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chen auf den Gedankenfortschritt in „müssen, vermag, darf, wenn schon der Dichter nicht geflissentlich darauf Rücksicht genommen haben mag. Denn diese drei Bezeichnungen deuten doch wieder hin auf des Menschen dreifache Natur, seine körperlichen, geistigen und moralischen Beziehungen. Den Naturgeseßen muß der Mensch sich unterwerfen; er vermag mit seinen geistigen Anlagen das unmöglich Scheinende; èr darf belohnen und strafen, weil in ihm ein untrügliches Gefühl wohnt, das ihm gebietet das Gute anzuerkennen, das Böse zu bekämpfen. Das höhere, umfassendere Walten der Gottheit wird auf dem geistigen und moralischen Gebiete von dem sterblichen Menschen wiederholt; er steht also der Gottheit näher als alle übrigen Wesen; er ist von ihrem Hauche angeweht und durchdrungen; er hat höhere, göttliche Berechtigungen.

Freilich an die Wirksamkeit der Götter wird der Mensch nie reichen:

Auch der Edelste

Und wir verehren

Die Unsterblichen,

Als wären sie Menschen,

Thaten im Großen,

Was der Beste im Kleinen

Thut oder möchte.

und Trefflichste thut höchstens im Kleinen, was jene höheren Wesen in unendlich größerem Maaßstabe, im Bezug auf die Welt im Ganzen genommen thun. Doch auch das Kleine ift Verdienst des Menschen, das ihm Niemand rauben oder schmälern kann; und indem er in seinem kleinen Leben den Göttern gleich zu handeln strebt, indem er das Gute befördert, dem Bösen steuert und abhilft, erfüllt er den besten Gottesdienst; einen Gottesdienst, der nicht in Worten, sondern in Thaten; nicht in träumerischem Sinnen, sondern in lebendiger, der Menschenwelt zum Heile gereichender Wirksamkeit besteht.

Und so ist der Dichter wieder bei dem Hauptgedanken, von dem er ausging, zurückgekehrt; der Kreis ist geschlossen; mit dem Accorde, mit dem der Tonkünstler seine Tonschöpfung a fing, in demselben schließt er site, wenn er schon in mancherlei Tonarten ausgewichen und den Hauptgedanken vielfach variirt hat. Der Dichter endet so:

Der edle Mensch
Sei hülfreich und gut!
unermüdet schaff er,
Das Nüßliche, Rechte

Sei uns ein Vorbild

Jener geahneten Wesen!

Es ist wohl kaum nöthig zu bemerken, daß das ganze Gedicht mehr in antifem als in modernem Geiste gedacht und gehalten ist. Obschon die reinsten Ideen des Christenthums *) darin ausgesprochen sind, manche Worte sogar unmittelbar an die Worte der Schrift erinnern, so ist doch der Ausdruck, da von den Göttern stets in der Mehrheit gesprochen wird, griechisch und erinnert an die Vorstellungen der alten Welt.

Allein solche Einkleidung, zumal da die alten Götter doch weiter nichts als Personificationen höherer Kräfte sind, aus denen der abstrahirende Verstand ein allgemeines Höchste entnommen hat, muß auch dem christlichen Dichter frei gestellt bleiben **).

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*) Schiller in den Briefen an Göthe (v. 17 Aug. 1795.) sagt: „Ich finde in der christlichen Religion die Anlage zu dem Höchsten und Edelsten. Hält man sich an den eigentlichen Charakterzug des Christenthums, der es von allen monotheistischen Religionen unterscheidet, so liegt er in nichts Anderem, als in der Aufhebung des Gesezes, an dessen Stelle das Christenthum eine freie Neigung gesezt haben will. Es ist also, in seiner reinen Form, Darstellung schöner Sittlichkeit oder der Menschwerdung des Heiligen.

**) Schiller, der sich vielfach dieselbe Freiheit nimmt, äußert sich darüber im Vorworte zur Braut von Messina folgendermaßen: „Ich halte es für ein Recht der Poesie, die verschiedenen Religionen als ein collectives Ganze für die Einbildungskraft zu behandeln. Unter der Hülle aller Religionen liegt die Religion selbst, die Idee eines Göttlichen, und es muß dem Dichter erlaubt sein, dieses auszusprechen, in welcher Form er es jedesmal am trefflichsten und bequemsten findet.“ Indessen vgl. man hierzu Viehoff, Commentar zur Jungfrau von Orleans, S. 128.

Zwickau.

Rector Hertel.

Archiv f. n. Sprachen XI.

12

Englische Mundarten.

Da die an Devonshire angrenzende Grafschaft Cornwallis vermöge ihrer Mischung mit keltischen Wörtern und vermöge des Einflusses, den das Keltische überhaupt auf die Aussprache und Gestaltung der englischen Wörter geübt hat, unter den westlichen Mundarten Englands eine gewiffe Selbstständigkeit behauptet, so behalten wir dieselbe einer spätern Betrachtung vor und wenden uns zunächst zu dem südlichen Nachbar von Somerset, zu

3) Dorset.

Quellen. Hauptquelle: Poems of rural life in the Dorset dialect with a dissertation and a glossary, by William Barnes. Lond. and Dorchester 1844. 373 S. 8.

Ein fleißiges Buch, das uns namentlich über die Aussprache in Dorset genaue Auskunft giebt. Die Gedichte, welche Barnes uns mittheilt, find theilweise ganz hübsch, aber volksthümlich dürften fie nicht werden.

The unioneers und John Bull and Tom Stiles, 2 Flugschriften, Blandford und Dorchester 1838, ziemlich unbedeutend.

