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einer Zeit, welche dazu bestimmt zu seyn schien, daß Frankreich alle Arten großer Geister auf einmal beysammen sehen sollte. Die Schriftsteller, so viel ihrer erwähnen, berichten uns, daß ihr Verstand eben so viel Anmuth als Gründlichkeit besessen habe. Sie war eine Philosophin, aber eine liebenswürdige Philosophin. Sie vereinigte alle Tugenden des männlichen Geschlechts mit den Annehmlichkeiten des ihrigen, dem zu Troße sie sich in die Zahl berühmter Männer erhoben hat. Ihr Haus war der Sammelplaß aller gesitteten und durch ihren Wih beliebten Leute, die Hof und Stadt nur aufweisen konnten. Die tugendhaftesten Mütter bewarben sich aufs eifrigste ihren Söhnen, die auf den Schauplah der Welt getreten waren, den Vortheil zu verschaffen, daß ihnen zu dieser liebenswür= digen Gesellschaft der Zutritt verstattet würde, die man für den Mittelpunkt eines guten Umgangs ansahe. Saint Evremont sagt von ihr: Die weis und fröhliche Natur

Verband in Ninons edlem Herzen

Die Tugend mit der Wollust Scherzen
Den Cato mit dem Epikur.

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So ein Frauenzimmer mußte nothwendig in ihren Briefen unübertrefflich seyn. Chateauneuf, ein Zeitverwandter von ihr, bekräftigt es in seinem Gespräche von der Musick der Alten; ob aber einige würklich bis auf unsre Zeit gekommen sind, daran ist zu zweifeln. Diese wenigstens, wovon wir dem Leser die Uebersetzung ankündigen, sind nichts als eine glückliche Erdichtung. Sie enthalten eine getreue Schildereh des menschlichen Herzens, ein moralisches System der Liebe, das wo es nicht allezeit genau, doch allezeit sinnreich ist. Der Plan des Verfassers nöthigte ihn verschiedne Wahrheiten zu sagen, die in dem Munde einer Mannsperson Beleidigungen gegen das schöne Geschlecht geworden wären. Er mußte sie also einem Frauenzimmer sagen lassen. Weil er aber auch zugleich verschiedne Säße vorzubringen hatte, welche in dem Munde eines Frauenzimmers anstößig klingen konnten, so mußte er ein solches Frauenzimmer wählen, deren mehr männliche als weibliche Denkungsart durchgängig bekannt sey. Und diese konnte keine andere als Ninon seyn, welche mit Wahrheit von sich sagen konnte, daß sie sich durch Ueberlegung zu einer Mannsperson gemacht habe. Diese nun läßt der Verfasser dem jungen Marquis von Sevigne Lehren geben, welche gleich geschickt sind die bloß platonische Liebe lächerlich, und die bloß sinnliche Liebe verächtlich zu

machen. Der Uebersetzer wagt eine Muthmaßung in Ansehung des Verfassers; er glaubt daß es der jüngre Hr. v. Crebillon sey. Ift er es nicht, so hat er doch durch seine Briefe gezeigt, daß er es seyn könnte. Wir wollen eine Muthmaßung in Ansehung des Uebersetzers wagen. Die Vergleichung der Vorrede mit verschiednen Stellen der jüngst angezeigten praktischen Abhandlung von dem guten Geschmacke in Briefen lehrt uns, fast überzeugend, daß es Hr. Gellert sey. Ift er es nicht, so kan ihm wenigstens unser Verdacht keine Schande machen; und der wahre Verfasser wird leicht sehen, daß er der Innbegrif alles deßen ist, was wir gutes davon sagen können. Die wenigen Briefe der Babet, welche man zum Schlußze findet, verdienen diese Gesellschaft. Sind sie weniger moralisch, so sind sie dafür desto unstudirter; haben sie weniger Wit, so haben sie desto mehr Gefühl. Beyde sind von dem Ueberseßer mit Vorreden begleitet, nach deren Schlage. wir vor jeder Uebersetzung eine zu finden wünschten. Kostet in den Voßischen Buchläden hier und in Potsdam 8 Gr.

