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mühlen in der Nähe der Stadt sich befanden; man bedurfte derselben, um die Waffen im Stande zu erhalten und zu schleifen. Es werden aber in der Rentei-Rechnung vom Jahre 1458 drei „Sliffmoln" erwähnt, eine bei der Dietenmühle, eine zweite unter dem breiten Weiher, eine dritte bei der Spitalmühle; in der vom Jahre 1514 zwei, die oberste“ und „die andere"; bald darauf wird die "alte" Schleifmühle im Leberbergfeld genannt.

Ueber die Art und Weise, wie die Bürger zur Beschützung der Stadt herangezogen wurden, fehlen aus der Zeit des Mittelalters nähere Angaben. Erst das XVI. Jahrhundert gibt einige Andeutungen, genauere das XVII. Jahrhundert in der Zeit nach dem dreissigjährigen Kriege.

Zunächst waren die Thore im XVI. Jahrhundert mit Wächtern und Portnern besetzt, die zur Klasse der gemeinen Knechte zählten, doch nicht alle Thore, da das stumpfe Thor in den erhaltenen Rechnungen gar nicht, das heidnische nicht immer erwähnt wird; auch standen jene nicht alle in der Stadt Dienst, da der Thorwächter am nicderen Thore ganz und die Thurmhüter auf dem Uhrthurme zum Theil von dem Grafen bezahlt wurden, der Stadt also nur der Portner an dem Mainzer und Sonnenberger Thore immer und allein zur Last fiel; sie erhielten im Jahre 1524 und 1590 6, im Jahre 1563 10 fl. Lohn, der am heidnischen Thore 5 fl. 6 Alb. Nach dem dreissigjährigen Kriege werden blos Thurmwächter auf dem Uhrthurme erwähnt, die Thore scheinen die Bürger oder die Miliz bewacht zu haben.

Zur Bewachung der Letzen waren die Bürger in ebensoviele Abtheilungen getheilt, als Letzen waren, deren jede 1-2 Letzenmeister befehligte. Die erste Erwähnung derselben findet sich in der Bürgermeister-Rechnung vom Jahre 1524, in welchem eine Irrung der Letzenmeister beigelegt wurde; welcher Art diese war, wird nicht erwähnt. Sodann erwähnt das Beheltnusbuch, Fol. 21a, die Letze hinter der Schiesshütten und zählt die Bürger auf, welche im Jahre 1567 zu ihr gehörten; es waren ihrer 26 und dazu 5 Fuhrleute; zum Jahre 1575 nennt es blos die zwei Letzenmeister auf der Mühlgasse; die erstgenannte mag den Raum zwischen dem niederen und Mainzer Thore, die andere den zwischen dem Sonnenberger Thore und dem stumpfen Thurme oder der Zwerchmauer begriffen haben (s. u.).

Deutlicher sind die Nachrichten aus der Zeit nach dem dreissigjährigen Kriege; aus derselben liegen zwei Verzeichnisse der Letzen vor, sog. Letzenzettel, von denen das erste aus dem Jahre 1651 blos die Letzen und Letzenmeister, das zweite aus dem Jahre 1661 auch die gesammte Letzmannschaft aufzählt. Doch ist die Zahl der Letzen nicht gleich, dort fehlt die Letze zwischen dem stumpfen und heid

