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und je nach der Vorbereitung des Schülers in den unteren Klassen (durch Nebungen im Klassifiziren, Disponiren u. f. w.) die erforderlichen Uebungen anzustellen hat. Als die passendste Zeit für Besprechung dieser psychologischen Vorkenntnisse bieten sich gleichsam von selbst die ersten Stunden jedes Semesters dar, wo in der Regel keine Aufsäße zur Durchnahme vorliegen werden. Späterhin aber bleiben die Ues bungen in jeder Hinsicht die Hauptsache, woneben für die oberste Klasse ein Cursus der Literaturgeschichte aufzunehmen ist.

4. Eine Geschichte der deutschen Literatur kann, namentlich für den Schulunterricht, aus sehr verschiedenen Gesichtspunkten behandelt werden. In der jüngsten Zeit wird es immer mehr beliebt, den rein sprachlichen Standpunkt zu wählen, oder doch besonders herauszubeben, wie dieses sich an der schon fast üblis chen Eintheilung der gesammten Literaturgeschichte nach der „herrschenden Sprachform“ in „die Zeit des Altbochdeutschen, Mittelhochdeutschen und Neuhochdeutschen“ (oder gar althochdeutsche Zeit“ u. s. w.) zeigt; so z. B. bei B. Wackernagel und H. Kurz. Wir frafen hier nur, ob man auch geneigt sein würde, die Perioden der griechischen Literatur nach den vorherrschenden Dialekten zu benennen? Gin anderer Standpunkt ist der vaterländische, der sich mit dem vorigen häufig verbindet, zugleich aber nur allzuost in Deutschthümelei ausartet, indem er mit eins seitiger Vorliebe nur das rein Deutsche“ im Gegensaß zu der Werthschäßung allgemein menschlicher Bildung gelten läßt; eine solche Behandlung sezt sich aber in Widerspruch mit der rein geschichtlichen Auffassung, da es nun einmal in dem von der Vorsehung geleiteten) Entwickelungsgange des deutschen Volkes lag, seine Bildung nicht allein sich selbst und der ihm ursprünglich eigenthümlichen Richtung, sondern vielmehr der Aneignung des Besten und Schönsten aller Zeiten und Völker zu verdanken*). Hierher gehört das Eifern gegen das durch die Verbindung mit Italien (Römerzüge u. f. w.) gewonnene römische Bildungselement, in dem doch auch das christliche eingeschlossen ist; so z. B. bei Kurz, wenn er von Karl d. Gr. sagt: „Während er auf diese Weise“ (durch Herzubringung der Sachsen zum Frankenreiche, und Besiegung der muhamedanischen Araber) „die deutsche Naz tionalität neu begründete, legte er auch zugleich den Keim zu ihrer Auflösung, indem er das abgestorbene römische Kaiserthum zu neuem Leben hervorrief, welches die Quelle alles nachfolgenden Unglücks (!) wurde,“ — aber doch überwiegenden Segens! · „das deutsche Land oft bis an den Rand des Abgrunds brachte, und noch in unsern Tagen seinen unheilvollen Einfluß äußerte.“ Welche unhistorische Einseitigkeit! Ein dritter Gesichtspunkt ist der künstlerische oder ästhetische; an diesen erinnert die Anordnung der Literaturgeschichte nach den drei Dichtungsgattungen (Epos Lyrik und Didaktik · Drama), von der 3. B. Gervinus in seinem kleineren „Handbuch“ ausgeht, der jedoch dabei eine uns befangene historische Darstellung giebt. — Bloß äußerlich und am Wenigsten für die Schule geeignet, ist die rein literarische oder bibliographische Behandlung. Endlich kann die Literaturgeschichte aus dem kulturhistorischen, und eben damit weltgeschichtlichen Standpunkte dargestellt werden. Für Gesammtbildung erscheint jedenfalls die leßtere Behandlungsweise als die fruchtbarste; die Literaturgeschichte wird mittels derselben aus ihrer Isolirung herausgerissen, die in der Literatur hervorgetretene Manifestation des Nationalgeistes zeigt sich nun in ihren Wechselbeziehungen zu dem ganzen Leben der Nation; wir lernen die Literatur aus der Gesammtbildung des Volkes begreifen, und sehen, wie jene auf diese zurückgewirkt bat. Für den Pädagogen scheint daher die kulturhistorische Tendenz bei Behand lung der Literaturgeschichte durchaus geboten zu sein, und mit diesem Standpunkte lassen sich auch alle übrigen, so weit es für die Schule gehört, vereinigen.

