an vielen Orten in mancherlei Gestalt geschehen ist. Von dem, was sie besizen und beschirmen sollten, haben sie uns geschunden und geschaben, und wenn sie ein wenig Fug hatten gehabt, haben sie diess gar genommen. Das will Gott nicht mehr leiden, sondern das soll ganz ab sein, kein Mensch soll hinfür beim Todfall schuldig sein, etwas zu geben, weder wenig noch viel (5. Mos. 13. Matthäus. 8. 23. Jes. 10.).

Abgesehen nun von den kleinen stylistischen, grammatischen, graphischen und interpunctionellen Verschiedenheiten, die vielleicht auf Rechnung des Modernisirens kommen, abgesehen von den Bibelcitaten, welche, in dem Gropp'schen Abdrucke ganz fehlen, in dem Zimmermann'schen sich gehäuft finden, und endlich von der möglicherweise durch Uebersehen entstandenen Auslassung (,,und Recht"), bietet uns der klare und sinnvolle Satz in (A): „Die uns beschützen....... geschaben" gegenüber dem alles Verständnisses baaren und jeder Deutung spottenden in (B): „Von dem, was sie besizen..... geschaben einen festen Anhaltspunkt zu Entwicklungen. Wie es nämlich klar ist, dass jener in (A) sich nicht zu diesem in (B) entstellen und aus ihm sich nicht durch Besserung herausbilden konnte, so ist unwidersprechlich, dass

I. wenigstens zwei Ausgaben der zwölf Bauern - Artikel unabhängig von einander, nicht durch Nachdruck entstanden, und dass demgemäss

II. wenigstens zwei Ausgaben Manuscripte und zwar ververschiedene zu Grunde lagen.

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