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trägt, so dass der Spinnwirtel hier leicht fest stecken bleibt. Man pflegt zu den Spindeln die schlanken Schossen des Spindelbaums (Evonymus europaea) zu nehmen, da diese gerade, genügend hart, und ohne zu dicke Markröhre sind und gibt ihnen durch eingerissene Linien, durch schwarze Farbe, Röthel, abgeriebenes blankes Zinn eine Verzierung. Der Wirtel pflegt jetzt eine abgeplattete 15 mm hohe und 25 mm dicke Kugel von Blei oder Bein zu sein, ersteres zu Anfang, letzteres dann, wenn der Fadenknäuel auf der Spindel schon so dick ist, dass er schon allein ihre Rotation erhalten kann. Die Wirtel, welche wir in römischen, vor- und nachrömischen Gräbern finden, haben durchschnittlich grössere und selbst viel grössere Abmessungen, Figur 2, sie sind theils von gebranntem Thon, theils von Glas- oder von Steinmasse, auch versteinerte Seeigel scheinen dazu benutzt worden zu sein. Das was Schliemann bei seinen Ausgrabungen von Troja in so grosser Zahl fand und wegen ihrer Form mit kleinen Vulkanen vergleicht, sind nichts, als mehr oder weniger verzierte Spinnwirtel, Figur 3. Die Spinnwirtel kommen von 32, 4-5 cm Dicke und 2/2-4 cm Höhe, in Linsen-, Mühlstein-, Kugel- und stumpfkegelförmiger Gestalt vor. Die grössern Wirtel sind im Stande, die Rotation der Spindel länger zu halten und auch dem gröbern Faden eine stärkere Drehung zu geben, als die kleinern. Man wird daher von den grössern Wirteln auf gröbere Wolle, dickern Faden und auf ein gröberes Zeug schliessen können. Bei unsern Zeugmustern zeigt es sich, dass die Kettfäden oft eine stärkere Drehung haben wie die Einschlagfäden wohl aus dem Grunde: da jene stärker sein müssen, weil sie beim Weben weit mehr als diese, dem Zerreissen ausgesetzt sind.

Der Faden, welchen beim Spinnen die linke Hand von dem Wocken ausgezogen hat, wird durch etwas Nässe (Speichel) und durch einen Stich, d. h. eine einfache Schlinge an der obern Spitze der Spindel befestigt. Statt der Fadenschlinge dient auch ein kleines Häkchen an der obern Spindelspitze. Die eine wie das andere haben den Zweck zu verhindern, dass der auf die Spindel gewickelte Faden sich nicht abrollt. Die Spinnerin lässt nun den Faden beschwert durch die Spindel zwischen Daumen und Zeigefinger hinabhängen, nachdem sie der Spindel auf dem Ballen des Daumens mit dem Mittelfinger eine drehende Bewegung gegeben hat, durch welche auch der Faden seine Drehung erhält; diese geht wie der Regel nach auch alle Schrauben geschnitten sind, von links unten nach rechts aufwärts. Zu bestimmten Zwecken, auf die wir weiter unten kommen werden, haben die Alten aber auch ausnahmsweise dem Faden die entgegengesetzte Drehung gegeben. Wahrscheinlich indem sie mit der linken Hand die Spindel

