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den bisher gebräuchlichen Werken (von denen er besonders Falkmann's und Herz ling's Arbeiten eine höhere Geltung zuspricht) eine unter dem Einflusse der „Philosophie der Gegenwart" (d. i. Hegel's!) gestaltete systematische Darstellung der Sprachwissenschaft, als deren Theile er Rhetorik, Poetik und Litera turgeschichte“ bezeichnet. Auf diesem Wege soll aber nicht nur eine wissenschaftliche Ginheit des Unterrichts in der Muttersprache gewonnen werden, sondern indem der Berf. anerkennt, daß dieser nur zu der Aufgabe aller Erziehung mitzuwirken habe, bezeichnet er als die Grundlage des deutschen Unterrichts: „die Lehre, die den ganzen Menschen von Anfang bis zu Ende in der Mitte zwischen der Theorie und Praxis im Auge behält, den ganzen Menschen, welcher denkt und mit dem Denken zugleich seinen Stoff zum Reden schafft, und welcher zugleich mit dem denkenden Schaffen des Stoffes spricht und schreibt, oder sich seinen Styl bildet, und welcher endlich zugleich mit dem stylistischen Ausdruck des Gedachten sich selbst den äußeren Vortrag in Ton und in Mienen und Geberden gestaltet.“ Dabei beruft der Verf. sich darauf, daß er „aus seinem Geiste heraus danach_(nach der in seinem Lehrbuch dargestellten Anleitung) verfahren sei, und sich hinsichtlich der dadurch herbeigeführten stylistischen und selbst allgemeinen Erfolge nur eines angenehmen Bewußtseins erfreue," will jedoch seine Arbeit nur als einen „Versuch, eine neue von der Wissenschaft geforderte Bahn zu betreten," betrachtet wissen, und empfiehlt sie zunächst „Lehrern an Gymnasien“ (nicht an Realschulen) wie zum Gebrauche bei akademischen Vorlesungen und damit verbundenen praktischen Nebungen über Styl und Redekunst.“ Für den leßteren Zweck wird das Buch natürlich nur von Anhängern der Hegel'schen Philosophie benutzt werden, und über deren Berechtigung auf den Akademieen können wir hier nicht streiten; für den Gymnasialunterricht aber erscheint es uns überhaupt als völlig verfehlt, eine bestimmte philosophische Schule zur Grundlage zu wählen, vor Allem aber von der schwerverständlichen Methode oder gar von bestimmten Philosophemen Hegel's auszugehen. Wir wollen indessen auch hier nicht bestreiten, daß der Verf., welcher nicht nur „der auf empirischem Wege errungenen Einsicht,“ sondern auch der „praktischen Nebung ihre Geltung läßt, bei seinem eigenen Unterricht gute praktische Refultate erzielt haben mag, nur glauben wir, daß dieses nicht in Folge, sondern guten Theils trop seines Strebens, den Schüler auf dem Wege Hegel's zu bilden, erzielt sei.

Aber der Himmel bewahre unsre Gymnasien vor der Einführung solcher_Lehrbücher! Und dieses müssen wir nicht nur auf die theoretischen Ansichten in Kary's Rhetorik beziehen, sondern zu einem großen Theile auch auf die praktischen und methodischen Winke in demselben; denn wir gestehen, daß uns nicht leicht eine solche Mischung von geistreichen Gedanken und schiefen Ansichten vorgekommen ist, als sich bei unserem Verf. findet. Der Hauptgrund aller Verkehrtheiten desselben liegt aber in dem Drange des Hegelianismus, Alles auf die philosophische Folter der Bez griffe zu spannen.

In gelinderer Weise giebt sich dies schon in der „Einleitung“ kund, wo, um das empirisch Gegebene philosophisch zu begründen, behauptet wird: „Indem der Redende bei Andern über sich und die Welt entweder bloß seine Erkenntniß oder sein durch Erkenntniß angeregtes Gefühl, oder auch seinen durch Erkenntniß und Gefühl hervorgerufenen Willen wiedererzeugt, wird die Rede im ersten Falle zur Prosa, im zweiten zur Dichtkunst (vielmehr Dichtung), im dritten zur Redekunst" (Kunst-Rede, Rede im eng. Sinne). Dies ist wenigstens nicht unbedingt wahr, obgleich es auch nach des Ref. Erfahrung methodisch zweckmáyig ist, in der Einleitung zum deutschen Unterricht psychologisch nachzuweisen, daß sich die Mittheilung durch die Sprache entweder vorzugsweise auf Erkennt nisse (bei dem Lehrer), oder auf Gefühle (bei dem Dichter), oder auf den Billen (bei dem Redner) erstreckt. Richtiger ist es, wenn der Verf. nun weiter aus Gründen der Zweckmäßigkeit für den Schulunterricht wenigstens“ die Lehre von der Prosa in den Bereich der Redekunst hineinzieht und diese so der Pöctik gegenüberstellt.