Dorset war wahrscheinlich eine der lezten Eroberungen der Sachsen; wenigstens haben wir kein Zeugniß, daß es um die Mitte des 6. Jahrhunderts bereits in ihren Händen gewesen wäre. Nach der Vereinigung der sächsischen Reiche war Dorset vorzüglich den Angriffen der Dånen ausgeseßt. Egbert ward bei Charmouth 832 von den Dänen geschlagen, die sich in der Folge an mehreren Küstenpunkten festseßten.

Als eine Eigenthümlichkeit der Dorset-Mundart giebt Barnes an, daß sie von französischen Wörtern viel reiner geblieben ist, als das Englische. Haben nun auch alle Mundarten eine gute Anzahl alter sächsischer Ausdrücke erhalten, die im Englischen verloren find, so mag Barnes doch in sofern Recht haben, daß Dorset, als ein

entlegenes Küstenland, weniger französische Wörter aufgenommen hat, als andere englische Mundarten. Für to expect somebody heißt es to look out for one; für dejected: acast down; für to incur debt: to run into debt; für to oppose: to zet one's zelf agien; für to effect: to make out; für to impose: to put upon; für to insist on: to stand to; für to expose for sale: to put out for sale; für to coincide: to fall in; für inclosed: atook in u. f. w.

Viele Eigenthümlichkeiten theilt Dorset mit Somerset und Devon, namentlich in Hinsicht auf die Konsonanten; z für s, v für f, d für th sind auch hier gebräuchlich. In Hinsicht auf die Vocale herrscht das Streben nach Brechung der einfachen Laute, wie in Somerset vor, mur in noch ausgedehnterem Maße.

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Einfache Vokale. à vertritt häufig die Stelle von e: agg (egg), lag (leg), bag, bagger (beg, begger), kag (keg), sar (serve), nar (never).

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Das reinere deutsche a verdrängt vor r fast immer englisches carn, starın, marnen, harn, var, barry, farked, archet u. f. w. corn, storm, morning, horn, for, borrow, forked, orchard. Dagegen wird es selbst vielfach vom ā (z. B. in name) oder deutschem ê verdrängt: father, laugh, half lauten faither, lafe, hafe; ebenso weicht das niederdeutsche å diesem Laute: fall, jaw, straw, law, walk, talk u. f. w. lauten vale, jae, strae, tac, wake, take. Auch kurzes a und î (engl. ea) werden bisweilen durch â verdrängt: dance, beaver, dream lauten daince, baiver, drame, ebenso last: laste.

ee (deutsch i) für i (deutsch ei): cheem, sheen (chime, shine). ô ftatt å in brote (brought), fote (fought), doch auch hier schon mit Neigung zur Brechung.

Brechungen und Doppellaute. Das Angelsächsische hat vielfach die einfachen Laute gespalten; die Mundarten haben solche Spaltungen großentheils bewahrt, sind aber zum Theil noch weiter darin gegangen, namentlich der Südwesten und der Osten Englands. Die Dorsetmundart ist an Brechungen einfacher Laute sehr reich.

Das lange a in name spaltet sich zu la: niame, biake, kiake, hiate, liate, miate u. f. w. name, bake, cake, hate, late,

mate. Dieselbe Brechung findet sich in den meisten englischen Mundarten. Vgl. lat. bene und franz. bien.

ai und ay, ei und ey werden zu â'i, wobei das a den reinen. deutschen Laut hat: mâîden, mâin (strength, agf. mägen), hâil (hail, hale), awâit, plâỹ, tâil, dâỹ. Derselbe Diphthong vertritt auch bisweilen oi: vâice, nâise voice, noise.

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ea mit dem Flaute wird zu deutschem ê'ă: bê'ass (beast), mê'ad Wiese, lê'ad führen, clê'an rein. Damit stimmt denn auch der obige Uebergang des ea zu deutschem ê in drame, baver überein.

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o spaltet sich zu uo, wie lat. o zu ital. uo, bonus buono, cor cuore: buold, cuold, vuold, muore, wuok, ruope, buot, cuot, ruose bold, cold, fold, more, oak, rope, boat, coat, rose. Aehnlich wird auch oi durch vorgestoßenes u verstärkt buoiling, boiling, doch lautet doch lautet das oi dann meist wie ei: spă-ile

(spoil).

ou bildet ebenfalls öfter einen Doppellaut: fő-ŭt (fought), ró-u (rough), gló-u (glow).

Konsonanten. Außer dem, was schon oben erwähnt ward, ist Folgendes zu bemerken:

ld und nd werden öfters zu einfachem 1 und n: chile Kind, vine (find), boun (bound), groun (ground), veel (field).

Im wird gewöhnlich durch dazwischentretenden Vokal getrennt: elem (elm, Ulme), helem (helm), auverwhelem (overwhelm). Zwischen r und 1 drängt sich d ein: purdle, twirdle, wordle = purl, twirl, world.

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Das r erleidet Versetzungen, wie in den verwandten Mundarten, ghirt, pirty (great, pretty), wird oft ausgeworfen, bust, vust, vess, fuoss, vuss, nussd, meth, eth, beth, woth burst, first, verse, force, furze, nursd, mirth, earth, birth, worth, tritt aber auch öfters wieder unorganisch ein, namentlich in Endungen statt der Vokale: feller, holler, meller, yeller fellow, hollow, mellow, yellow.

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Auch der Wechsel von sp zu ps: claps, haps, crips clasp, hasp, crisp ist Dorset mit Somerset und anderen Mundarten gemeinschaftlich.

th hat sehr häufig anlautend wie inlautend den weichen Laut, den wir durch dh bezeichnen wollen. dharn (thorn), dhissle (thisstle), dhiller the wheelhorse, dhin, dhing (thing), dhink

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