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mythologie machte. Er führt den Oberon auf mit der bestimmten Tendenz, in ihm eine bestimmte Person zu verherrlichen. Er behandelt also diese leichten, luftigen Elfengötter bei weitem nicht mit der genialen und phantasiereichen Freiheit wie Shakspeare. Man weiß, daß Shakspeare im Sommernachtstraum 2, 2 unter der Vestalin im Westen, auf welche Cupido den Pfeil abdrückt, die Elisabeth verstand, und die große Königin, die auf ihre Jungfräulichkeit so stolz war, in dieser Stelle verherrlichte *). Es war in jener Zeit gebräuchlich, hohen Personen in mythologischen Formen Huldigungen darzubringen: wie denn die Elisabeth von Spenser als Feenkönigin, von Lilly in seinem Endymion als Cynthia gefeiert wurde. Wie weit Shakspeare diese Sitte theilte, wie sehr er sie mit der ächtesten Poesie verband, beweist die im Sommernachtstraum bezeichnete Stelle, über die ich in meiner Abhandlung über dieses Drama bereits gesprochen habe. Ben Jonson bleibt in seiner Maske in dem Geschmacke Lilly's stehen, indem sein Oberon nicht wie bei Shakspeare ein eigenthümliches, volles und selbstständiges Leben hat, sondern eine andere Person bedeutend zur Allegorie wird.

*) Die Anspielung auf Elisabeth verneint Delius im Shakspeare-Lexikon, Bonn 1852; zur Textkrtik und Erklärung der einzelnen Dramen, p. 35. ̄

Halberstadt.

Dr. C. C. Hense.

Das Göttliche.

Gedicht von Göthe.

Die hier folgende Erklärung eines Göthe'schen Gedichts wurde schon vor längerer Zeit abgefaßt und die Veranlassung dazu war ein den Schülern der ersten Classe aufgegebener Commentar zu diesem Gedichte. Da dieser nur theilweise gelungen, manche Partieen wohl auch unrichtig aufgefaßt worden waren, schrieb ich selbst die folgenden Erörterungen nieder, um den Schülern ein anschauliches Bild von der Tiefe und dem Gedankenreichthum zu geben, den der Dichter in wenige kurze Säße zusammengedrängt hat. Da sich nun das von mir ohne alle Ansprüche auf Musterhaftigkeit Gegebene vielleicht auch andern Lehrern bei ähnlichen Anlässen empfehlen möchte, so habe ich es dem Archiv übergeben, und das um so mehr, da in neuerer Zeit allerdings seltener als früher dergleichen Arbeiten vorzukommen scheinen und ich vielleicht Anlaß gebe, daß auch noch andere Collegen Aehnliches mittheilen. Ich füge jezt nur noch folgende Notizen hinzu.

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Wie Schäfer in Göthe's Leben I. p. 325. nachweist, dankt vorliegendes Gedicht seine Entstehung dem Jahre 1782. Göthe war mit dem Herzog von Weimar auf einer Reise im Eisenachischen begriffen, auf welcher er auch gelegentlich mehrere kleine Gedichte verfaßte, die unter der Rubrik „Antiker Form sich nähernd“ zusammengefaßt wurden. Der Dichter hatte um diese Zeit längst die Sturm und Drangperiode hinter sich; eine edle und reine Liebe hatte sein Wesen geläutert und gehoben; er war mehrere Jahre schon praktischer Geschäftsmann, der im Weimarischen Lande überall das Gute pflegte und förderte. Schäfer äußert sich an der citirten Stelle noch folgendermaßen: An die Stelle des früheren prometheischen Troßes tritt in diesen Gedichten (das Göttliche, Grenzen der Menschheit, Ganymed) das Gefühl des Demüthigen, der Schranken des Daseins bewußten Hingebens an das Ewige und Göttliche, das in den Gesezen der Natur und dem Wirken der Menschheit waltet,

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und dem der Mensch sich nur dadurch nähert, daß er und gut, unermüdlich das Nüßliche und Rechte schafft.""

"" hülfreich Der Genius vergönnt dem Dichter tiefere Blicke in die Natur und das Menschenleben als den übrigen Sterblichen, die an den meisten Erscheinungen kalt und fühllos vorübergehen, ohne eine Einwirkung derselben auf ihr Inneres wahrzunehmen. Selbst über die Grenze der Endlichkeit hinaus geht des Dichters Flug; er sieht die Werke, die Gedanken der Himmlischen und offenbart den Menschen, wie sie handeln und leben sollen, um ihres Beifalls, ihrer Hulfe sicher zu sein. Darum heißen die Dichter im Alterthume Geliebte der Götter, Dolmetscher ihrer Geheimnisse, Verkündiger der göttlichen Aussprüche. Sie sind es, die die Gabe des Himmels auf die Erde herniederbringen; die Gesichte, die sie in den Stunden der Begeiste rung schauen, lüften den Schleier, der die Zukunft verhüllt; weissagende Worte fließen von ihren Lippen; sie verkünden den Willen der Götter. Jezt belehren, erheitern, unterhalten sie durch ihre Lieder; jezt strafen, mahnen, warnen sie mit ernsten, eindringlichen Worten und erscheinen auch so über die übrigen Menschen erhaben. In den ältesten Zeiten war daher nichts natürlicher, als ihren Ursprung von den Göttern selbst abzuleiten; hieraus entsprangen Sagen, die im Verlaufe der Zeit vielfach ausgeschmückt wurden.

