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den Auslegern bis heute angewendeten Mittel keineswegs. Schon bei einer unter Hupfelds Leitung in seinem Seminar vorgenommenen Durchforschung des Textes war mir die Einsicht erwachsen, dass das kleine Prophetenbuch bisher noch nicht erklärt sei. Hupfelds am Schlusse unserer Seminarübungen vorgetragene Recapitulation der Ergebnisse, die niemals veröffentlicht worden ist, endete mit dem wohlbegründeten Bekenntnisse, Joel sei noch unverstanden, wie man ihn auch fasse und ansehe, es gelinge nicht ihn in eine klar umschriebene Situation zu bringen und seinen Worten ihren eigentlichen Sinn und Zweck abzulauschen. Wenn ich nun nach langer Beschäftigung mit dem Gegenstande eine Ansicht vortrage, die mir geeignet scheint, das alte Räthsel zu lösen, so ruft mir dies meinen eignen Anfang in Jena und meine Beziehungen zu seiner theologischen Facultät ins Gedächtniss zurück.

Der Auslegung, die ich von der üblichen Stoffanhäufung frei gehalten habe, welche nach meiner Meinung die Erklärung des alten Testaments mehr erschwert als erleichtert, habe ich einen historischen Theil beigegeben in einer Weise, die bisher nicht üblich gewesen ist. Dieser Theil beansprucht einen Platz für sich, er hängt mit der Erklärung nur dadurch zusammen, dass er aus einer Prüfung der alten Ausleger des Joel hervorgegangen ist, sein Zweck ist viel allgemeiner als die herkömmliche Zusammenstellung der ältern exegetischen Meinungen zu liefern, er ist vielmehr allgemein theologisch, und ich fusse auch hierbei auf jenaischen Erinnerungen.

Es ist der innige Verkehr mit dem soeben unerwartet rasch seiner Familie, seinen Freunden und seiner Arbeit durch den Tod entrissenen Ludwig Diestel gewesen, durch den ich die universelle theologische Bedeutung der Auslegungsgeschichte habe würdigen lernen. Aus seiner,, Geschichte des alten Testamentes in der christ

lichen Kirche" habe ich begriffen, dass um die gegenwärtige Stellung der theologischen Wissenschaft zum alten Testamente zu durchschauen, die geschichtliche Durchleuchtung ihres Entwicklungsganges unentbehrlich ist. Dass unsere gegenwärtige Thätigkeit, durch die Vergangenheit bedingt, nichts ist als eine Weiterarbeit an den Problemen, die im Laufe der Zeit der religiösen und wissenschaftlichen Betrachtung des gläubig verehrten alten Testamentes ganz von selbst ohne absichtliches Zuthun der Arbeiter entkeimt sind, diese Anschauung hat Diestel dargelegt und eingehend begründet, und Jena ist der Boden, wo sie ausgereift ist. Aber auch sonst ist das Studium der Auslegungsgeschichte ganz besonders von Jena aus gepflegt worden. Ich brauche nicht anzuführen, dass es Siegfried vornehmlich in seinem Werke über Philo gewesen ist, der uns an ein Centralbecken geführt hat, von dem der Strom der Auslegung gespeist worden ist, und ich stehe nicht an auszusprechen, dass es ohne Siegfrieds Arbeit zur Zeit schwerlich möglich wäre, die Art und die Bewegung der alten kirchlichen Auslegungsweise bis zur deutschen Reformation hinab in ihrem eigentlichen Wesen zu begreifen.