kreiselten. Je länger der Faden wird, desto weiter muss die Spinnerin die rechte Hand von dem Wocken entfernen und kann, so lange die Rotation dauert oder die Spindel noch nicht den Boden berührt, immer noch mit der linken fortfahren, die Fasern aus dem Wocken zum Faden zusammen zu ziehen. Die Spinnerin liebt daher zu stehen oder hohen Sitz vor der Hausthür auf einer Treppenmauer einzunehmen, um die Spindel möglichst tief hinab sinken lassen zu können, d. h. den Faden möglichst lang auszuspinnen, ehe sie ihn auf die Spindel aufwickeln muss. Denn dies ist eine von der Rotation der Spindel getrennte Operation; und man macht sich eine falsche Vorstellung, wenn man glaubt, der Faden wickle sich durch die Rotation der Spindel auf diese. Die Rotation der Spindel gibt dem Faden nur den Drall. Um ihn aufzuwickeln, nimmt die Spinnerin die Spindel, setzt sie mit der einen Spitze gegen die Brust, mit der andern gegen den Zeigefinger der linken Hand und gibt ihr mit dem Daumen und Mittelfinger derselben Hand eine drehende Bewegung, bis der Faden, der von der Rechten geleitet wird, aufgewickelt ist. Er wird dann wieder mit einem Stich auf der Spindel fest gemacht und die drei Operationen des Ausziehens, Drehens und Aufwickelns des Fadens gehen wie beschrieben weiter. Dabei berührt die Spindel den Boden nie, sie tanzt nicht wie ein Kreisel auf demselben, oder wenn sie es thut, so sind das besondere Spinnkünste oder Spielereien. Jedoch wird die Rotation der Spindel nicht nur in der eben beschriebenen Weise, sondern auch dadurch bewirkt, dass man die Spindel mit der flachen Hand auf dem Schenkel reibt oder vielmehr rollt. Wir sehen dies auf den Bildern von BeniHassan dargestellt, Wilkinson II, pag. 85, Figur 8, und es soll auch noch in Kleinasien gebräuchlich sein, Wilkinson II, pag. 85, Figur 8, hier Fig. 4. Als die Mädchen Abends noch zur Spinnstube kamen, war der Rocken besteckt mit 10, 12, 14 Spindeln - so viele als sie an einem Abend voll zu spinnen gedachten, der Wirtel wurde nach und nach aufgesteckt. Der gesponnene Knäuel blieb auf der Spindel, bis er am andern Tag etwa durch die Alten abgehaspelt wurde. Man bedurfte daher vieler Spindeln und auch wohl vieler Spinnwirtel. Daher die grosse Häufigkeit bei Grab- und andern Funden. Wenn wir oben sagten, dass der Faden mit Speichel benetzt wird, so scheint nach einer Zeichnung, welche Blümner in der Archäologischen Zeitung 1877, Tafel 6 gibt, in manchen Fällen die Spinnerin den Faden durch den Mund laufen zu lassen. Figur 15.

Die Kunkel oder der Rocken kann durch anders gestaltete Vorrichtungen: durch einen in zwei Winkeln bajonnetförmigen gekrümmten Stab (D. H. Heydemann in der Zeitschrift für Numismatik III,

pag. 113), durch eine Zweiggabel oder durch ein Körbchen, in dem die Wolle liegt, ersetzt werden. Auch kann die Spinnerin den Rocken mit der Linken in die Höhe, wie Figur 15 darstellt, halten, während sie mit dem Daumen und Zeigefinger der Rechten die Fasern auszieht und die Spindel mit dem Mittelfinger auf dem Daumenballen dreht.

Wie in diesen Fällen beim Spinnen die Fasern zum einfachen Faden zusammengedreht werden, so können auch zwei oder drei Fäden mittels der Spindel, die durch einen verhältnissmässig schwereren Wirtel in kräftiger Drehung erhalten wird, zusammen gezwirnt, gedrillt oder gequirlt werden. Auch dies bringen jene Grabgemälde, Wilkinson II, pag. 85, 5, 6, zur Anschauung.

Das Weben.

In alten Zeiten geschah es wie das Spinnen fast ausschliesslich durch die Frauen. Weben und Weib scheinen demselben Wortstamm anzugehören.

