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Aber der Gott der Quelle empfängt und rettet sie und kann ihre Wunde heilen, da sie eine keusche reine Jungfrau ist. Perigot spricht seine Verzweiflung in Worten aus, die in ihrer erhabenen Furchtbarkeit an Lear's Reden erinnern: „Stürme, du Nordwestwind, ruft er aus, und erhebe die See zu Gebirgen; laß die Bäume, welche deiner rasenden Wuth Widerstand leisten wollen, ihren festen Grund verlieren; friech' in die Erde und schüttle die Welt wie bei der gräßs lichen Geburt eines neuen Wunders; während ich standhaft bin, dies sen treuen Speer in meiner Hand halte und so hineinfalle*)!“ Aber Amarillis hält ihn zurück, indem sie gesteht, daß sie selbst Amoret's Gestalt angenommen habe, diese aber treu und rein sei. Amoret selbst, als sie mit Perigot wieder zusammentrifft, versichert schwörend**) ihre

*) 4, 1; Darley p. 277:

She is untrue, unconstant, and unkind;

She's gone, she's gone! Blow high, thou nordwest wind
And raise the sea to mountains; let the trees

That dare oppose thy raging fury, leese

Their firm foundation; creep into the earth

And shake the world, as at the monstrous birth
Of some new prodigy; whilst I constant stand,
Holding this trusty boar-spear in my hand,
And falling thus upon it!

Aehnlich die Situation im Lear, wo der greise König, durch den Undank seiner
Töchter in Verzweiflung, ausruft 3, 2:

Blow winds and crack your cheeks! rage, blow!

You cataracts and hurricanoes, spout

Till you have drench'd our steeples, drown'd the cocks!

You sulphurous and thought-executing fires,

Vaunt-couriers to oak-cleaving thunder-bolts,

Singe my white head! And thou all-shaking thunder
Strike flat the thick rotuntidy o' the world!
Crack nature's moulds; all germens spill at once,
That make ingrateful man!

**) 4, 4; in der Ausgabe von Darley p. 280:

Then hear me, heaven, to whom I call for right,
And you fair twinkling stars, that crown the night;
And hear me, woods, and silence of this place,
And ye sad hours that move a sullen pace;
Hear me, ye shadows, that delight to dwell
In horrid darkness, and ye powers of hell,

Unschuld und Reinheit. Sie ist in ihrer selbst durch Mißhandlungen unbesiegbaren Neigung zu dem ihr entfremdeten Manne, in der Weichheit und Sanftmuth der Helena des Sommernachtstraums zu vergleichen, welche den Demetrius troß seiner Untreue zu lieben noch fort fährt, und sie kann, ihrer Unschuld sich bewußt, den veränderten Sinn des geliebten Mannes so wenig begreifen, als Hermia die Abneigung des Lysander. Perigot verwundet die Amoret von neuem und entflieht, ein Satyr trägt die Verwundete zu Clorin, der heiligen Schäferin, welche die reine und unschuldige Amoret durch Kräuter heilt. Darauf sind wir vorbereitet, indem wir in einer früheren Scene (2, 2; Darley 269) gesehen haben, wie Clorin sich mit Kräutern beschäftigt und ihre Eigenschaften in einem Monologe bezeichnet, der an Lorenzo's Monolog in Romeo und Julie wie an andere Stellen bei Shakspeare erinnert*). Da der tückische Schäfer, die verspro

Whilst I breathe out my last! I am that maid,

That yet-untainted Amoret etc.

Aehnlich ruft auch Lear 1, 4 die Natur an:

Hear, nature! hear; dear goddess, hear!

*) Die allgemeinen von Clorin über die Pflanzen angestellten Betrachtungen find : Oh, you sons of earth,

You only brood, unto whose happy birth

Virtue was given; holding more of nature

Than man, her first-born and most perfect creature,

Let me adore you! you that only can

Help or kill nature, drawing out that span

Of life and breath even to the end of time;

You, that these hands did crop long before prime

Of day, give me your names, and next, your hidden power.