Da jedoch die deutsche Literaturgeschichte zunächst für die Zwecke des deutschen Sprachstudiums in den Schulunterricht aufgenommen ist, so lag es allerdings nahe,

*) Und „gewiß ist, daß, was wir dadurch an Judividualität der Nation vers lieren, auf andern Seiten reichlich wieder gewonnen wird." Gervinus IV, 1. S. 475.

den gesammten Vorrath unserer Literatur zunächst für die Sprachkenntniß selbst zu benutzen; und dieses wurde die vorherrschende Tendenz, besonders seitdem die Gebr. Grimm dem geschichtlichen Studium der Muttersprache Bahn brachen. Damit hängt dann die Ueberschätzung unsrer älteren Nationalrichtungen zusammen, und wie man auf der einen Seite anfing, auf den Schulen die älteren Sprachformen um der in denselben abgefaßten Dichterwerke willen zu lehren, so benußte man auf der andern Seite die Lesung der letteren, um den Schüler in eine geschichtliche Kenntniß uns serer Sprache einzuführen, in einem Maße, wie sie (auch nach J. Grimm's Urz theil) nur für den gelehrten Sprachforscher gehört. Man ist jedenfalls häufig in beiden Beziehungen zu weit gegangen. Hinsichtlich der vielfach beliebten Lesung der Nibelungen dürfen wir uns kurz auf die gewichtige Autorität von Gervinus beziehen, der über dieses Nationalepos sagt (I, 369): „Zur Bildung der Frübjugend balte ich seinen Gebrauch um es offen zu sagen, eher für schädlich, als für nüßlich,“ ja hinzufügt, überhaupt möchte er dabei zur äußersten Vorsicht rathen," und die Einführung „höchstens in der obersten Klasse räthlich_sinden. — Gine Nation, die die Bibel und den Homer zu ihren Erziehungsbüchern gemacht hat, die sich am besten Mark der ganzen Menschheit nähren will, fann einem solchen Werke, wie die Nibelungen, keinen so bevorzugenden Rang unter ihren Bildungs- und Unterrichtsmitteln gönnen.“ (Vgl. die ganze Stelle S. 369 — 372.)

Und indem wir wie G. mit fester Ausdauer die alten Sprachen als Grundlage unsrer Gymnasialbildung betrachten, haben wir uns auch zu hüten, daß wir dem historischen Studium der Muttersprache nicht zu viel Zeit auf unsern schon so vielfach zersplitterten Gymnasien einräumen, und diese dem Studien der alten Spra chen oder unserer deutschen Klassiker entziehen.

Mittels dieser allgemeinen Ansichten über die Art, das Studium der Literaturgeschichte zu betreiben, schließen wir uns im Ganzen der in „Weber's Grundriß“ befolgten Methode an. In diesem ist überall das Sachliche hervorgehoben, und die kurzen Inhaltsangaben der größeren Literaturwerke sind sehr zweckmäßig und oft vortrefflich. Der kulturhistorische Standpunkt ist um so mehr festgehalten, da das Büchelchen ursprünglich nur ein „Anhang“ des „Lehrbuchs der Weltgeschichte“ von demselben Berf. als Ergänzung der in das letztere aufgenommenen literarbistorischen Abschnitte. Und so erscheint uns dieser Grundriß als ein sehr anz gemessener Leitfaden für den Unterricht in der Literaturgeschichte für höhere Schulanstalten und zur Selbstbelehrung,“ besonders wenn zugleich das früher ver beißene und jetzt im Erscheinen begriffene Sammelwerk desselben Verf. benußt wird, um Proben aus den besprochenen Literaturprodukten kennen zu lernen.

