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die Schwester von H. Schinz von Kl. am meisten gefeiert wurde. Hirzel beschrieb die Fahrt (im helvetischen Kalender f. 1796). Kl. las auf der Fahrt eine Stelle des 5. Gesanges des Messias den entzückten Begleitern vor, und darnach die Verse 619-889 des 4. Gesanges, dieselben Verse, durch die er schon in Magdeburg_entzückt hatte (f. Brief an Fanny bei K. Schmidt I, S. 30); er riß durch seine Dichtung wie durch seine geselligen Talente hin; man trank auf die Gesundheit der "göttlichen“ Schmid; Kl. sang Hagedorn'sche Lieder, es wurde gescherzt und gefüßt. Gleich enthusiastisch berichtete über die Fahrt Kl. an Schmid (bei Kl. Schmidt I, S. 102 ff.). Am folgenden Tage veranstaltete Bodmer eine Zusammenkunft mehrerer Freunde in Winterthur, wo man acht Tage zusammenblieb und Kl. seine Ode auf den Zürchersee und die Ode an Bodmer vorlas; dennoch fühlte sich B. immer weniger von Kl. befriedigt, der ihm zu wenig mit seinen gelehrten Freunden, namentlich mit Breitinger, verkehrte und zu viel mit den Jünglingen, über seinen Noah stumm blieb und an dem Messias nicht fleißig arbeitete; vergebens suchte er durch seine Freunde Pfarrer Heß und Dr. Zellweger in Trogen Kl. von seinem Wege abzubringen. Zugleich kam an Kl. die Einladung nach Köpenhagen mit Ausseßung einer Pension.

Nach einem Monate siedelte Kl. in das Haus seines enthusiastischen Verchrers, des jungen Hartmann Rahn, über, für dessen Taffetdruckerei er die Dessins zu res vidiren unternommen hatte, um seine ökonomischen Verhältnisse zu verbessern (f. auch den Brief Klopstocks an Fanny bei Kl. Schmidt I, S. 126). B. äußerte sich sehr ungehalten über dies unruhige, nach seiner Meinung ausschweifende, leichtfinnige Leben Klopstocks an Zellweger, so sehr er auch sein Gedicht bewundert; er fand ihn groß in seinem Gedichte, klein in seinem Leben (doch blieb Kl. gegen die Erhabenheit der Schweizer Natur nicht so kalt, wie der Verf. andeutet, s. Kl. Schmidt I, S. 92. 96), und konnte ihm am wenigsten seinen Umgang mit jungen Frauenzimmern verzeihen. Er wurde ihm immer mehr entfremdet und forderte endlich ein ihm gemachtes kleines Darlehen zurück. Dies erbitterte Kl. und er schrieb einen bißigen Brief an Bodmer. Darüber entstand ein Zwist, der sich unter die beiderseitigen Freunde verbreitete und weiter bekannt wurde (Klopstocks Brief an Gleim bei Kl. Schmidt S. 200, ist von dem Verf. nicht beachtet) und Bodmern zu mehrfachen Aeußerungen des Mißfallens über Klopstocks studentisches Leben veranlaßte, bis ein Brief des Berliner Hofpredigers Sack, der auf ihn einen großen Einfluß hatte (1. Kl. Schmidt I, S. 28. 33), Kl. veranlaßte, Bodmern_wieder aufzusuchen. Versöhnt (s. Klopstocks Brief an Gleim bei Kl. Schmidt I, S. 256) schieden sie, Mitte Februar 1751 verließ Kl. Zürich.