Der Bandfabrikant Pauer in Zürich hat einen Webstuhl construirt, mit welchem man die in den Pfahlbauten vorkommenden nicht ganz einfachen Gewebe weben kann. Er ist dargestellt in den Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich 1861, XIV, 1, 21. Da es mir aber bei Versuchen nicht gelingen und nicht einleuchten wollte, wie für so viele Gewichte, auch wenn man grosse Gruppen von Kettfäden vereinigte, genugsam Platz bliebe und wie namentlich dieselben im Stande sein sollten, dem Gewebe eine gleichmässige Breite zu erhalten, so liess ich den pfahlzeitlichen Webstuhl auf sich beruhen und construirte mit dem derzeitigen Secretair des Nassauischen Alterthumvereins, Herrn Isenbeck, einen Webstuhl oder vielmehr das Modell eines solchen im Maassstab von 1:5, mit welchem wir im Stande sind, die in hiesiger Sammlung vorhandenen ägyptischen, römischen und fränkischen nicht minder auch die aus den Pfahlbauten herrührenden Gewebe darzustellen. Obschon in ältester Zeit die Tücher nur die Länge der Webstuhlhöhe bekamen, man daher weder eines drehbaren Zeugbaums noch eines solchen Kettenbaums bedurfte, so haben wir den ersteren doch in unser Modell mit aufgenommen, weil er die Demonstration erleichtert und dem Weber erlaubt, immer stehend und in Brusthöhe zu arbeiten. Den Kettenbaum aber haben wir weggelassen und die ältere Art die Kettfäden durch Gewichte stramm zu ziehen angenommen, doch haben wir jedem Gewicht einen Garnknäuel aufgeladen, welcher allmälig abgewickelt und aufgenutzt werden kann.

Es kommt nicht sowohl darauf an, ob sich zu irgend einer Zeit

an irgend einem Ort ein unserm Webstuhle ganz gleicher gefunden hat - sondern darauf, dass er eine Anschauung gibt, vor welcher die Geschichte der Weberei des Alterthums leicht erörtert werden kann.

Auch nahmen wir zur besseren Verdeutlichung der einzelnen Einrichtungen und Benennungen, sowie der entstehenden Bindungen und Muster, kein Garn, sondern Band oder Litzen von 7 mm Breite und zwar für die Kette von weisser, für den Einschlag von blauer Farbe.

Der Webstuhl, Figur 5, ist ein aufrechter (tela stans oder tela pendula). Er besteht aus zwei in Schwellen verzapften und verstrebten Ständern aa, 2 m hoch und im Lichten 1 m von einander entfernt. Sie tragen oben den Zeugbaum b (insubulum), eine Welle, die durch Haspelspeichen e gedreht werden kann. Auf ihm sind die Kettfäden (stamen) d d, wie bei unsern heutigen Webstühlen, befestigt, indem sie in einer Nuthe durch eine Leiste fest geklemmt werden, während sie unten durch Gewicht e (pondera) senkrecht straff gespannt werden. Wir mussten, damit sie sich nicht gegenseitig hemmten, sie in zwei Hälften theilen, und durch ein dünnes Brett trennen. Von antiken Gewichten haben sich noch viele erhalten. Ein in hiesigem Museum aufbewahrtes ist von schwach gebranntem Thon, Figur 6; es bildet eine rundlich abgestumpfte, oben quer durchbohrte Pyramide, deren Basis 10 à 10 cm und deren Höhe 15 cm beträgt.

In der Brusthöhe (1,25 m) ist durch kurze Arme vor den Ständern der Brustbaum h, und 20 cm tiefer der Kamm i (pecten) befestigt. Hinter ihm hängen die Kettfäden senkrecht herab. Damit sie diese Lage beibehalten, und besonders damit die Breite des Gewebes dieselbe bleibt, besteht der Kamm aus einem Querholz, welches auf seine ganze Länge in regelmässigen Abständen mit einer Reihe kopfloser Stiften besetzt ist, zwischen welchen ein oder mehrere Kettfäden liegen. Eine hier nicht sichtbare Gegenleiste hindert sie an dem Herausspringen. Was in der heutigen Weberei der Kamm, das Riet oder Rietblatt heisst, dient zu demselben Zweck, ausserdem aber dazu, die Einschlagfäden zur Bildung des Stoffes dicht aneinander zu schlagen, ein Verfahren, zu welchem sich die Alten anderer Vorrichtungen bedienten.

