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eines müßigen Hirns, die von nichts als eitler Phantasie erzeugt sind." Wenn Mercutio die Mab schildert, wie sie je nach der Phantaste und den Leidenschaften der Schlafenden die Träume erzeugt, so stimmt mit dieser phantastischen Thätigkeit ihr phantastischer Aufzug vollkommen. Und die ganze Schilderung dieser Traumwelt hat wieder ihre passende Stelle in dem ersten Acte jenes Drama's, welches die Liebe zuerst in ihrer phantastisch- träumerischen Gestalt, dann in ihrer leidenschaftlich-überwältigenden, tragischen Tiefe darstellt. Denn ist nicht Romeo's vermeintliche Liebe zu Rosalinden mit ihren Spißfindigkeiten und Selbstquälereien der Traum eines müßigen, in seiner Tiefe noch nicht ergriffenen Gemüthes? Wie Titania im Sommernachtstraum die Freundin der Musik ist (vgl. Act 2, Sc. 3), fo auch Mah in der Nymphidia des Drayton: ihr Minstrel ist hier eine Hummel, welcher im Sommernachtstraum die Elfen für Zettel den Honigsack rauben sollen (the honey-bags steal from the humble-bees 3, 1) (vgl. Drayton p. 205). Auch der Schmetterlingsflügel, aus welchem die Wagendecke der Mab gemacht ist, kommt im Sommernachtstraum und zwar reizender vor, indem nach dem Befehl der Titania die Mondstrahlen von den schlafenden Augen des Zettel mit ihm hinweggefächelt werden sollen (And pluck the wings from painted butterflies, To fan the moonbeams from his sleeping eyes 3, 1).

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Plays of W. Shakspeare Lond. 1785. 10, p. 39. Mit dieser Erklärung' stimmt auch vollständig überein, daß unter den Elfen nur die hervorragenden Personen, wie Oberon im Sommernachtstraum, eine selbständige und bedeutungsvolle Thätigkeit ausüben. Was die Beschreibung der Mab durch Mercutio betrifft, so fährt nach derselben die Elfenkönigin in einer hohlen Haselnuß, die vom Tischler Eichhorn oder Meister Wurm zurecht gemacht ist (Her fhariot is an empty hasel-nut, made by the joiner squirrel or old grub). Die Nüsse im Magazin des Eichhörnchens werden auch im Sommernachtstraum erwähut. (4, 1). Bei Drayton versteckt sich die Königin Mab auf ihrer Flucht in der Höhlung einer Haselnuß, welche auf einer Hafelwurzel lag und dort hingestreut war von einem Eichhörnchen, welches den Kern herausgenommen hatte (At length one chanc'd to find a nut, In th' end of which a hole was cut, Which lay upon a hazel root, There scatter'd by a squirrel, Which out the kernel gotten had). Die Speichen ́ der Råder an Mab's Wagen find nach Mercutio's Schilderung aus Spinnenbeinen gemacht (Her waggonspones made of long spinners' legs; Romeo 1, 4). Bei Drayton sind aus Spinnenbeinen die Mauern des Elfenpalastes (The walls of spiders legs are made, Halliwell p. 196).