nischen Thor, und ist zwischen dem Hospital und Sonnenberger Thore nur eine, hier zwei Letzen, sodass der Zettel von 1651 sieben, der von 1661 neun Letzen enthält. Wahrscheinlich hatte man unmittelbar nach dem Kriege bei der geringen Anzahl der übriggebliebenen Bürger nicht genug Kräfte, um alle Letzen sogleich genügend zu besetzen, während schon zehn Jahre später die Bürgerzahl sich erheblich vermehrt hatte. Zum Beweise dieser Sache werfen wir einen Blick auf die Bürgerlisten jener Zeit, die sich im städtischen Archive dahier erhalten haben. Die ersten zwölf Jahre des grossen Kriegs hatten keinen merklichen Einfluss ausgeübt, obgleich oft Klagen über die Leiden des Kriegs, Contributionen und Einquartierungen, erhoben wurden; ein Schatzungsregister vom Jahre 1630 ergibt 224 schatzungspflichtige Bewohner der Stadt. Schlimmer wurde es in Folge der mehrfachen Plünderungen nach der Schlacht bei Nördlingen und dem Rückzuge des Herzogs Bernhard von Weimar, sodass ein Register von c. 1640 nur noch 173 Namen aufzählt. Die letzten acht Jahre des Kriegs vollenden den Ruin der Stadt; viele Familien erliegen der Noth der Zeit und sterben aus, andere, von Haus und Hof verjagt, suchen in der Fremde eine neue Heimathstätte. Viele Häuser stehen leer; die Bürgermeister - Rechnungen sprechen alljährlich von herrenlosen und „umbgefallenen" Häusern, welche die Gemeinde an sich zog und um Spottgeld, zu 1/2 bis 6 fl., verkaufte; andere wurden, wie man sagt, um ein Stück Brod" (Landesvisitationsrecess von 1650) von den Besitzern selbst veräussert. Kein Wunder, dass ein Verzeichniss der ganzen Bürgerschaft vom Jahre 1647 nur noch 51 Bürger aufzählt. Das Ende des schrecklichen Kriegs fand die Stadt menschenleer, verödet und zerfallen. Doch sofort nach dem Abschlusse des Friedens rief die Fürsorge des Grafen Johann, seine Einladung zur Rückkehr, mit der er das Versprechen von mancherlei Erleichterungen verband, sowie die Aussicht auf Gewinn und Erwerb nicht nur viele der früheren Bürger zurück, sondern lockte auch manche Fremde aus näheren und ferneren Gegenden an, hier ihr Glück zu versuchen. So steigt denn die Einwohnerzahl rasch empor; die Listen zeigen folgende Ziffern:-1651: 91 Bürger;

1654: 111 Namen, darunter 17 Wittwen;

1658: 134 Namen:

1664: 151 Bewohner, die zur Türkensteuer beitragen, 128 Bürger,

6 Hofleute, 17 Beisassen;

1673: 172 Bewohner;

1693: 186, und zwar 15 Freie, 15 Gerichtspersonen, 5 Vorsteher,

114 Bürger, 14 Beisassen, 23 Taglöhner.

Trotzdem hatte innerhalb dieser vierzig Jahre die Stadt ihre frühere Blüthe noch nicht erreicht; das trat erst ein in Folge der Fürsorge, welche Fürst Georg August derselben widmete und insbesondere zuerst auf die Pflege der natürlichen Hülfsmittel der Stadt, der warmen Quellen und der Kur, richtete. Indem er den Plan einer Stadterweiterung fasste und in seinem Aufrufe vom 18. October 1690 die durch die französische Invasion hart bedrängten und vertriebenen Pfälzer zur Niederlassung in Wiesbaden und Idstein unter den günstigsten Verheissungen einlud, erweckte er neues Leben, zog er viele Fremde heran und regte eine solche Bauthätigkeit an, dass binnen 20 bis 30 Jahren an 112 neue Häuser in der damals kleinen Stadt errichtet wurden.

Mit den genannten Letzenzetteln stimmen im Wesentlichen zwei andere Verzeichnisse aus den Jahren 1672 und 1674 überein. Es war nämlich an jeder Letze zur Beherbergung der Wachtmannschaft ein Wachthaus errichtet und zwar entweder an dem Thore, welches die Letze berührte, oder, wo dies nicht der Fall war, an der Stelle, wo eine Schütte zwei benachbarte Weiher trennte, sodass die Letzmannschaft zugleich die Letzen und die Schütten beherrschte und bewachte. So griffen die verschiedenen Veranstaltungen zur Beschützung der Stadt ineinander, ergänzten und bedingten sich gegenseitig. Einige Schütten blieben dabei freilich ungedeckt, wenn nämlich mehrere, wie beim breiten Weiher, allzunahe beieinander waren, als dass man hier besondere Letzabtheilungen machen konnte oder wollte.

