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dritten Jahre der tribunicischen Gewalt des Claudius hervorgeht, in das Jahr 270 zu setzen ist 1). Claudius, der nach der Angabe der Quellen (H. A. Claud. 4) etwa um den 20. März 268 den Thron bestieg und nach dem Berichte aller Schriftsteller nicht länger als zwei Jahre regierte (Syncellus gibt ihm nur ein Jahr, Euseb. Chron. ein Jahr neun Monate, Orosius und Zonaras zwischen ein und zwei Jahren Regierungszeit, die übrigen zwei Jahre) muss schon in der ersten Hälfte des Jahres 270 gestorben sein. Auch gibt es von seinem Nachfolger Aurelianus alexandrinische Münzen vom Jahre 270, die schon vor dem 29. August, dem Anfange des actischen Jahres, geschlagen sind 2). Das ganze Jahr 269 hatte Claudius mit Bekämpfung der zu Wasser und zu Lande aus den Pontussteppen in die Balkanhalbinsel eingedrungenen Gothen vollauf zu thun. Um den Kampf mit den furchtbaren Gegnern wagen zu können und nicht des tapferen Decius Schicksal zu theilen, der wenige Jahre zuvor (251 n. Chr.) in Mösien gegen dieselben Feinde Sieg und Leben gelassen hatte, musste sich der Kaiser erst gehörig vorbereiten und sein Heer reorganisiren. Dies geht aus H. A. Claud. 6 und seinem berühmten Briefe an den Senat H. A. Claud. 7 deutlich hervor. Da wir nun für die letzten Lebensmonate des Claudius im Jahre 270 durchaus keinen Anhaltspunkt für einen Sieg haben, den er über Alemannen und gar in Italien erfochten hätte, da überhaupt keine Rückkehr des Claudius aus dem grossen Gothenfeldzuge auf der Balkanhalbinsel nach Italien nachweisbar ist und der Kaiser fast unmittelbar nach Beendigung dieses Kampfes zu Sirmium starb, so bleibt für eine von ihm gewonnene Alemannenschlacht nur das Jahr 268 übrig. Holländer irrt daher, wenn er pag. 32, Anm. 1, annehmen zu dürfen glaubt, es sei auch nichts dagegen, dass sie erst im Jahre 269 stattgefunden habe". In den Anfang der Regierung des Claudius versetzt jene Schlacht übrigens auch der Epitomator des Aurelius Victor, da er sie durch seine Worte:,,exstinctoque Aureolo, receptis legionibus contra aciem Alamannorum haud procul a lacu Benaco dimicans" in nächsten Zusammenhang mit der Niederlage des Usurpators Aureolus bringt, den Claudius in den ersten Tagen oder Wochen seiner Regierung bei dem heutigen Pontirolo (Pons Aurcoli) an der Adda, vier Meilen nordöstlich von Mailand, vernichtete. Nicht unmöglich, dass, wie schon

1) Dass aus der blossen Beifügung des Consulats bei Claudius wegen der sehr widersprechenden Angaben von Münzen und Inschriften kein sicherer Schluss zu ziehen ist, wiesen wir in unserer Abhandlung „Claudius Gothicus", 25, Anm. 1, nach. 2) Die kurze Herrschaft des Quintillus, des Bruders des Claudius, die nur wenige Tage oder Wochen dauerte und nur in wenigen Theilen des Reichs Anerkennung fand, kann hier nicht in Betracht kommen.

v. Wietersheim, Geschichte der Völkerwanderung III, 2 vermuthete, Aureolus, vor seiner Usurpation dux exercituum Illyricianorum (H. A. trig. tyr. 11), auch germanische Schaaren, darunter vielleicht Alemannen, zu seiner Hülfe gegen Gallienus und dessen Nachfolger Claudius herbeirief. Viel näher liegt es jedoch, hier eine von dem ungenauen Aurelius Victor verschuldete Verwechselung mit dem Alemannensiege des Gallienus bei Mailand anzunehmen, der etwa in das Jahr 261 zu setzen und in der Epitome gar nicht erwähnt ist 1) oder eine Confundirung mit den Kämpfen, die im Anfange von Aurelians Regierung, Ende 270 und Anfang 271, in Oberitalien mit germanischen Schaaren ausgefochten wurden 2).

