Fläche passt auf eine Säule von 0,33 m oberem Durchmesser. Die zugleich gefundene attische Säulenbasis von 0,40 m Höhe mit Plinthus und glattem Schaft gehört jedoch nur einer Säule von 0,28 m unterem Durchmesser an. Daher wird sie wohl mit dem viel breiteren Kapitäl nicht in Zusammenhang zu bringen sein. Man hat letzteres vielleicht eher als den oberen Abschluss eines Säulenpostaments anzusehen, welches in der Mitte des Sacellums die Statuette trug 1), deren Sessel an seiner Rückwand auch wohl darum so sorgfältig ausgearbeitet ward, weil sie sich von allen Seiten den Besuchern des Heiligthums günstig präsentiren sollte. Der Säulenstumpf deutet uns dann wohl den Charakter der einfacheren Säulenreihe an, die einst den Tempel umgab. Reste solcher kleinen Heiligthümer sind uns in den Rheinlanden verhältnissmässig sehr wenige erhalten, vielleicht nicht desshalb, wie aus'm Weerth, Bonn. Jahrb. 57, 56 meint, weil man bei der Aufdeckung ihrer Fundamente den einstigen Zweck der betreffenden Gebäulichkeit verkannte, als weil der Bekehrungseifer der ersten christlichen Glaubensboten, weil das triumphirende Christenthum sich in erster Linie die Zerstörung dieser kleinen vereinzelt liegenden Stätten der heidnischen Götterverehrung angelegen sein liess. Während man grössere Tempel oft zu christlichen Kirchen weihte, weil man aus den Dimensionen ihrer Räumlichkeiten Nutzen ziehen konnte, wurden die Sacella auf den Höhen und an den Strassen fast sämmtlich von Grund aus vernichtet und, wie wir es auch an den Resten des Igstädter Heiligthums wahrnehmen können, so zerstört, dass es in der Regel unmöglich ist, ihren ehemaligen Grundriss genau festzustellen. Ob der Igstädter Juppitertempel an einer Strasse lag, die von den Aquae Mattiacae in östlicher Richtung nach dem Castell bei Hofheim zog, ist sehr zweifelhaft. Nach den Versicherungen der erfahrensten Kenner hiesiger Localgeschichte sind sichere Spuren einer solchen Strasse seither noch nicht bekannt geworden. Die Vermuthung spricht allerdings dafür, dass das grosse Wiesbadener Römercastell mit den an seinem Fusse gelegenen, von den Römern schon hochgeschätzten und gern besuchten Bädern auch nach Osten hin durch Landwege mit den Niederlassungen und Befestigungen bei Hofheim, Höchst und der Stadt Novus Vicus bei Heddernheim eine nähere Verbindung gehabt haben muss, als sie die bekannte Römerstrasse ermöglichte, die von der Südseite des Wiesbadener Castells nach Castellum Mattiacorum (Castel) und von dort als jetzt sogenannte „alte Strasse" (im Mittelalter Elisabethenstrasse) nach Hofheim und weiter nordöstlich in die Wetterau 1) Auf dem Holzschnitt 2. ist der Raum angegeben, den die Statue auf dem als Postament dienenden Kapitäl eingenommen haben würde. hinzog'). Die Höhe bei Igstadt liegt nur 2 Stunden in nordöstlicher Richtung von Castellum Mattiacorum, dem ehemaligen bürgerlichen Hauptorte der Civitas Mattiacorum 2) entfernt; man erblickt von ihr die Thürme des heutigen Mainz. Noch nicht so weit, nur 114 Stunden, ist nach Westen hin die Entfernung nach den mattiakischen Bädern, dem jetzigen Wiesbaden. Die unzweifelhafte einstige Existenz grösserer römischer Gebäulichkeiten im Südwesten Bierstadts ), der dem Mercurius Nundinator und der keltischen Göttin Rosmerta, den Gottheiten des Handels, des Strassenverkehrs und der Viehzucht, in jener Gegend errichtete Votivaltar sprechen auch nicht wenig für einen Strassenzug, an dem der Tempel lag. Zudem erscheint es sehr natürlich, dass ein alter Vicinalweg die Wohnstätten verband, die auf jenem Hügelrücken und längst desselben an der Stelle der heutigen Dörfer Igstadt und Kloppenheim gelegen haben werden. Der Platz im Dornkratz" befindet sich sehr nahe der Gemarkungsgrenze. Wenn nicht an einer Strasse, so doch wenigstens an einem solchen Verbindungswege hatte der kleine Juppitertempel, das Heiligthum des Regen und Fruchtbarkeit spendenden Gottes, seine Stelle, weithin den Bewohnern der fruchtbaren Hochfläche sichtbar, die sich zwischen den jetzigen Dörfern Bierstadt, Erbenheim, Igstadt und Kloppenheim hinzieht. 