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Occhischiffchen, Figur 13, da es als eine Filetnadel angesehen werden. kann, bei welcher das aufgewickelte Garn durch zwei schiffförmig gestaltete Seitenblätter geschützt ist. Wenn man dasselbe auch bei breiten Stoffen nicht mehr von Hand zu Hand reichen konnte, so befähigte seine Gestalt es in dem Fach geworfen über die Litzen hinzugeleiten. Doch mag mit ihm auch schon der liegende Webstuhl eingeführt gewesen sein, so dass das Schiffchen auf den Kettfäden hinschoss. Einen weitern Fortschritt bezeichnet das Weberschiffchen in dessen Aushöhlung ein Spulen Platz fand, von welchem das Garn sich abwindet. Dasselbe schiesst von den waagrechten Kettfäden getragen hin und her. Das Anschlagen der Einschlagfäden geschieht durch das Riet; es besteht aus einem 10 cm hohen leichten Rahmen von der Länge der Zeugbreite, in welchem eine grosse Anzahl schmaler Leistchen aus Schilf oder Riet so neben einander befestigt sind, dass dazwischen ein oder mehrere Kettfäden hindurch gehen. Durch das Anschlagen des Rietblattes mittels der Lade werden die Einschlagfäden in den Winkel zwischen den Kettfäden eingetrieben. Zugleich aber dient das Riet auch dazu, dass die Fäden sich nicht verschieben und das Zeug seine bestimmte Breite beibehält.

Bei der Anwendung des linealförmigen Radius können die Kettfäden dichter stehen, weil zwischen ihnen kein Platz für die Riete zu bleiben braucht,

schlagen werden.

hingegen kann der Einschlag nicht so dicht ge

Wir können hier schon sagen, dass die römischen Gewebe meist den ersten Fall zeigen, und somit eher auf die Anwendung des Linealradius und der Spatha, und nicht auf das Schiffchen und das Riet hinweisen. In der Anordnung der Litzen und der Schäfte und in der regelmässigen Wiederkehr, mit welcher bald diese bald eine andere Gruppe von Kettfäden vorgezogen wird, um hinter ihnen für die Einschlagfäden Platz zu machen beruhen nicht nur die verschiedenen Gewebearten oder Bindungen, sondern auch die verschiedenen durch das Weben dargestellten Muster.

Alle diese Anordnungen und Bewegungen, welche der römische Weber einst gemacht hat, ist ein kunstgeübtes Auge sehr wohl im Stande, an unsern Stoffmustern zu erkennen; um dieselben aber auch hier deutlich darstellen zu können, bedienen wir uns der Weise, wie es in den modernen Weberschulen geschieht, der sogenannten Patronen, die wir jedoch etwas vergrössern. In denselben bedeuten die schwarzen Felder die Kett fäden, soweit sie nicht von den Einschlagfäden bedeckt sind; und die weissen Felder stellen die Einschlagfäden vor, soweit sie nicht von den Kettfäden bedeckt sind.

Man unterscheidet überhaupt drei Haupt-Gewebearten, auch Bindungen genannt:

1. den Tafft,

2. den Köper,

3. den Atlas.

Und zwar liegt ihr Unterschied nur in der Reihenfolge und der Häufigkeit der Kreuzungen zwischen den Kett- und den Einschlagfäden. Der Tafft (auch Leinwand genannt, gleich

gültig, ob der Faden Wolle, Seide oder Leinen ist) ist die einfachste natürlichste, stärkste und auch wohl älteste Webeart; in ihr wechseln die Kreuzungen nach jedem Faden bald über bald unter demselben, sowohl in Richtung der Kette wie des Einschlags. Die Patrone 1 gibt die Leinwandbindung.

Patr. 1.

Der Köper ist eine Bindung, in welcher die Kreuzungen nicht wie beim Tafft bei jedem Faden wechseln, sondern in welchem eine gewisse, aber beschränkte Anzahl sowohl Kettals Einschlagfäden in regelmässigen Abständen ungebunden übereinander herlaufen. Dadurch fallen die Kreuzpunkte in diagonale Linien, welche entweder den ganzen Stoff überziehen oder je nach der Einrichtung des Geschirres diese Richtung wechseln und Zickzack oder über Eck gestellte Quadrate bilden (Patr. 2); z. B. der erste Kettfaden wird vom ersten Schuss bedeckt, während der zweite und dritte unbedeckt bleiben; der zweite Kettfaden wird vom zweiten Schuss bedeckt, welcher den ersten und dritten frei lässt, und der dritte Kettfaden wird vom dritten Schuss bedeckt, welcher den ersten und zweiten frei lässt. So entsteht daraus der dreischäftige Kettköper.

Patr. 2.