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Im Einzelnen können wir freilich nicht in allen Stücken mit W. übereinstimmen, abgesehen noch davon, daß hier das Sprachliche und Literarische fast gänzlich bei Seite geseßt ist. Insbesondere sind die Eintheilungen oft verwir rend, und die Entwickelung des Einfluffes, den die Gesammtlage der Nation auf die Literatur, wie diese auf jene übte, vielfach ungenügend. In Bezug auf das Lehtere deuten wir hier nur an, daß §. 45 (bei Beginn der „neueren Literatur“ Anf. saec. XVII) nur auf den Einfluß der Fremdherrschaft, nicht aber auf die Ginwirkung der inneren Verhältnisse Deutschlands hingewiesen wird; daß §. 52 (wie §. 60) einige hochbegabte Männer, Leibniz u. f. w.," wie Dii ex machina hervor treten u. s. w. Die im Grundriß“ befolgte Eintheilung und Anordnung wollen wir etwas genauer prüfen und ihr eine andere uns faßlicher scheinende gegenüberstellen. Schon die Haupteintheilung in drei Abschnitte: 1. „Altdeutsche Dichtung, 2. die deutsche Volksliteratur im 15. und 16. Jahrb., 3. neuere Litera tur," ist nicht geeignet, eine klare Nebersicht zu befördert. Wir schließen uns in der Literaturgeschichte, die ja ein Theil der allgemeinen Geschichte ist, lieber möglichst an die Epochen der letteren an, und führen so I. die Zeit der altdeutschen Dichtung bis zu Ende des Mittelalters fort, der wir sodann II. die neuere Dichtung gegenüberstellen. Eine schroffe Abgränzung der Perioden darf übrigens in der Literaturgeschichte noch weniger als in der allgemeinen Geschichte gefordert werden; da die Literatur äußere Umgestaltungen vorbereitet, wird in derselben das

Herannahen eines großen Zeitabschnitts schon vor dessen wirklichem Eintritt kenntlich werden; so das Streben nach der Kirchenreformation schon in den leßten Zeiten des Mittelalters, das politische Freiheitsstreben schon seit der Mitte des 18. Jahrhunderts.

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I. Den Anfang der altdeutschen Dichtung macht jedenfalls 1) „die heidnische Volkspoesie“ (d. h. eine Dichtung, die dem ganzen Volke, nicht einer einzelnen Klasse angehörte); sodann kam, seitdem mit Einführung des Christenthums die Geistlichen zuerst eine höhere Bildungsstufe erreichten, 2. die Poesie in die Hände der Geistlichkeit. (Wir können es nicht zweckmäßig finden, daß nur der äußeren Gleichförmigkeit wegen bei unserm Verf. unter „A. die heidnische Volkspocsie und die Dichtungen der Geistlichkeit," zwei so wesentlich verschiedene Erscheinungen zu sammengefaßt werden, obgleich sie allerdings in besonderen Unterabschnitten behan delt werden. Die weitere Abtheilung (§. 3 ff.) hätte dann auf die Kaiserhäus ser: Karolinger Sachsen Franken, bis zu Anfang der Kreuzzüge, Bezug nehmen sollen.) Zunächst wird jezt 3. mittels des Christenthums der Adel in den Kreis höherer Bildung hineingezogen, und so folgt: „die ritterliche Minnes dichtung“ (die der Verf. unter B. begreift, doch paßt es wieder nicht, daß hier als Unterabtheilungen III. Lehrdichtung und IV. Uebergang in die Volksliteratur" erscheinen). Die ritterliche Dichtung ist noch theils episch, theils schon lyrisch, und es ist hier zu zeigen, wie das Epos sich naturgemäß zuerst, dann erst die Lyrik (das Innerliche) ausbildet. Die Lehrdichtung, welche nach der Blüthezeit des Minnesangs, d. i. gegen das Ende der Kreuzzüge, hervortritt, zeigt uns bereits, wie die Poesie gleich der Bildung überhaupt 4. allmählich an den Bürgerstand übergeht; die Lehrdichter dieser Zeit gehören theils noch wie „Freidank“ dem Adel, theils der Geistlichkeit, wie der Bettelmönch Boner, theils aber schon dem sich vildenden Stande der Gelehrten, wie der Rektor Hugo v. Trimberg, theils schon dem eigentlichen Bürgerstande an, wie Stricker. Der Meistersang zeigt uns_den Bürgerstand bereits in vollem Bésige der Poesie, und hierin ist eben der Fortschritt in der Bildung der Nation zu erkennen, wenn auf der andern Seite auch nicht zu leugnen ist, daß an poetischem Werthe der handwerksmäßige Meistersang hinter den freien Minnefang des Adels zurücktritt. Gegen den Schluß des Mittelalters sehen wir endlich 5., als die mittelalterliche Bildung sich unter allen Klaffen des Volks auszubreiten begonnen hatte, nochmals eine Volkspoesie entstehen (und hierher gehört erst „das historische Lied, Beit Weber" u. s. w., das der Verf. in den Abschnitt B., „ritterliche Minnedichtung,“ aufnimmt, und so dem „Meistersang" in seinem Abschnitt II." voranstellt.) Die Erneuerung einer wahren Volkspoesie ist mithin das Ergebniß der mittelalterlichen Bildung. Die Poesie bleibt nun aber allerdings noch Volkspoesie im Anfang.

