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Philosophie jedesmaliger Gegenwart nichts anderes als das ins Bewusstsein erhobene unmittelbare Dasein des Geistes, wie es Gegenstand der Weltgeschichte ist. Der Geist, welcher aus dem ihm selbst gegenständlichen Dasein sich selbst gewonnen, hat damit eine Stufe seines unmittelbaren Daseins überwunden und in sich Grund und Boden zu fernerer Entwicklung gewonnen, darum tritt die Philosophie in der Geschichte immer da auf, wo Volks- und Staatenleben, wie es sich bis dahin herausgestellt, in der Auflösung begriffen. Die dunkelsten Perioden der Weltgeschichte sind die, in denen die Philosophie am lebendigsten ist. Wenn Staaten fallen, werden Philosophien gegründet 1). Die Geschichte der Philosophie ist die Geschichte des Geistes, der aus dem äusserlichen Dasein zu sich zurückkehrte; die Weltgeschichte ist die Geschichte des Geistes, der aus dem Verweilen bei sich selbst in äusserliches Dasein heraustrat. Jede Philosophie ist eben so sehr die in den Gedanken verklärte Vergangenheit und Gegenwart, als die im Gedanken embryonisch vorhandene Zukunft der Weltgeschichte.

1) Die Zeit der Sieben war eine Zeit, in der das griech. Staatenleben aus der altpatriarch. in die republ. Form überging. Das Verderben der ionischen Städte brachte die ersten Philosophen. In Grossgriechenland sind die Philosophen gleichzeitig mit einem noch nach einem festen Dasein ringenden Staatsleben. Athen war von Sparta darniedergeworfen, als in den Sokratikern, namentlich Platon, die Philos, zur Blüthe gedieh. Aristoteles stand mit seinem grossen Schüler Alexander auf den Trümmern Griechenlands. Die Neuplatoniker erhoben sich auf den Trümmern des in sich zerfallenden Alterthums. Als Rom kraftlos wurde, begann sogar dieser Kriegerstaat in der Philosophie noch Trost zu suchen. Auch die neuere Philosophie entsprang in ihrer Selbständigkeit aus der von der Reformation gebrochenen Kraft der Hierarchie (der Seele des mittelalterlichen Staatslebens), und hat in Deutschland festen Sitz genommen, in welchem der Bruch geschah, und das in seine zur Selbständigkeit erwachsenden Bestandtheile zerfiel. Wenn der Geist ein äusseres Dasein seiner selbst der Zeit zum Raube werden sieht, flüchtet er in sich selbst zurück, in das unvergängliche Reich des Gedankens. In sich und durch sich selbst erstarkt, tritt er aber auch in neues äusserliches Dasein. Man hat das Menschengeschlecht mit dem Phőnix verglichen, der sich von Zeit zu Zeit seinen eignen Scheiterhaufen erbaut, sich selbst verbrennt, aber dann mit jugendlicher Kraft neu aus der Asche sich erhebt. Die farblose Philosophie fällt in die Zeit wo der Phönix in Asche zerfallen bei sich selbst einkehrt, er ihm selber das Grab und die Geburtstätte ist. Was die Staaten ruinirt, ist der anfängliche Gedanke (s. §. 14, 1.); was das Leben errettet, der vollendete Gedanke (die Philosophie). Der Gedanke ist das Schwert, das verwundet und die geschlagenen Wunden heilt.

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S. 16. Anfang der Geschichte der Philosophie.

Der Anfang der Philosophie ist der Anfang des Bewusstseins des Geistes von sich selbst. Derselbe ist aber auch der Anfang aller wahren Geschichte, insofern nur der Geist Geschichte hat, und Geschichte also gewusst wird, wenn der Geist gewusst wird. Der Geist hat zunächst wie bei Einzelnen, so bei Völkern natürliches Dasein und äussert sich in Trieben, Neigungen und Leidenschaften, welche ihm seine Bestimmtheit geben und zwar so, dass formal das bestimmende (der Trieb etc.) als ein Anderes erscheint, welchem der Geist gehorcht. So ist der Geist in der Knechtschaft. Indem der Geist zum Bewusstsein seiner selbst kommt, erkennt er sich selbst als das sich bestimmende und kommt so aus der Knechtschaft zur Freiheit. So ist der Anfang der Philosophie, der Geschichte und der Freiheit derselbe. Der freie Geist ist der nicht durch die Natürlichkeit (Triebe etc.) bestimmte, sondern folglich der, welcher sich selbst bestimmt abgesehen von aller unterschiedenen Beschaffenheit der Natürlichkeit. Diese Selbstbestimmung des freien Geistes ist der freie Wille im Gegensatze gegen die Willkühr und ist ausgesprochen das Gesetz, und so ist denn auch der Anfang des Gesetzes derselbe, wie der von Philosophie, Geschichte und Freiheit. Das Volk, bei welchem wir alle diese Anfänge finden, sind die Griechen 1).