2. Die Juppiterstatuette von Trier. (Hierzu Taf. I. Fig. 2.) Herr Dr. Felix Hettner, Conservator des Trierer Provinzialmuseums, berichtete in den Bonner Jahrbüchern 64 (1878), pag. 100-117, über „Ausgrabungen römischer Alterthümer im Regierungsbezirk Trier während des Jahres 1878". Er erwähnt daselbst pag. 110 f. auch die Aufdeckung der Fundamente eines römischen Wohnhauses, das zu Trier in dem an der Johannisstrasse 290c gelegenen Grundstücke der 1) Ueber die verschiedenen Fortsetzungen dieser Strasse nach dem Pfahlgraben in der Wetterau vgl. v. Cohausen in d. Mittheilungen des Frankfurter Vereins f. Gesch. u. Alterthskde, III (1866), 101, und A. Duncker, „Beiträge zur Erforschung u. Geschichte des Pfahlgrabens im unteren Maingebiet u. der Wetterau“. Kassel 1879. S. 46 ff. u. 55. (Ztschr. d. Ver. f. hess. Gesch. u. Ldsk. N. F. VIII, 84 ff. u. 93.) — 2) J. Becker, Zur Urgesch. von Mainz u. Castel a. a. O., pag. 8. Reuter, Röm. Ansiedelungen bei Wiesbaden, 1 ff. u. Taf. I; Otto, Gesch. Wiesbadens, 55. Auch die romanische Kirche Bierstadts trägt Spuren hohen Alters an sich. Es finden sich an ihr Reste eines längst zugemauerten Portals mit Steinmetzarbeiten aus vorkarolingischer Zeit und die Richtigkeit der Tradition, dass Steine und Ziegel römischer Bauten zu ihrer Errichtung verwendet seien, wird von Fachleuten nicht bezweifelt. Die Beristetter Mark" wird schon 881, das Dorf (Brigidestat) 927 zuerst urkundlich genannt. 1 Herren Staat und Wiewels beim Bau eines Kellers zu Tage kam und von ihm in Gemeinschaft mit Herrn Bauinspector Bruns blossgelegt wurde. In einem der aufgedeckten Zimmer, sagt Hettner a. a. O., stand ein Postament unverrückt an seiner Stelle. Eine Juppiterstatuette, die offenbar ehemals darauf gestanden, lag unmittelbar daneben am Boden. Die Statue ist aus Muschelkalk und hat jetzt, wo der Kopf fehlt, eine Höhe von 0,60 m. Die Darstellung ist die in den Rheinlanden gebräuchlichste dieses Gottes. Der Gott sitzt auf einem sehr detaillirt ausgearbeiteten Stuhl und ist mit einem Himation bekleidet, welches den Unterkörper und den Rücken bedeckt und dessen eines Ende über die linke Schulter geworfen ist. Der linke Arm ist erhoben und hielt ehemals den Scepter; die rechte Hand hält —— und dies ist das interessanteste noch jetzt den Bronzeblitz. Nicht weit von der Statue lag ein Juppiterkopf, welcher aber zu gross ist, als dass man ihn mit der Statue in Verbindung bringen könnte." Auf unsere briefliche Anfrage an Herrn Dr. F. Hettner betreffs einiger Einzelheiten der Haltung und Composition der aufgefundenen Statuette war dieser nicht allein so freundlich, uns die gewünschte Auskunft in erschöpfendster Weise zu ertheilen, sondern uns auch, als er von unserer Absicht hörte, den Igstädter Juppiter zu ediren, eine Photographie der Trierer Statuette anfertigen zu lassen, so dass beide Funde hier gleichzeitig publicirt werden konnten. Nach jener Photographie ist Figur 2. unserer Tafel I. hergestellt. Wir verfehlen daher nicht, Herrn Dr. F. Hettner für seine Zuvorkommenheit an dieser Stelle unseren verbindlichsten Dank auszusprechen. Die Trierer Statuette, deren Kopf, wie erwähnt, nicht wieder aufgefunden wurde, war grösser als die Igstädter. Sie misst, wenn wir Herrn Dr. Hettner richtig verstanden haben, mit der Basis 0,60 m. Die Igstädter Figur dagegen ist ohne den 0,16 m hohen Kopf sammt der Basis nur 0,53 m hoch. Auch ausserdem ergeben sich an beiden Statuen auf den ersten Blick manche Unterschiede. So ist an der Trierer Statuette das Himation weit künstlerischer behandelt