Der briefliche Verkehr mit den dortigen Freunden von Kopenhagen aus war" nicht lebendig, und wie sehr auch Bodmer den Sänger des Messias fortwährend bochachtete (f. Bodmer in dem Gedichte bei Stäudlin, S. 324), konnte er ihm doch auch später alles was nach erotischer Poesie schmeckte, nicht verzeihen (s. die vom Verf. übersehenen Briefe Schmidts an Gleim bei Kl. Schmidt I, S. 314, Wielands an Bodmer bei Stäudlin S. 220. 232 ff.); Rahn allein zog Kl. mit sich nach Kopenhagen, nachdem sich derselbe mit Klopstocks Schwester Johanna in Langensalza verlobt hatte. Rahns Seidenfabrik, zu der ihm der König von Dânes mark beträchtliche Summen gegeben, hatte einen schlechten Erfolg, er kehrte später nach Zürich zurück und wurde seinem Schwager entfremdet, er starb bei seiz nem Schwiegersohn Fichte in Jena. Seines Aufenthalts in der Schweiz gedachte Klopstock immer mit Vorliebe, er fühlte, daß er dort zuerst mit dem Leben bekannt geworden und aus seiner düstern Schwermuth errettet sei, sein Züricher Aufenthalt wirkte auf die Vorliebe der Schweizer für die schönen Wissenschaften, namentlich für die deutsche Literatur, sehr vortheilhaft ein.

Herford.

Hölscher.

Dictionnaire des Antonymes ou Contremots. Ouvrage fondé par les écrivains classiques, destiné à la jeunesse et aux écrivains français par Paul Ackermann. Paris et Berlin, Dümmler.

Herr P. A., Mitglied der Pariser Gesellschaft für Sprachkunde, welcher sich schon früher durch die Herausgabe mehrerer werthvoller, theils eigenen theils fremden Arbeiten über die Sprache überhaupt und die französische ins Besondere rühmlich bekannt gemacht hat, veröffentlicht in der vorliegenden Schrift ein Bruchstück eines umfassenderen Werkes, dessen Erscheinen er von der Aufnahme abhängig macht, die das hier zur Probe mitgetheilte Fragment erfahren wird. Die sehr gut geschriebene „Introduction“ (XVI p.) gibt über die Motive, durch welche er zu feinem Unternehmen bestimmt worden ist, sowie über die Zwecke, die er durch dasselbe zu erreichen hofft und den der Arbeit zu Grunde liegenden Plan näheren Aufschluß. Wir wollen die wesentlichen Punkte dieser Erklärung herausheben ́ und mit einigen Bemerkungen begleiten.

Die außerordentliche Klarheit, welche die französische Sprache vorzugsweise charakterisirt, ist, so meint Herr A., die Wirkung der großen Bestimmtheit (précision), durch welche sich dieselbe vor allen übrigen Idiomen Europa's auszeichnet. Bestimmtheit aber werde in jeglicher Sache dadurch erreicht, daß man sie möglichst strenge und genau begrenze und alles dasjenige von ihr ausschließe, was nicht zu ihr gehöre. Denn es sei leicht einzuschen, daß sie eben dann als das, was fie ist, hervortreten müsse, wenn sie von dem, was sie nicht ist, durchgreifend gesondert werde. Aus diesen Prämissen, deren theilweise Richtigkeit Niemand in Abrede stellen wird, schließt nun der Verf. weiter, daß das sicherste Mittel, zu einer genauen und präzisen Definition der Begriffe zu gelangen, darin bestehe, daß man ihnen diejenigen Ausdrücke entgegenstelle, welche ihren eigenthüm lichen Inhalt in negativer Weise wiedergeben (qui ont une signification négative de leur sens). Es komme eben nur darauf an, den Begriff von seinen sämmtli chen Verneinungen zu befreien, damit die besondere Bestimmtheit desselben klar und deutlich erkannt werde. Denn die Beseitigung der Negationen führe nothwendig zur vollständigen Erfüllung der Position, zu dem auf Einsicht beruhenden Verständnisse der Wahrheit (à la connaissance réfléchie de la vérité).

