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BO VINU AMBORLIAD

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Für die Art, wie der Ideenaustausch zwischen den beiden Dichtern stattfand, besitzen wir ein wichtiges Dokument in Shelley's Julian und Maddalo." Shelley schildert uns in diesem Gedicht ein philosophisches Gespräch zwischen zwei Freunden ähnlich den Unterredungen, die 1818 zwischen ihm und Byron zu Venedig stattfanden. Unter Count Maddalo ist Byron, unter Julian er selbst zu verstehen. Da uns die Dichtung wertvolle fingerzeige für die vorliegende Untersuchung giebt, will ich etwas näher auf sie eingehen. Es heißt da von dem Gespräch der beiden Dichter:

Julian and Maddalo 39 ff.

'twas forlorn,
Yet pleasing, such as once, so poets tell,
The devils held within the dales of Hell,
Concerning God, freewill and destiny:
Of all that earth has been or yet may be,
All that vain men imagine or believe,
Or hope can paint or suffering may achieve,
We descanted, and I (for ever still

Is it not wise to make the best of ill?)
Argued against despondency, but pride
Made my companion take the darker side.
The sense that he was greater than his kind
Had struck, methinks, his eagle spirit blind
By gazing on its own exceeding light.

Gott, freier Wille, Vergangenheit und Zukunft unseres Planeten, das Glauben, Hoffen und Leiden der Menschheit sind also die Gegenstände ihrer Unterhaltung. Shelley charakterisiert und begründet hierbei zugleich vortrefflich die pessimistische Art Byron's.

Auf ihrer abendlichen Fahrt über die Lagunen Venedigs kommen die beiden Dichter dann in die Nähe eines gefängnisartigen Hauses, in dem Geisteskranke eingeschlossen sind. Sie hören gerade den Klang der Glocke der die Unglücklichen zum Abendgebet ruft. Julian-Shelley ruft hierbei mit herber Ironie (111 ff.):

As much skill as need to pray

In thanks or hopes for their dark lot have they
To their stern maker.

Es ist dieselbe Entrüstung über die elende Ordnung der Dinge im Menschenleben, die ihn bereits in Queen Mab und in Laon and Cythna den christlichen Gott, als Urheber der bestehenden Ordnung, als Prinzip des Bösen darstellen ließ, wie er es später in „Prometheus“ mit Juppiter that. Byron's Darstellung des Gottes der Bibel in „Kain“ wurde von dieser Auffassung Shelley's beeinflußt.

Die Erwiderung Maddalo Byron's ist charakteristisch für seinen Pessimismus, aber zugleich auch für den hohen Flug seiner Wünsche und Gedanken:

And such . . is our mortality,

And this must be the emblem and the sign
Of what should be eternal and divine!
And like that black and dreary bell, the soul
Hung in a heaven-illumined tower, must toll
Our thoughts and our desires to meet below
Round the rent heart and pray as madmen do
For what? they know not, till the night of death
As sunset that strange vision, severeth
Our memory from itself, and us from all
We sought and yet were baffled.

Um nächsten Morgen besucht Julian - Shelley wieder Maddalo - Byron und nimmt das am Abend abgebrochene Gespräch wieder auf. Er wendet sich gegen den schwarzen Peffimismus, den Maddalo-Byron in seinen letzten Worten ausgesprochen hat und sagt (159 f.):

The words you spoke last night might well have cast
A darkness on my spirit

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That thus enchains us to permitted ill

We might be otherwise we might be all
We dream of, happy, high, majestical.
Where is the love, beauty and truth we seek
But in our mind? and if we were not weak
Should we be less in deed than in desire?

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Aye, if we were not weak and we aspire
How vainly to be strong!

Doch Julian - Shelley läßt sich durch diesen Einwurf nicht beirren, sondern fährt fort:

and those who try may find

How strong the chains are which our spirit bind
Brittle perchance as straw. . . . We are assured
Much may be conquered, much may be endured
Of what degrades and crushes us. We know
That we have power over ourselves to do

And suffer

what, we know not till we try.

Diese letten Stellen sind für die Eigenart der beiden Dichter sehr kennzeichnend. Byron's Realismus läßt den Gegensatz zwischen Idee und Wirklichkeit, da er sich zu wenig über diese erheben und von ihr abstrahieren kann, unversöhnt, während Shelley's Idealismus in der Welt der Ideen ein höheres und befriedigendes Dasein findet.

Shelley bildet so mit seinem Optimismus und Idealismus einen glücklichen Gegensatz zu dem Realismus und Pessimismus Byron's. Gerade für diesen Gegensak zwischen beiden ist auch die Art wie sie ihr Jch" in ihren Dichtungen zu idealisieren pflegen charakteristisch. Shelley thut es immer nach der besten idealen Seite hin, Byron

nach der schlechtesten.

