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Krankenbett, und da er nie das Geringste zurückgelegt hatte, sah er sich plößlich in bittere Noth versezt; er versuchte sich von Neuem im Drama, um seinen Lebensunterhalt zu gewinnen, aber seine Staple of News fand nur sehr wenig Beifall, das folgende Stück The New Inn fiel förmlich durch und verursachte die ausgelassenste Schadenfreude seiner zahlreichen Feinde. Zugleich erregte dieser Unfall aber auch das Mitleid und schirmte ihn dadurch vor dem höchsten Elende. König Karl sandte ihm 100 Pf. Sterl., und auch von anderen Seiten flossen dem unglücklichen Dichter namhafte Unterstüßungen zu; aber er verstand es nun einmal nicht, haushälterisch mit seinem Vermögen umzugehen, und kam deshalb eigentlich nie recht aus der Noth heraus. Obwohl er von der Bühne keine Erfolge mehr zu ers warten hatte, machte er dennoch noch einige schwache Versuche, mit den Stücken,,The Magnetic Lady" und,, The Tale of a Tub“ die verlorene Gunst wieder zu gewinnen, aber es war vergebens; seine Kraft war erloschen und seine Schöpfungen waren überdies ohne allen Reiz der Neuheit.

Von seinen lezten Tagen haben wir keine ausführlichen Nachrichten; es ist nur so viel bekannt, daß er mit wahrer Herzenszerknirschung*) und aufrichtiger Reue seiner vielen Schwächen und Sünden gedachte und im August 1637 im 64. Lebensjahre Seele aushauchte.

seine

Man bestattete ihn in der Westminster-Abtei, und es sollte ihm dort ein schönes Denkmal gesezt werden; aber die Ungunft der ftürmischen Zeiten verhinderte die Ausführung dieses Beschlusses. Ein einfacher Stein deckt jezt die irdische Hülle des Dichters, auf welchem die Worte eingegraben sind:

O rare Ben Jonson!

Sein Hinscheiden wurde als ein allgemeiner Verlust tief beklagt, und unzählige Elegien feierten das Andenken des geachteten Dichters. Er verdiente solche Anerkennung auch als Mensch; das Herz saß

*) Seine Erziehung muß allem Anscheine nach sehr religiös gewesen sein; seine Werke zeugen von den lebhaftesten religiösen Empfindungen des Dichters, und der Bischof von Winchester berichtete, daß sein Heimgang christlich und wahrhaft erbaulich gewesen sei.

ihm auf der rechten Stelle, und er war, nach verschiedenen untrüglichen Zeugnissen, im vollem Sinne des Wortes ein ehrenwerther Mann.

Lord Falkland machte über ihn die Bemerkung, daß er nicht wisse, ob man die Biederkeit und Redlichkeit des Dichters höher stellen solle, als die ihm von der Natur verliehenen Talente. Seiner rührenden Liebe zu Frau und Kindern ist bereits oben Erwähnung geschehen; mit derselben Wärme war er auch seinem alten Lehrer Camden zugethan, und selten hat die Pietät eine lieblichere Sprache gefunden, als in der Dedication zu Every Man in his Humour und in verschiedenen Epigrammen, welche der dankbare Schüler seinem Lehrer widmete; man denke nur z. B. an die bekannten Worte:

,,Camden, most reverend head, to whom I owe

All that I am in arts, und all I know." u. f. w.

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man

Er zeigte sich seinen Freunden und Bekannten gegenüber frei und unbefangen, fern von aller Zurückhaltung, ja oftmals selbst völlig unvorsichtig. Zum Neide, welchen man ihm vielfach vorgeworfen, hatte er gar keinen Grund; der König gab ihm bei jeder Gelegenheit Bes weise seiner Werthschäßung, und der Hof, die städtischen Corporatio nen und das große Publikum spendeten ihm mehr Beifall, als irgend einem andern Dichter. Es ist ferner eine Thatsache, daß er die Werke anderer talentvoller Schriftsteller auf's Wärmste empfahl, denke nur an Selden, Hacket, Raleigh, Hobbes u. A. m. — und daß er nie mit Stolz redete, als wenn er von den Werken seiner Feinde sprach. Dieses waren großentheils nur unbedeutende Menschen, welche den Werth seiner langen gründlichen Studien kaum zu würdigen wußten und ihm durch die boshaftesten Verläumdungen und Verkleinerungen das Leben zu verbittern suchten. Wie natürlich, daß der beleidigte Dichter solchen Leuten gegenüber eine immer höhere Meinung von sich erhielt und bei seiner Freimüthigkeit die ents schiedenste Verachtung gegen dieses im Finstern schleichende Geschlecht mit voller Härte aussprach. Daß er hierin manchmal zu weit ge= gangen, wer möchte es läugnen, wer aber wollte ihn auch deßhalb ganz verdammen? Er hatte viel gearbeitet und wußte dieses, er wollte den Vorurtheilen Niemandes schmeicheln, und daher erhielt seine Sprache zuweilen den Ton des Hochmuths und der Selbstge

