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deutlich, daß Byron hier im Besik einer neugewonnenen Weltanschauung ist, die ihm Befriedigung und Genugthuung giebt und für ihn eine Art neuer positiver Überzeugung ist, Pantheistischen Anschauungen begegnen wir seit dieser Zeit fortwährend in Byron's Dichtung, doch nehmen sie nie wieder einen so breiten Raum ein als im zweiten Teil des dritten Gesanges von C.H., der fast ausschließlich aus einer Reihe pantheistischer Hymnen auf die Natur besteht. Infolgedessen hebt sich diese Episode in der innern Entwicklung Byron's scharf von seinem vorausgehenden und folgenden Skeptizismus ab.

Wie kam Byron zu dieser neuen Unschauung? Durch sein lebhaftes Naturgefühl war er jedenfalls zum Pantheismus prädisponiert (vgl. Donner S. 112); aber bis zum Jahre 1816 zeigen sich nur unbedeutende Spuren davon in seiner Dichtung. Die Naturbeseelungen in seinen früheren Dichtungen sind wie Donner richtig bemerkt (S. 111) lediglich aus Byron's Naturgefühl hervorgegangen. Die Unsähe zum Pantheismus in den Hebrew melodies 1815, besonders in dem Lied >>When coldness wraps this suffering clay< find so unbestimmt und so fragwürdiger Natur, daß man darauf keine großen Schlüsse auf Byron's Pantheismus vor dem Jahre 1816 bauen kann.

Mit Spinoza beschäftigte er sich allerdings schon im Jahre 1811 und mit Wordsworth's pantheistischer Naturdichtung war er sicher schon lang vor 1816 bekannt, aber keiner von beiden hatte befruchtend auf seine Dichtung gewirkt. Es ist nun sicher in psychologischer Hinsicht eine höchst auffällige Thatsache, daß sich die schwachen und unbestimmten Keime von Byron's Pantheismus im zweiten Teil von C.H. Gesang III zu einem ausgebildeten System entwickelt haben, während sich selbst in der ersten Hälfte des betreffenden Gesanges gar keine Spuren davon finden. Uus der Latenz des Pantheismus in Byron infolge seines Naturgefühls und durch den Einfluß Spinoza's, Wordworth's und andere litterarische Einflüsse läßt sich dieses plögliche und mächtige Erscheinen des Pantheismus nicht begreifen.

Diese konnten wohl als fördernde Faktoren mitwirken, aber ausschlaggebend waren sie nicht, denn sonst hätte die Entwicklung bei Byron unbedingt langsamer, organischer und vorbereiteter sein müssen. Es bedurfte also eines Unstoßes von außen um den latenten Pantheismus Byron's zu entwickeln und dieser Anstoß kam von Shelley. Ich will damit nicht sagen, daß ich die ganze pantheistische Naturdichtung Byron's auf Shelley zurückführen will. Shelley selbst zeigt sich in seiner Naturdichtung stark von dem Ultmeister der englischen Naturdichtung, von Wordsworth beeinflußt. Besonders zeigt sich der Einfluß Wordsworth's in den ums Jahr 1816 entstandenen Dichtungen Shelley's, vor allem „Ulastor“ und „Montblanc". Shelley beschäftigte sich aufs angelegentlichste mit Wordsworth's Dichtung während des Schweizeraufenthalts vom Jahre 1816 und machte bei Byron eifrig Propaganda dafür. Dieser bekam von ihm Wordsworth's Naturpoesie bis um Überdruß zu kosten.

Shelley's wie Byron's Dichtungen aus dieser Zeit zeigen infolgedessen eine Menge Unklänge an Wordsworth, auf die ich jedoch nicht im einzelnen eingehen kann. Ob Wordsworth's Naturdichtung ohne Shelley's Vermittlung jemals einen bedeutenden Einfluß auf Byron gehabt hätte, scheint mir zum mindesten fraglich, besonders bei dessen Geringschäzung für Wordsworth's Dichtung, die er öfter ausspricht; einmal geht er sogar soweit sie geradezu als ,,trash" zu bezeichnen. So aber gehn bisweilen der Einfluß Shelley's und der Wordsworth's Hand in Hand und da Shelley selbst in seiner pantheistischen Naturdichtung stark von Wordsworth beeinflußt ist, ist es oft unmöglich festzustellen, welcher von beiden auf Byron gewirkt hat. Ich bin deshalb genötigt, wo neben Shelley's Einfluß der Wordworth's hergegangen sein kann, auch dessen Dichtung mit in den Bereich meiner Untersuchung zu ziehen.

Shelley hatte für sein pantheistisches Evangelium einen mächtigen Bundesgenoffen in der umgebenden Natur in der gewaltigen Alpenwelt, die in ihrer erhabenen Größe und Majestät wie geschaffen war zum Tempel einer

pantheistischen Gottesverehrung. Schon Gray schrieb in einem Brief an West während seiner Reise in den Ulpen:

Not a precepice, not a torrent not a cliff, but is pregnant with religion and poetry (16 Nov. 1739). Ähnliches hat Byron empfunden und in CH III. 91 ausgesprochen:

Not vainly did the early Persian make
His altar the high places and the peak
Of earth overgazing mountains and thus take
A fit and unwalled temple, there to seek
The Spirit in whose honour shrines are weak
Upreared of human hands. Come and compare
Columns and idol dwellings, Goth or Greek
With Nature's realms of worship earth and air
Nor fix on fond abodes to circumscribe thy pray'r!