Für völlig unbrauchbar und den Schüler (wie selbst manchen Lehrer) nur auf

Irrwege führend, müssen wir aber Dasjenige erklären, was hier im „Ersten
Theil“ als „Lehre von der Entwickelung der Gedanken" geliefert_wird.
Denn indem der Verf. von dem Saße ausgeht: „Der Begriff eines Gegenstandes
bedingt alle Gedanken über ihn,“ stellt er zwar mit Recht zunächst die Frage auf:
„Wie gelangt der Sprechende zu richtigen Begriffen?" Hier aber ist seine Antwort
nur: Der Sprechende gelangt zum Begriffe eines Gegenstandes, wenn er das
Wesen desselben mit Ausscheidung alles ihm Zufälligen auffaßt u. s. w.“ Hinter-
her wird freilich bemerkt: „Die bereits vorher durch das Leben und den Un-
terricht gewonnene Bildung seßt den Schüler in Stand, jeden beliebigen Gegen-
stand (!) (erstens in der Natur, und zweitens in der Menschheit) zu denken und
aufzuzeigen,“ und weiter wird in Bezug auf die Formen des denkenden Geistes
vorausgesezt: „wenn ihre Bedeutung und Stellung dem Schüler noch nicht für
fich allein, enthoben dem Materiale des Unterrichts, zum Bewußtsein gebracht sind,
so werden sie es doch gleichzeitig durch den Unterricht in der Psychologie und
Logik." Wir gestehen indeß, daß wir die Verwirklichung aller dieser Vorauss
segungen auch auf der höchsten Stufe des Gymnasialunterrichts weder möglich noch
zweckmäßig finden. Wäre sie aber vorhanden, so können wir doch der hier in der
Rhetorik (§. 5) gegebenen „Methode Behufs der Entwickelung der Gedanken“ durch-
aus nicht beitreten, denn hier sind als einzige Anleitung für die Behandlung eines
Gegenstandes die Säße aufgestellt: „Für den Menschen, der sich mit Kenntniß des
Inhalts der Dinge, d. i. mit Gedanken bereichern will, um damit auf die Welt
zu wirken, ist vor Allem die Grkenntniß der Form (?!) in ihrer Entwickelung wich-
tig;
die Form der Entwickelung aber besteht darin, daß der Gegenstand durch
drei unterschiedene Stufen hindurch immer ein anderer wird, aber nur um stets
bei sich selbst zu bleiben, ja immer mehr zu seiner Wahrheit zu kommen“ (!).
Dies ist ein Philosophem, bei dessen Anwendung die Auffassung der Wirklichkeit
(der Erfahrungskenntnisse) den unnatürlichsten Zwang erleiden muß, und das dem
Schüler trotz aller Uebung an Beispielen nicht zum selbständigen Denken, sondern
höchstens zur mechanischen Nachahmung Hegel'scher Formen (und zum Theil wider-
spruchvoller Terminologicen) verhilft. Man vergleiche nur die hier ausgeführten
Beispiele, die den Schüler mit dieser Form vertraut machen“ sollen, zuerst (S.
6) vom Menschen. „Auf der ersten (Stufe) ist er (jeder Gegenstand) sein An-
fang, das, was er noch nicht ist, aber werden kann, der Gegenstand in seiner
Unwahrheit, und bloß formellen Allgemeinheit, wie z. B. das neugeborne Kind
erst ein formeller, allgemeiner, noch nicht mit Inhalt erfüllter Mensch, und
unterschieden von seiner nächsten Stufe, dem Jünglinge, und noch mehr von
seiner dritten, dem Manne, ist. Dieser trägt die nach Außen gehende
Sinnlichkeit des Kindes und die bloße Innerlichkeit des Jünglings"
(als ob das Kind bloß „Sinnlichkeit,“ der Jüngling bloß „Innerlichkeit“ befäße!)
aufgehoben in sich“ u. s. w. Aehnlich heißt es bei dem Beispiele von der
Menschheit: „Der antike Mensch ist der unmittelbare, äußerliche, über
dessen sinnliche Natur binaus sich noch keine geistige (!) geltend gemacht hat
(Griechen — !! —), also (!) der nach äußerem Besiß strebende Mensch (Römer-!);
der mittelalterliche ist schon der vermittelte, innerliche, und der moderne
ist der äußerlich-innerliche oder der einige ganze Mensch“ u. s. w.
„In der Geschichte der Griechen" soll „dieselbe dreifache Unterscheidung ge-
geben sein (S. 7, 8); ebenso „im geschichtlichen Leben der Römer“ (S. 9); noch
dunkler und willkürlicher aber ist, was über die gegenwärtig lebenden Völker“ (S.
9, 10) gesagt wird. Es folgen dann noch Beispiele von Staat, Schule, Un-
terrichtsgegenständen,“ wobei auf die willkürlichste Weise überall jene dreis
fache Stufe angenommen wird nach dem allgemeinen Saße (S. 11): „Ueberall
sehen wir vom Begriff erst seine Position, hierauf deren Negation und endlich die
Negation der Negation wiederum als Position, aber als die wahre, erfüllte und
nicht die unwahre und bloß scheinbare“ (!!). Und hiervon sagt der Verf. selbst:
„so schließt unsre Denkmethode gleich einem Zauberstabe (utinam!) den In-
halt der Begriffe ohne Schwierigkeit auf," und er giebt den Wink: „Uebrigens
bildet dieser Leitfaden in seiner ganzen Durchführung ein System von derartigen (!)

