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Taf. VIII, WH 9, 66 mm lang, 23 mm breit und 2 bis 3 mm dick aus dunkler, kupferreicher Bronze gefunden worden. Sie hat am unteren Ende einen halbmondförmigen Ausschnitt, der wohl zur Befestigung gedient hat und auch an Bronzecelten vorkommt. Die Pfeilspitze [5564] ist nicht gegossen, sondern aus Bronzeblech gehämmert, auch ihre Form ist sehr ursprünglich, sie wurde, wie die steinernen Pfeilspitzen, in einen Spalt des Schaftes eingelassen. Wiewohl man ihr also ein hohes Alter zuschreiben muss, wird man sie doch für später halten als den Knochendolch, denn nach unserm bisherigen Wissen ist es nicht annehmbar, dass die Mammuth- oder Rennthierjäger sich bronzener Pfeilspitzen sollten bedient haben. Chantre bildet in seinem Werk: L'age du Bronze I. Paris 1875, pag. 136 als älteste Form die aus einem dünnen Bronzeblech hergestellte flèche plate ab; sie erinnert an die Feuersteinspitze und hat Löcher zur Befestigung; sie wurde in den Pfahlbauten von Bourget und in der Gussstätte von Larnaud gefunden.

Von bearbeiteten Elfenbeinsachen enthält das Brüsseler Museum noch aus dem Trou Margrite eine Pfeilspitze und aus der Höhle von Chaleux eine ovale Elfenbeinplatte mit einem Loch in der Mitte, vgl. Dupont, Les temps préhist. en Belgique, Bruxelles 1872, pag. 157. Die Funde dieser Höhle werden aber der Rennthierzeit zugeschrieben, denn die Reste des Mammuth, Rhinoceros und der Höhlenraubthiere fehlen. Das Medaillon aus Elfenbein wird also aus fossilem Mammuthzahn gemacht sein. Die von Graf Zawisza in der Mammuthhöhle bei Krakau schon im Jahre 1873 gefundenen Elfenbeingeräthe sind ein von ihm als Amulett bezeichnetes, 10 cm langes, nach beiden Seiten sich verjüngendes Stäbchen, das in der Mitte eine umlaufende Rinne und an einem Ende zwei Löcher zum Aufhängen hat und mit einfachen Linien. verziert ist, das Stück eines falzbeinartig zugeschliffenen Stäbchens mit sehr feinen Linien gezeichnet und ein Pfriemen aus Elfenbein; vgl. die Abbildungen in dem Compte rende du Congrès internat. de Stockholm 1874, I., pag. 73. Diese Geräthe zeigen eine viel feiner ausgeführte Arbeit als die aus der Wildscheuer. Dasselbe gilt von den spätern, oben erwähnten Funden in derselben Höhle.

Besondere Beachtung verdienen die menschlichen Ueberreste aus der Wildscheuer, zumal der Schädel [5506, 5507], Taf. VIII, Fig. 2, der freilich nur ein Bruchstück ist, indem seine Basis und die Gesichtsknochen fehlen, aber doch bemerkenswerthe Eigenthümlichkeiten bietet. Sein kubischer Inhalt, der sich nur annähernd bestimmen lässt, betrug wahrscheinlich nur 1250 ccm. Das Stirnbein ist 119 mm lang, es fehlen etwa 10 mm, also mit diesen 129 mm; die Scheitelbeine sind 118 mm lang, das vor