Ist nun auch diese Glorie eines göttlichen Ursprungs, welche jene ältesten Sänger umstrahlte, verblichen; so finden sich bei den wahren Dichtern doch noch bis auf den heutigen Tag jene vorher angeführten Eigenschaften. Wahrheiten und Lehren, die einen tiefen, richtigen Blick in das Wesen der irdischen und himmlischen Dinge vorausseßen, ertönen noch jezt in ihren Liedern; und begleiten sie dieselben auch nicht mehr, von einem aufmerksamen Hörerkreise umgeben, mit der Lyra, so hallen doch des Dichters Töne auch jezt noch tief in jeder empfindenden Seele wieder und bringen auch jezt noch mächtige Wirkungen hervor.

Nach diesen einleitenden Worten bitte ich den theilnehmenden Leser, ehe er weiter geht, erst das ganze Gedicht im Zusammenhange zu überlesen.

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Wer die alten griechischen Dichter kennt, wird sich unmittelbar an dieselben erinnert fühlen. Die einfache, ernste Haltung, der schlichte und doch erhabene Ton, selbst die antiken lyrischen Rhythmen, die den Reim verschmähen, erinnern an das Alterthum; in

dessen, die sich aussprechende Weltanschauung gehört einer neueren Zeit an; der zu Grunde liegende Hauptgedanke enthält die Grundlehre des Christenthums. Was das Göttliche sei, will der Dichter lehren; du offenbarst es, ruft er Jedem zu, durch thätige Tugend, durch Humanität.

Der Dichter kleidet deshalb das Resultat seiner Betrachtungen über das, was für den Menschen das Göttliche sei, in ein Gebot ein und ruft uns zu:

Edel sei der Mensch,

Hülfreich und gut!

Der Adel des Menschen besteht darin, daß er nichts thut, was seine Menschenwürde schändet; daß er frei von Egoismus das Gute liebe, weil es gut ist, das Böse hasse, weil es bös ist.

Doch nicht bloß negative Tugenden sind dem Menschen geboten; nicht bloß soll er nichts thun, was ihn dem Thiere gleich stellt; er soll weiter gehen: hülfreich und gut soll er sein. Die Tugenden also, die hauptsächlich zur Linderung der Leiden und des Elends und zur Beförderung des Wohlseins auf Erden beitragen, macht er ihm zur ersten und heiligsten Pflicht. Durch ihre Erfüllung erhebe er sich über die Natur und Thierwelt und offenbare das Göttliche, dessen Stempel ihm aufgedrückt ist, am deutlichsten :

Denn das allein
Unterscheidet ihn
Von allen Wesen,
Die wir kennen.

Geschicklichkeiten nämlich, scharfe Sinne, gewaltige Kräfte hat das Thier auch, und zum Theil in vorzüglicherm Grade als der Mensch; selbst ein Analogon des Verstandes wurde vielen Thieren zu Theil; doch moralische Eigenschaften - Adel der Gesinnung, Wohlthätigkeitssinn und Güte diese sind alleiniges Eigenthum des Menschen; durch sie wird der Mensch zum Menschen.

Heil den unbekannten

Höhern Wesen,

Die wir ahnen!

Sein (des edelu, guten Menschen) Beispiel lehr' uns
Jene glauben.

Verehrung, Preis und Anbetung gebührt dem höhern Wesen, das wir Gott nennen; doch die Gottheit thront in unnahbarem

"

Lichte, unsichtbar dem Menschen; nur sichtbar durch des Segens reiche Fülle", die sie täglich über die Erde und die Menschen ausströmt. Thut nun auch der Mensch unablässig das Gute und Rechte, so stellt er in sich ein Abbild der Gottheit auf; das aber soll er; wir werden uns, wenn schon der endliche Sinnenmensch dies kann, dann um so leichter zum Glauben an jenes höchste und gütigste Wesen erheben.

Und allerdings, der Mensch kann sich zur Gottheit nur im Glauben erheben. Wissen können wir nur, was in den Kreis unserer finnlichen Erfahrung fällt und was, auf sie gestüßt, der Verstand einsieht, erkennt, begreift. Und so können wir uns allerdings auch durch Schlüsse des Verstandes zur Idee der Gottheit erheben: wir sehen das Weltall, das geschaffen wurde, das täglich erhalten wird, in dem alles nach einer großen Ordnung vor sich geht; also, sagen wir, muß es einen Schöpfer, einen Erhalter, einen Lenker der Welten geben. Doch höher denn das Wissen ist das Glauben; höher als der Verstand ist das Gemüth: und auch ihm hat sich Gott offenbart. Es ist ein Gott, ruft uns die innerste Stimme unsers geheimsten Wesens zu, und durch Tugend ahmst du ihm nach; durch Sittlichkeit beurkundest du das Göttliche deiner Menschennatur.

Im Gegensage mit dem Göttlichen an sich und im Menschen, steht die Natur, sie, die nach festen, geregelten Gesezen, nicht wie der Mensch, mit Freiheit und Selbstbestimmung, sondern bloß nach Nothwendigkeit wirkt. Dadurch also, daß sie der Dichter daneben stellt, wird das Höhere des Menschengeistes erst in das rechte Licht gestellt. Herrlich aber, obschon nur wenige Striche es sind, mit denen sie der Dichter malt, ist ihre Schilderung:

Denn unfühlend

Ist die Natur.

Es leuchtet die Sonne
Ueber Bös' und Gute,
Und dem Verbrecher
Glänzen, wie dem Besten,
Der Mond und die Sterne.

Wind und Ströme,

Donner und Hagel
Rauschen ihren Weg,

Und ergreifen,

Vorüber eilend,

Ginen um den andern.

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