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Beispielen, womit denn schon im Voraus unser Urtheil über diese Beispiele (Aufgaben) bestimmt sein würde. Der einzige gesunde Gedanke, der dieser Denkmethode zum Grunde liegt, ist doch am Ende der ganz einfache, hier aber nur verdunkelte und verschrobene: Wer von einem Dinge (einem Erfahrungsgegenstande) reden will, muß seine Geschichte kennen; — diese aber soll nicht nach einem Begriffsschema construirt, sondern rein erfahrungsmäßig aufgefaßt werden.

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Im weiten Theit" wird nun die Lehre von der planmäßigen Anordnung und Bearbeitung der Gedanken behandelt. Dem „Abschn. 1: Allge: meine Regeln für die planmäßige Anordnung“ (noch nicht Bearbeitung) sind in „Abschn. 2: Regeln für die Bearbeitung“ (nicht Anordnung) „der einzelnen Redeformen“ gegenübergestellt. In jenem werden das genus rationale und das genus historicum unterschieden, was mit Recht schon für die Behandlung von Theil I. (der Heuristik oder Tovik) die wesentliche Grundlage gebildet haben würde. Auch die hier gegebenen Vorschriften und Beispiele erscheinen uns größtentheils nur für Hegelianer brauchbar. Warum geht der Verf., dem das praktische Bedürfniß der Gymnasien nicht unbekannt geblieben ist, nicht schon bei diesem Abschnitt von demselben richtigen Grundsaß aus, den er für Th. III. - die Lehre vom Styl— doch auch erst gegen den Schluß desselben (§. 63) aufstellt: „Soll der Schüler allmählich seinen Styl ausbilden, so sind ihm Abhandlungen und Reden, (welche die geforderten Gesammteigenschaften an sich tragen) zur Anschauung und Erkenntniß zu bringen." Wird doch dabei mit Recht hinzugefügt: „Es wird ihm dann nicht schwer werden, die Disposition herauszufinden" u. s. w. Hierin liegt ja eben die praktische Grundlage zur Belehrung über Anordnung und Bearbeitung der Gedanken. Statt dessen geht aber der Verf. bei dieser wieder nur darauf aus, den Schüler nach Hegel'schen Schematen seine Gedanken ordnen zu lehren. Allerdings gilt auch für jeden andern Standpunkt die Regel (S. 10), daß die Disposition aus der Natur des Gegenstandes selbst hervorgehen soll; der Verf. aber seht bei jedem Gegenstande die Hegel'sche Auffassung als die einzig mögliche voraus (so auch wohl bei dem gesammten Unterrichte, in Geschichte, Geographic, vgl. S. 46, Sittenlehre, S. 32 ff.); daneben kommen indeß auch noch andere Sonderbarkeiten und Verkehrtheiten vor, die sich nicht aus dem Hegel'schen Standpunkte erklären; so z. B., daß für die „Beschreibung,“ hier eines „Löwen, folgende Disposition als die einzig natürliche vorgezeichnet wird: „1. Größe nach Länge, Breite, Höhe, 2. Glieder, Leib und Kopf“ (welche Neihenfolge!) „und 3. das Ganze, durch Größe und Theile bedingt;" ferner das Thema (unter „Beschreibung“ bei dem genus historicum): „Das Meer, ein Bild des menschlichen Herzens: 1. in dem Zustande der unruhigen Ruhe; 2. in d. Zust. der unruhigen Unruhe; 3. in d. Zust. der ruhigen Ruhe!