(15. May.) Nürnberg. Schauplaß der Natur oder Unterredungen von der Beschaffenheit und den Absichten der natürlichen Dinge, wodurch die Jugend zu weitern Nachforschen aufgemuntert, und auf richtige Begriffe von der Allmacht und Weisheit Gottes geführet wird. Sechster Theil, welcher dasjenige zu betrachten darstellt was zum gesellschaftlichen Leben der Menschen gehöret. Aus dem Französischen übersest. Wien und Nürnberg bei P. Conrad Monath. 1751. Dieser Theil bestehet aus vierzehn Unterredungen, welche von dem Ursprunge der Gesellschaft, von dem Ehestande, von der Auferziehung der Kinder, von dem Unterschiede der Stände, von der Ausrottung des Bettelns, von dem Gesinde, von den Lebensmitteln, von der Kleidung, und den dazu erforderlichen Stücken handeln. Man kann nicht leugnen, daß nicht viel nüßliches darinne vorkomme, man muß aber auch gestehen, daß es mit einer Art vorgetragen ist, welche die Jugend angewöhnt überall mit unzulänglichen Begriffen, und mit dem halbigen Verständnisse der Kunstwörter zufrieden zu seyn. Das ganze Werk schickt sich sehr wohl in diejenigen Schulen, wo man Kinder gern auf einmal zu alles wissenden Männern machen will, und ihnen durch mittelmäßige Lehrer Sachen beyzubringen sich rühmt, wozu sie ohnmöglich einen genugsam starken

Verstand haben können. Man weiß, daß der Abt Pluche der Verfasser ist; wir wollen also nichts mehr hinzusehen als das Urtheil, welches seine Landsleute selbst von ihm fellen. Mr. Pluche, heißt es an einem Orte, qui continue si intrepidement à copier des livres, pour etaler le spectacle de la Nature et qui s'est fait le Charlatan des Ignorans etc. Kostet in den Boßischen Buchläden hier und in Potsdam 20 Gr.

Leipzig. Moralische Fabeln mit beygefügten Erklärungen einer jeden Fabel. Aus dem Dänischen des Herrn Barons von Hollberg überfeßt durch J. A. S. K. D. C. Verlegts Franz Ch. Mumme Buchhändler in Kopenhagen. 1751. in 8t. 16 Bogen. Diese Fabeln hat der berühmte Verfasser nur vor kurzen in seiner Muttersprache herausgegeben, und wir sind die Uebersetzung davon eben dem geschickten Manne, welcher uns das komische Heldengedichte, Beter Baars, deutsch geliefert hat, schuldig, nemlich dem Hrn. 3. A. Scheibe, Königl. Dänischen Kapellmeister. Er wird es uns nicht übel nehmen, wenn wir, was den Werth dieser Fabeln anbelangt, mit ihm nicht einer Meinung seyn können. Der Herr von Holberg gehört unter diejenigen Schriftsteller, welchen einige mit Recht wohlaufgenommene Werke das glückliche Vorurtheil verschaft haben, als ob alles, was aus ihrer beschäftigten Feder fließt, vortreflich seyn müße. Troz diesem Vorurtheile aber wagen wir zu sagen, daß seine Fabeln überhaupt erbärmlich, und unter allen zweyhundert und zweh und dreißigen nicht zwey und dreißig leidlich sind. Er hat sie in ungebundner Rede abgefaßt, welches wir weder billigen noch tadeln wollen. Die Wahrheit aber zu sagen, so trauen wir dem Hrn. Verfasser nicht einmal zu, daß er im Stande sey, den Versen diejenige reißende Einfalt zu geben, welche sie nothwendig haben müssen, wenn sie zum. Vortrage der Fabeln geschickt seyn sollen. Wir wollen zur Probe ein Paar von den kleinsten herseßen, woraus der Leser ohne uns schließen wird, daß der Herr von Holberg auf das höchste der dänische Stoppe ist. Die 185. Fabel heißt

Der Elephant und der Biber.

Ein Elephant und ein Biber sprachen einsmals von dem Lauf der Welt mit einander, sowohl in Ansehung der Thiere als der Menschen. Unter andern Dingen fragte der Biber den Elephanten, welche Herrlichkeit er sich am liebsten wünschen möchte, entweder Reichthum oder Weißheit? Der Elephant antwortete: Ich wellte mir wohl Weißheit wünschen, wenn

ich nicht sähe, daß so viele weise Sollicitanten und studirte Leute mit niedergeschlagnen Köpfen in den Vorgemächern der Narren stünden.

Warum hat der Verfasser den Elephanten und den Biber zu dieser Fabel gewehlt? Warum nicht die Kaze und den Hund, oder den Efel und das Pferd? Welche Wahrscheinlichkeit, daß der Elephant jemals in die Vorgemächer reicher Thoren gekommen ist?

Die 187. Fabel.

Von der Neherinn, die ihre Nehnadel verlor.

Eine Neherinn verlohr einsmals auf dem Felde eine Nehnadel. Dieser Verlust ging ihr sehr zu Herzen. Sie sagte, sie wollte lieber zehn andre Nadeln, als diese einzige gemißt haben. Sie gab sich darauf viel Mühe sie wieder zu finden, aber vergehens, denn die Nadel blieb beständig unsichtbar. Aber indem sie die verlorne Nadel suchte, fand sie eine ächte Perl, für welche sie mehr als eine Million Nehnadeln kaufen konnte 2c. 2c. Kostet in den Voßischen Buchläden 5 Gr.