Auf den grossen Gothensieg bei Naissus (Nisch in Serbien), den Claudius 269 errang, bezieht sich aber jenes,, Germanicus" und,, Victoria Germanica" der Ofener Inschrift und der Münzen nicht, da die Gothen, trotz Tac. Germ. 43, von den Römern des dritten Jahrhunderts eher als ein Theil der Scythen und Sarmaten, denn als ein germanisches Volk angesehen wurden. Ein Gothensieg heisst damals auf den Münzen stets,, Victoria Gothica". Es muss also, wenn auch nicht unter Claudius eigener Führung, so doch während seiner Regierung, ein siegreicher Kampf gegen solche Stämme stattgefunden haben, die man auch „Germani" nannte. Auf einen solchen Kampf deutet die Stelle H. A. Aurel. 18 hin, an der von einer „florentissima victoria" des Aurelianus, des tüchtigsten Feldherrn des Claudius und späteren Nachfolgers desselben, die Rede ist. Diese florentissima victoria" wurde über „Suebi et Sarmatae" erfochten, wie dort Vopiscus, der Verfasser von Aurelians Vita angibt, zu derselben Zeit (isdem temporibus), wo Truppen des Claudius eine kleine Niederlage im Hämus (Balkan) durch versprengte Gothenschaaren erlitten hatten. H. A. Claud. 11. Wie wir in Claudius Gothicus" 26, Anm. früher nachwiesen, ist dieses Treffen im Hämusgebirge ziemlich an den Ausgang von Claudius Regierung, Ende 269 oder Anfang 270, zu setzen 3). Die von Aurelian zu derselben Zeit" besiegten Stämme der Sucbi, worunter hier auch Juthungen und Quaden verstanden sein mögen 4), wohnten damals neben sarmatischen Stämmen an der nordwestlichen Grenze Pannoniens in Mähren und den westlichen Karpathen. Vgl. Zeuss, die Deutschen und ihre Nachbarstämme, 119, 282, 315. Nach einem grossen Siege über diese mit Sarmaten vielfach verbundenen und zusammen genannten Völkerschaften errichteten die unter Aurelians Befehl stehenden Legionen zu Ofen

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1) Holländer, 31.-2) Holländer, 38 ff. 3) S. darüber ausserdem unsere Bemerkung in dem Aufsatze „Zur Chronologie der Passio Sanctorum IV Coronatorum“, Rhein. Museum für Philologie XXXII, 444. — 4) Vgl. auch Holländer, 32 f.

(Aquincum) den Denkstein für ihren Kaiser Claudius als „Germanicus“ im Jahre 270. Die Ansicht J. Brunners), dass die von Vopiscus H. A. Aur. 18 dem Aurelian noch zu Claudius' Lebzeiten zugeschriebenen Siege über Sueben und Sarmaten in diesem Falle weiter nicht bezeugt" seien, ist demnach unrichtig. ,,Sub Claudio" hat Aurelian, was Vopiscus a. a. O. nicht, wie Holländer 41 andeutet vielleicht irrthümlicher Weise", sondern ausdrücklich und mit voller Bestimmtheit sagt, in Nordpannonien im Anfange des Jahres 270 Suebi, d. h. Germanen, und Sarmatae besiegt. Darum musste der Denkstein seinen Kaiser und obersten Kriegsherrn Claudius und nicht ihn als „Germanicus" nennen.

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Sofern sich daher nicht noch andere gewichtige Zeugnisse finden, welche den Sieg des Claudius Gothicus über die Alemannen am Gardasee (lacus Benacus) bestätigen, muss die Richtigkeit der darauf bezüglichen vereinzelten Angabe des Aurelius Victor auch fernerhin bestritten werden. Claudius' Titel „Germanicus" auf der Ofener Inschrift, sowie die,, Victoria Germanica" des Reverses einiger seiner Münzen sind auf einen an der mittleren Donau, vielleicht am Ende des Jahres 269, sicher aber im Anfange 270, durch seinen besten Feldherrn Aurelian über germanische Stämme erfochtenen grossen Vortheil zu beziehen.

1) Vopiscus' Lebensbeschreibungen" in Büdingers Untersuchungen zur röm. Kaisergesch. II, 51 f.

III.

Das Spinnen und Weben bei den Alten.

(Mit 1 Tafel und 15 Holzschnitten im Texte.)