Man bedarf nämlich dazu drei Schäfte, um es möglich zu machen, den ersten oder den zweiten oder den dritten Kettfaden liegen zu lassen und den zweiten und dritten oder den ersten und dritten oder den ersten und zweiten Kettfaden zu heben, so dass der Einschlag unter ihnen durchgehen kann. Dies dem Webekundigen zu sagen, bedarf es nur der Patrone von drei Feldern in der Quere und drei Felder in der Länge. Durch Combination von vier, fünf oder mehr Kettfäden entstehen vier-, fünf- oder mehrschäftige Köper.

Lässt man nach einer Anzahl von bedeckten Kettfäden ebenso viele unbedeckt, wie die Patrone 3 darstellt, so entsteht eine Bindung, die den besondern Namen Bataviabindung und von der rechten wie von der linken Seite das gleiche Ansehen hat.

Der Köper lässt, wie man leicht erkennen wird, sehr viele Variationen zu, nicht nur in den Abständen der überdeckten und der freiliegenden Fäden, sondern auch in der Richtung der dadurch entstehenden Diagonallinie, da diese nicht nothwendig

Patr. 3.

in einer Richtung über das ganze Zeug hinlaufen müssen, sondern abwechselnd nach rechts oder links gerichtet, Zickzack oder Rautenmuster bilden können. Auch solche sind auf unsern Fundstücken erkennbar; sie zeigen, dass die Alten nicht nur mannichfaltige Schäftungen hatten, sondern mit denselben Wechsel in das Muster zu bringen wussten.

Indem sie nämlich die Schäfte nicht ihrer Nummer nach 1 2 3 4, 1 2 3 4, 1 2 3 4 etc. zogen, sondern die Ordnung umkehrten 1 2 3 4, 4 3 2 1 zogen, was wir jetzt Spitztreten nennen, bildeten sie einen Köper, dessen Diagonallinien sich zu Zickzack und Rauten gestalteten.

Der Atlas. Wenn bei Köperstoffen die Kreuzungen Diagonallinien zu bilden scheinen, so sucht man bei dem Atlas die Bindungen so selten zu machen und so zu vertheilen, dass man sie kaum gewahr wird und der ganze Stoff aus freiliegenden Kettfäden zu bestehen scheint. Wird z. B. (bei achtschäftigem Atlas) der erste Kettfaden vom ersten Schuss gekreuzt, so wird er nicht früher als vom achten Schuss wieder gekreuzt, und auch der erste Schuss bindet nicht früher als erst den neunten Kettfaden. Der zweite Schuss bindet aber nicht den zweiten Kettfaden, sondern den vierten, zwölften, zwanzigsten u. s. w., der dritte Schuss bindet den siebenten, fünfzehnten und der vierte Schuss den zweiten zehnten. Kurz, die Bindungen liegen sich möglichst fern und in nicht in die Augen springenden Richtungen.

Patr. 4.

III

Die Patrone 4 gibt eine achtschäftige Atlas-Bindung.

Was wir hier von der Bindung der Kettfäden gesagt haben, kann ebenso auch auf die Bindung der Schussfäden bezogen werden, und es entsteht so ein Schuss-Atlas, wie jenes einen Kett-Atlas erzeugt.

Die Atlasbindung ist von allen die loseste und dem Zerreissen und Abnutzen am meisten ausgesetzt. Sie hat nur den Vorzug, dass sie, weil nur Fäden einer Richtung sichtbar sind, welche zudem auch wenig oder gar nicht gezwirnt, nur die glatt daliegende Faser zeigen, das Licht alle unter demselben Winkel reflectirt und daher den meisten Glanz hat, der sie mehr zu Luxus- als zu Gebrauchsstoffen empfiehlt.

In dem sogenannten Damast-Tischzeug oder Gebilde werden gewisse Figuren durch Kett-Atlas, der Grund aber durch SchussAtlas, beide auch oft untermischt mit Tafft oder mit Köperbindung, gebildet und es beruht in diesem Wechsel zwischen reflectirenden und nicht reflectirenden Fäden auf dem eintönig weissen Stoff die mannichfaltigste Musterung.

Die Atlasbindung kommt zwar unter unsern Fundstücken nicht vor, dennoch wissen wir, dass sie bei den Prachtstoffen bereits in Anwendung kam, indem sie sich in manchen Kirchengewändern erhalten hat, welche in hoher Vollendung noch an die Römerzeit hinaufreichen.

Untersuchung alter im Museum zu Wiesbaden aufbewahrter Gewebe.