Auch die Gestalt seines Puck hat Drayton unter dem Einflusse des Sommernachtstraums gebildet, wie namentlich einzelne Stellen ganz unzweifelhaft machen. Puck ist in der Nymphidia der Vasall des Oberon. Drayton schildert ihn als einen träumenden Tölpel (a dreaming dolt), was ganz genau tem lob of spirits entspricht, wie Puck im Sommernachtstraum (2, 1) heißt; Puck besißt auch bei Drayton die Verwandlungsfähigkeit, in welcher ihn der Volksglaube und Shakspeare kannten: er wandelt umher wie ein zottiges Füllen, er stürzt aus dem Busche hervor, um zu täuschen, er leitet den Wanderer irre, führt ihn in langen Winternächten von dem Wege ab und lacht, wenn derselbe in Schmuß und Lehm stecken bleibt*). Gerade so erscheint er im Sommernachtstraum. Puck heißt auch bei Drayton Hobgoblin. Als er den Oberon in jenem oben beschriebenen Zustande erblickt, ruft er ihm das in der Volksdichtung wie im Sommernachtstraum vorkommende Ho! Ho! entgegen, was freilich dem Vasallen dem Lehnsherren gegenüber wenig zu ziemen scheint. Wie Puck im Sommernachtstraum alle Befehle des Oberon ausführt, so ist er in der Nymphidia entschlossen, den Pigwiggen lebend oder todt vor Oberon zu bringen; er verspricht seine Dienste und will durch Dick und Dünn, durch Dorn und Strauch, durch Waffer und Feuer gehen**). Während aber im Sommernachtstraum Puck

*) This Puck seems but a dreaming dolt

Still waking like a ragged colt

And oft out of a bush doth bold,
Of purpose to deceive us;

And leading us, makes us to stray,
Long winters nights out of the way,
And when we stick in mire and clay,
He doth with laughter leave us.

**) Das erwähnte Ho! Ho! bei Drayton (Hoh, hoh! quoth Hob, „God save thy grace) ist der Endvers von jeder Strophe in dem Gedichte „The pranks of Puck" bei Percy, Reliques p. 246, woron wir oben eine Ueberseßung Bothes mitgetheilt haben, und kommt in rem Volksbuche,,Life of Robin Goodfellow" bei Halliwell, Illustrations of the fairy mythology of a midsommernightsdream, Lond. 1843 p. 133 etc. vor. Im Sommernachtstraum gebraucht denselben Ausruf Puck (3, 2) in der Person des Lysander, um den Demetrius zu verhöhnen. Der Ausruf kommt auch in manchen andern Dichtungen vor; man vergleiche darüber eine interessante Anmerkung Ritson's zu der Stelle des Sommernachtstraums in Reed's Shakspeare Lond. 1813, 4, p. 437.

der thätige und wirksame Geist ist und unter Oberon's Oberhoheit den Zauber hervorbringt und löst, übernimmt bei Drayton Nymphidia diese Rolle. Sie erscheint als Zauberin. Der Zauber der Nymphidia trägt nicht den einfachen harmlosen und neckenden Charakter wie im Sommernachtstraum, wo er hauptsächlich durch eine Blume (love-in-idleness) hervorgebracht wird. Drayton schildert den von Nymphidia ausgeführten Zauber mit großer Ausführlichkeit und scheint sich in der ausgedehnten Schilderung ebenso zu gefallen wie in der Beschreibung von Waffen und Kämpfen; er malt den Zau ber ins Dunkle und Schreckliche, während Shakspeare heitere Gemälde entwirft; aber auch bei der Schilderung des schreckenerregenden. Zaubers hat Drayton, wie es scheint, den Einwirkungen Shakspeares nicht entfliehen können. Die Anstalten, welche Nymphidia zu ihrem Zauber trifft, wie der Zauberspruch erinnern lebhaft an Aehnliches in Shakspeare's Makbeth und Romeo und Julie*). Zulezt ist es

Das Versprechen, welches Puck bei Drayton dem Oberon giebt, durch Dick und Dünn 2. zu gehen, ist in Worten gegeben, welche sehr auffallend an eine Stelle im Sommernachtstraum erinnern. Die Worte Puck's bei Drayton sind (Halliwell p. 205):

Thorough brake, thorough brier,
Thorough muck, thorough mier,
Thorough water, thorough fier.

Und die Worte des Elfen im Sommernachtstraum (2, 1) lauten:

Over hill, over dale,

Thorough bush, thorough briar;

Over park, over pale,

Thorough flood, thorough fire,

I do wander every where etc.