Von

A. v. Cohausen.

Spinnen und Weben gehört zu den frühesten Thätigkeiten der Menschen, die sich aus der tiefsten zu einer höheren Stufe der Gesittung erheben; sie setzen gezähmte Hausthiere oder Feldbau mit bleibender Wohnstätte zur Erzeugung des Flachses voraus. Die ältesten Schriften erwähnen ihrer; allein da sie von der Ansicht ausgehen, dass das wahre Studium des Menschen nur der Mensch sei, so thuen sie von diesen Gewerben nur so weit Meldung, als sie beiläufig in den gesteckten historischen Rahmen hineingerathen; eine ausführliche Beschreibung der Vorrichtungen und des Verfahrens beim Spinnen und Weben, wie wir sie für unsere technischen Schriften verlangen, würden wir in ihnen ebenso vergeblich suchen, wie in unserer heutigen historischen und belletristischen Literatur, welche nur flüchtig und oft mit grossen Verstössen über dergleichen technische Dinge hingeht. Wie hier, finden wir auch bei den Alten fast nur die Benennungen, welche sich auf das Spinnen und Weben beziehen, und es bleibt uns überlassen, dieselben zu deuten und mit dem nothwendigen Sachverhalt zu vergleichen.

Blümner's Technologie und Terminologie der Gewerbe und Künste bei Griechen und Römern hat zumal durch die sorgfältige Beibringung der zerstreuten Schriftstellen für die Kenntniss dieses Zweiges der Cultur des Alterthums einen Grund gelegt, auf den jede einschlagende Detailuntersuchung sich stützen und in dessen Fachwerk sie ihre Beobachtungen einreihen kann.

Eine Vertrautheit mit den Gewerben der Gegenwart und mit unserer Hausindustrie, eine Bekanntschaft mit der Werkweise des Orients wird hier Räthsel lösen, vor welchen der Philologe und der Kunstphilosoph wie vor einem Buch mit sieben Siegeln rathlos steht.

Aber auch umgekehrt wird eine Betrachtung der alten Ueberlieferungen und Fundstücke in dem Lichte der Physik, der Chemie und der Mechanik unserer Tage und von dem eigennützigen Standpunkt unserer Industriellen, diesen sehr erheblichen Nutzen zu gewähren im Stande sein.

Einige Beiträge hierzu glauben wir in den nachstehenden Blättern bieten zu können. Das Museum in Wiesbaden besitzt eine ziemliche Anzahl von alten Geweben, welche untermischt mit Ledersandalen und andern Anticaglien offenbar römischen Ursprungs auf dem Schillerplatz in Mainz, in einer Tiefe von 16 Fuss im Moorgrunde gefunden, keinen Zweifel, dass auch sie römisch sind, aufkommen lassen. Sie haben die Aufmerksamkeit von Fachmännern wir meinen nicht von Archäologen, sondern von Webern und Tuchfabrikanten auf sich gezogen und deren Bemerkungen veranlasst, welche uns von grossem Interesse waren und, wie wir glauben, auch dessen manches unserer Leser werth sein mögen. Zuerst danken wir dem Herrn Commerzienrath A. Simons selbst, theils durch seine Vermittlung dem Herrn L. Simons in Elberfeld, dann aber insbesondere dem Herrn W. Rath, Director der städtischen Webeschule in Mühlheim am Rhein eine schulgerechte webetechnische Untersuchung unserer Stoffmuster.

Das Spinnen.

Wir beginnen mit dem Spinnen mittels der Spindel. Diese Kunst ist, in Deutschland wenigstens, durch das 1530 erfundene Spinnrad jetzt fast ganz verdrängt. Wir sahen es noch im Jahr 1875 in Sigmaringen auf besonderes Verlangen von einer alten Frau ausüben, und haben bei dieser Gelegenheit die Kunkel mit dem Woeken, welcher mit einem Band und einer eigenthümlich verzierten Eisennadel befestigt war, sowie einige Spindeln und Wirtel für das Alterthumsmuseum erworben.

Die Kunkel besteht aus zwei Theilen, jeder 95 cm hoch, dem Untersatz und dem eigentlichen Rocken, der dem des gewöhnlichen Spinnrads gleich ist, und auch ebenso mit dem zu verspinnenden Faserstoff, Flachs, Hanf, Baumwolle oder Wolle umgeben wird. Der Untersatz ist ein Ständer, welcher unten in ein rundes dreibeiniges Brettchen eingezapft, oben mit dem Wassernäpfchen und mit der Tülle zum Einstecken des Rockens versehen ist. Während die linke Hand die Fasern fasst, netzt und zum Faden auszieht, nimmt ihn die Rechte mit der Spindel auf und gibt ihm seine Drehung. Die Spindel oder Spille ist ein rundes 28 cm langes, nach beiden Seiten sich spitz verlaufendes Stäbchen, dessen grösste Dicke, etwa 5 cm vom untern Ende, 14 mm be

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