Diese Wachthäuser also wurden in jenen Jahren (1672 und 1674) wegen des eben beginnenden sogenannten zweiten Raubkrieges hergestellt und mit neuen Borden verschen; die beiden Verzeichnisse geben an, wie viele Borde auf jedes Wachthaus verwendet wurden.

Es ist aber kein Zweifel, dass sie schon früher bestanden; abgesehen davon, dass im Jahre 1621 von sechs Wachthäusern die Rede ist, zeigen sich Spuren von ihnen auch im vorhergehenden Jahrhundert, sodass wir sie auch für noch frühere Zeit anzunehmen berechtigt sind. Sie sind offenbar unter dem Namen Boln werk (Bollwerk) und Thurm versteckt, Benennungen, welche mehrfach vorkommen, wie im Jahre 1514 ein Bolnwerk ohne nähere Bezeichnung der Lage, im Jahre 1563 ein Bolnwerk zwischen Hospital und Sonnenberger Thor, ohne Zweifel eben dasselbe, welches später Rundell genannt wird, und der Thurm am Hospital. Im XVII. Jahrhundert findet sich ausser der allgemeinen Bezeichnung auch der Name Rundell, von der Bauart des Werks entlehnt; eines heisst die Wacht an der Katz; was unter dieser Katz zu verstehen sei, erhellt aus keiner Stelle; jedenfalls muss das Wort sich auf eine Vertheidigungsanstalt, Erdaufwurf oder

etwas Aehnliches, bezogen haben. Sie lag an der Schütte zwischen Mainzer und Hechtweiher (s. u.). Auf dem Plane haben wir die Rundelle durch die Form der Zeichnung kenntlich gemacht und an ihnen den Graben resp. Weiher etwas vorspringen lassen; die Wachthäuser sind nicht bezeichnet, die Katz wie ein Rundell.

Die Zahl der Wachthäuser in den beiden Verzeichnissen ist zwar dieselbe, doch entsprechen sich nicht alle; es ist demnach entweder die Oertlichkeit derselben nicht immer dieselbe geblieben, oder, was wahrscheinlicher ist, es war in den genannten Jahren das Bedürfniss nach Herstellung durch neue Borde nicht bei allen zugleich vorhanden.

Wir stellen nunmehr die Letzen nach den beiden Letzenzetteln zusammen und fügen die betreffenden Wachthäuser sowie die Grösse der Letzmannschaft hinzu.

1. Die erste Letze: vom Stadtthor bis zum Mainzer Thore, Taf. III, e bis c; es ist dies die Letze hinter dem Schiesshaus vom Jahre 1567. Besatzungsmannschaft: 15 mit 2 Letzenmeistern; ein Wachthaus am Stadtthore, bei e, ein zweites an der Katz (1672), bei d, welche nach einer Notiz im „Project des Mauerbaus, 1690" zwischen dem Stadtund Mainzer Thore lag; in ihrer Nähe sollte das neue Thor angelegt werden, wie es denn auch geschah. Das Wachthaus an der Katz diente zur Bewachung der Schütte zwischen dem Mainzer und Hechtweiher.

2. Die zweite Letze: vom Mainzer bis zum stumpfen Thore, c bis a; Letzmannschaft: 7 mit 2 Letzenmeistern; das Wachthaus am Mainzer Thore, ein zweites, Rundell genannt, zwischen den beiden Thoren, sicherlich ebenfalls da, wo die Schütte in der Nähe des Säumarktes war, Taf. III, b.