(18. May.) Frankfurt. Vermischte Abhandlungen und Anmerkungen aus den Geschichten, dem Staatsrechte, der Sittenlehre und den schönen Wissenschaften. Floriferis ut apes in saltibus omnia libant. Franks. und Leipzig in der Knochund Eßlingerschen Buchhandlung 1751. in 8t. 1 Alph. 12 Bogen. Diese Abhandlungen sind folgende: 1) Die Geschichte und die leßten Stunden des englischen Grafen Jacobs von Derby, Herrn der Insul Man. Dieser Jacob von Derby war einer von denen, welche es auch zu den Zeiten eines Cromwells wagten, rechtschaffen zu seyn. Diese Kühnheit kostete ihm den Kopf; er glaubte aber, daß man die Ehre ein treuer Unterthan eines rechtmäßigen Königs zu heissen, nicht theuer genug erkauffen könne. Wie viele kennen diesen Mann? Ein neuer Beweis, daß nicht alle berühmt geworden sind, die es hätten werden sollen. 2) Zuverläßige Nachrichten von dem Leben Peters Grafen von Holzapfel. Dieser Held ist in den Geschichten des 30jährigen Krieges unter dem Namen Melander bekannt genug. In diesem Aufsatze hat uns ihn aber der Verfasser mehr nach seinen häuslichen Umständen, aus seinen weitläuftigen hinterlassenen Brieffchaften, als auf der Seite des Feldherrn vorgestellt. Die Nachrichten sind also desto angenehmer, je unbekannter sie bisher ge= wesen sind. 3) Von etlichen in der güldnen Bulle unbrauchbaren Sachen. Vielleicht machen diese den größten Theil derselben aus. Ein Schicksaal,

welches sie mit andern Reichsgesehen gemein hat. 4) Von den verführerischen und vielversprechenden Titeln etlicher Bücher. Es sind meistens Romane, von welchen der Verfasser hier redet. Er muß ein ziemlich erklärter Feind derselben seyn, sonst würde er schwerlich von dem Kleveland, von dem Dechant von Killerine, von dem Joseph Andrews so nachtheilig urtheilen. Es ist zu viel, den Abt Prevot einen herumirrenden Mönch zu nennen. Es ist ein Vorurtheil, von dem wir den Herrn Verfasser frey wünschten; weil Herr Fielding ein Schauspieler ist, also muß er nothwendig ein schlechter Lehrer seyn. 5) Von den großen Saufgläsern der Griechen und überhaupt von dem starken Trinken. 6) Versuch des Erweises, daß unsere Zeiten und Sitten beffer als die vorigen sind. 7) Beweis, daß Cato von Utica als ein unüberwindlicher Weise gestorben ist. Dieser und der vorhergehende Saß sind aus derjenigen Zahl, welche man mit einem mittelmäßigen Wiße auf alle Seiten drehen kann, so lange man Tugend und Laster noch an keinen untrüglichen Zeichen kennet, und, wie der Dichter spricht, ihre Grenze schwimmt und in einander fließt. 8) Wider die anatomischen Belustigungen des Herrn D. Delius in den Beluftigungen des Verstandes und Wizes. Defendat quod quisque sentit; sunt enim judicia libera. Cicero. Wenn nicht jeder Stand etwas hätte, welches gewissen Gemüthern angenehm werden könnte, so würde es uns bald an Leuten fehlen, die sich zu gewissen Verrichtungen, die wir schmußig, oder wann sie allzu schmußig sind, unehrlich nennen, herablassen wolten. 9) Betrachtungen über die Heuchler und die Heucheley. Wenn man des Verfassers Erklärung eines Heuchlers annimmt, so hat er vollkommen recht. Allein nach dieser Erklärung halten wir die Heuchler vor eben so unmöglich, als die Gottesleugner. Die Betschwester des Herrn Gellerts verdient aus einem ganz andern Gesichtspunkte angesehn zu werden. Gegen den Verfasser der Epitres diverses ist er vielleicht auch zu scharf; ob er gleich darinne Recht hat, daß es unter den Jesuiten eben sowohl redliche und fromme Leute geben könne, als es möglich ist, daß sich in dem schlechten und rauhen W... ein Belesprit hat finden können. Wir bieten den Jesuiten Trot, sich auf diese Vertheidigung etwas einzubilden. 10) Hundert vermischte Anmerkungen. Die meisten davon sind lesenswürdig. In einer davon sagt er, daß der Französische Uebersetzer der Hallerschen Gedichte ein Bernerischer Edelmann, Herr von Tscharner, sey. Der Fortsetzung dieser Sammlung, welche in der Vorrede versprochen wird, kann

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