Man sieht, Herr A. ist gleich der überwiegenden Mehrzahl seiner philosophisch gebildeten Landsleute noch ein gläubiger Bekenner der alten logischen Doktrin und hält daher die Taschenspielereien derselben noch immer für verchrungswürdige Mysterien voll geheimer Kraft und außerordentlicher Wirkungen. Was er hier anpreist, ist das bekannte Experiment der Denkkünstler, durch welches sie die überaus schwierige Aufgabe der genauen und vollständigen Begriffserklärung mit seltener Leichtigkeit und wunderbarer Geschwindigkeit zu lösen pflegen. Doch ist die Beschreibung desselben nicht ganz exact; der Verf. sagt kein Wort von der wichtigsten unter den Manipulationen, durch welche es zu Stande kommt, von der Aufstellung nämlich des sogenannten höheren oder Gattungsbegriffes. Er stellt die Sache so dar, als ob es lediglich auf die Entgegenseßung und Absonderung der verwandten, aber zugleich unterschiedenen Artbegriffe ankomme. Wenn aber selbst die vollstän dig durchgeführte Operation die von ihr gehoffte Wirkung auf keine Weise haben kann, es sei denn daß der Schein für die Wahrheit genommen wird oder die leztere schon im Voraus bestimmt ist, so läßt sich von ihrer theilweisen Anwendung noch weniger erwarten. In der That ist nicht abzusehen, wie ein Begriff durch die bloße Zusammenstellung mit seinen Negationen seinem Inhalte nach deuts lich werden könne. Denn die Voraussetzung, auf welche sich diese Annahme stüßt, daß man eine Sache kenne, wenn man wisse, was sie nicht sei, ist offenbar falsch. Wie genau auch ihre Grenzen nach allen Seiten hin bestimmt werden mögen, sie umschreiben doch immer nur ihren Umfang, während der Inhalt vor wie nachh im Dunkel bleibt. Niemand wird sich einbilden, den Begriff des Schönen zu ver stehen, weil er in Erfahrung gebracht hat, daß das Häßliche die Negation dessel

ben set und

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um ein Beispiel des sogenannten contråren Gegensaßes zu geben wird das Wesen der Wärme darum deutlicher erïannt, weil man weiß, daß sie von der Hiße zu unterscheiden ist?

Es ist keine Frage: die Wirkung, welche Herr A. von der antithetischen Verknüpfung der Wörter und Begriffe erwartet, kann durch dieselbe nicht bervorgeru fen werden und insofern steht seine Arbeit, die auf dem foeben entwickelten logischen Prinzip als ihrem Fundamente ruhen soll (p. IV), unleugbar auf schwachen Füßen. Ist es aber auch ein Irrthum, daß durch den Gegensatz, in welchen sie gestellt sind, die Glieder desselben unmittelbar verständlich werden, so läßt sich doch nicht leugnen, daß die antithetische Zusammenstellung der Begriffe das Verständniß jedes einzelnen von ihnen in mehr als einer Beziehung zu fördern geeignet__ist. Die allgemeine Kraft des Contrastes macht sich auch in diesem besonderen Falle geltend. Er hebt jedes seiner Glieder nachdrücklich hervor und rückt es dem Be trachter mit einer gewissen_zudringlichen Unverschämtheit vor die Augen; man kann nicht umhin, es scharf zu fixiren, und da sich die Aufmerksamkeit auf alle einzelnen Punkte mit gleicher Stärke heften muß, so wird die genaue, eindringende Vergleis chung derselben zur unmittelbaren Nothwendigkeit. Zugleich fordert jeder Gegens faz seine Lösung, drängt über sich hinaus zum Grfassen der Einheit, welche ihm zu Grunde liegt, und führt eben hierdurch zur Erkenntniß des wahren, wesentlichen Inhaltes seiner einzelnen Glieder. Indirect also und auf mittelbare Weise wird Die Wortantithese allerdings die Begriffsbestimmung in hohem Grade fördern und erleichtern können. Es ist daher auf alle Fälle gewiß, daß die Zusammenstellung der Begriffe mit andern, welche sich zu ihnen gegensäßlich verhalten, zur Verdeutlichung derselben wesentlich beiträgt, und muß deßhalb der Versuch einer methodischen und systematischen Anwendung dieses Verfahrens für die Lexikologie für volls tommen gerechtfertigt gehalten und durchaus willkommen geheißen werden. Die Anerkennung, welche ihm gebührt, wird um so größer sein müssen, da er ein ganz neuer ist. Denn mit Recht sagt der Verf.: les lexicographes et les synonymistes ont quelquefois éclairci le sens d'un mot en le rapprochant de son contraire; mais toujours rarement et par accident (p. IV). Es gilt das selbst von den Wörterbüchern der altklassischen Sprachen, wiewohl in diesen, namentlich in denjenigen, welche für die Schule bestimmt sind, die Zweckmäßigkeit des in Rede stehenden Verfahrens durch eine ausgedehnte Anwendung desselben praktisch mehr und mehr anerkannt wird.