handene Hinterhauptsbein ist 118 mm, es fehlen aber daran etwa 6 mm, also mit diesen 124 mm lang. Die Höcker der sehr engen Stirne stehen 53 mm auseinander. Der obere Augenhöhlenrand fehlt, wahrscheinlich waren die Augenbraunenbogen stark entwickelt, denn die Stirnhöhlen reichen hoch hinauf bis zu 10 mm unter den Stirnhöckern. Die Kronen-, Pfeil- und Lambdanaht sind ganz geschlossen und verschwunden, nur an der letzten sind die Zacken noch sichtbar; in dieser Naht liegen links zwei Worm'sche Knochen. Die Stirn ist schmal, aber kurz und gerade. Die Scheitelhöcker sind nicht deutlich, sie stehen aber hoch und sind nur etwa 99 mm von einander entfernt. Die Länge des Schädels, vom vorderen Bruchende des Stirnbeins über der Glabella, die nicht mehr vorhanden ist, gemessen, beträgt 186 mm, von der Mitte der Stirn gemessen 189 mm, die grösste Breite desselben lässt sich nur schätzen zu 132 mm, der Scheitelindex aus den beiden letzten Zahlen wäre also nur 69,84 mm. Das Schläfenbein ist nur rechts erhalten. Die Sutura spheno-frontalis und die spheno-temporalis sind spurlos geschlossen. Die Schläfenschuppe ist klein und niedrig, der obere Rand fast gerade verlaufend, ihre Aussenfläche etwas concav. Vor derselben ist die Schläfengegend stark nach innen gedrückt. An dieser Einbiegung nehmen Stirnbein und Scheitelbein gleichmässig Theil, in der Mitte dieser Stelle, die der Richtung der Sutura coronalis entspricht, ist der Knochen verdickt und für den Stamm der Arteria meningea media ist nicht eine Rinne, sondern ein geschlossener Canal vorhanden. Die 3 Aeste der Meningea sind stark und, wie man es bei Greisenschädeln nicht selten findet, tief in den Knochen eingeschnittene Rinnen. Es ist also eine Schläfenenge, die Virchow als Stenokrotaphie bezeichnet, in hohem Grade vorhanden, doch ist eine Verbindung der Schuppe mit dem Stirnbein nicht zu Stande gekommen. Der Schädel zeigt diese Bildung nur an seiner rechten Seite, an der linken fehlen die entsprechenden Knochentheile. Doch ist auch hier der Anfang einer Einbiegung am vorderen unteren Winkel des Scheitelbeins zu bemerken; dass sie auf der anderen Seite stärker war, kann aus dem Umstand geschlossen werden, dass der Sulcus longitudinalis im Innern der Schädelhöhle nicht ganz gerade verläuft, sondern eine kleine Concavität nach der rechten Seite zeigt, die eine Folge der Verkürzung der Schläfengegend dieser Seite ist. Die Schädelknochen sind mässig dick und ziemlich mürbe, das Stirnbein in der Gegend der Höcker 10 mm stark. Die Gegend der S. sagittalis ist etwas vorspringend, die Scheitelbeine aber sind über der Hinterhauptsschuppe abgeflacht. Diese ist nach oben etwas zugespitzt, sie bildet eine rundliche Hervorragung nach aussen und eine Querleiste unter dem oberen Dritttheil der Schuppe

scheint die Spur eines früher vorhandenen Os triquetrum zu sein. Auch die Spur der Sutura transversa ossis occipitis lässt sich als eine vertiefte Rinne erkennen. Ueber der linea nuchae, die der oberen Querleiste des Sulcus transversus der Schädelhöhle entspricht, findet sich 10 mm höher noch jederseits eine bogenförmige Leiste für den Muskelansatz. Die Diploe der Schädelknochen ist mehr entwickelt als das dichte Knochengewebe der beiden Tafeln. Der Zitzenfortsatz ist klein und rundlich und nach unten kaum vorspringend. In der Sutlambdoidea zeigt sich beiderseits über dem Zitzentheil des Schläfenbeins eine starke Einbiegung des Knochens, die wohl, obgleich eine Verdünnung desselben an dieser Stelle nicht vorhanden ist, ebenso wie die Einziehung der Schläfengegend für eine Erscheinung seniler Atrophie zu halten ist. Das Stirnbein hat an der Innenseite eine stark entwickelte Crista frontalis und aussen rechts eine 40 mm lange Gefässrinne, die wahrscheinlich in der Jucisura oder in einem Foramen supra orbitale mündete. Die Schläfenlinie ist nicht sehr hochgehend und nur in ihrem vorderen Theile stärker entwickelt. Der Schädel ist auf der Innen- und Aussenseite mit kleinen Mangandendriten bedeckt, diese sind mehr dem Knochen aufgelagerte schwarze Flecken und nicht so tief in das Gewebe eingedrungen und auch nicht so zierlich verzweigt, wie sie in characteristischer Weise so oft auf fossilen Höhlenknochen, z. B. denen von Baloe und auf Stücken des Mammuthzahnes sich finden. Auf den bearbeiteten Elfenbein- und Knochengeräthen sind sie ebenso wie an dem Schädel vorhanden; auch der Unterkiefer eines Erwachsenen, der aber nicht zu diesem Schädel gehört, hat diese Dendriten an einigen Stellen.

