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für das deutsche Volk hätte aussprechen sollen. Wenn man sagt, daß Daumer viele Lieder vollkommen treu überseßt hat, so treu als z. B. Rückert die Gedichte aus der Hamâsa und aus dem Divan des Benrulkais, Schlegel Shakspear'sche Lieder wiedergegeben – und daß diese Sammlung Hafis'scher Lieder keines enthält, dessen Motiv und Hauptgedanken nicht wenigstens aus einem Gedichte des persischen Sängers entlehnt wären; so mag damit die Gränze der Treue auf der einen und der Freiheit auf der andern Seite bezeichnet sein, zwis schen welchen die bald treueren, bald freieren Umdichtungen auf verschiedenen Stufen sich bewegen, so daß wohl auch einmal aus einem persischen Gedichte einzelne Zeilen weggelassen werden, welche für den westlichen Leser zu unverständlich sein würden, oder nur diejenigen ausgehoben, welche die eigentliche Pointe enthalten, oder daß endlich dem persischen Gedichte nur der Inhalt eines einzelnen treffenden Gedankens entnommen wird, um in deutsche Form gegossen zu werden; ein kleiner kostbarer Edelstein, in östlichen Schachten gewonnen, aber im Westen in reiche goldne Fassung gefügt. Wie der Uebersezer diese Freiheiten sich erlaubt hat, um Hafisen dem Deutschen vollkommen genießbar zu machen, so besteht überhaupt das wesentliche Verdienst der Daumer'schen Umdichtung in der völlig ungezwungenen, kunden, leichten deutschen Form, die er den persischen Gedichten zu geben verstanden hat. Um von der Hammer'schen Bearbeitung zu schweigen, deren Verfasser ein möglichst wörtliches Wiedergeben des Originals sich zur Aufgabe gemacht hatte, so fällt selbst eine Vergleichung der Ueberseßungen Hafis'scher Gedichte von Rückert und Platen mit denjenigen von Daumer entschieden zum Vortheil des Lezteren aus: Keiner hat, um mit dem wackern Olearius zu reden (s. Archiv V, S. 369), den Persianer so wohl Deutsch reden gelehrt als Daumer. Zur Bestätigung dieser Behauptung mögen hier neben einigen Ueberseßungen aus Hafis von den genannten Dichtern die Uebersetzungen derselben Gedichte von Daumer stehen Stoff zu einer auch in anderen Beziehungen belehrenden und oben Bemerktes bestätigenden Vergleichung.

In seiner Geschichte der schönen Redekünfte Persiens (S. 272) theilt Hammer im Versmaße des Originals folgendes Gedicht mit, welchem auch eine recht zarte und sinnige Composition beigegeben ist:

Süßer Sängermund, o sing Frisches mit Frischem, neu und neu,
Wein, der's Herz erfreut, bring her, frischen mit frischem, neu und neu,
Mit dem schönen Bild zum Spiel size vergnügt in Einsamkeit,
Raub' ihm Kuß auf Kuß, nach Wunsch, frischen mit frischem, neu mit neu.
Kann das Leben wohl bestehn, wenn nicht beständig du trinkest Wein?
Bring ihr's: Leben soll sie hoch! Frisches mit Frischem, neu und neu.
Schenk mit Silberfuß, ich bin trunken vom Weine, bring, o Knab',
Schnell her, bringe mir den Wein, frischen und frischen, neu und neu,
Sieh, mein Herzensschöner hat seltene Dinge meinethalb,
Schönheit, Wohlgeruch und Farb', frische mit frischen, neu und neu.
Ostwind, gehest du vorbei, wo der geliebte Engel wohnt,

Gib ihm Kunde von Hafis, frische und frische, neu und neu!

Bei Daumer (S. 309.) lautet dasselbe Gedicht:

Sing', o lieblicher Sångermund,

Stets von neuem und ende nicht! Spend' uns herrlicher Reime Fund Stets von neuem und ende nicht!

In holdseligem Minnespiel

Ueb', o Schüler Hafisens *), dich, Weil nur also das Herz gesund,

Stets von neuem und ende nicht!

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Daß ich theuer und werth dir sei,
Sag' es, Liebste, denn nimmermehr
Ward mir süßere Mähre kund,

Stets von neuem und ende nicht!

