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Mensch gewesen, dem es eben so nahe nicht gegangen ist, wenn einen ehrlichen Kerl hungerte.

Hegio. Eh, hol dich der . .

Ich habe mit Fleiß etwas weitläuftig überseßt, damit man es desto deutlicher einsehen möge, was ich für einen Sinn darinne finde. Aus dem Fluche des Hegio ist gar nichts zu schließen. Denn dieser ist nur verdrüßlich, daß ihn Ergafilus einer solchen Unempfindlichkeit und Kargheit beschuldigen will. Die andre Stelle, die ich nun zu entschuldigen habe, ist in dem zweyten Auftritte des letzten Aufzuges. Hegio sagt zu seinem verlaufnen Knechte:

Bene morigerus fuit puer: nunc non decet.

Hier ist es offenbar das arme Wort morigerus, welches unsre keuschen Kunstrichter aufmerksam gemacht hat. Ich leugne gar nicht, daß es dann und wann nicht eine schlimme Bedeutung habe, allein hier nur findet sie nicht Statt; weil Hegio nichts weniger als mit seinem Knechte Possen treiben will. Ich habe es in meiner Uebersetzung so gegeben, daß mein Gegner selbst gestehet, er zweifle, ob Plautus so was schändliches dabey gedacht habe, als es ihm seine Ausleger, und der französische Ueberseßer Herr Coste Schuld geben. Sind aber diese beyden angeführten Stellen unschuldig, so wird man auch in dem ganzen Stücke kein einziges Wort finden, welches nur im geringsten der schärfsten Moral entgegen sey. Die Fortseßung im vierten Stücke.

[IV.]

Samuel Werenfels

Rede zur Vertheidigung der Schauspiele.

Aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt, und mit einigen Anmerkungen begleitet von M. Immanuel Friedr. Gregorius aus Camenz.

Wittenberg, 1750. in 4to, auf 40 Seiten.

Diese Rede des berühmten Werenfels ist in ihrer Grundsprache ein lesenswürdiges Stück. Sie ist nicht eine Vertheidigung der Schauspiele überhaupt, sondern nur in so ferne fte in Schulen aufgeführt zu

werden verdienen. Nach einem kurzen Eingange, in welchem er die Wichtigkeit seiner Materie darthut, und von der Annehmlichkeit der Schauspiele, die von niemanden in Zweifel gezogen wird, redt, kömmt er auf seinen Hauptsaß, und zeiget auf eine doppelte Art, was sie für einen unwidersprechlichen Nußen bey der Jugend haben können. Er betrachtet sie erstlich, in wie ferne sie den Zuschauern nußen; er redet von der Kenntniß der Menschen, von der Verabscheuung des Lasters, von der Liebe zur Tugend, wozu sie uns die vortrefflichsten Anleitungen geben, und weiset zugleich, daß diese Anleitungen in der lebhaften Abschilderung wahrscheinlicher Gemüthsarten, in der Vorstellung einnehmender Begeben= heiten, und in der Anführung wichtiger Sittensprüche liegen können. Doch nicht genug, daß sie uns zu tugendhaften Menschen ́ machen, sie können auch unsre Wissenschaften vermehren und unsre Fähigkeiten stärken. Die merkwürdigsten Exempel der Historie, die ernsthaftesten Wahrheiten der Weltweisheit, ja selbst die Streitigkeiten unterschiedner Religionen, können auf das nachdrücklichste darinne vorgestellet werden. Und was die Beredsamkeit für Nahrung in denselben finde, haben die größten Meister derselben, alter und neuer Zeit, bewiesen. Eben so richtig finden wir den Nußen der Schauspiele, wenn wir uns, andern Theils, an die Stelle derer, die sie selbst vorstellen, setzen. Diese nehmen nicht allein an allen den angeführten Vortheilen der Zuhörer Theil, sondern sie stärken auch dadurch ihr Gedächtniß, welches nothwendig in der Jugend ge= schehen muß, und üben sich in der körperlichen Beredsamkeit, welche, nach des Demosthenes eignem Ausspruche, die vornehmste Eigenschaft eines Redners ist. Alles dieses führt unser Redner auf eine würdige Art aus, und zeigt zum Ueberflusse, daß die größten Schulmänner, ein Johann Sturm und ein Comenius, und, welche in dieser Sache kein geringer Ansehen haben, die Glieder der Gesellschaft Jesu selbst, die Nothwendigkeit der Schauspiele in den Schulen erkannt haben.