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II. der neuen Zeit, deren Charakter es ist, daß sie uns eine freiere Entwickelung des ganzen Volkes ohne den beeinträchtigenden Einfluß der Geistlichkeit und des Adels zeigt. Wir ziehen in die neue Zeit namentlich die volksthümlichen Dichtungen, welche sichtlich die Reformation vorbereiten halfen. Dahin gehören nun auch schon die „Schwänke und Volksbücher" (Abschn. II, 3 bei denen hier mit Unrecht S. 24 schon die Faustsage er wähnt wird, die so in ein ganz falsches Licht treten muß, da sie erst der Zeit der Reformation selbst angehört und nur durch dieses Greigniß erklärlich wird), ferner ganz besonders die „satirische Lehrpoesie“ (Abschn. III, 4). - Dann sollte aber sogleich von Luther selbst und seinem Einfluß auf die deutsche Literatur“ gehandelt sein, was bier zu spät (Abschn. III, 7) geschieht. Denn schon die „Fabeldichtung“ (Abschn. III, 5) von „Burkard Waldis“ an steht unter seinem Einfluß, und „Hans Sachs“ (Abschn. III, 6) kann nur aus der Einwirkung von Luthers Einfluß be griffen werden. Ferner wird hier zwar auf die „dramatische Dichtung hingewiesen und die früheren Anfänge derselben nachgeholt; doch fehlt theils die Nachweisung. wie naturgemäß das Drama sich erst in der späteren Periode eines Volkslebens entwickelt, wo nach Ausbildung des Epos und der Lyrik das Volk selbstthätiger in die öffentlichen Angelegenheiten (Kirche oder Staat u. s. w.) eingreist und seine Thätigkeit im Abbild zur Darstellung gebracht sehen will, theils ist im Verlaufe