Einen ähnlichen Gedanken hatte Byron bereits im Prayer of Nature (1806) geäußert.

Shall man confine his Maker's sway

To Gothic domes of mouldering stone?
Thy temple is the face of day;

Earth, ocean, heaven thy boundless throne.

Byron hat diese Zeilen in Nachahmung Pope's gedichtet. Er denkt sich hier die Gottheit noch persönlich, während er sie in der Stelle CH III 91, als den in der Natur waltenden Geist, als Naturkraft auffaßt. Diese Auffassung deckt sich mit der von Shelley in Queen Mab I 264 ausgesprochenen.

Spirit of Nature! here!

In this interminable wilderness
Of worlds, at whose immensity
Even soaring fancy staggers,
Here is thy fitting temple.

Vorbild zu der Stelle in Child Harold war jedoch wohl Excursion IV 671 ff.:

the Persian zealous to reject Altar and image and the inclusive walls

And roofs of temples built by human hands
To loftiest heights ascending, from their tops,
With myrtle wreathed tiara on his brow
Presented sacrifice to moon and stars,
And to winds and mother elements,
And the whole circle of heavens for him

A sensitive existence and a God

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With lifted hands invoked, and songs of praise.

Wie bereits erwähnt tritt der Pantheismus in Byron's späterer Dichtung nie wieder so stark hervor wie im zweiten Teil von C. H. III. Auf mich machen die pantheistischen Naturergüsse, die sich hier finden den Eindruck, als ob sie in einer Urt Ekstase geschrieben worden seien - eine Ekstase die durch den Enthusiasmus und Mystizismus Shelley's und den überwältigenden Eindruck der umgebenden Natur hervorgerufen wurde. Byron selbst schreibt über seine damalige Stimmung in einem Brief an Moore vom 28. Jan. 1817 (Venedig):

I was half mad during the time of its composition (nämlich C. H. III) between metaphysics, mountains, lakes, love unextinguishable, thoughts unutterable, and the nightmare of my own delinquencies.

Kein Wunder, daß sich Byron's pantheistischer NaturEnthusiasmus bald abkühlte und nicht zu seiner dauernden Weltanschauung wurde. Die Beeinflussung derselben durch Shelley im Einzelnen zu untersuchen soll zunächst meine Aufgabe sein.

Hierzu ist es nötig einige allgemeine Bemerkungen über Shelley's Weltanschauung vorauszuschicken.

Shelley's Weltanschauung ist durchaus nicht einheitlich. Die pantheistischen Ideen find in ihr zwar vorherrschend, daneben finden sich aber auch deistische und dualistische Elemente. Selbst sein Pantheismus ist nicht der Ausdruck eines einheitlichen Systems. Neben dem Pantheismus Spinoza's findet sich der Spiritualismus Berkeley's. Auch Plato und Shaftesbury haben auf die Gestaltung der Weltanschauung Shelley's Einfluß gehabt.

Dieses Neben und Durcheinander von verschiedenen philosophischen Systemen mag etwas sonderbar erscheinen, aber wir müssen in Betracht ziehen, daß Shelley in erster Linie Dichter und als solcher Eklektiker und nicht Philosoph war, der alles auf eine abstrakte formel zurückzuführen versucht. Im Gegensak zu Byron, dessen Weltanschauung fortwährenden Veränderungen und Modifikationen unterworfen war, steht die Shelley's ungefähr seit 1815 ziemlich fest. Manchen von seinen Ideen giebt er erst verhältnismäßig spät in seiner Dichtung Uusdruck, so daß einige Male der fall eintrat, daß Byron sie vor ihm dichterisch verwertete. Ich werde deshalb dann und wann genötigt sein um den Einfluß Shelley's nachzuweisen Stellen aus deffen Dichtung anzuführen die nach den betreffenden in der Byron's entstanden sind. Doch sind diese Stellen so in der Urt Shelley's gedichtet, daß man sofort dessen Vaterschaft erkennt.

Eine ausführliche Darstellung der Weltanschauung Shelley's zu geben, halte ich nicht für notwendig; ich werde im folgenden nur die Punkte berühren, von denen aus ein Einfluß auf Byron stattgefunden hat und diesen unmittelbar im Anschluß daran behandeln.

Mit Spinoza sind für Shelley Gott und Natur gleichbedeutend. So sagt er in seiner Prosa-Abhandlung A refutation of Deism (S. 78.):

The distinction between the Universe, and that by which the Universe is upheld, is manifestly erroneous. In the language of reason the words God and Universe are synonymous.

Ähnlich sagt er in Laon and Cythna V 51:

O Spirit vast and deep as Night and Heaven!
Mother and soul of all to which is given
The light of life, the loveliness of being

Nature, or God, or Love

Wir finden in dieser Stelle fast die ganze Unschauung Shelley's von der Substanz ausgesprochen. Es ist eine poetische Gestaltung der Lehre Spinoza's.

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