Ausser dem Schädel sind noch von menschlichen Resten aus der Wildscheuer zu erwähnen: Acht Unterkiefer, von denen nur zwei [5501, 5502] vollständig sind, und 5 Kindern [5501, 2198, 2200, 2199, 2197] angehören und zwar solchen von 2, 6 und 8 Jahren. Zwei sind 12jährig, und doch sind die Backenzähne schon abgeschliffen. Ein Unterkiefer [2198] zeigt den ersten Prämolaren mit seinem Querdurchmesser schief gestellt, wie es bei der Kinnlade von la Naulette der Fall ist und die Alveolen der Schneidezähne höher stehend als die der Prämolaren, wie es bei der genannten Kinnlade ebenfalls und bei niederen Rassen sich findet. Der Unterkiefer eines Erwachsenen mit Zähnen, die kaum abgeschliffen sind, hat einige primitive Merkmale. Die Zahnlade der hinteren Backzähne ist etwas nach innen gestellt, der Winkel am aufsteigenden Fortsatz ist nach Aussen gebogen und abgerundet und hat starke Muskeleindrücke. Der Kronenfortsatz ist links höher als der Gelenk fortsatz, rechts ebenso hoch, das Kinn ist spitz und etwas vor

springend, die Schneidezähne sind etwas nach vorn gerichtet und die hintere Fläche des Knochenkörpers schräg abfallend, am ersten Prämolar ist die Spur der doppelten Wurzel sichtbar; der Abstand der Mitte der Gelenkköpfe ist 92 mm. Während dieser Unterkiefer einige Dendriten zeigt, so fehlen sie an dem des 7jährigen Kindes. Die Bruchstücke zweier kindlicher Oberkiefer sind sehr prognath. Von zwei Oberarmbeinen [2189, 2190] ist eines [2189] in der Ellenbogengrube durchbohrt und [2190 a b c] drei Schienbeinstücke sind von den Seiten zusammengedrückt, welche Form als Platyknemie am vorgeschichtlichen Menschen, wie bei rohen lebenden Rassen, bekannt ist.

Die Höhle scheint, wie schon bemerkt wurde und wie es so oft der Fall ist, nicht nur eine Zuflucht für die Lebenden, sondern auch eine Begräbnissstätte der Todten gewesen zu sein, die grosse Zahl kindlicher Reste und ihre Lagerung im hinteren Theile der Höhle, wo die Lössablagerung am stärksten war, sprechen dafür. Die menschlichen Reste zeigen einen verschiedenen Grad der Erhaltung, was sowohl von verschiedenen Einflüssen des Bodens, in dem sie lagen, als von ihrem verschiedenen Alter abhängen kann. Auch die sehr mürbe aussehenden Reste enthielten noch Gallerte. Ein Unterschied der in beiden Höhlen, der Wildscheuer und dem Wildhaus, gelagerten Knochen ergab sich nicht. In der höher gelegenen Höhle hätte man die älteren Ablagerungen vermuthen können, hier fehlte aber sowohl der Löss, als Mammuth- und Rennthierreste, doch lagen hier der Knochendolch und die bronzene Pfeilspitze, Steinmesser, einige geschabte und zugespitzte Knochen, ein 5 cm langes und 12 cm breites [5563, Taf. VIII, WH 8] mit Punkten verziertes weisses Knochenplättchen, aber auch das Bruchstück eines Kiefers vom Erwachsenen, an dem der Weisheitszahn fehlt [5550], und von einem Kinde von 6 Jahren mit allen Milchzähnen und dem eben durchbrechenden ersten Backzahn [5548], ferner mehrere Epiphysen menschlicher Rückenwirbel.

