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an Einfachheit und Anmuth nicht zu erreichen vermochte. Ein bes deutender Verstand, ein Schaß von Gelehrsamkeit und ein redlicher Wille fanden bei ihm ihren Ausdruck in einem harten, gedrängten und compacten Style, selten nur vermochte er, aus innerem freien Triebe die Schäße seines Geistes auszuschütten, wie dieses Aristoteles bei dem wahren Dichter vorausseßt. Er erscheint aber auch zuweilen als wahrer Poet, und besonders in den kleinern Schöpfungen entfaltet sich häufig eine solche Zartheit des Gedankens und ein solcher Schwung der poetischen Diction*), daß man begeistert und wahrhaft hingerissen wird.

Jonson's Dichtungen würden sich übrigens sicherlich länger auf der Bühne erhalten haben, wenn der Verfasser statt der menschlichen Launen (humours) wirkliche Leidenschaften gemalt und mit verschiedenartigen Richtungen des Geistes in Verbindung gesezt hätte. Es wären dadurch Figuren entstanden, die der gewöhnlichen menschlichen Natur mehr vollkommen ähnlich sind und demgemäß allgemeinere Theilnahme erregen. Des Dichters Personen haben selten eine einzige entschieden vorherrschende Eigenschaft, auch treten sie nicht genug vor den Nebenpersonen in den Vordergrund; alle sind ihm, wie es scheint, gleich werth, er quält sich bei dem Unbedeutendsten in unbebegreiflicher Weise ab und ermüdet die Geduld seiner Zuhörer. Andrerseits verleitete ihn seine Gelehrsamkeit zu manchen Mißgriffen, welche dem guten Erfolge seiner Stücke nicht eben förderlich sein konnten; seine Römer ergehen sich z. B. in Ideen, einer Sprache und solchen Anspielungen, welche nur dem Volke zu den Zeiten des Augustus völlig verständlich sein und deshalb wenig Interesse erregen konnten. Ueberdies war Jonson fern davon, den Vorurtheilen des Publikums irgendwie zu schmeicheln; er wollte das Urtheil und die Sittlichkeit beffern und bediente sich dazu kühner, kräftiger, aber freilich nicht sehr eleganter Figuren; sie sollten nicht sowohl unterhalten als vielmehr Verachtung und Abscheu erregen und dazu beitragen helfen, die mensch

*) Die Kraft seines Styles ist nie in Frage gestellt worden, wohl aber hat man demselben oft Anmuth und Lieblichkeit abgesprochen. In den Tragödien indessen und den metrischen Theilen seiner Comödien sind die Verse leicht und anmuthig, und die eingestreuten Lieder und kleineren lyrischen Sachen sind gefeilt und wahrhaft lieblich. Man denke nur z. B. an die berühmten Gedichte: „Drink to me only with thine eyes" und Still to be neat, still to be drest" u. s. w.

liche Gesellschaft besser und glücklicher zu machen. Zu sehr damit beschäftigt, die Schlechtigkeiten der menschlichen Natur und aller irdischen Einrichtungen zu anatomisiren, gab er es zu, daß sein reflectirendes Bewußtsein die wahre künstlerische Kraft in ihm schwächte.

Er schrieb zu einer Zeit, wo die englische Sprache noch viel von ihrer ursprünglichen Rohheit besaß; er hinterließ sie bereichert und viels fach gereinigt und erwarb sich auch dadurch ein nicht geringes Verdienst.

Die Werke unseres Dichters bestehen aus etwa fünfzig dramatischen Stücken, von denen indessen die meisten nur sogenannte Masken- und Zwischenspiele sind.

In seinen beiden Tragödien, welche nicht ohne historisches Interesse sind, hat er die Alten mit einigem Erfolge nachgeahmt. Die Einfachheit der Handlung, die kräftige Zeichnung der Charaktere und Leidenschaften und der oft wirklich erhabene Ausdruck verdienen volle Anerkennung; aber es fehlte ihm hier völlig an der rechten Lebendigkeit des Gefühles, an der Gewalt des tragischen Pathos, um die Zuhörer zu erschüttern und hinzureißen. Von dem eigentlichen Wesen des Chores besaß er nur eine schwache Ahnung, und seine Boten im Catilina haben mit dem Chor der Alten auch nicht die geringste Aehnlichkeit.