“ Heißt das nicht, die Schüler gewöhnen, in Widersprüchen zu denken! Auch der Inhalt der in reicher Menge mitgetheilten Aufgaben geht meistens weit über den Horizont von Schülern hinaus. Insbesondere gilt dieses von den Thematen für das genus rationale, die hier (beiz svielsweise) „auf die Theorie der Sittlichkeit beschränkt“ sind. Ref. ist seinen Erfabrungen gemäß schon längst der Ueberzeugung, daß nur sehr wenige (der gebräuchlichen) Themate aus diesem Gebiete für den Kreis der Schule passen, welche die stylistische Darstellung überhaupt vielmehr an gehöriger Behandlung von Gegenständen der äußeren und inneren Anschauung (aus dem Gebiete der Geschichte und Dichtung (Charaktere), der Geographie (nach C. Ritter), der Naturwissenschaften, der Erfahrung des Schülers selbit) zu üben hat: die hier aufgestellten Beispiele aber, größtentheils tiefsinnige Dichteraussprüche, zeigen vollends bei genauerer Prüfung, daß sie nur erst bei sehr gereifter Lebenserfahrung besprochen werden können, und daß deßhalb der Schüler sie nur dann zu behandeln vermag, wenn er des Lehrers Besprechung darüber mechanisch nachahmt. Und dabei werden ihm von_dem Verf. wiederum eine Menge unverstandener und unverständlicher Hegel'scher Terminologieen überwiesen, z. B. „daß die Schule den Staat schon an sich hat“ (S. 24, vgl. 25), „Verstandeserklärung und Vernunftvermittelung“ (S. 26), „unmittelbare Vermittelung“ (S. 30), und vermittelte Vermittelung“

Archiv f. n. Sprachen. X

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(S. 31); „wer Geist hat, hat die Einheit von Allem in sich“ (S. 33), der Gegensatz von „Wesen und Wirklichkeit“ (S. 100) u. f. w.

Nur mit Mühe hatte sich Ref. durch die grauenhaft dunkel-,,graue Theorie" bis zu Abschn. 2 des zweiten Theils durchgearbeitet, als zu seinem Troste die Dare stellung concreter und praktischer, und damit lichter zu werden begann, obgleich auch jezt noch zuweilen die Hegel'schen Nachtgestalten umherspukten. Der Verf. theilt die einzelnen Redeformen" in A. die einfache Darstellung,“ bei der er besonders die „Abhandlung“ bespricht, „B. die durch persönliche Bezüglichkeit vermittelte Darstellung - Brief und Dialog" (die philosophische (!) Begründung der Bestimmung des Briefes“ beginnt: „Der Mensch ist nicht, wie das Thier, bei seiner Geburt schon das, was er sein soll." Dann spinnt sich die Deduktion fort: ,,in dem „Du" geht dem Einzelnen die ganze Welt des Menschenthums auf“ u. s. w.). C. die kunstvolle Rede," für welche manche angemessene Vorschriften aufgestellt werden (S. 56-67). Angehängt sind: „Einige Winke für die Ausbildung der freien Rede" (S. 67-74), wobei diesem noch zu sehr vernachlässigten Unterrichtszweige mit Gifer das Wort geredet wird, auch manche zweckmäßige „metho dische Regeln" ertheilt werden. Wenn aber der Verf. sagt: „Zu den mündlichen Nebungen möchten in nicht wenigen Fällen dieselben Gegenstände, wie zu den schriftlichen, zu wählen, und in der Regel vor ihnen zu behandeln seiu,“ so können wir ihm wenigstens hinsichtlich des lehteren Rathes durchaus nicht Recht geben. Auch läßt er sich durch den Begriff: „freier Nebungen“ zu der Folgerung verleiten: „deshalb darf nicht nach einem Niederschreiben (oder Memoriren) des Inhaltes gesprochen werden.“ Wir beziehen uns dagegen auf die in unsern früheren Rezensionen angedeutete Stufenfolge solcher Uebungen. Bei der Wahl der Beispiele kön nen wir es nur als eine Taktlosigkeit bezeichnen, wenn dem Schüler als Gegenstand zur Redeübung: eine „tröstende Zusprache an einen Mitschüler, der seinen Vater verloren hat,“ oder der „Ausdruck der Theilnahme für einen Lehrer bei einem ihn betreffenden freudigen oder traurigen Ereignisse“ aufgegeben wird.