Unter den mir zur Untersuchung übersendeten Knochen befanden sich vom Menschen noch folgende Reste: [5503] ein Stück vom Stirnbein mit vorspringenden Nasenbeinen, [5505] vier Stücke einer kindlichen Schädeldecke, die dünnen zerbrechlichen Knochen sind mit Dendriten bedeckt. Das Scheitelbein hat stark vorspringende Höcker, zwei grauweisse Bruchstücke vom Scheitelbein, das grössere zeigt Einschnitte, die, wie es scheint, Nagespuren sind, drei Backenzähne, zwei Ossa sacra, zwei ganze Wirbel, fünf Wirbelstücke, darunter solche von Kindern, ein Stück vom Brustbein, ein männliches Schlüsselbein, ein Mittelstück vom Humerus, ein Kopf desselben, zwei Bruchstücke der Ulna, zwei vom Radius, ein Stück vom Femur, eines von der Fibula, vier linke

Sprungbeine, sechszehn Phalangen, drei Mittelhandknochen, fünf Mittelfussknochen. An vier Mittelfussknochen der grossen Zehe, besonders deutlich aber an einem derselben, ist die Gelenkfläche für das erste keilförmige Bein tiefer ausgehöhlt, wie gewöhnlich, welche Bildung für eine freiere seitliche Bewegung der grossen Zehe spricht. Zu den Merkmalen der niederen Organisation wilder Rassen gehört auch die grössere Abstellbarkeit und Beweglichkeit der grossen Zehe des Fusses, die diesen zum Greifen geschickter macht. Man sieht darin mit Recht eine Annäherung an die Bildung der Anthropoiden, deren Fuss dadurch beinahe eine Hand wird. Beim Affen wird aber diese grössere Abstellbarkeit der Zehe durch eine freiere Gelenkverbindung des Metatarsus mit dem os cuneiforme primum hervorgebracht. Beim Gorilla ist dieser Knochen mit einer fast kugeligen Gelenkfläche versehen. Das os cuneiforme primum ist hier nicht erhalten, aber die Aushöhlung des Metatarsus an seiner Gelenkfläche gestattet die Annahme, dass dieser vorgeschichtliche Mensch von Steeten, gleich den heutigen Wilden, eine mehr abstellbare Zehe, ein bisher an Menschenresten der Vorzeit noch nicht beobachtetes pithekoides Merkmal gehabt hat.

Die chemische Untersuchung der Mammuth- und Menschenreste ist der Ansicht nicht günstig, dass beide von gleichem Alter sind. In derselben verdünnten Salzsäure brausen die Knochenstückchen vom Mammuth und Rhinoceros durch reichliches Austreten der Kohlensäure viel stärker auf, als die des menschlichen Schädels und des Unterkiefers. Bei diesen, die eine hellgelbe Farbe annehmen, kommen auch noch Fettbläschen zum Vorschein. Die Mammuth- und Rhinocerosknochen sind allerdings noch knorpelhaltig, doch erscheint der Knorpel in geringerer Menge und als eine leicht zerdrückbare Gallerte, in welcher indessen die morphologischen Elemente des Knochengewebes noch deutlich erkennbar sind. Vom Rhinoceros waren die Knochenkörperchen und verschrumpfte Blutzellen in grossen Haufen sichtbar, auch Bindegewebe mit derben Kernen, die Gallerte war mehr zusammenhaltend, als die des Mammuth. In der letzteren erschienen gestreifte und durchlöcherte Lamellen, je nachdem die feinen Ausläufer der Knochenzellen der Länge nach oder im Querschnitt zur Beobachtung kamen. Die Gallerte dieser beiden Thiere löste sich nach 8 Tagen in der verdünnten Salzsäure ganz auf. Die Knorpel der Menschenreste hatten eine feste, fast normale Beschaffenheit. Das bearbeitete Elfenbein und das in Kalksinter eingeschlossene Stück Mammuthzahn enthielten auch noch eine leicht zerdrückbare Gallerte. Die Schmelzfasern waren deutlich, nicht aber deren Querstreifen. Die Substanz des

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