1) Geist und Natur werden gewöhnlich im Gegensatz gegen einander genommen, als die wider einander streiten. In der Natur ist der Geist ihm selbst entfremdet, und so steht er, der von sich selbst weiss, der Natur gegenüber; aber indem er die Natur bewältigt, besiegt: erwirbt er sich selbst. Der Geist ist bestimmt zu sich selbst zu kommen, zu leben, heisst mit anderen Worten: die Natur ist bestimmt zu Grunde zu gehen, zu sterben. Im natürlichen Tode besitzen wir das ewige Leben. Natur und Geist sind dasselbe, welches sich von sich selbst unterscheidet; der Grund warum dem so ist, wesshalb es Natur gibt, ist: Was zu sich selbst kommen soll, das muss sich zuvor unterscheiden; diess ist der Verlauf aller Erkenntniss, Erkenntniss aber das Leben des Geistes. Es gibt drei Stufen der Erkenntniss und diese müssen sich in dem Entwicklungsgange der Menschheit nachweisen lassen: a) Unmittelbare Einheit (Beisichsein, ohne Selbstbewusstsein, Versunkenheit in die Natürlichkeit, zugleich Gefühl der Fülle des Geistes in der Natürlichkeit); b) Unterschied (Auseinandertreten von Geist und Natur auftretend a) als Triumph des Geistes über die Natur, 8) Sieg der Natur über den Geist, wobei der Geist das

Bewusstsein des ihm angethanen Unrechts hat, daher Sünde, Laster); c) Finden der Einheit im Unterschied (Verklärung der Natur zu Geist). Vergl Marbach über mod. Literatur. Leipz. 1836. Brief VIII. Der Geist als natürlicher ist der aus der Einzelheit des Menschen nicht zur Allgemeinheit kommende, und äussert sich in der Willkühr; im Gesetz bestimmt sich der Geist selbst (wie unmittelbar schon in der Sitte) nicht als einzelner, sondern in der Allgemeinheit; das Gesetz ist für Alle. Es muss auch aus dem allgemeinen Geiste kommen, (aus der Sitte erwachsen), sonst wird es als selbst Aeusserung der Willkühr nicht Macht haben; eben so wenig aus der Meinung der Mehrzahl, wie aus der des Einzelnen. Vergl. Marbach Universitäten etc. Leipz. 1834. S. 19. f.

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S. 17. Empirische Eintheilung der Geschichte der Philosophie.

Die Geschichte der Philosophie zerfällt in drei Abtheilungen, welche sich schon einer oberflächlichen Betrachtung aufdrängen, sobald einmal der Anfangspunkt der Philosophie erkannt ist. Die griechische Philosophie nämlich, welche sich bis Aristoteles wie das griechische Staatsleben ungehemmt entwickelt und in dem genannten Philosophen einen Höhenpunkt erreicht, gewinnt mit griechischer Bildung und Sprache eine um so grössere Ausbreitung, je mehr das ursprüngliche Dasein des griech. Volkes zusammensinkt. Rom, welches mit dem Schwerdte die Welt erobert, ergibt sich dem griechischen Geiste. Obgleich in neuen Elementen bleibt die Philosophie dennoch wesentlich griechisch und nur erst mit dem Untergange des alten Heidenthums verliert sie allmählig gegen das nach und nach zur Herrschaft gelangende Christenthum ihre Selbständigkeit. Wie nämlich die griechische Philosophie vorher selbst die heidnische Religion in ihren unvollkommenen Vorstellungen zu Grunde gerichtet hatte, so wollte sie auch gegen das Christenthum ihre Selbständigkeit bethätigen, aber gegen die ihre Stellung der Religion der Wahrheit gegenüber verkennende Philosophie siegte das Christenthum und zwar auf das Vollständigste, indem die Philosophie selbst zur Dienerin der Kirche wurde. Der Inhalt gehörte fortan dem Bewusstsein nach der Religion, die Form der Philosophie an, als ob die Philosophie nicht vermöchte sich ihren eigenen Inhalt zu geben. Zu einer neuen Selbständigkeit konnte die Philosophie nur gelangen, indem sie den fremden Inhalt ganz

aufgab und so einen Augenblick als völlig inhaltslos erschien. Aber in dieser Inhaltslosigkeit fand sie selbst den Keim eines neuen Daseins, in welchem die Form durch den Inhalt, der Inhalt in der Form gegeben, oder beide identisch sind. Das Verhältniss gegen das Christenthum ist nun dieses, dass beide zunächst in einem Zwiespalt erscheinen, der sich nur darin lösen kann, dass der eigene Inhalt der Philosophie als nicht ein anderer sich erweist, als der Inhalt der Religion: dass der Mensch Gott in sich suchend, ihn also findet, wie sich Gott ihm mitgetheilt hat. Von der griechischen Philosophie unterscheidet sich die neuere, um hier nur Ein empirisches Merkmal anzuführen, dadurch, dass der Durchgang durch das jeden Volksunterschied aufhebende Christenthum die Philosophie zu einer Universalität erhoben hat, welche sie selbst alsbald mit dem Bewusstsein auftreten lässt, nicht Eigenthum eines Volkes sondern der Menschheit zu sein. Hiernach sind wir berechtigt drei Abtheilungen in der Betrachtung der Geschichte der Philosophie zu machen, nämlich