Uebrigens ist Herr A. keineswegs einzig und allein durch das im Grunde rein wissenschaftliche Interesse an der Beförderung und Erweiterung der richtigen Einsicht in den Inhalt der Begriffe zu seinem Unternehmen bestimmt worden. Als echtes Kind seiner Heimat weiß er es auch mit dem Ruhm und Glanz der großen Nation in einen genauen Zusammenhang zu bringen. Das Wörterbuch der Ans tonyma soll nicht bloß der Wissenschaft, sondern zugleich dem nationalen Ehrgeize dienen. Die Klarheit und scharfe Bestimmtheit, welche der französischen Sprache eignen, find, so glaubt der Verf., die Ursache gewesen, daß gerade sie, vor allen übrigen Idiomen des civilisirten Europa, geeignet erschien, zur allgemeinen Sprache der höheren Gesellschaft und der Diplomatie erhoben zu werden. Jene ausgezeich neten Eigenschaften aber, welche ihr namentlich durch die Bemühungen der Schriftsteller der sogenannten klassischen Periode gesichert worden sind, drohen in jüngster Beit in Folge der Bestrebungen der mit J. J. Rousseau beginnenden „romanti schen Richtung" mehr und mehr verloren zu gehen, wodurch denn natürlich auch rer Fortbestand des entschiedenen Vorranges, den sie bis dahin behauptet hat, ernstlich gefährdet wird. Es versteht sich von selbst, daß der patriotische Franzose einem solchen nationalen Unglücke mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln vorzubeugen bestrebt ist. Auch das Wörterbuch der Antonyme kann, der Ansicht des Herrn A. zufolge, in dieser Hinsicht treffliche Dienste leisten. Denn c'est surtout par l'art, avec lequel ils ont su opposer les mots les uns aux autres, que ces écrivains (de l'époque classique) ont atteint le degré merveilleux de clarté et de précision, qu'on remarque dans leurs écrits (p. IV). Indem fie die einzelnen Begriffe in antithetische Berbindung brachten, gelang es ihnen, kie

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auf das Schärfste von einander zu unterscheiden und ihren eigenthümlichen Inhalt möglichst genau zu bestimmen. Durch diese antithetischen Wortverknüpfungen, welche so ziemlich alle sprachlichen Ausdrücke umfassen, haben sie den gesammten Wortschatz der Sprache und damit auch diese selbst (?) logisch fixirt. Es leuchtet ein, daß unter solchen Umständen das Dictionnaire des Antonymes cin höchst passendes Lehrbuch der Svrache abgeben muß, vorausgeseßt daß es, wie dies bei dem vorliegenden Fragmente der Fall ist, seinen Inhalt lediglich aus den Schriftstellern der klassischen Epoche entnimmt. Indem es über die wahre und eigentliche Bedeutung der Worte, wie dieselbe von den logischen Gesetzgebern der Sprache festgestellt worden, genauen und sicheren Aufschluß ertheilt, seßt es in den Stand, jeden Ausdruck in seinem reinen, unverfälschten Sinne anzuwenden. Weil aber eben auf der scharfen Unterscheidung und dem fehlerlosen Gebrauche der Worte die Klarheit und Präzision der Sprache beruht, wird es mit seiner Hülse möglich werden, dieser die eigenthümlichen Vorzüge zu bewahren, welche ihr die Schwindes leien und Extravaganzen der Romantik zu rauben drohen.