Die Tragödie Sejanus giebt uns ein gräßliches Bild eines durch und durch faulen Staates, in welchem alle Verhältnisse des Lebens durch den Pesthauch der Sünde vergiftet sind und in welchem nur das Böse gedeihen kann. Der Held des Stückes ist ein beispiels loser Bösewicht, dessen ganzes Auftreten nur Entseßen und Abschen erregt; die ihm gegenüberstehenden Märtyrer der Freiheit erscheinen dagegen als ziemlich unbegreifliche Schwärmer, welche für seltsame Phantasiegebilde ihr Leben mit der größten Leichtigkeit dahingeben; der Plan des ganzen Stückes endlich erscheint sehr verwickelt, und Niemand wird gewiß im Stande sein, die endliche Lösung noch auch die Vorbereitungen darauf zu ahnen. Das Stück ist indessen auch nicht ohne alle Vorzüge: die männlich kräftige Zeichnung der Charaktere, die historische Treue der ganzen Darstellung und der Glanz der Diction verdienen beifällige Erwähnung.

Sejanus, der Sohn des Sejus Strabo, wird uns von dem Dichter geschildert, wie er die Gunst des Tiberius in solchem Maße gewann, daß er in Wirklichkeit Herr des Reiches war; wie er darauf von Drusus, des Kaisers Sohn, gröblich beleidigt war und sich im

Zorn darüber mit Hülfe der Livia des lästigen Feindes durch Gift entledigte. Wir erfahren sodann eine ganze Reihe von teuflischen Schändlichkeiten dieses entseßlichen Unholdes, wie er den Germanicus vernichtet und gegen Agrippina und ihre unglücklichen Kinder mit Erfolg Haß und Zwietracht gesäet hat. Er verheirathet sich mit Livia und sucht den Tiberius ganz und gar den Staatsgeschäften zu entfremben, um allmählich seine ehrgeizigen Pläne zu verwirklichen. Der Kaiser befindet sich auch anfangs in seiner Ruhe, die er zur Ausführung aller nur erdenklichen Schlechtigkeiten benußt, ganz zus frieden; doch plößlich naht ihm die Furcht, er bedient sich in seinem Argwohne eines neuen Günstlings, Sertorius Macro, um den einflußreichen Sejanus zu beobachten, und jener findet sehr bald Mittel und Wege, diesen verhaßten Bösewicht zu entlarven und zu vernichten.

Jonson's andere Tragödie, Catilina, übertrifft den Sejanus bei weitem und würde überhaupt mehr Beifall erhalten haben, wenn man beide Stücke nicht stets mit den Werken anderer Dichter vergli chen und sie vielmehr als eine ganz besondere Art lebendiger historis scher Darstellung betrachtet hätte. Die Tragödie Catilina beweist ein ungemein gründliches Studium des Alterthums von Seiten ihres Verfassers: die benußten Stellen klassischer Schriftsteller sind unzählig, und wahrscheinlich fand das Werk gerade deßhalb so wenig Eingang, weil es von Gelehrsamkeit wahrhaft stroßte, und sich demnach recht wohl zur Lectüre aber nicht gut zur Aufführung eignete. Obwohl das Stück nicht viel Handlung hat, und man auch die Länge der Reden oft tadeln muß, so zeigt sich doch andererseits gerade in ihnen viel Leben und wirkliche Bewegung, der Versbau ist lieblich und zugleich kraftvoll, und die Charakterzeichnung besonders des Catilina

- wahrhaft vollendet.