Diesen jenaischen Arbeiten will sich die meinige anreihen; nachdem die Gesammtentwicklung gezeichnet und eine Hauptquelle der alten Auslegung wieder aufgegraben war, ergab sich die Nothwendigkeit an einem concreten Falle die Wirkung der einander folgenden hermeneutischen Theorien darzustellen und so an einem einzigen Beispiele die Geschicke sowie das Ungeschick der alten Auslegung, deren Nachwirkung noch lange nicht verwunden ist, vorzuführen. Ueberdies lässt sich eine wichtige Seite der Auslegungsgeschichte, die nämlich, dass man erst sehr allmälig vom atomistischen Betrachten der einzelnen Sätze zur Totalerfassung des Inhaltes,

der Form und des Zweckes einer alten Schrift vorgeschritten ist, nur dadurch in's Bewusstsein bringen, dass man dasselbe Object über lange Zeiträume verfolgt. Ich habe dabei besonders auch die jüdische Auslegung, die bei Diestel zurücktritt, in den Zusammenhang gezogen und die allgemeinen Strömungen bemerklich gemacht, unter deren Wirkung sie gestanden hat, denn die jüdische Litteraturgeschichte des Mittelalters, die zur Zeit mehr Notizensammlung als Geschichte ist, hat es nöthig durch Einführung leitender Gesichtspunkte zur Darstellung einer zusammenhängenden Entwicklung condensiert zu werden. Die Beziehungen zwischen der jüdischen und christlichen Auslegung habe ich dann nicht mit vereinzelten Notizen und Namen, sondern durch Darlegung des tiefgreifenden Einflusses jüdischer Philosophie auf die theoretischen Bearbeitungen des Begriffs der Prophetie zu schildern versucht. Es werden wenige Leser zuvor geahnt haben, bis zu welchem Grade ein Mann wie Thomas von Aquino jüdischen Gedanken zugänglich gewesen ist.

Indem ich so einige der Gesichtspunkte andeute, die ich verfolgt habe, erörtere ich nicht weiter, warum ich diese Untersuchungen grade an den Joel angeschlossen habe, die Sache selbst wird, wie ich hoffe, zeigen, dass dies kleine aber einheitliche Buch sich dazu vorzüglich eignete. Schliesslich sei mein Werk als Zeugniss meines Zusammenhanges mit Jena und jenaischer Arbeit Ihrer wohlwollenden Aufnahme empfohlen und bleibe ein Zeichen der Verehrung, mit der ich bin

Ihr ergebenster

Heidelberg im Juni 1879.

Adalbert Merx.

C. Vereinigung jüdischer und christlicher Exegese.

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Der äthiopische Text des Joel, herausgegeben von A. Dillmann

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Berichtigungen und Nachträge. S. 5, 5 ausgegeben.

andere aus Rom nach Buxtorf Lexic. rabb. C. 2227.

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S. 60, 30 liegt.

S. 57, 4 aus der Höhe,
S. 72, 13 P.

98, 9, 10 Aeth. muss neben Cpt als Zeuge für Ezdizýσw gesetzt werden und ist in Z. 10 dem-
gemäss zu streichen. 121, 18 Amalthea. 136 letzte Zeile ausschliessende. 144, 16 ist es
das Mysterium, schärfer: ist dies der Typus. 156, 6 ineinander. 193, 5 von unten, sich statt
sicher. 210, 29 streiche Hischam. Es ist oder ausgefallen, da sowohl Hischam als Suleiman
als Mörder genannt wird, ersterer aber mit Unrecht. 285, Anm. 2, lies Sabbath 92a. - 273,
drittletzte Zeile; zu U vgl. Commento medio di Averroe alla Poetica di Aristotele
publicato da Fausto Lasinio Pisa 1872, S. 2, Z. 4 von unten und sonst vielfach. 310 zu der
Bemerkung über Raymund Martini vgl. Neubauer The book of Tobith Oxford 1878 S. XVIII
Note on Raym. M. Pugio fidei. Die kleine Arbeit Karle's über Joel, die wie Bunsen den
Propheten in das zehnte Jahrhundert setzt, habe ich aus diesem Grunde nicht weiter in
Betrachtung gezogen, jedenfalls hat aber Karle in seinem Joel ben Pethuel, Leipzig 1877, den
wesentlich apocalyptischen Gedankenkreis des Joel herausgefühlt, was ich ihm zum Lobe nach-
zusagen habe.

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