als an der unseren und der Sessel, auf dem der Gott sitzt, zeigt dort eine durchaus andere Ornamentirung. Die Haltung der rechten Hand und ihres Attributs anlangend, schreibt uns Herr Dr. Hettner: „Bei der Trierer Figur liegt die äussere Seite der Hand auf dem rechten. Schenkel auf, der Zeigefinger ist ausgestreckt und nun waren von der einen Seite der Daumen, von der anderen Seite die drei letzten Finger um das Mittelstück des Blitzes geschlagen 1). Nur der Daumen ist nicht 1) Die der Zeichnung von Fig. 2 zu Grunde gelegte, sonst gute Photographie gibt dies leider nicht mit hinlänglicher Schärfe zu erkennen. erhalten. Der Blitz besteht aus einer Bronzeröhre, an deren einem, dem oberen, Ende sich drei gewundene, am äussersten Ende mit Spitzen versehene Bronzestreifen anschliessen. Die drei unteren Zacken waren offenbar gesondert gearbeitet und sind nicht aufgefunden worden. Am Stuhl sind die von Ihnen nach Analogie der Igstädter Figur vermutheten Darstellungen nicht vorhanden. Er ist nur reich mit Schnörkeln versehen und es hängen sowohl hinten als an den Seiten, wie meist bei den rheinischen Juppiterstatuen, Tücher. Ein Adler war nicht vorhanden. Die Basis der Statue ist ausgezeichnet erhalten; es müsste sich also von diesem noch eine Spur zeigen. Dagegen befindet sich neben dem linken Fuss des Gottes in der Basis ein rundes, scharfes Loch, in welchem das Ende des Scepters, offenbar auch Bronze, einsass." Die von H. Düntzer im Verzeichniss des Kölner Museums Wallraf-Richartz sub 119 angeführte Juppiterstatue zeigt an derselben Stelle ebenfalls, nach Mittheilung des Herrn Dr. Hettner, ein solches Einsatzloch für den Bronzescepter. Zu Torsen desselben Typus wie die Trierer Statuette rechnet Hettner die von Düntzer s. Nr. 121 angeführte Figur, welche dort mit „eine auf einem Sessel sitzende männliche Gestalt (ein Kaiser?)" bezeichnet ist, ferner Nr. 206 des Catalogs des Bonner Universitätsmuseums und zwei schon früher in Trier gefundene Statuen. Auch die im vorigen. Jahre zu Leudersdorf in der Eifel gefundenen beiden Terracotten repräsentiren diesen Typus 1). Während also, laut dem Zeugniss so vieler Weihinschriften, der Cult des Juppiter zu Mogontiacum, Castellum Mattiacorum und im Bereiche der naheliegenden Civitates Mattiacorum, Taunensium u. s. w. auf das Eifrigste gepflegt wurde, sind auffallender Weise aus jenen civitates nur sehr wenige statuarische Einzeldarstellungen des Gottes uns bekannt. Weder das Mainzer noch das Wiesbadener Museum haben bisher eine solche aufzuweisen, welche dem Igstädter Funde an Vollständigkeit und Ausführung gleichkäme. Zu Mainz finden sich nur verhältnissmässig unbedeutende, zum Theil sogar angezweifelte Torsen dreier Statuetten Juppiters 2), im Wiesbadener Museum nicht einmal Terracotten dieses oder eines ähnlichen Typus. Auch insofern erschien der Fund von Igstadt immerhin einer näheren Beschreibung werth. Seine durch die Freundlichkeit des Herrn Dr. Hettner möglich gewordene Zusammenstellung mit einem Torso ähnlicher Art aus Augusta Treverorum, der einstigen Imperatorenresidenz 1) S. Bonn. Jahrb. 64, 110. 2) J. Becker, Inschr. d. Mainzer Museums 2, Nr. 4, 7 u. 8. an der Mosel, unvergesslich jedem Geschichtsfreunde, der sie einmal betrat, wird vielleicht bei allen Denjenigen auf wohlwollende Aufnahme rechnen dürfen, die den Zeugnissen antiker Kunstübung nicht nur durch die Bewunderung von Meisterwerken des classischen Alterthums, sondern auch in der Betrachtung geringerer künstlerischer Produkte Aufmerksamkeit zu schenken pflegen. Diese Aufmerksamkeit erscheint um so mehr gerechtfertigt, wenn, wie hier der Fall, solche Funde auf deutschem Boden gemacht sind und zugleich, wie die Igstädter Juppiterstatuette, unsere Kenntniss der Stätten des altrömischen Göttercultus in den Rheinlanden vermehren. |