Clorin zählt nun einzelne Pflanzen auf und schildert ihre Kräfte, wie Perdita im Wintermährchen in unendlich reizvollen Worten die Blumen charakterisirt, die sie verschenkt, wie Ophelie in tiessinnigem Wahnsinn Aehnliches thut. Die allgemeine Betrachtung der Glorin gleicht der Lorenzo's in Romeo und Julie 2, 3:

The earth, that's nature's mother, is her tomb;
What is her burying grave, that is her womb;

And from her womb children of divers kind

We sucking on her natural bosom find;

Many for many virtues excellent,
None but for some and yet all different.
O mickle is the powerful grace, that lies
In plants, herbs, stones and their true qualities.

chene Liebe der Amarillis zu erlangen, seine Verdienste um sie er= wähnt, ist dadurch ein neuer Beweis gegeben, wie sehr Perigot durch Amarillis über Amoret getäuscht war. Eine Versöhnung zwischen beiden tritt ein.

Das Verhältniß zwischen Perigot und Amoret bildet den Mits telpunkt des ganzen Dramas. Es kommen aber wie im Sommernachtstraum noch andere Paare vor, zwischen welchen Verwickelungen eintreten. So erscheint der bescheidene Schäfer Daphnis mit der uppigen Cloe zusammen, Cloe und Aleris werden durch den tückischen Schäfer gestört, der den frivolen Aleris tödtlich verwundet; Aleris wird aber von dem Satyr zu Clorin getragen und dort durch heilende Kräuter wieder ins Leben gerufen. Clorin wird von dem Schäfer Thenot geliebt und wie eine Göttin verehrt, und er spricht von ihr an einer Stelle wie Romeo von Rosalinden. Der tückische Schäfer ist gleichsam das böse Princip, das alles Unheil anrichtet, während der Satyr der rettende Engel ist.

Die kurze Mittheilung, welche wir von dem Inhalte der „getreuen Schäferin" gegeben haben, beweist schon hinlänglich die Abhängigkeit Fletcher's von Shakspeare, obgleich nicht zu verkennen ist, daß sich Fletcher noch Originalität genug bewahrt hat. Die Aehnlichkeit aber der getreuen Schäferin mit dem Sommernachtstraum beAteht in der Mannigfaltigkeit der Situationen, in den Zusammenkünften der Liebenden im nächtlichen Walde, in den Störungen, die sie erfahren, in den Verirrungen, in die sie fallen; in dem Zauber der Quelle und in den wunderthätigen Kräften der Pflanzen. Wie geistvoll aber auch die Erfindung Fletcher's sein mag, wie viele ächt poetische Stellen auch vorkommen, wie tief namentlich die reinen und schönen Empfindungen der Amoret und der Clorin aufgefaßt und dargestellt find, in Bezug auf die ganze Composition steht Fletcher's Drama weitunter dem Sommernachtstraum. Die Verwickelungen in der getreuen Schäferin sind nicht so übersichtlich wie im Sommernachtstraum, das Wunderbare ist nicht mit solcher psychologischen Wahrheit behandelt wie bei Shakspeare. Daß Oberons Zauber wirken, daß Puck solche Verirrungen anrichten kann, hat nicht allein in den übernatürlichen Kräften dieser Wesen, sondern hauptsächlich in dem leichten, leidenschaftlichen, leichtgläubigen und ungebildeten Charakter der Personen seinen Grund, auf welche der Zauber wirkt. Die Darstellung

folchen Metamorphose wie Amarillis durch die wunderbare Quelle

erfährt, würde Shakspeare nie gewagt haben, und man wird das Wunder, daß Zettel mit einem Eselskopfe von Puck ausgestattet wird, nicht vergleichen, wenn man bedenkt wie der Eselskopf ein Symbol für Zettels ganzes Wesen ist und wie ganz anders eine solche Metamorphose sich ausnimmt, wenn die Lichter des Komischen es bes leuchten. Darin unterscheidet sich das ganze Drama Fletcher's von dem Sommernachtstraum zu seinem Nachtheil, daß es keine Komödie, sondern eine Tragikomödie ist, wie sie Fletcher in der Vorrede zu seinem Stücke ausdrücklich bezeichnet. Shakspeare hat in seinem Drama durch eine Menge von Mitteln Alles gethan, unsere Phantasie so zu stimmen, daß wir mit allen seltsamen und wunderbaren Verhältnissen und Gestalten vollkommen vertraut sind; für die Zeitgenossen waren die Elfen bekannte Wesen der Volkssage, und der Glaube an ihre wirkliche Eristenz war noch nicht erloschen. Etwas Aehnliches kann nicht von dem Wunder der verwandelnden Quelle behauptet werden. Auch Fletcher hat in seinem Drama in dem Satyr ein Wesen erschaffen, welches eine ähnliche Bedeutung hat, wie Puck im Sommernachtstraum, nur mit dem Unterschiede, daß sein Satyr kein Gegenstand des Volksglaubens und der Volkssage war wie Shakspeare's Puck.