Das Stück hebt an mit der Erscheinung von Sylla's Geiste, welcher dem sinnenden Catilina all die bösen Pläne des Ehrgeizes eingiebt. Nach seinem Verschwinden sammelt sich der Held der Tragödie und entwirft vor der eintretenden Aurelia ein vollständiges Bild seines Vorhabens, wobei er den Charakter seiner Werkzeuge einzeln in meisterhafter Weise schildert. Größeres Lob aber verdient die Bes schreibung des Morgens, an welchem die Hauptverschwornen zusammen kommen, und sie hat wahrhaft dichterischen Schwung. Da erscheint uns denn Catilina in seiner ganzen Schlauheit, wie er erst durch scheinbare Sanftheit und Zartheit sich einzuschmeicheln versteht

Archiv f. n. Sprachen. X.

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und sein ehrgeiziges Vorhaben flug verhüllt, wie er aber nach und nach immer fester und kühner, ja gebieterisch auftritt, je mehr seine Macht und sein Einfluß gesichert erscheint. Cicero predigt in dem Stücke zu viel, und seine politische Weisheit mußte gewiß nur langweilen, obwohl sich in seinen Reden zuweilen eine mächtige Beredtsamkeit zeigt. Daß auch neben vielem Schwerfälligen sich manches recht Leichte und wahrhaft Anmuthige in dem Stücke vorfindet, möge folgende Rede des Petrejus beweisen, mit welcher das Stück schließt. Es heißt dort über das Schicksal des Catilina:

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,The straits and needs of Catiline being such,

That he must fight with one of the two armies
That then had near enclosed him, it pleased Fate
To make us th'object of his desperate choice,
Wherein the danger almost poised the honour:
And as he rose, the day grew black with him
And Fate descended nearer to the earth,
As if she meant to hide the name of things
Under her wings, and make the world her quarry.
At this we roused, lest one small minute's stay
Had left it to be enquired, what Rome was;
And, as we ought, arm'd in the confidence
Of our great cause, in form of battle stood:
Whilst Catiline came on, not with the face
Of any man, but of a public ruin:
His countenance was a civil war itself;
And all his host had standing in their looks.
The paleness of the death that was to come.
Yet cried they out like vultures, and urged on,
As though they would precipitate our fates:
Nor stay'd we longer for them; but himself
Struck the first stroke, and with it fled a life;
Which cut, it seem'd a narrow neck of land
Had broke between two mighty seas, and either
Flow'd into other, for so did the slaughter;
And whirl'd about, as when two violent tides
Meet, and not yield. The Furies stood on hills,
Circling the place, and trembling to see men

Do more than they; whilst Piety left the field,
Grieved for that side, that in so bad a cause
They knew not what a crime their valour was.
The Sun stood still, and was, behind a cloud

The battle made, seen sweating to drive up

His frighted horse, whom still the noise drove backward:
And now had fierce Enyo, like a flame,

Consumed all it could reach, and then itself,
Had not the fortune of the Commonwealth
Come, Pallas-like, to every Roman thought,
Which Catiline seeing, and that now his troops
Cover'd that earth they'd fought on with their trunks,
Ambitious of great fame to crown his ill,

Collected all his fury, and ran in,

Arm'd with a glory high as his despair,

Into our battle, like a Lybian lion

Upon his hunters, scornful of our weapons,

Careless of wounds, plucking down lives about him,
Till he had circled in himself with death;
Then he fell too, t'embrace it where it lay.
And as in that rebellion 'gainst the gods,
Minerva holding forth Medusa's head,
One of the giant brethren felt himself
Grew marble at the killing sight, and now,
Almost made stone, began t'enquire what flint,
What rock it was, that crept through all his limbs,
And ere he could think more, was that he fear'd;
So Catiline, at the sight of Rome, in us
Became his tomb: yet did his look retain

Some of his fierceness, and his hands still moved,
As if he labour'd yet to grasp the state

With those rebellious parts."

Wer möchte es läugnen, daß diese prächtige Schilderung unvergleichlich ist und daß die gewählten Bilder in Größe und Erhabenheit dem Gegenstande durchaus angemessen sind! Aber es läßt sich auch nicht verkennen, daß das gegebene Bruchstück - und es ließen sich leicht mehrere der Art namhaft machen rein episch, aber

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