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Versenkung des warmen Gefühls muß aber bei jedes Wortes Klange stattfinden, sonst wird das lebendige Pochen des Dichterherzens nicht gefühlt." Und wenn das Lied, fährt der Verfasser fort, anfängt mit „Wer nie," so wissen wir bis dahin allerdings noch nicht einmal, ob nicht gar etwas kommt wie „Wer niemals einen Rausch gehabt," gesungen freilich oder auch nur aus demjenigen Herzen gesprochen dem es angehört, würde uns das einzige Wort „Ver“ schon ein zitterndes Wehe entgegentragen, aber das, glaube ich, wissen wir auch schon an diesen geschriebenen Worten, daß das was da gesagt wird, als eine tief empfundene, aus dem Grunde eigener Erfahrung geschöpfte und was noch mehr ist, einzig durch eigene Erfahrung zu erfassende Wahrheit erscheinen soll, daß somit eine lange Betrachtung oder eine lang getragene Empfindung vorhergeht." Der Verfasser will somit, daß bei der lyrischen Betrachtung lyrischer Gedichte der Subjectivität Thor und Thür geöffnet und der alte Standpunkt, wonach man mühsam nach der Veranlassung des Gedichts umherspäht, verlassen werde.

Die Ueberreste deutscher Dichtung aus der Zeit vor Einführung des Christenthums. Vom Oberlehrer Wilhelm Püz. Programm des kath. Gymnasiums zu Cöln. 1851.

Diese werthvolle Abhandlung beschäftigt sich mit den sogenannten Merseburger Sprüchen und dem Hildebrandstiere. Sie gibt eine Geschichte der Gedichte, den Tert, die Ueberseßung und eine, mit Benußung aller dahin einschlagenden_Literas tur, umfangreiche und sehr genaue, hauptsächlich sprachliche Erläuterung. Bei dem ersten Zauberspruch erklärt sich der Verfasser für die Deutung Wackernagels, welche der von J. Grimm befolgten und auch von Kehrein in den „Preben“ adoptirten an Natürlichkeit vorzuziehen ist, die Allitteration ist durch gesperrten Druck bezeichnet. Beim zweiten Zauberspruch nimmt nach lidirenki Feußner einen Ausfall an. Beim Hildebrandsliede gibt der Verfasser zuerst den Inhalt, einen Vergleich mit der Darstellung in der Vilkinasaga und erklärt sich mit Recht darüber, daß der Anfang nicht verstümmelt sei, dann erörtert er das Verhältniß der Sage zur Geschichte, die Sprache und den Versbau, was ihm Veranlassung gibt zu einer Auseinanderschung der Geschichte des Gedichts. Er erklärt sich gegen den radicalen Versuch Wilbrandts, handelt über das Gesez der Allitteration und der ältesten Metrik und geht hierauf auf das Einzelne über. Der Text legt die neueste Restitution zu Grunde, mit wesentlichen Abweichungen_also_von Lachmanns Einrichtung, die unter Anderen vou Kehrein angenommen ist. V. 1. muotin, nach Lachmann: Begegnung; so noch im Plattdeutschen: möte. V. 7. fersches frôtôro, scheint die Ueberseßung: An Geist „flüger“ der angenommenen „lebenserfahrener“ im Zusammenhang vorzuziehen zu sein. V. 19. unwahsan ist der Mehrheit nach wohl zu fassen: noch nicht geboren. V. 62. ist übersehen die Conj. Roths: chluban, den Steinrand spalteten fie (im Archiv 1849. VI. p. 464), die von Kehrein aufgenommen ist.

Erinnerungen an Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg. Jugendjahre bis zum Ende des Jahres 1775 und an die deutsche Literatur. Von Dr. Theodor Menge. I. Abtheilung. Progr. des Gymm. zu Aachen 1851.

An sich mag es auffallend erscheinen, daß heut zu Tage auf den Dichter Leopold Stolberg noch ein solcher Werth gelegt wird, daß er zum Gegenstand einer besons dern Abhandlung gewählt wird; die Stelle, die Pruh ihm in der Geschichte des Göttinger Dichterbundes angewiesen hat, ist unzweifelhaft sein richtiger Play.

Doch würden wir immerhin die vorliegende Abhandlung mit Dank aufzunehmen bereit sein, wofern dieselbe uns neue Aufschlüsse über Stolberg brächte; auch die Geister zweiten und dritten Ranges sollen als geschichtliche Personen in den Literaturwerken verzeichnet Anspruch auf Beachtung machen. Der Verfasser hat aber seinen Stoff wunderlich sich zurechtgelegt. Nachdem nämlich zuerst von dem Vater des Dichterpaares erzählt ist, wie er auf seinen Gütern die Leibeigenschaft aufgehoben und dann nach Kopenhagen berufen wurde, gibt die Bekanntschaft, in welche die Familie mit Klopstock kam, dem Verfasser Veranlassung, zu zeigen, daß Klopstock ein großer Dichter gewesen, uns den Entwickelungsgang der deutschen Litera tur von der Völkerwanderung bis Haller und Hagedorn einschließlich von S. 11 bis 28 vorzulegen. Damit schließt die Abhandlung, ohne daß wir von Leopold Stolberg etwas gehört haben. Vorläufig also haben wir nur Erinnerungen an die deutsche Literatur,“ welchen sonderbaren_Titel der Aufschrift der Abhandlung der Verfasser zugefügt hat. Von einzelnen Personen ist in diesem Abriß ausführlicher gesprochen, von keinem etwas Neues mitgetheilt, auch neuere Untersuchungen, wie von Danzel, Pruß und anderen sind nicht berücksichtigt; doch bleibt es Jedermann unverwehrt, besondere Gedanken bei der Durchlesung in sich aufsteigen zu lassen.

