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ihre Blätter, wie die Ebräer, von hinten zu lesen: damit ihnen die artigen Briefe ihrer Correspondenten zuerst in die Augen fallen: allein die griechischen Gelehrten unserer Zeiten verschwören es, eine Zeile von ihnen anzusehen, wofern sie nicht dem Anakreon eine Ehrenerklärung thun lassen. Ist denn nun aber die Beleidigung so groß, die am Ende ihres achten Stückes diesem Dichter wiederfahren ist? Sie dürfen keinen Augenblick zweifeln, wenn sie nur die Worte selbst, mit ihren Folgen, in Erwägung ziehen. Anakreon, der grundgelehrte Anakreon, den Fontenelle den größten Philosophen mit Recht an die Seite stellet, soll ein bloßer Witling, und kein Naturforscher, gewesen seyn? Um der Musen willen! das ist zu viel. Das ist eine Lästerung wider das ganze Alterthum, die nicht ungeahndet bleiben kann. Denn, nur eins zu gedenken: wer hat wohl jemals unter allen Menschen die Natur des Weines, und die geheimsten Wirfungen der Zärtlichkeit so genau erforscht, als dieser alte Jüngling? Und wer hätte wohl über die Eigenschaften der Rosen, des Balsams, der Lotusblätter artiger und scharfsinniger philosophiren können, als er, der an Feinheit des Geschmacks, und an langer Erfahrung die stärksten Weltweisen übertraf? Soll ich noch mehr Gründe anführen, Anakreons tiefe Einsicht in die Naturlehre zu beweisen? so erinnern sie sich nur seiner neunzehnten Ode. Darinne liegt ein ganzes Königreich von Wahrheiten verborgen. Einer von meinen Freunden verfertiget ein philologisch-critischhistorisch - philosophisches Dissertatiönchen von dreyßig neuen physikalischen Entdeckungen, die er in den Schriften dieses philosophischen Dichters gemacht hat. Von ihm, als von einem jungen Gelehrten, haben sie eben nicht so viel zu besorgen, ob er gleich in seinen Meynungen hitzig ist. Aber wenn ich ihnen aufrichtig rathen soll: so verderben sie es ja nicht mit den Graubärten. Diese sind unversöhnlich; und wer den griechischen Verfassern nur eine scheele Mine macht, der verdienet wenigstens den Namen eines Kezers. Wenn sie noch gnädig mit ihm verfahren: so verdammen sie ihn gewiß zum Feuer; und daraus ist freylich keine Erlösung zu hoffen. Lassen sie sich also bey Zeiten warnen. Ich bin 2.

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Mein Herr,

Sie haben recht. Ich bin c.

C.

L.

Herr Naturforscher, '

Mein Mägdchen hat ihr 17. Stück von mir zu lesen bekommen. Sie schickte mir es heute wieder zurück, und zugleich gegenwärtiges Liedchen. Ich muß es ihnen doch mittheilen, ob es gleich nur für mich alleine ist. Sie hat zwey Lehrmeister im Singen; mich und die Liebe. Von mir lernt sie die Reime, und von der Liebe die Empfindungen. Wenn sie die letztern durch die erstern verunstaltet, so schreiben sie es mir zu. Ich bin 2c.

Die Versteinerung.

Holz und Beine

Werden Steine

Durch des Wassers Kraft.
Werden Holz und Beine
Durch des Wassers Kraft,
Werden die zu Steine:
Sagt, ihr Wasserfreunde,
Sagt, ihr Rebenfeinde,
Werden eure Herzen
Nicht versteinert seyn?

Mark und Beine

Fühlen, Weine,

Eures Feuers Kraft.

Wenn mein Liebster trinket,

Trinkt er Rebensaft,

Bis er sich betrinket.

Sollt ich ihn nicht lieben?
Ja, ich will ihn lieben,

Weil sein Herz erhißet,

Nicht versteinert`ist.

L.

C***.

1 Neunzehntes Stück, den 4. des Wintermonats 1747. Leffings Beiträge zum Naturforscher sind zuerst wieder (aber ungenau) abgedruckt in G. Mohnike, Lessingiana. Leipzig. 1843.

Beyträge

zur Historie und Aufnahme des Theaters.

1750.

Erstes, Zweytes, Drittes und Viertes Stück. Stuttgard, bey Johann Benedict Megler. 1750 El. 8. Mitherausgeber war Ch. Mylius.

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Vorrede.

Wir wollen uns nicht lange entschuldigen, daß wir der Welt eine neue periodische Schrift vorlegen, wir wollen vielmehr dem Leser alsbald unsere Absicht etwas umständlicher entdecken, und versichert seyn, daß, wenn ihm diese gefällt, ihm auch unsere Arbeit nicht unangenehm seyn werde. Entweder man hat etwas nüßliches unter Händen oder nicht. Im ersten Falle sind die Entschuldigungen überflüßig, im andern vergebens.

Deutschland kann sich nunmehro bald rühmen, daß es in den Werken des Wißes Stücke aufzuweisen habe, welche die schärfste Critik und die unbilligsten Ausländer nicht scheuen dürfen. Wir trauen unsern Lesern mehr Geschmack zu, als daß wir nöthig zu haben glauben, sie ihnen zu nennen. Es sind nicht nur Kleinigkeiten. Das Heldengedicht und die Fabel, das Schauspiel und das Trinklied, eines sowohl wie das andre, haben ihre Geister gefunden. Nur in der Menge dieser Geister muß unser Vaterland andern Ländern weichen. Allein man erwarte nur die Jahre, man bemühe sich nur, den guten Geschmack allgemein zu machen, so wird auch dieser Vorwurf wegfallen. Dieses lettre ist eine Zeit lang die Absicht unterschiedener Monatsschriften gewesen. Weil eben nicht lauter Meisterstücke dazu nöthig sind, so hat jede ihren Nugen gehabt. Wir wollen damit nicht die Rangordnung unter ihnen aufheben, noch Sachwalter aller unglücklichen und verwegnen Schriftsteller dieser Art werden; wir sagen nur, daß sie zu jetzigen Zeiten alle auf gewiffe Weise und nach gewissen Stufen was gutes gestiftet haben. Diese Zeiten sind größtentheils Zeiten der Kindheit unsers guten Geschmackes gewesen. Kindern gehöret Milch, und nicht starke Speise. Von Weisen auf Hallern wäre ein allzugrosser

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