nügsamkeit gegenüber den Anmaßungen der Unwissenheit; aber sein ganzes Leben bietet auch nicht ein einziges Beispiel, daß er sich irgend eine unfreundliche That gegen seine Neider und Verkleinerer habe zu Schulden kommen lassen *).

B. Jonson schuf sich eine ganz neue Bahn im Drama und ward zum Vorkämpfer einer Partei, welche man mit Recht die kritische ge= nannt hat. Im Gegensaße zu dem zarteren und bescheidenen Verdienste Shakespeare's, dessen Werke Studium, Scharfsinn und Verstand bei der Beurtheilung vorausseßen, wollte er durch Eigenschafs ten glänzen, welche sogleich in die Augen fallen und leicht Anerkennung finden können; es genügte ihm nicht, allbekannte Thatsachen wieder vorzubringen, er wollte durch überraschende Effecte den Beifall gewinnen; er überließ es seinem schaffenden Genius nicht, ein Kunstwerk frei zu gestalten, sondern mit bewußter Absicht und vollster Sicherheit lag ihm die Wirkung seiner scharf begrenzten Zeichnungen wohl berechnet vor Augen. Bei einer wunderbaren Kenntniß des realen Lebens und einer sicheren Beobachtung der menschlichen Thorheiten und Laster; bei einer wahrhaft epigrammatischen Verdichtung eines kräftigen, männlichen Styles, dessen Eindruck durch den Glanz bedeutender Gelehrsamkeit nur noch vertieft ward, mußte der Triumph der neuen Richtung im höchsten Grade gesichert erscheinen, und man darf sich kaum wundern, daß Shakespeare fast erst nach Verlauf eines Jahrhunderts aus der Vergessenheit herangezogen ward.

Jonson besaß eine sehr hohe Ansicht von der Bedeutung des Dramatikers, und er hielt es deshalb für gerecht, Schöpfungen ent

*) Im Jahre 1616 veröffentlichte Jonson eine Folio-Ausgabe seiner Schriften, welche außer verschiedenen Comödien, Tragödien und Masken, eine Sammlung von Gedichten unter dem Titel The Forest enthält; die zweite Folio-Ausgabe, welche nicht von ihm selbst besorgt ward und wahrscheinlich erst nach seinem Tode herauskam, ist eine leichtsinnige, ungenügende Arbeit. Im Jahre 1640 wurden zwei Ausgaben seiner kleineren Stücke gedruckt; 1692 erschien ferner eine bessere Ausgabe des Folio-Druckes und 1713 eine andere in Octav (6 Bre.), nachdem bereits früher viele seiner Stücke gleich nach der Restauration einzeln gedruckt waren. 1756 veröffentlichte Peter Whalley die erste Gesammtausgabe in 7 Octav-Bänden, welcher sich später die neueste und beste Ausgabe von W. Gifford rühmlich anschloß. (The Works of Ben Jonson with a biographical memoir by W. Gifford. A new edition 1843. Lond.)