Man sieht, Herr A. gehört zu der in Frankreich immer noch zahlreichen Klasse von Leuten, die sich mit dem revolutionären Charakter der neuern Literas turrichtung nicht befreunden mögen und die wachsende Geltung derselben durch ein zähes, unbedingtes Festhalten an den Ueberlieferungen einer abgelaufenen Periode hemmen zu können meinen. Er vertritt die Reaktion des Klassizismus, welche dem raschen, sich überstürzenden Fortschritte der Romantik gegenüber allerdings mit Nothwendigkeit hervortreten mußte, auf dem Gebiete der Lexikologie, wie sie von Anderen auf dem der Poetik und Grammatik verfochten wird. Während man sich hier gegen die neuen, allen traditionellen Saßungen Hohn sprechenden poetischen Formen_und_syntaktischen Wendungen ereisert, weist unser Verf. die Freiheiten im Bortgebrauch, welche sich die neueren Schriftsteller, theilweise allerdings lediglich durch ein ganz willkürliches Belieben bestimmt, herausnehmen, mit zorniger Verachtung zurück. Il faudrait faire justice de ces misérables et funestes alterations logiques (p. X. n.). Es steht wohl zu erwarten, daß dieser klassische Purismus, wo er sich auch zeigen mag, seinen Zweck verfehlen wird, wenngleich jeder Unbefangene zugeben muß, daß derselbe insofern wohlthätig wirkt, als durch ihn dem nicht selten maß- und geseßlosen Neuerungstriebe der romantischen_Richtung ein wünschenswerther Zügel angelegt wird. Doch es ist hier nicht der Ort weder zu einer Rechtfertigung der Romantik, noch zu dem Nachweise, daß und warum die mit den Gesetzen der geschichtlichen Entwicklung in schroffem Widerspruch stehende Restitution des Klassizismus nicht gelingen kann. Ebensowenig wollen wir uns dabei aufhalten, die übertriebene Werthschäßung der antithetischen Wortverknüpfungen, welche beim Verf. zu Tage tritt, auf das richtige Maß zurückzuführen, und den Wahn, daß eine lebende Sprache in irgend einer Periode ihres Daseins den höchstmöglichen Grad der Klarheit erreicht haben könne (s. p. X), in seiner Nichtigkeit auszuzeigen. Auch wird es nicht nöthig sein, speziell darzuthun, daß die bitteren Klagen des Verf. über den drohenden Verfall der Sprache und die sich daran knüvsenden herben Vorwürfe, welche er gegen die vermeintlichen Urheber schleudert, der zureichenden Begründung entbehren (p. XI). Dagegen verdient bervorgehoben zu werden, daß durch die Einrichtung, welche Herr A. in Folge feiner irrigen Voraussetzungen und phantastischen Hoffnungen dem Buche gegeben hat, dieses, abgesehen von seinem nächsten lexikologischen Zwecke, einen gewissen historischen Werth erhält.

Wir sagten schon, daß der Verf. seinen Stoff ausschließlich aus den Schriftstellern der klassischen Periode, die ihm mit Descartes und Corneille beginnt und mit Voltaire schließt, entnehme. Er gibt uns somit Gelegenheit, die prononcirte Neigung zu antithetischen Verknüpfungen, welche, wenngleich sie als ein wesentliches Moment des französischen Geistes auch in den Schriftwerken der älteren wie der neuesten Zeit keineswegs fehlt, fich doch in der in Rede stehenden Periode mit besonderem Nachdrucke geltend macht, aus einer Menge von Belegen kennen zu lernen. Zugleich erhalten wir über die Bedeutung, in welcher die verschiedenen Wörter von den tonangebenden Schriftstellern einer bereits abgelaufenen Epoche

verwandt worden sind, mannigfache Aufschlüsse und eben damit Stoff und Antrieb, um den auch in der Umwandlung und Erweiterung des Wortgebrauchs sich_manifestirenden Fortschritt des Sprachgeistes genauer zu verfolgen. Es versteht sich indeß von selbst, daß die auf diesem Wege zu gewinnende Kenntniß des Wortsinnes immer nur eine indirecte und unvollständige sein kann, da, wie schon oben bemerkt wurde, die antithetische Verknüpfung den begrifflichen Inhalt der Worte nicht an fich, sondern lediglich dem Umfange nach bestimmt.