Man findet indessen, wie Malone zum Sommernachtstraum 3, 1 bemerkt, ähuliche Verse auch schon in Spenser's Fairy Queen VI, 8: Through hills, through dales, through bushes and through briars etc.

Ich erwähne gleich hier eine andere Entlehnung Drayton's: Nymphidia fliegt durch die Luft so schnell wie der Pfeil vom Bogen (And through the air away doth go Swift as an arrow from the bow. Halliwell p. 205). Ebenso Puck im Sommernachtstraum 3, 2:

I go, I go; look how I go!

Swifter thou arrow from the Tartars bow.

*) Nymphidia_streut Nachtschatten aus, um dem Puck zu schaden, und andere Kräuter; sie sprengt den Saft der Raute, die unter dem Eibenbaume wächst, mit

noch sehr bemerkenswerth, daß Drayton seiner Dichtung einen ähn lichen Ausgang giebt, wie einzelne Begebenheiten im Sommernachts

9 Tropfen mitternächtlichen Thaues, der von dem Monde destillirt ist (Then sprinkles she the juice of rue, that groweth underneath the yew, with nine drops of the midnight dew from lunary distilling; Halliwell p. 208). Die Hexen in Makbeth werfen in ihren Kessel, um den Zauber zu kochen, „Gibenreis, vom Stamm gerissen in des Mondes Finsternissen“ Makbeth 4, 1. Die Zahl neun ist beim Zauber gebräuchlich, vgl. Makbeth 1, 3; „Sieben Nächte, neunmal neun, Siech und elend schrumpf er ein“. Nymphidia ruft Proferpina als Helferin an, wie in Makbeth Hecate die Gebieterin der Hexen ist. In der Zauberformel schwört Nymphidia bei dem Gequak des Frosches, bei dem Geheul des Hundes, bei dem Geschrei des Ebers, das sich gegen den Sturm erhebt (By the croaking of the frog, by the howling of the dog, by the crying of the hog against the storm arising; Halliwell p. 208). Bei der Bereitung des Herenzaubers in Makbeth werden Froschzehen (toe of frog) und Hundezunge (tongue of dog) gebraucht, Makbeth 4, 1. Nymphiria schwört ferner bei dem schrecklichen Gestöhn des Alrauns, bei dem traurigen Gewinsel des Lubrican, bei dem Geräusch der Todtenknochen, die in Beinhäusern rasseln, bei dem Zischen der Schlange, bei dem Rascheln des Feuerdrachen (By the mandrakes dreadful groans, by the lubricans sad moans, by the noise of dead mens bones in charnelhouses rattling; by the hissing of the snake, the rustling of the fire-drake). Die genannten Gegenstände sind sämmtlich gewählt, um Furcht und Schrecken zu erz regen; in Romeo und Julie finden sich ähnliche Stellen. Um das Schreckliche des Aufenthalts im Grabgewölbe zu bezeichnen, erwähnt Julie (4, 3) „das Gekreisch wie von Alraunen, die man aufwühlt, das Sterbliche, die's hören, sinnlos macht“. Unter Alraun (mandrake) verstand man eine menschengestalt ähnliche Wurzel, der man ein animalisches Leben zuschrieb, und welche, wenn sie aus dem Boden gezogen wurde, einen Ton dumpfen Gestöhns von sich gåbe, der Tod oder Wahnsinn bringe. Vgl. Nares, a Glossary or collection of words etc. Stralsund 1825 p. 483. Bei Shakspeare werden die Alraunen noch erwähnt 2 Henr. IV. 1, 2. 3, 2. 2 Henr. VI. 3, 2. Stellen aus andern Dichtern führt Nares an. Die von Drayton erwähnten lubricans sind nach Nares p. 470 wahrscheinlich Geister, deren Gestöhn man für tod- oder unheilbringend hielt. Vielleicht sind diese lubricans dieselben Geister, welche Julie 4, 3 erwähnt („wo, wie man sagt, in mitternächt'ger Stunde Geister hausen“). Die übrigen Worte in der oben angeführten Zauberformel der Nymphidia („bei dem Geräusch der Todtenknochen“ 2.) crinneru an Juliens Ausruf (4, 2):

„Geiß mich da gehn, wo Räuber streifen, Schlangen lauern,

Und kette mich an wilde Båren fest;

Bring in der Nacht mich in ein Todtenhaus
Voll rasselnder Gerippe, Moderknochen,

Und gelber Schädel mit entzahnten Kiefern.”