Dieses, was wir anführen, ist nichts als der trockne Inhalt. Wenn unsre Leser von der Vortrefflichkeit der Ausführung urtheilen wollen, so müssen sie das Original selbst, oder eine getreure Uebersetzung, als die gegenwärtige ist, zu Rathe ziehen. Es ist ein Glück, daß uns diese nicht fehlt. Schon vor einigen Jahren ist sie uns von einer geschichten Feder in den critischen Beyträgen geliefert worden. Wir würden sie allzu wenig loben, wenn wir nur sagen wollten, daß sie die gregorische bey

weitem übertreffe. Eine gute und schlechte Arbeit muß man auch nicht einmal mit einander vergleichen, wenn man beyden will recht widerfahren lassen. Wir schließen nicht ohne Grund, daß Herr M. Gregorius seinen Vorgänger gar nicht müsse gekannt haben; welches ihn zwar von dem Verdachte des Ausschreibens befreyet, in der That aber zu einer Schande gereicht. Bey einem Schriftsteller muß es das erste seyn, sich zu erkundigen, wie weit es andre in der Arbeit, die er unternimmt, schon gebracht haben. Und besonders ist ein Uebersezer verbunden, keine Schrift vorzunehmen, von der man schon eine Uebersetzung hat, wenn er nicht gewiß überzeugt ist, daß er eine ungleich beßre liefern kann. Hätte der Herr Magister gewußt, daß diese Rede schon übersetzt seh, so würde er es gewiß unterlassen haben, die Welt mit ein Paar Bogen voller Schulknabenschnißer zu beschenken, und sein Bißchen Ehre würde auf dieser Seite auch keinen Abbruch gelitten haben. Unser Urtheil würde sehr ungerecht scheinen, wenn wir es nicht bewiesen. Wir wollen ihm also in aller Kürze Stück vor Stück zeigen, daß er erstlich die lateinische Sprache sehr schlecht verstehe; daß er anderns fast eben so wenig der deutschen gewachsen sey, und welcherley drittens seine Anmerkungen schlecht sind.

Von dem ersten Stücke wollen wir nur ein Paar Stellen anführen, welche allzu deutlich in die Augen fallen. Weis denn der Herr Magister nicht, was apparatus figurarum heißt, daß er es durch Zubereitung von Figuren übersetzt? Es ist zwar wahr, in seinem Wörterbuche wird er Anstalt, Zurüstung und dergleichen gefunden haben; allein, Genade Gott, wenn ein Uebersetzer noch das um Rath zu fragen gezwungen ist! Kann der Herr Magister seinen Text verstanden haben, wenn er auf der 34 Seite übersetzt? Wie machen es die alten lateinischen und griechischen Tragödienschreiber? Gewiß, dieselben haben ihre Zuschauer mit keinem Vergnügen erfüllt; indem sie in ihren Erdichtungen alle andre Leidenschaften, nur nicht die Liebe, ausgedruckt. Wie macht es Plautus? Kömmt er uns nicht in seinen Gefangnen ganz unangenehm vor, darinne er nach seinem Geständnisse 2. Ein jeder, wenn man auch das Original nicht bey der Hand hat, sieht, daß der Uebersetzer gleich das Gegentheil von dem sagt, was er sagen sollte. Wir wollen die übrigen Fehler dieser Art übergehen: die angeführten sind hinlänglich, den Leser vor seiner Uebersetzung zu warnen.

Sein Deutsch würden wir nicht tadeln, wenn er es nicht ausdrücklich auf dem Titel gemeldet, daß er diese Rede ins Deutsche übersetzt. Es scheinet, als habe er selbst einen kleinen Argwohn gehabt, es möchten einige seiner Leser zweifeln, ob seine Uebersetzung nicht vielmehr wendisch sey. Es ist also ganz klug gethan, daß man, allen Irrungen vorzukommen, dem Leser gleich voraussagt, in was für einer Sprache man habe schreiben wollen. Welcher ehrliche Deutsche sagt: Ausübungen des Körpers? Körperliche Uebungen sagt er wohl, und das versteht man auch, ohne darüber nachzudenken. Dem Urtheile seinen Namen unterschreiben: was heißt denn das? Ein Urtheil unters schreiben, das versteh ich. Wir erlangen in den Schauspielen ein Gelächter über die Thorheit: aus welcher Sprache ist denn diese schöne Redensart genommen? Die Vorstellung einer zierlichen Stellung, und dergleichen Ausdrücke wollen wir gern mit Stillschweigen übergehen: denn es ist uns in der That ein schlecht Vergnügen, dergleichen Schnitzer auszusuchen.