Was nun den Begriff des Antonymums oder des Contremot angeht, so gibt Herr A. darüber folgende Erklärung: On sait que toute négation implique une affirmation, comme toute affirmation appelle une négation; c'est cette corrélation de l'affirmation et de la négation, qui forme la connexion des mots mis en antithèse dans nos exemples (p. XII). Demnach findet eine Antonymie überall da statt, wo zwei Wörter miteinander verbunden sind, von welchen das eine in seiner Beziehung auf das andere eine Verneinung desselben ausdrückt. Diese Verneinung aber kann verschiedene Grade der Stärke haben und darin liegt der Grund, daß auch bei der Antonymie mehrere und zwar genauer drei Stufen oder Arten zu unterscheiden sind. Die erste derselben ist die Correlation, sofern das Correlatum „den Anfang einer Verneinung“ des Begriffes enthält, auf welchen es sich bezieht und dessen nothwendige Ergänzung bildet. Dies ist z. B. das Vers hältniß von toutefois im Nach zu bienque im Vordersaße. — Es ist nicht schwer einzusehen, daß hier eine Täuschung zu Grunde liegt. Der Begriff von toutefois negirt den von bienque durchaus nicht und wenn der Verf. meint, er enthalte wenigstens un commencement de négation, fo hat ihn zu dieser Ansicht eben nur das leicht irreführende „Gefühl" verleitet (On sent que etc.). Daß die beis den Wörter an sich, d. h. abgesehen von ihrer Stellung im Sage, betrachtet, kein näheres Verhältniß zueinander haben, wie überhaupt zwei Begriffe mit verschiedenem Juhalte, bedarf keines weiteren Beweises. Aber auch da, wo durch sie zwei Sagtheile auf einander bezogen werden, stehen nicht sie, sondern eben diese sich gegenseitig bedingenden Glieder des Sazes oder vielmehr die in ihnen ausgespro chenen Gedanken in einem antithetischen Verhältnisse. Streng genommen ist freiz lich auch diese Antithesis keine wahrhafte, weil der durch toutefois hervorgehobene Nachfah keine eigentliche Negation des Vordersaßes enthält; der positive Inhalt des ersteren hebt den des lehteren nicht auf, sondern stellt nur die ausschließliche Geltung desselben in Abrede. Tech gibt grade dieser Umstand immerhin eine gewisse Berechtigung, das Verhältniß der durch toutefois und bienque verknüpf ten Satglieder als das der Bejahung und Verneinung aufzufassen und ist es deßhalb erklärlich, wenn auch unter den an sich gegeneinander ganz indifferenten Partikeln ein gegensägliches Verhältniß statuirt wird. Weniger begreift sich, wie Herr A. die Correlation überhaupt auf die Antithese hat zurückführen mögen, da fie als solche mit dieser offenbar gar nichts gemein hat. Es ist freilich wahr, was der Verf. mit besonderem Nachdruck hervorhebt, daß sich die Glieder derselben gegenseitig ergänzen. Nur ist damit keine Negation des einen durch das andere und noch viel weniger ein wirklicher Gegensatz gegeben. Im Gegentheil, da jedes Glied das nothwendige Complement des anderen ist, durch dessen Hinzutreten es erst seiz nen wahren und vollständigen Inhalt gewinnt, so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß sie in ihrer Beziehung aufeinander als Bejahungen zu betrachten sind. Die entgegengesette Auffassung rührt wohl nur daher, daß jeder einzelne Faktor des hier in Rede stehenden Verhältnisses, eben weil er der Ergänzung bedarf, für fich betrachtet eine negative Ecite offenbart und diese ihm selber anhaftende Negation fälschlich als eine Verneinung des ihn ergänzenden Gliedes angesehen wird. Von einem antithetischen Verhältnisse der correlativen Partikeln kann vollends im Allgemeinen gar keine Rede sein; es erregt billig Verwunderung, wenn der Verf. Correlata wie autant autant, tantôt tantôt etc. in die Reihe der contremots stellt.

Die zweite Stufe der Antonymie nennt Herr A. Opposition; sie tritt da ein, wo zwei Begriffe sich zwar als solche gegenseitig völlig ausschließen, zugleich aber durch die gemeinsame Beziehung zu einem dritten Begriffe miteinander genau

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