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des Buchs die überwiegende Wichtigkeit, welche von dem Reformationszeitalter an das Drama behauptet, nicht hinreichend im Auge behalten. Dies zeigt sich auch darin, daß der Verf. die Bedeutung der Bühne selbst, wo sie keine hervorragende Literaturprodukte in's Leben rief, und des bei gesunkenem Wohlstande (seit_dem dreiBigj. Kriege) an ihre Stelle tretenden Marionettentheaters übersieht. Doch wir tönnen darauf hier nicht weiter eingehen. Wir bemerken nur noch, daß Weber die Stellung unserer neuen Poesie zu dem Volke nicht genug hervorhebt. Die Fortschritte der Gesammtbildung, welche mit der Reformation begannen, wurden zunächst wieder durch eine Klasse gefördert, welche dieselbe, wie einst die Geistlichkeit, erst nach und nach unter die ganze Masse des Volks verbreitete. Dies war der Gelehrtenstand (protestantische Hierarchie und Büreaukratie sind die Ausflüsse davon). Der Fortschritt gegen das Mittelalter bestand aber darin, daß jezt theils die Forschung selbst völlig freigegeben war, theils der Gelehrtenstand in freierem und zus gleich innigerem Verhältniß zu den übrigen Volksklassen stand, als die mittelalterliche Geistlichkeit. Dennoch ist die Poesie, die vor Allem das Mittel bildet, die höhere Bildung zum Gemeingut zu machen, seit dem Zurücktreten der von der Reformationsbewegung getragenen Volkspoesie bis auf den heutigen Tag vorzugsweise in den Händen der Gelehrten geblieben, und selbst unsre klassische Literatur des vorigen Jahrhunderts zeigt uns nur das Wiedererwachen des Sinnes für wahre Volks poesie und die Anfänge einer solchen. Als Aufgabe der Zukunft für unsere Nationalliteratur erscheint uns hiernach, daß sie noch einmal volksthümlich werde, und zwar daß sie, wie es bei den Fortschritten unsers öffentlichen Lebens gefordert wird, ein volksthümliches Drama erzeuge. Wir leben der Hoffnung, daß die Zukunft diese Aufgabe zur Lösung bringe und daß nicht, wie Wackernagel meint, ein lediglich kritisches, alexandrinisches Zeitalter für uns gekommen sei. Wir müssen es aber hierbei zugleich als ein herrschend gewordenes Mißverständniß bezeichnen, alle Volkspoesie schlechthin in eine Klasse zu werfen. Die Volkspocsie jedes Zeitalters wird den Charakter der Bildung desselben an sich tragen, und wenn allerdings der Charakter der Volkspoesie zu allen Zeiten Volksthümlichkeit, d. h. allgemeine Verständlichkeit und wahre Gemüthlichkeit bleibt, so ist doch von der Volkspoesie der hochgebildeten Neuzeit als Resultat unsrer modernen Bildung eine ganz andere edlere Gestaltung zu erwarten, als die sie am Ende des Mittelalters, oder gar in den Urzeiten unsres Volkes gezeigt hatte.

Nach dem angedeuteten Gange scheint sich die kulturhistorische Bedeutung unsrer Literaturgeschichte faßlich genug darstellen zu lassen. Ja neben einem wohlgeordneten Geschichtsunterricht werden die Schüler unsrer höheren Klassen wohl nur eine kurze Uebersicht unsrer Literaturgeschichte bedürfen. Mittheilung von charakteristischen Literaturproben (so weit die dem deutschen Unterricht zugemessene Zeit dieses gestattet), vor Allem aber Anreizung und Anweisung zu eigener Lektüre darf das neben nicht versäumt werden. Benußt man außerdem die schriftlichen Auffäße und die freien Vorträge der Schüler zur Behandlung von Literaturgegenständen, so wird der Zweck der Schule, in das Verständniß unserer modernen klassischen Literatur einzuführen, auf angemessene Weise erreicht werden; zugleich aber wird bei Besprechung poetischer Kunstwerke auch die Gelegenheit nicht fehlen, die für Schüler erforderlichen Lehren der Poetik am gehörigen Orte einzuschalten.

Dr. W. Aßmann.

1. Theoretisch-praktische Taschengrammatik zur leichten und schnellen Erlernung der russischen Sprache, mit einer reichhaltigen Wörtersammlung, Redensarten, Gesprächen, Aufgaben und Lesestücken, von Demeter Folimonoff. Wien 1849. 12. 2. Theoretisch-praktische Grammatik zur Erlernung der slowakis fchen Sprache für Deutsche. Mit Gesprächen, Aufgaben und Lesestücken, von Kaspar Dianiska. Wien 1850. 8. 3. Theoretisch-praktische Grammatik der illirischen Sprache. Mit vielen Gesprächen, Uebungsstücken zum Ueberseßen und einem Wörterverzeichnisse von R. A. Fröhlich. Wien 1850. 8.