Wohlthuend überrascht die einfache und wahrhaft praktische Behandlung der „Lehre von dem angemessenen Ausdruck der Gedanken" in Theil III., besonders in Abschnitt 1. Bom Style." Hier wird zunächst die richtige Methode für den früheren Unterricht im Deutschen gefordert: „daß die Regeln und Gefeße aus den Nebungen im Lesen und Schreiben und Reden wie von selbst hervorgehen,“ und ebensowohl der „bloß_empirische Weg der Uebung," als der „bloß theoretische, der vom lebendigen Sprachorganismus ein losgerissenes Glied nach dem andern betrachtet," verworfen; sodann aber in gedrängter Kürze eine Wiederholung“ der Hauptregeln über den Styl unter dem Charakter des Fortschritts“ gegeben, die in der That sehr viel Praktisches enthält.__So_hebt der Verf. vortrefflich diejenigen Regeln heraus, deren Nichtbeachtung sich [unsre] Schüler vorzugsweise zu Schulden kommen lassen,“ und weist vor Allem (S. 95) auf praktische Benußung von Mustern hin. Die Lehre von den „Tropen und Figuren" ist sehr umfassend und doch mit möglichster Kürze, in der That mehr praktisch, als philosophisch genügend dargestellt (S. 96 — 118). „Abschn. 2. Von dem mündlichen Vortrage," insbesondere „A. von der Deklamation, B. von der Action," enthält manche gute neben manchen allerdings überflüssgen Bemerkungen, und geht, was besonders zu loben ist, von der allgemeinen Wahrheit aus: „Wird von vorn herein die klare Erkenntniß aller Gegenstände des Schulunterrichts gefördert, so wird in ihr, als der Vorbedins gung, schon im Voraus auch der mündliche Vortrag mit gefördert. — Stimme, Miene, Geberde und Haltung des Körpers, sie müssen auf die für einen bestimmten Gegenstand in angemessener Rede zweckmäßig verwandten Gedanken und die dafür aufgeregten und gewonnenen Gefühle so gewiß und gut folgen, wie die Blüthe auf die Knospe, die Frucht auf die Blüthe. Indeß ist nichts desto weniger auf das Aeußere eine bestimmte Sorgfalt um seiner selbst willen zu vers wenden, und darum bedarf es der Uebungen im mündlichen, insbesondere freien Vortrage, die keinem Gymnasium unserer Zeit erlassen werden können! Was der Verf. hierüber an mehreren Stellen, besonders S. 74 jagt, zeugt davon,

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daß er den Unterricht im Deutschen mit stetem Hinblick auf die Bedeutung desselben für die Gesammtbildung ertheilt, und von diesem Gesichtspunkte aus empfehlen wir sein Lehrbuch troß aller Mängel desselben zum Studium für denkende Lehrer, so wenig wir es als Leitfaden bei dem Unterrichte zweckmäßig finden können.

3. In dem bekannten größeren Werke Karl Ferd. Becker's: „Der deutsche Stil" (Franks. a. M. 1848), das „zunächst eine theoretische Richtung hat," vers bieß der Verf. ein „praktisches Lehrbuch“ zum Gebrauch für den Schüler." Der Tod hat ihn jedoch kurz vor Vollendung dieses jezt vor uns liegenden Buches hinweggerissen, und so ist uns dasselbe von der Hand seines Sohnes überliefert, der nur die leßten Paragraphen“ selbst ausarbeitete. Eine nach der Absicht des Verf. dem Lehrbuche beizugebende Sammlung von Musterstücken“ war indeß nur im Entwurfe vorhanden, und eine Ausführung desselben liegt nicht in dem Plane des Sohnes. Eben damit fehlt aber der eigentlich praktische Theil, und das „Lehrbuch“ allein, das kaum etwas Anderes ist, als ein Auszug aus dem größern theoretischen Werke, kann schon deßhalb, insbesondere von unserm Standpunkte aus, durchaus nicht als ein angemessener Leitfaden für den Unterricht betrachtet werden.