schieden zu verachten, welche auf die Erzählungen italienischer Novellisten, oder wohl gar auf die Legenden des Mittelalters gegründet waren und in denen die Unwahrscheinlichkeit der ganzen Handlung oder auch die Inconsequenz der Charaktere sogleich in die Augen fiel. Bei diesem Vorherrschen des Verstandes konnte natürlich das Gefühl und die Phantasie nicht in voller Weise zur Anerkennung kommen, und mit besonderer Vorliebe wendete er sich deshalb dem Charakterlustspiele zu, worin er Bewunderungswerthes leistete. Mit vollster Liebe zum Wahren und Wahrscheinlichen lieferte er hier nicht etwa schnell hingeworfene Schöpfungen; er hatte, wie ein Juvenal des Drama's, gleichsam unter einem Mikroskope die menschliche Gesellschaft beobachtet und die Sitten seiner Zeit aufs Sorgfältigste studirt, und seine Schilderungen sollten nicht etwa nur unterhalten, sondern - und dies ganz besonders belehren. Mit vollem Ernste und strengster Wahrheit will er mehr die Aehnlichkeit als die Wirkung des Komischen. Daraus erklärt sich denn aber der ihm mit Recht gemachte Vorwurf, daß die Zeichnung des Charakters bei ihm oft sehr überladen ist, sie erscheint zu sehr als Mosaik-Arbeit und giebt eine solche Menge von Einzelheiten, die sich in einer und derselben Person wohl nur höchst selten vereinigt finden dürften. Man hat ihn wohl angeklagt, er male keine Frauen und Männer mehr, sondern Personificationen*) von Thorheiten und Lastern, es werde in seinen Charakteristiken nicht mehr das Individuum geschildert, sondern der Begriff, es sei Alles bis zum höchsten Gipfel gesteigert, der nun nicht mehr überflogen werden könne. Freilich läßt es sich nicht läugnen, daß aus der scharf umrissenen Zeichnung oft eine Carricatur wird, aber es finden sich hiervon doch auch viele und glänzende Ausnahmen. Die Charaktere find bei ihm immer fest und richtig entworfen, der ganze Plan berücksichtigt stets auf das Genaueste alle Einzelheiten, der Dialog belebt und fördert die Handlung in der beredtesten Weise und oft mit poetischem Schwunge und klassischer Gelehrsamkeit, mit einem Worte, das Ganze wie die einzelnen Glieder stehen in dem

*) Bie völlig ungerecht es ist, diese Anklage so ganz allgemein auszusprechen (Tieck), das erweist sich schon daraus, daß man zu Lebzeiten des Dichters für die meisten seiner Stücke eine ganze Menge von Personen namentlich anführte, die er gemeint und sehr erkennbar geschildert haben sollte.

besten gegenseitigen Verhältniffe, und man muß die kunstmäßige Durchführung wahrhaft bewundern. Störend wirken nur hie und da die Spuren der Absichtlichkeit und großen Mühe, und in Rücksicht auf diese kann man Schlegel's Behauptung nicht ganz widersprechen, wenn er Jonson's Dramen mit festen, zweckmäßig eingerichteten Gebäuden vergleicht, vor denen aber das schwerfällige Gerüst stehen geblieben sei, welches den leichten Ueberblick und den harmonischen Eindruck hindere. Eben hieraus kann man sich denn auch den Stolz des Dichs ters erklären, insofern nämlich seine Werke ganz seine eigenen sind und ihm, wie mit Recht behauptet worden, gleich erworbenen sittlichen Eigenschaften angehören.

Bei Jonson's vorwaltender Verehrung und Nachahmung des altklassischen Drama's ist es wohl nicht auffallend, daß sich in seinen Schriften weniger der leichte Scherz, als vielmehr die allgemeine Ironie vorfindet. Gleich dem Juvenal erhebt er durch die Kraft und Kühnheit seiner Sprache und ergreift durch die schauerliche Bitterkeit und Verachtung, mit der die Schilderung des Lasterhaften überschütz tet wird. Beide Dichter scheinen mehr Haß gegen das Laster, als Herz für die Tugend gehabt zu haben, und dieser Mangel an Sympathie wenn man es so nennen darf der besonders in der Schilderung der Frauen so recht hervortritt, ist wohl die Hauptursache, daß es der Sprache und dem Gedanken oft an Anmuth und Zartheit gebricht. Wie ganz anders dagegen Shakespeare! Die von ihm geschilderten Thoren und Sünder find noch immer Menschen, die man sich geheilt und gebessert zu denken vermag; aber von den Jonson'schen Figuren würde nach ihrer Heilung oft nur wenig oder gar nichts übrig bleis. ben, sie sind häufig bloße Abstractionen, die man sich gar nicht aufgelöst denken kann und soll.

Das antike Drama war ihm, wie schon oben bemerkt, ein hellleuchtendes Vorbild, und die Einfachheit und Sicherheit im Plan und Durchführung diente ihm als Muster für die Composition. Dessenungeachtet entfernte er sich weit von den Regeln des Aristoteles in Gehalt und Form seiner Dramen, ließ die Regel von den Einheiten unbeachtet, führte eine Menge von Nebenpersonen ein und bediente sich zwar eines moralisirenden Chors, welcher aber der Geschichte wenig treu war. Ohne viel Talent für das Pathetische näherte er sich eigentlich nur den römischen Lustspieldichtern, die er an Schärfe der Zeichnung und Bitterkeit des Wiges wohl noch übertraf, aber

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