I. die alte selbstständige Philosophie,

II. die unselbstständige Philosophie,

III. die neue selbstständige Philosophie; oder, welches dasselbe:

I. die griechische Philosophie,

II. die Philosophie des Mittelalters,

III. die Philosophie der neuen Zeit 1).

1) In die angegebenen drei Abtheilungen wird dieses Werk zerfallen, und zwar werden die einzelnen Abtheilungen näher charakterisirt werden, und werden können, da wo sie selbst auftreten und schliessen.

S. 18. Quellen und Literatur der Geschichte der Philosophie.

Die besten Quellen sind die Schriften der Philosophen selbst 1); wo diese fehlen, sind die Bruchstücke verlorener Schriften zu sammeln und zu benutzen, und wo auch solche sich nicht oder zu sparsam finden, die Nachrichten, welche sich über die Lehren solcher Philosophen in den Schriften Anderer vorfinden. Hierbei sind diejenigen Nach

richten als die wichtigsten zu betrachten, welche Schriftsteller überliefern, die selbst Philosophen sind 2).

Die Literatur der Geschichte der Philosophie ist im Folgenden nach Tennemanns und Wendts Zusammenstellung, fortgeführt bis auf die neueste Zeit, gegeben worden 3).

1) In Bezug auf die Quellen hat die Geschichte der Philos. einen grossen Vorzug vor der politischen Geschichte. Bei dieser nämlich sind diejenigen, welche die Thaten vollbringen, und die, welche sie beschreiben, verschiedene, wir sehen jene Thaten selbst nur durch das Auge der ersten, die Nachrichten von ihnen aufbewahrt; in der Gesch. der Phil. dagegen beschreiben die Denker ihre eigenen Thaten, diese Thaten liegen selbst vor uns und jeder Geschichtschreiber kann sich durch eigene Anschauung über sie belehren.

2) Aus dem §. 11, 2. angeführten Grunde.

Jo.

3) I. Ueber den Begriff der Geschichte der Philosophie. Vergl. §. 10-14. Karl Leonh. Reinhold, über den Begriff dèr Geschichte der Philosophie in Fülleborns Beiträgen zur Geschichte der Philosophie 1. St. und in der Auswahl vermischter Schriften 1 Thl. Jena 1796. Ge. Fr. Dan, Goess, Abhandlung über den Begriff der Geschichte der Philosophie u. s. w. Erlangen 1194. 8. und: Blicke in das Gebiet der Geschichte und Philosophie. I. Bdchen. Leipzig 1798. 8. Christ. Aug. Grohmann, über den Begriff der Geschichte der Philosophie. Wittenberg 1797. 8. Dan. Boethius, de idea historiae philosophiae rite formanda. Upsal. 1800. 4. Fr. Aug. Carus, Ideen zur Geschichte der Philosophie. Leipz. 1809. 8. (der nachgel. Werke IV. B.). Car. Fr. Bachmann, über Philosophie und ihre Geschichte, drei akad. Vorlesungen. Jena 1811. 8. und: Ueber Geschichte der Philo. sophie. Zweite umgearbeitete Auflage nebst einem Sendschreiben an etc. Reinhold in Kiel. Jena 1820. 8. Chr. Aug. Brandis, über den Begriff der Gesch. der Philos. Kopenh, 1815. 8. (Fortmann, über das Verhältniss der Geschichte zur Philosophie. Münster u. Hannov. 1834. 8.) II. Ueber den Umfang der Geschichte der Philosophie. Bőrge Riisbrigh, über das Alter der Philosophie u. den Begriff von derselben, aus dem Dänischen von Jo. Ambr. Markussen, Kopenhagen 1803. 8. Chr. Fr. Bach mann, de peccatis Tennemanni

in hist. philos. Jena 1814, 4. III. Ueber die Art, in der die Geschichte der Philosophie zu behandeln.

Christ. Garve, de ratione scribendi hist. philos. Lips. 1768. 4. und legendorum philosophorum veterum praecepta nonnulla et exempla. Ibid. 1770. 4. (Beide auch in Fülle borns Beiträgen XI. u. XII. St.). Georg Gust. Fülleborns Abhandlung: Plan zu einer Geschichte der Philosophie. In dem 4. St. seiner Beiträge; und: Was heisst den Geist einer Philosophie darstellen. In seinen Beiträgen 5. St. Chr. Weiss, über die Behandlungsart der Geschichte der Philosophie auf Universitäten. Leipzig 1800.-K. L. Reinhold, Anleitung zur Kenntniss und Beurtheilung der Philos. in ihren sämmtlichen Lehrgebäuden. Wien 1805.

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