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Wir können hier nicht näher auf eine Kritik der bekannten Becker'schen Methode eingehen und erinnern nur, daß das Charakteristische derselben ist, die Sprache als einen „Organismus“ aufzufassen, und die Gesetze welche sie befolgt, begriffs: mäßig zum deutlichen Bewußtsein zu erheben. Das Leztere soll nach der Absicht des Verf. bei gleichzeitiger (doch auch vorausgehender Bildung des deutschen Sprach und Stil- Gefühls“ S. 2) schon auf den unteren Stufen des Unterrichts geschehen und wird, wenn man es auf die rechte Art betreibt, einen unverkennbaren Nußen für Geistesbildung überhauvt, wie insbesondere für den Gebrauch der Muts tersprache gewähren. Hier wird uns nun, offenbar für die höheren Unterrichtsstufen, ein Lehrbuch der „Stilistik" geboten, für welche der Verf. eine neue Begriffsbestimmung festzustellen versucht hat. Doch hat er dabei einerseits theoretisch die Gränzen nicht scharf gezogen, andrerseits das praktische Bedürfniß unsrer Schulen nicht streng in das Auge gefaßt, für welches hier theils zu wenig, theils zu viel gethan zu sein scheint. In theoretischer Beziehung bemerken wir, daß er (S. 3, wie deutscher Stil", Vorr. S. VII),,die Stilistik gewissermaßen (!) als eine Ergänzung der Grammatik" betrachtet; S. 65 des größeren Werkes erklärt er freilich etwas bestimmter, daß die Stylistik, die mit Recht überall in den Schulunterricht für die gebildeten Stände aufgenommen werde, zu lehren habe: wie man überhaupt seine Gedanken in Wort und Schrift schön darstellen foll“ (vgl. Lehrb. S. 2, wo der „gute“ und der „schöne“ Stil identifizirt werden). Bergleicht man aber die Darstellung der Stylistik in unserem „Lehrbuche“, so er füllt dieselbe doch weder alle Anforderungen an den Unterricht im Deutschen, in welchem namentlich auch die Anleitung zu Auffindung des Gedankenstoffes und zur Anordnung desselben ein unerläßliches Moment bildet, - noch kann es praktisch nüßlich erscheinen, alle hier gegebenen Regeln aus der höheren Grammatik (auch abgesehen von der Prüfung ihrer Richtigkeit) ausführlich mit dem Schüler zu beforechen. Ueberhaupt aber können wir nicht umhin, bei aller Anerkennung von Becker's Berdiensten seine philosophischen (insbesondere psychologischen) und grammatischen Begriffsbestimmungen vielfacher_Unklarheit_und_Willkürlichkeit anzuklagen, wie dieses bereits mehrfach von dem Begriff des „Organismus,“ der seiner ge fammten Auffassung der Sprachwissenschaft zum Grunde liegt, nachgewiesen ist. Dieses bestätigt sich auch bei dem vorliegenden Buche. Schon in der „Einleitung“ ist viel Halbwabres, wovon wir bier nur die sehr anstößige Behauptung (S. 8) hervorheben: „Je weiter in einem Volke die geistige Bildung vorschreitet, desto mehr scheiden sich diejenigen Stände, welche an der geistigen Bildung Theil haben, von dem ungebildeten Volke," was wohl von dem faktischen Zustande, aber doch nicht als Gesch oder gar Ideal für alle Zukunft gilt; wogegen gleich binterber (S. 9) mit Recht anerkannt wird: „Der Schriftsteller beweist seine Meisterschaft durch Nichts so sehr, als wenn er die geistreichsten Gedanken in der lebendigen Anschaulichkeit der Volkssprache darstellt." Insbesondere aber finden wir Ünklarheit und Willkürlichkeit in der bekannten Unterscheidung Becker's, welche

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