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Hölscher.

Miscellen.

Zur deutschen Sprachkunde.

Nachstehende linguistische Fragen, welche bei der Philologen-Versammlung in Ulm 1842 von mir gerne näher besprochen worden wären, aber bei der Kürze der zu einem Vortrag über Phonologie eingeräumten Zeit beruhen mußten, haben für Freunde der deutschen Sprache gewiß auch jezt noch Interesse.

Zur deutschen Wortbildungslehre.

Woher das Eigenthümliche und Abweichende in ganz ähnlichen Fällen? Man vergleiche:

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läppisch 2c.

Mit isch.

schwäbisch badisch

westphälisch gallisch
fränkisch flandrisch
italienisch romanisch

übermüthig englisch sicilianisch
wehmüthig hannövrisch nordisch
taltblütig fächsisch sardisch
blutdürftig französisch russisch

Mit heit.

närrisch - Narrbeit

--

franklich Krankheit

Bosheit

dumm Dummheit

Kompos. mit voll x. wundervoll-vertrauensvoll werthvoll zweifelsvoll werthlos zweifellos leidvoll mitleideroll muthvoll unmuthsvoll ruhmlos irrthumslos kunstvoll sehnsuchtsvoll kunstlos wirkunslos

Wie? wenn man es versuchte, die Ordnung des Sprachgebrauchs auf der

einen und andern Seite gerade umzukehren

oder Alles gleichförmig zu machen?!

gröblich

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Grobheit

Eigenthümliche Stetigkeit hat der Umlaut beim diminutiven lein, chen, auch wo er sonst gar nicht stattfindet; z. B. Blümlein, Röslein, Aeuglein, Dehrlein; Bärtchen, Schäfchen, Pärchen 2. Ebenso stetig bei ling (z. B. Schwächling, Höfling, Günstling); wechselnd dagegen ist der Umlaut in der Ableitung von Mask. mit er, ler, ner, z. B. Wagner Gärtner, Töpfer Vogler, Schlosser Pförtner, Kuppler Küfer. Vgl. die Nägel Sättel der Sattler 20. 20.

Händler

Zur Flexionslehre.

--

der Nagler, die

A. Woher so viel eigenthümlich Abweichendes in der Pluralbildung? 1) in Betreff des Umlauts in ganz ähnlichen Fällen? Man vergleiche:

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Wie verhält es sich mit dem Dat. Sing., der ja

gewöhnlich

somit in allen Fällen, wo der Plur. mit e als Gudung flektirt wird, mit diesem

gleiche Bildung hat? Warum ist hier kein Umlaut? auf's Genus, namentlich den Unterschied von Mask. der Plur. so oder anders sich bilde? Man vergleiche mit den oben und unten folgenden:

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Und sollt es etwa auch und Hem. ankommen, ob die nächstfolgenden Beispiele

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Früchte

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2) Warum nicht analog, wie die Mütter, die Töchter, bei zweisilbigen Wörtern die einen Umlaut zuließen, statt des agglutinierten n, so mit Umlaut, z. B. die Kämmer, Täfel, Aechsel? Und wenn bei Fem. kein er als flexivische Endung antreten will, woher dann doch im Plur. der Mask. und Neutra die eigenthümliche Verschiedenheit bei der Wahl zwischen blosem e und er, en als Endung und woher das Eigene, daß bei er der Umlaut so stetig ist, wie das Nichtumlauten bei en?! - Män vergleiche:

Thürme-Würmer

Haare Staaren

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Wir sehen da eine Menge Neutra ohne die Endung er im Plur., und es fehlt umgekehrt nicht an Mask., die den Plur. auf er bilden! z. B. Wälder wie Felder.

3) Warum tritt im Plur. das n (wie in Vettern, Stacheln) nicht in allen Fällen an, wo es den Plur. vom Sing. besser zu unterscheiden dienlich wäre? Wäre es nicht analog der so häufigen Flexion des Fem., z. B. die Tafel Tas feln, die Regel Regeln? Warum nicht z. B. die Vätern, die Rettern, die Nebeln, Segeln, Regeln?

B. Welchem Gefeße folgen die Steigerungsformen des Adj. (und Adv.) wo auch die ganz ähnlichen Fälle in Betreff des Umlauts abweichen? Man vergleiche: der baarste brävste

bangeste bängste
längste

schwärzeste der tollste

bäldeste
gröbste

der klarste
mattste

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graffeste

blässeste

roheste böchste

blankste kränkste

schalste

schmälste

froheste größte

fargste ärgste

schlaffste schärfste

Lauteste fäulste

stärkste

zarteste härteste

bunteste jüngste

rascheste ärmste

zahmste

frömmste

stummste cummste

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stolzeste älteste

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holzeste kälteste

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unklugite klügste gesund este ungesündeste

*) Warum in Fällen, wo das Adj. auch im Komparativ umlautet, im Positiv Mask. mit r die gleiche Form ohne Umlaut? z. B. großer – größer! Wie ist dies möglich, wenn etwa phonetische Gründe den Umlaut erfordern? (Man vergl.: Nichts ist klärer, gesünder und ähnl.)

**) Interessante Fragen giebt die Vergleichung des Altdeutschen an die Hand; z. B. wenn ast, palk, halm, im Plur. esti, pelki, helmi bildet, und

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