Der Brustbaum ist mit seiner vorne abgerundeten und geglätteten Kante etwa 20 cm vor den Standbäumen waagrecht befestigt, über ihm laufen die Fadenschlingen, Litzen k (licia), welche jede einen Kettfaden umfasst und andererseits über den Schaft 1 (arundo) geschleift ist und dazu dient, den betreffenden Kettfaden, beziehungsweise ganze Gruppen von Kettfäden zeitweise aus Reihe und Glied der senkrechten Fäden hervorzuziehen, so dass zwischen diesen und jenen ein offener dreieckiger Raum m, das Fach (trama) entsteht, durch

welchen der Einschlagfaden, auch Schuss genannt, mittels eines Werkzeugs p, radius genannt, hindurch gezogen werden kann. Diese Schäfte, aus den kräftigen Rohrstengeln des Südens gemacht, in Verbindung mit den Litzen nannten die Alten liciatorium, wir nennen sie das Geschirr. Zur Herstellung der in hiesigem Museum vertretenen Gewebe bedürfen wir vier Schäfte, welche vor dem Brustbaum herabhängen und nach Willkür oder vielmehr nach gewisser Reihenfolge gezogen werden. Bei den liegenden Webstühlen unserer Zeit geschieht dies mit dem Fuss, und man bezeichnet daher das Vorziehen der Kettfäden mit treten und Tritten.

Das Werkzeug, mittels dessen die Alten den Einschlagfaden zwischen den Kettfäden durchzogen, nannten sie Radius, was keineswegs die uns gebräuchliche Bedeutung des Kreishalbmessers hat. Der Name blieb, während das Werkzeug sehr verschiedene Formen annahm.

Wie es scheint, bediente man sich in der Frühzeit, wie in Indien noch, nicht des Weberschiffchens, sondern einer Nadel, Figur 97, oder eines Lineals, Figur 5, über welches der Länge nach der Einschlagfaden gewickelt war, und welche von der einen Hand zur andern gereicht, den Faden von einem zum andern Saalband spannten. Das Lineal dient dann zugleich, den Faden in den Winkel zwischen den Kettfäden anzuschlagen.

Ein solches Werkzeug scheint es zu sein, mit welchem wir in einem Gemälde von Theben (Wilkinson, The ancient Egyptians, London 1854, II, pag. 87, Figur 2, und Blümner I, pag. 139, Figur 16) hier Figur 9, den Weber am Webstuhl beschäftigt sehen.

Noch besser ist es zu beiden Zwecken geeignet, wenn es, wie in einem Gemälde von Beni-Hassan, Figur 10 und Figur 8, (Wilkinson II, pag. 85, Figur 1, 2, 3) an beiden Enden mit einem Metallhäkchen versehen ist, welches das Herabgleiten des aufgewickelten Garnes verhindert.

Da wo die Nadel, Figur 7, mit einem Oehr oder die Filetnadel, Figur 12, mit den Gabeln am Ende Anwendung fanden, bedurfte es zum Anschlagen des Fadens noch eines besondern Werkzeuges. Wir kennen seine Benennung Spatha bei den Römern, ohne Zweifel von seiner Aehnlichkeit mit dem Schwert. Von Holz, hat es sich nicht unter den römischen Antiquitäten erhalten; wohl aber wurde noch im vorigen Jahrhundert auf Island bei dem dort ebenfalls gebräuchlichen stehenden Webstuhl zu demselben Zweck ein solches schwertförmiges Werkzeug benutzt, welches uns Rich (Illustrirtes Wörterbuch der römischen Alterthümer, pag. 576) und Olaus Olavius ökonomische Reise durch Island, Dresden und Leipzig 1787, Tafel XII) darstellt, Figur 11.

Aus der Filetnadel entwickelte sich naturgemäss das sogenannte

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