Unsere sämmtlichen römischen Gewebe bestehen aus Wolle, und zwar ist die Wolle nicht sortirte, sondern es ist vom selben Vliess sowohl die vom Rücken als die vom Bauch im selben Faden verwebt, andre Stücke sind von der Wolle einer andern Schafsorte. Es kommt die weiche feine Wolle, wie sie in Deutschland und Spanien am Höhenoder Landschaf gezüchtet wird, wie auch die lange, harte, glänzende Wolle vor, wie sie das Niederungs-, Marschen- und Haideschaf längs der Nordsee, in Holland und England trägt. L. Friedländer (Gallien und seine Cultur unter den Römern, in der Rundschau Dezember 1877) sagt, dass die gallischen Schafe eine zottige grobe Wolle lieferten, die Römer aber bereits unter August im nördlichen Gallien auch eine feinwollige Heerde züchteten, welche im Winter mit Fellen gegen die Kälte geschützt wurden demnach scheint es keine Schafställe gegeben zu haben. Die Fabrikation leinener und wollener Stoffe gewann erst unter den Römern eine grosse Bedeutung. Die Webstühle Galliens lieferten vorzugsweise dicke und dauerhafte Fabrikate, besonders Mäntel, Ueberkleider und Kapuzen, — in diesen aber kleideten sich die untern Klassen, die ländlichen Arbeiter und die Soldaten im ganzen Reich und sie bildeten daher den Gegenstand eines grossen Exporthandels. Auch die Leinenweberei lieferte kein feines Fabrikat, sondern hauptsächlich Segeltuch. Wenn man jedoch einen Blick auf die zahllosen Gewandnadeln wirft, so sieht man, dass nicht nur dicke, starke Stoffe im Gebrauch waren, sondern auch sehr feine, denn viele dieser Nadeln sind so leicht und schwach, dass sie nur zum Zusammenstecken der Chemisetten unserer Damen Stärke genug besitzen. Dasselbe sehen wir jedoch auch unmittelbar aus mehreren der nachgehends analysirten Gewebe.

Annalen f. Nass. Alterthumsk. u. Geschichtsf. XV. Bd.

3

Leinen hat sich im Moorgrund unter Mainz nicht erhalten, obschon es ohne Zweifel auch vorhanden war. Während die Wolle eine Art von Gerbung erfuhr, vermochte der Leinenfaden den dort herrschenden Agentien nicht zu widerstehen. Wir sehen dies an den ebendort gefundenen Sandalen und Schuhen, welche ohne Zweifel mit Leinengarn genäht waren; dasselbe ist verschwunden und alle Nähte sind gelöst. Dennoch fehlt uns der Anblick von Leinengeweben nicht ganz, da sich dergleichen in Abdrücken auf Eisen- und Bronzegeräthen oder selbst durch die Oxyde dieser Metalle conservirt erhalten haben. Es ist uns nur die Tafftbindung und zwar in ziemlich lockeren Geweben zu Gesicht gekommen.

Die Fäden der aufgefundenen Wollenstoffe sind im Allgemeinen stark gedreht, und zwar die Kettfäden stärker als der Schuss. Manche Gespinnste sind sehr grob, unserm Teppichgarn zu vergleichen, während andre so fein sind, dass 30-40,000 m auf das Kilogramm gehen würden. Die Kette ist meist sehr dicht gestellt, während verhältnissmäsig kaum halb soviel Schuss (nur 20-25) auf den Zoll gehen.

Bei einigen Resten, namentlich bei schmalen gurtenartigen Streifen, ist der erste und letzte Kettfaden wie eine Schnur, stärker als die übrigen, was in Anbetracht, dass ein Zerreissen zunächst am Rande beginnt, seinen guten Grund hat. Bei andern ist der Rand dadurch verstärkt, dass er doppelt und hohl gewebt ist, ein Verfahren, das in manchen Fällen auch heute befolgt wird. Wir glaubten bei einer Gurte auch ein gewebtes, nicht geschnittenes Knopfloch wahrzunehmen, scheinen uns aber hierin getäuscht zu haben.

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Es sind unter den Fundstücken solche, in welchen die Wolle eine Art von Verfilzung erfahren hat, wie sie auf den Tüchern unserer Zeit gleichfalls hervorgerufen wird. Allein es lässt sich aus dem Ansehen nicht bestimmt sagen, ob dies eine absichtliche Appretur oder eine Wirkung von Alkalien in der Erde ist.

Alle Gewebe haben eine braune Farbe, jedoch in verschiedenen Nüancen, welche den Gewebefäden folgend scharf neben einander stehen. Sie können daher nur an die Stelle von auch einstigen verschiedenen Farben getreten sein; wir erkennen daraus, was wir allerdings auch aus den Schriftstellern wissen, dass wir streifig und quadrirte in der Wolle gefärbte bunte Stoffe vor uns haben.

Die Beurtheilung der Gewebe wird durch den Umstand erschwert, dass durch das lange Liegen im feuchten Boden die Wollfaser sich umgewandelt hat, obschon sich beim Verbrennen der eigenthümliche Wollgeruch nicht verkennen lässt. Sie lässt sich nicht wie frische Wolle in kaustischer Lauge lösen. Dagegen scheint die dunklere Farbe (No. 28)

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