Nymphidia fährt in ihrer Beschwörung fort:

„Bei des Wirbelwindes hohlem Tone, bei des Donners schrecklichem Getöse, dem

traum haben. Der Streit zwischen Oberon und Pigwiggen wird, wie wir angeführt haben, durch den Nebel der Proserpina aufgehoben, den sie vom Styr holt, in welchem die Ritter einander verlieren; diese trinken dann aus dem Becher der Lethe, deren Wasser Proserpina reicht; Oberon vergißt darauf den Wahnsinn seiner Eifersucht, freut sich seiner Königin und fragt, wie sie in seine Nähe ge= kommen. Pigwiggen seinerseits erinnert sich nach dem Tranke der Lethe ebensowenig seiner Zusammenkunft mit der Königin Mab. Man sieht hier deutlich die Spuren Shakspeares, denen Drayton nur mit geringem Glück folgte. Auch im Sommernachtstraum (3, 2) werden die einander verfolgenden Demetrius und Lysander von dem Kampfe durch einen Nebel abgehalten, mit welchem Puck auf Oberon's Geheiß das gestirnte Firmament bedeckt und der so schwarz als der Acheron ist. Auch Lysander kann, wie Oberon von der Mab bei Drayton, nicht sagen, wie er an den Ort, an welchem er sich befindet, gekommen ist (4, 1); auch im Sommernachtstraum vergessen die Personen, als ob sie den Trank der Lethe getrunken hätten; sie sollen sich nach Oberon's Willen der Begebenheiten der Nacht nur wie der Beängstigungen eines Traums er

Angstgeschrei der Geister unter der Erde, fordere ich dich auf uns nicht in Furcht zu sehen; bei der Nachtcule trübem Gesange, bei des schwarzen Nachtrabens Kehle, beauftrage ich dich, Hob, x. (By the whirlwinds hollow sound, by the thunder dreadful stound, Yells of spirits under ground, I charge thee not to fear us; By the scritchowls dismal note, By the black night ravens throat, I charge thee, Hob etc. Halliwell p. 209). Nymphidia fährt in dieser Strophe fort, das Schrecken und Trauer Grregende zusammimenzustellen. Den beiden ersten Versen ist der Eingang des Makbeth ähnlich, wo die erste Here sagt:

Wann sprechen wir drei uns wieder den Gruß,

In Donner, Bliz, im Regenguß?.

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Die Nachteule kommt in den Versen Puck's im Sommernachtstraum (3, 2) vor (whilst the scritch-owl, scritching loud, Puts the wretch, that lies in woe, In remembrance of a shroud). Das Geschrei des Nachtrabens, welches in Nymphidia's Beschwörungsworten vorkommt, galt für Unglück verkündend. Vgl. Makbeth 1, 5: „Selbst der Rabe ist heiser, der Dunkans schickjalvollen Eingang frächzt unter mein Dach.“ Vgl. Much ado about nothing 2, 3. I had as lief have heard the night raven. Man bemerkt leicht, daß die von Nymphidia angewandten Zaubermittel dieselben sind, deren sich bei Shakspeare die Hegen bedienen; ebenso kommen in dem Hexengesange des Ben Jonson (Percy, Reliques p. 245) raven, mandrake, charnell houses, scrich-owles, juice that from the larch-tree comes u. a. vor.

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