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Charakter an, auf welchen es bey grammatikalischen Streitigkeiten, sollte ich meinen, nicht ankäme. Er giebt mir auf der 25ten Seite einen recht ab= scheulichen Anstrich; er macht mich zu einem critischen Breteur, welcher die Schriftsteller herausfordert, damit sie ihm die Ausfoderung abkaufen sollen. Ich weis hierauf nichts zu antworten als dieses: daß ich hier vor aller Welt den Herrn Prediger Lange für den boshaftesten Verleumder erkläre, wenn er mir die auf der angeführten Seite gemachte Beschuldigung nicht beweiset. Ich lege ihm eine Unmöglichkeit auf; mir aber ist das Gegentheil zu erhärten eine Kleinigkeit; und zwar durch das schriftliche Zeugniß eben des dritten Mannes, auf welchen er sich beruft. Ich will es in meiner Antwort der Welt vorlegen, und man wird daraus erkennen, daß mir die angemuthete Niederträchtigkeit nie in den Sinn gekommen ist. Ich bin bis dahin sein Diener. Gotthold Ephraim Leßing.

(29. Dec.) Zu dem instehenden neuen Jahre wird es wohl nicht undienlich seyn, eine Leipziger Galanterie bekannt zu machen, durch welche man eine kalte Mode wenigstens in einen Scherz verwandeln kan. Es sind satyrische und moralische Neujahrswünsche; an der Zahl vier Dußend, zweh für Mannspersonen und zwey für Frauenzimmer. Sie sind in Form einer Spielkarte, aus der man sich ein Blatt nach Belieben zieht, und allenfalls den darauf enthaltenen Spruch als eine Warnung des Himmels ansehen kan. Wir müssen gestehen, daß dieser fast durchaus eine ziem lich artige Sinnschrift ist, deren Verfasser auch ohne Zweifel auch etwas besseres machen können, als Neujahrswünsche. Zwey kleine Proben mögen es zeigen. Für eine Manns person.

Dir wünsch ich, daß dies Jahr auf Erden

Nicht der Verwandlung Zeit erscheint.

Denn wie die kluge Frau gemeint,

So möchtest du zum Fächer werden.

für ein Frauenzimmer.

Ihr Frauen von Triumph, ihr Fräuleins von Quadrille.
Das nächste Jahr geb euch in jedem Spiel Spadille!

Und stellt sich sonst kein Freyer ein,

So mags ein Kartenmahler seyn!

Ein jedes Spiel, welches sein besonderes Futeral hat, kostet in den Voßischen Buchläden hier und in Potsdam 9 Gr.

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Mein Herr Pastor,

Ich weis nicht, ob ich es nöthig habe, mich viel zu entschuldigen, daß ich mich mit meiner Gegenantwort ohne Umschweif an Sie selbst wende. Zwar sollte ich, nach Maaßgebung ihrer Politik, einem dritten damit beschwerlich fallen; wenigstens demjenigen Unbekannten, dem es gefallen hat, meine Kritik über ihren verdeutschten Horaz in dem Hamburgischen Correspondenten bekannter zu machen. Allein ich bin nun einmal so; was ich den Leuten zu sagen habe, sage ich ihnen unter die Augen, und wann sie auch darüber bersten müßten. Diese Gewohnheit, hat man mich versichert, soll so unrecht nicht seyn; ich will fie daher auch jezt beybehalten.

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Um Ihnen, mein Herr Pastor, gleich Anfangs ein vorläufiges Compliment zu machen, muß ich Ihnen gestehen, daß es mir von Herzen leid ist, Ihrer in dem zweyten Theile meiner Schriften erwähnt zu haben. Zu meiner Entschuldigung muß ich Ihnen sagen, was mich dazu bewog. Sie standen, und stehen noch, in dem Rufe eines groffen Dichters, und zwar eines solchen, dem es am ersten unter uns gelungen sey, den öden Weg jenes alten Unsterblichen, des Horaz, zu finden, und ihn glücklich genug zu betreten. Da Sie also eine Uebersetzung Ihres Urbildes versprochen hatten, so vermuthete man mit Recht von Ihnen ein Muster, wie man den ganzen Geist dieses Odendichters in unsre Sprache einweben könne. Man hofte, Sie würden mit einer recht tiefen critischen Kenntniß seiner Sprache, einen untrüglichen Geschmack, und eine glücklich kühne Stärke des deutschen Ausdrucks verbinden. Ihre Uebersetzung erschien;

und ich sage es noch einmal, daß ich sie in der Versicherung, unüberschwingliche Schönheiten zu finden, in die Hand genommen habe. Wie schändlich aber ward ich betrogen! Ich wußte vor Verdruß nicht auf wen ich erzürnter seyn sollte, ob auf Sie, oder auf mich: auf Sie, daß Sie meine Erwartung so getäuscht hatten; oder auf mich, daß ich mir so viel von Ihnen versprochen hatte. Ich klagte in mehr als einem Briefe an meine Freunde darüber, und zum Unglücke behielt ich von einem, den ich ausdrücklich deswegen schrieb, die Abschrift. Diese fiel mir bey Her= ausgebung des zweyten Theils meiner Schriften wieder in die Hände, und nach einer kleinen Ueberlegung beschloß ich, Gebrauch davon zu machen. Noch bis jezt, dachte ich bey mir selbst, hat niemand das Publicum für diese Mißgeburth gewarnet; man hat sie sogar angepriesen. Wer weis in wie viel Händen angehender Leser des Horaz sie schon ist; wer weis wie viele derselben sie schon betrogen hat? Soll Herr Lange glauben, daß er eine solche Quelle des Geschmacks mit seinem Kothe verunreinigen dürfe, ohne daß andre, welche so gut als er daraus schöpfen wollen, darüber murren? Will niemand mit der Sprache heraus? Und kurz, mein Brief ward gedruckt. Bald darauf ward er in einem öffentlichen Blatte wieder abgedruckt; Sie bekommen ihn da zu lesen; Sie erzürnen sich; Sie wollen darauf antworten; Sie sehen sich und schreiben ein Paar Bogen voll; aber ein Paar Bogen, die so viel erbärmliches Zeug enthalten, daß ich mich wahrhaftig, von Grund des Herzens schäme, auf einen so elenden Gegner gestossen zu seyn.

Daß Sie dieses sind, will ich Ihnen, mein Herr Pastor, in dem ersten Theile meines Briefes erweisen. Der zweyte Theil aber soll Ihnen darthun, daß Sie noch ausser ihrer Unwissenheit, eine sehr nichtswürdige Art zu denken verrathen haben, und mit einem Worte, daß Sie ein Verläumder sind. Den ersten Theil will ich wieder in zwey kleine absondern: Anfangs will ich zeigen, daß Sie die von mir getadelten Stellen nicht gerettet haben, und daß sie nicht zu retten sind; zweytens werde ich mir das Vergnügen machen, Ihnen mit einer Anzahl neuer Fehler aufzuwarten. —

Verzeihen Sie mir, daß ich in einem Briefe so ordentlich seyn muß! Ein Glas frisches Brunnenwasser, die Wallung ihres kochenden Geblüts ein wenig niederzuschlagen, wird Ihnen sehr dienlich seyn, ehe wir zur ersten Unterabtheilung schreiten. Noch eines Herr Pastor! - Nun Lassen Sie uns anfangen.

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