Auf der andern Seite fehlt aber auch eine gewisse Wahlverwandtschaft zwischen ihnen nicht. Beider Charaktere sind sehr impulsiv, und sie stimmen überein in ihrer Liebe zur Natur und zur Freiheit.

Wie gesagt, wurde die Einwirkung Shelley's auf Byron zum großen Teil durch den persönlichen Verkehr bedingt und hervorgerufen. Mit dieser unmittelbar persönlichen Einwirkung ging die litterarische durch Shelley's Dichtung naturgemäß Hand in Hand. Leben philosophischen bilden litterarische Fragen einen der Hauptgegenstände ihrer Unterhaltung. So sagt Shelley in Brief 76:

We talked a great deal of poetry and such matters last night.

Jeder von beiden kannte, interessierte sich für und kritisierte die Dichtungen des andern. Shelley schreibt u. a. an Leigh Hunt in Brief 83:

Before this you will have seen „Adonais". Lord Byron, I suppose from modesty on account of his being mentioned in it, did not say a word of,,Adonais" though he was loud in his praise of ,,Prometheus"; and, what you will not agree with him in censure of the,,Cenci" Certainly, if,,Marino Faliero" is a drama, the,,Cenci" is not: but that between ourselves.

Ausführlicher auf die persönlichen Beziehungen der beiden Dichter einzugehen, halte ich nicht für nötig, da sich in jeder einigermaßen gründlichen Biographie genügende Ungaben darüber finden.

Shelley hat Byron nach zwei Richtungen hin vornehmlich beeinflußt: Erstens indem er auf die Weltanschauung wie sie dieser in seinen Dichtungen aussprach einwirkte zweitens indem er ihm eine Reihe von Motiven für seine Dichtung gab. Ich will zuerst Shelley's Einwirkung auf Byron's Weltanschauung behandeln. Zum bessern Verständnis schicke ich eine kurze Darstellung der Weltanschauung Byron's bis zu seinem Bekanntwerden mit Shelley im Jahre 1816 voraus. Ich folge hier der Darstellung Donner's in seiner Abhandlung „Lord Byron's Weltanschauung."

Kapitel II.

Die Einwirkung Shelley's auf Byron's Weltanschauung.

Byron's Weltanschauung war bis zum Prayer of Nature (1806) christlich. Er wendet sich hier zum ersten Male von der christlichen Weltanschauung ab und huldigt einer Art Deismus. Diesen Wandel schreibt Donner dem

Einfluß Rousseau's und Locke's zu. Byron kehrte nach diesem Bruch mit seinen alten Unschauungen nicht mehr zu ihnen zurück. Es begann für ihn nun das Ringen und Kämpfen nach einer neuen Wahrheit, das bis zu seinem Lebensende dauerte, ohne daß es ihm gelang sie zu finden. Die folge davon ist sein Skeptizismus, der uns in seiner Dichtung in verschiedenen Stadien der Entwicklung und in verschiedenen Erscheinungsformen entgegentritt. Von diesem Skeptizismus sagt dann Donner am Schluß seiner Ausführungen (Seite 138):

„Wohl bleibt Byron in seiner späteren Skepsis unschlüssig stehn. Vor der Beantwortung mancher Fragen bebt er zurück, nicht als ob er fürchtete, mit der Tradition. allzu jäh zu brechen, sondern weil er die Unmöglichkeit erkannte, zu den höchsten Höhen des Gedankens, zu den tiefsten Geheimnissen des Daseins emporzuringen. Aus dieser schon früh geahnten Unmöglichkeit fließt die höchste Stufe des Weltschmerzes her und bleibt unversöhnt."

So ganz recht hat Donner mit dieser Behauptung nicht. Byron hat den Weltschmerz überwunden oder er war wenigstens auf dem Wege dies zu thun durch — die Resignation. Es scheint mir dies aus einer allerdings vereinzelten Stelle erschlossen werden zu können, wo er eine solche Resignation ausspricht;

Sardanapalus Act II, 1.

There's something sweet in my uncertainty
I would not change for your Chaldean lore
Besides I know of these all clay can know
Of aught above it or below it nothing
I see their brilliancy and feel their beauty
When they shine on my grave I shall know neither.

Während wir nun in Byron's Dichtung als Uusflußz seines Skeptizismus ein beständiges Hin- und Herschwanken zwischen zum Teil oft entgegengesetzten Ansichten finden, sehen wir ihn im zweiten Teil von Gesang III C.H. mit dem feuer eines Neubekehrten eine Art pantheistischen Naturkultus verkündigen. Die betreffenden Stellen zeigen

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