Drei grammatische Schriften, augenscheinlich ins Leben gerufen durch die lehtjährigen Völkerbewegungen im österreichischen Kaiserstaate und durch die unnatürliche Zusammenseßung desselben. Wahrlich ein seltsamer und gewiß kein naturwüchsiger Staat, in welchem die Bewohner der einzelnen Provinzen erst theoretisch - praktische Grammatiken durchstudiren, Vokabeln und Dialoguen auswendig lernen, und Redensarten sich einprägen müssen, um sich nothdürftig mit einander zu verständigen. Dies aber ist der Hauptzweck der vor uns liegenden drei Sprachlehren. Sie sind zu allernächst für die deutschen Bewohner Desterreichs bestimmt, denen sie den sprache lichen Verkehr mit den russischen Bundesgenossen, so wie mit ihren slowakischen und illirischen Mitunterthanen eröffnen sollen. Sie sehen es auf möglichst schnelle Erlernung des Wichtigsten der Sprachlehre ab, machen also auf eigentlich wissenschaftliche Behandlung der Sache keinen Anspruch.

Nr. 1 scheint nur zur Erleichterung des vorübergehenden Verkehrs bestimmt zu sein. Denn zur eigentlichen Erlernung auch nur des Nothwendigsten aus der so schwierigen russischen Sprache, dürfte diese Taschengrammatik schwerlich genügen. Der eigentlich grammatische Theil des Buches enthält auf kaum 90 Duodezfeiten das Wichtigste über Aussprache der Buchstaben, Flexion der Haupt- und Zeitwörter und einige wenige Bemerkungen über den Gebrauch der Casus und der Tempora, ist also kaum hinreichend, um die mechanische Einübung der darauf folgenden Dialoguen zu erleichtern. Wir wünschen den Desterreichern von Herzen, daß sie nie einer gründlicheren Arbeit über ruffische Sprache bedürfen mögen, als diese Taschengrammatik.

Der Verf. von Nr. 2 beklagt sich in der Vorrede mit Recht über das Chaos der slowakischen Dialekte, und über die Ungewißheit unter den Slowaken selbst, welcher dieser Dialekte sich am besten zur Schriftsprache eigne. Diese Verwirrung hat namentlich darin ihren Grund, daß die profane Literatur, welche die Slowaken seit einigen Jahrzehenden besißen (wenn anders einige politische Zeitungen und Gelegenheitsgedichte überhaupt den Namen einer Literatur verdienen), fast durchgängig in der rein slowakischen, aber in unzählige Dialekte gespaltenen Sprache abgefaßt ist, anstatt in der kirchlichen oder czecho-slowakischen Sprache, für welche allein seit älterer Zeit eine constante Form existirt. Die Verschiedenheit jener Dialekte bat die neue slowakische Schriftsprache bis jezt nicht zu einer bestimmten einheitlichen Gestalt in Hinsicht auf Orthographie und Wortbildung kommen lassen, und die Vorschläge Einzelner, daß auch die Profanliteratur zu der alten Kirchensprache zuz rückkehren möge, haben bis jezt wenig Eingang gefunden. Die dadurch für den Verf. einer Grammatik entstehenden Schwierigkeiten dürfen bei Beurtheilung der vorliegenden nicht gering angeschlagen werden, indem dieselbe bei dem fühlbaren Mangel guter Vorarbeiten über diesen interessanten slavischen Sprachzweig wenigstens für den ersten Unterricht immerhin Anerkennenswerthes leistet. Der Verf. hat sich den ostslowakischen Dialekt, als den verbreitetsten, zur Darstellung gewählt, giebt aber zu gleicher Zeit eine kurze Uebersicht der Abweichungen desselben von der Mundart der Westslowaken. Jedem Abschnitte der Grammatik sind eine Anzahl zweckmäßig ausgewählter Uebungsstücke zum Ueberseßen ins Slowakische beigefügt.

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