3. Die dritte Letze: vom stumpfen Thore bis H. Cramers Mühle, Taf. III, a bis t; Letzmannschaft: 3 mit einem Letzenmeister, die kleinste Letze; das Wachthaus am stumpfen Thore. Schwierig ist die genaue Bestimmung, wo die genannte Mühle lag. Der Pfarrer Joh. Phil. Cramer hatte mehrere aneinanderstossende ledige Hofraitheplätze, die von Joh. Hex, Best Dauber, Phil. Faber und der Ausspeiserin, am Ende des dreissigjährigen Krieges erworben und bei denselben im Jahre 1646 eine Oelmühle errichtet; auch besass er ein eigenes Haus „auf der Bach", das im Jahre 1656 seine Kinder bewohnten. Mit dem Ausdruck auf der Bach" werden die Anwohner des durch die Stadt strömenden Dendelbachs bezeichnet (s. o). Nun besass Best Dauber im Jahre 1638 das Wirthshaus zum Birnbaum, das in der Nähe des gemeinen Bades lag; es ist also dort der Theil des

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Bachs gemeint, welcher durch den jetzigen Michelsberg fliesst, dessen Wasser Cramer benutzte; er wird die Gebäulichkeiten der hier gelegenen Pfaffenmühle zu seiner Anlage verwendet haben. Die Letze zog sich also nicht direct nach der Heidenmauer, sondern wandte sich zuerst hinter den Häusern her und endete an Cramers Mühle (t); von da lief der Graben und Mauer (s. o.) zur Heidenmauer. Das zweite (End-)Wachthaus stand wohl nicht bei t, sondern war vielleicht dasselbe als das folgende (s), doch haben wir es bei t angedeutet.

4. Die vierte Letze: vom heidnischen Thore bis an Peter Heus Scheuer (1661) oder Peter Cronen[-] Scheuer (1651), Plan r bis q; Mannschaft: 6 mit 2 Letzenmeistern; das Wachthaus war das Rundell hinter Kolhens Scheuer, Plan s. Die Lage der beiden Scheuern ergibt sich aus folgendem. In den Jahren 1650-70 war nach den Bürgerverzeichnissen und v. Hörnigks Mittheilung (1662) Peter Heus Besitzer des Badhauses zur Krone; hinter demselben lag ein Garten, welcher im XV. und XVI. Jahrhundert mehrmals genannt wird, meist mit der Bezeichnung zum Fleckenbad"; in ihm war nach dem Zinsregister der Mauritiuskirche um das Jahr 1500 eine Scheuer auferbaut worden und zwar „gegen den Hirsch", d. h. nach dem Badhause zum Hirsch, dem heutigen goldenen Brunnen, zu; dies ist die obengenannte Scheuer, an welcher die vierte Letze endigte und wo gleichfalls eine Schütte war (s. o.). Wenn es heisst, Peter Cronen Scheuer", so ist mit dem Worte „Cronen" nicht die Familie Cron gemeint, da es damals keinen Peter Cron, sondern einen Johann Cron gab (1638, 1647, er war 1654 todt), sondern das Badhaus zur Krone, wie denn ähnliche Namenbildungen noch mehr vorkommen. Schwieriger ist es, die Lage der zweiten Scheuer zu bestimmen. Ein Schieferdecker Henr. Jac. Kol wird im Jahre 1648 unter die Bürger aufgenommen, sein Sohn Johann erscheint in den Jahren 1663 und 1673 und ist ohne Zweifel unser Kolhen; aber seine Hofraithe lag in der Nähe des Nonnen- und Kötherhofes, in der heutigen Kirchgasse. Doch da er nach der „Aestimation der Handwerker vom Jahre 1661" als ein ziemlich wohlhabender Mann erscheint, so mochte er auch an einer ferner gelegenen Stelle der Stadt noch eine Scheuer besitzen. Denn die unsere müssen wir nothwendig in der Nähe der Heidenmauer suchen. Und soll ein Rundell hinter ihr gelegen haben, so möchte ich, indem ich an die oben erwähnten Häuser „hinter Dienheims Scheuer" (1563) und „herwert der hohen Muren" im Merkerbuch erinnere, annehmen, dass sie hinter dem Schützenhof gestanden, sodass man unter dem Rundell den noch erhaltenen Thurm der Heidenmauer verstehen dürfte, zumal von da aus die Bewachung des tief

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