Auf seine Anmerkungen endlich zu kommen; diese zeigen eine solche Belesenheit an, daß man erstaunen muß, wie ein Herr Magister das Herz hat haben können, die Arbeit eines Mannes, wie Werenfels war, damit zu verstellen. Wir wollen nur einiges davon anführen, und den, welcher Luft hat sich damit zu erbauen, auf das übrige verweisen. 3. E. Wenn Werenfels von der Verbindung des Angenehmen mit dem Nüßlichen redet, so glaubt unser Polyhistor wer weis was zu sagen, wenn er darunter seßt: Daher schreibt Horaz

Omne tulit punctum etc.

Er bringt das Wort Pedante, welches Werenfels nicht einmal gebraucht, bey Gelegenheit einmal an, und alsbald glaubt er Ursache genug zu haben eine ganze Stelle aus dem Bayle davon anzuführen, welche nicht die geringste Beziehung auf den Ort, an welchem er sie anführt, hat. Doch so was wäre einem Menschen, der nichts bessers zu sagen weis, noch zu gute zu halten; wenn er nur gezeigt hätte, daß er die Stellen, welche er anführt, verstünde. Werenfels verdammt die Anrufung der Götter, und das Schwören bey ihren Namen in den Schauspielen, und unser Herr Magister sezt mit vieler Ueberlegung darunter: Horaz sagt daher recht Nec Deus intersit, nisi dignus vindice nodus

Inciderit.

Es ist unmöglich, daß er diese Stelle bey dem Horaz selbst kann gelesen haben: denn sonst würde er gewiß wissen, daß in dieser Stelle eine der wichtigsten theatralischen Regeln verborgen liege, und daß sie nichts weniger als das bedeute, was er sie bedeuten läßt. Wer hat denn dem Herrn Gregorius gesagt, daß in dem Traume des Scipio lauter Gottheiten aufgeführet würden? Wir verlangen gar nicht, daß er dieses Singespiel selbst solle gelesen haben; allein als ein Magister hätte er es wohl aus dem Cicero schließen können, daß dieses nicht möglich sey. Der neue Büchersaal hat ihm vortreffliche Dienste bei diesen sauern Anmerkungen gethan. Woher wüßte man es auch sonst, als aus dem Büchersaale, daß Plato die Dichter aus seiner Republik verbannt? Werden die Verfasser nicht selbst herzlich über die Einfalt unsers Notenschreibers haben lachen müssen? Seine Art gelehrte Männer zu loben, ist auch ganz besonders. Einem Manne von entschiednem Verdienste das Beywort unvergleichlich zu geben, ist gewiß unvergleichlich.

Wenn wir über diese Rede hätten Anmerkungen machen sollen, so würden wir vornehmlich darauf gesehen haben, daß wir alle die Gründe, die der Verfasser nur insbesondre für die Schauspiele in Schulen anbringt, auf die Schauspiele überhaupt angewendet hätten. Wir würden mit Exempeln gezeigt haben, daß man wirklich die ernsthaftesten philosophischen Wahrheiten, ja selbst Religionsstreitigkeiten auf das Theater bringen könne, und gebracht habe. Wir würden die Laster und Tugenden angeführt haben, die man mit gleichem Glück in den Lustspielen vollkommen verhaßt, und vollkommen liebenswürdig vorgestellt hat; und viele andre Sachen, wozu man aber Belesenheit in den Schauspielen selbst nöthig hat, die wir freylich einem Herrn Magister nicht zumuthen wollen.

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Wir wündern uns übrigens gar nicht, daß diese Uebersetzung gleichwohl in so vielen Zeitungen ungemein gelobt worden ist: woher diese gefälligen Urtheile entsprungen, wird Herr Gregorius am besten wissen, und wir wissen es auch.

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