Wir kommen hiermit auf einen zweiten Gesichtspunkt, in welchem fich Fletcher von Shakspeare abhängig zeigt, in der Gestaltung des Satyrs nämlich. Es ist bei dieser Gelegenheit erst zu bemerken, daß auch in Fletcher's Drama die Elfenssage vielfach berührt wird. Durch tie keusch und rein erhaltene Blüthe der Jungfräulichkeit ist Clorin vor jedem Kobolde, Waldteufel, Elfen oder bösen Feinde vor jedem Satyr und jeder Macht geschüßt, die in dem Haine haust; keine Täuschung kann sie verleiten, dem müßigen Feuer (den Irrlichtern) nachzuwandern; keine Stimmen, die in der todtenstillen Nacht rufen, können sie nach sich ziehen und sie durch Koth und stehende Sümpfe zum Untergange schleppen*). Diese Clorin ist also durch ihre Keuschheit

*) Yet I have heard (my mother told it me
And now I do believe it) if I keep

My virgin flower uncropt, pure, chaste and fair,
No goblin, wood-god, fairy, elfe or fiend,
Satyr, or other power that haunts the groves,

Shall hurt my body or by vain illusion

Draw me to wander after idle fires;

Or voices calling me in dead of night,

gegen die Neckereien und Anfechtungen der Elfen eben so gesichert wie Theseus im Sommernachtstraum durch seine Leidenschaftslosigkeit, und der Satyr in der „getreuen Schäferin“ huldigt der Clorin geradeso wie Oberon und Titania segnend im Hause des Theseus walten. Und wie Theseus an die Elfenpoffen nicht glaubt, so erklärt auch Amoret in der getreuen Schäferin die Eristenz der Elfen für Fabel*). Auch in der getreuen Schäferin ist der Lieblingsaufenthaltsort der Elfen der Hain, die Quelle, an welcher sie ihre Ringeltänze aufführen wie im Sommernachtstraum**). Auch in der getreuen Schäferin wie bei Shakspeare ist es eine Eigenschaft der Elfen, die sündliche Lust und Unkeuschheit zu strafen ***). Die Königin der Elfen

To take me follow, and so tole me on

Through mire and standing pools, to find my ruin.
Dieser schönen Anschauung ist die andere im Hamlet zu vergleichen 1, 1:
Sie sagen, immer wenn die Jahrszeit naht,
Wo man des Heilands Ankunft feiert, singe
Die ganze Nacht durch dieser frühe Vogel;
Dann darf kein Geist umher gehn, sagen fie,
Die Nächte sind gesund, dann trifft kein Stern,
Kein Elfe faht, noch mögen Heren zaubern,
So gnadenvoll und heilig ist die Zeit.

*) 3, 1; Darley, p. 273:

Methinks there are no goblins and men's talk
That in these woods the nimble fairies walk,
Are fables.

**) 1, 2; Darley 1, p. 266:

Vgl. Sommernachtstraum 5, 1.

For to that holy wood is consecrate

A virtuous well, about whose flowry banks
The nimble-footed fairies dance their rounds,
By the pale moonshine, dipping oftentimes
Their stolen children, so to make them free
From dying flesh and dull mortality.

***) Der Satyr sagt 3, 1; Darley 1, p. 274:
Then must I watch, if any be

Forcing of a chastity;

If I find it, then in haste
Give my wreathed horn a blast,
And the fairies all will run,
Wildly dancing by the moon,
And will pinch him to the bone
Till his lustfull thoughts be gone.

Vgl. Shakspeare's lustige Weiber von W.

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