Ras' und tobe, du schwarzes Herz,
Wenn es also gefällig ist,
Unvernünftig und ohne Grund,

Stets von neuem und ende nicht!
Du, o Quelle des Lichts, jedoch
Scheuch', o Sonne, die finstre Nacht,
Hell durchstrahle das Weltenrund
Stets von neuem und ende nicht!

Rückert theilt im ersten Bändchen seines Erbaulichen und Beschaulichen aus dem Morgenlande" folgenden Spruch von Hafis mit:

*) Daumer braucht um der größeren Fügsamkeit unter Reim und Versmaß willen Hafis als Jambus; obgleich die persische Wortform dazu kein größeres Recht giebt, als die Franzosen es haben, wenn sie aus unserm Schiller einen Schiller machen. Schon Göthe hat übrigens je nach Bequemlichkeit den Namen des perfischen Dichters bald als Trochäus, bald als Jambus gebraucht. Man vergl. z. B. Bösen Felssteig auf und nieder

Trösten Häfis deine Lieder.

Und dagegen:

Sei das Wort die Braut genannt,
Bräutigam der Geist:

Diese Hochzeit hat erkannt,

Wer Hǎfisen preist.

Laß aus dem Buch der guten Sitten hier
Dir lesen das Capitel feiner Zucht.

Wer schmerzlich dir das Herz aufreißt, dem gieb,
Wie der großmüth'ge Schacht, des Goldes Wucht.
Thu minder als der Fruchtbaum nicht, o gib
Dem, der mit einem Stein dich wirft, die Frucht.
Lern' von der Muschel Edelmuth, gib dem,

Der dich zerschlägt, die Perle, die er sucht.

Nicht so streng an die poetische Form und wohl auch nicht so streng an das einzelne Wort des Originals sich anschließend, aber natürlicher und ansprechender ist die Gestalt, welche das Gedicht bei Daumer (S. 37) gewonnen hat:

Zerrissen wird der Erde Bauch, und sieh', er giebt
Dem, welcher ihn zerrissen hat, Goldschäße Preis;
Steinwürfe fliegen auf den Baum und er gewährt
Dem, welcher ihn geworfen hat, Fruchtlabungen;
Zerschlagen wird der Muschel Leib, sie aber schenkt
Dem, welcher sie zerschlagen hat, ihr Perlenherz;
Was willst du, Mensch, unedler als der Erde Bauch,
Unedler, als der Baum und als die Muschel sein?

Unter Platen's Gedichten (II, S. 355 in der Duodezausgabe) findet sich folgende „Gasele nach Hafis":

Frohe Botschaft ist erschienen, Frühling käme grünbehart :

Was vom Sold ist eingegangen, sei für Ros' und Wein erspart.

Sagt, wo ist, da Vögel zwitschern, wo der Krug und wo der Trunk?

Bülbül klagt, dem Rosenantlig, wer entriß den Schleier zart?

Rosen pflücke von des Schenken rosigem Gesichte heut,

Denn schon um des Gartens Wange blüht das Veilchen rings als Bart. u. f. w. Dagegen singt Hafis bei Daumer (S. 39):

Selige Kunde tönt:

Der Lenz beginnt den Wonnelauf; Geht die Besoldung ein,

Sie geht für Wein und Rosen auf.

Himmel und Erde fragt:

„Wo ist der beste Keller, wo?“ Selber die Kutte lechzt;

Wohlan, es regne Wein darauf!

Aber in Anbetracht

Der Rosen fällt mir dieses ein:
Selbige sammeln wir

Von diesen Wangen ohne Lauf.

Einzig erschien Hafis

Auf dieser Erde deinethalb;
Reiche den süßen Mund!

Bald muß er wieder himmelauf.

Ein wunderbar zartes Tetrastichon lautet bei Platen (a. a. D. S. 354):

Hat vielleicht die weiße Lilie,

Da die Nachtigall gesungen,

Ganz im Lauschen sich verloren,,

Daß sie schweigt mit zehen Zungen ?

Wie viel verständlicher und doch zarter dasselbe Gedichtchen bei Daumer (S. 50):

Lilie hat der Zungen zehne;

Doch es schlägt die Nachtigall,
Und da schweigt sie vor Entzücken

Und zum Dufte wird ihr Schall.

Noch stehe hier das Gedicht, welches Rückert unter den „östlichen Rosen" unter der Aufschrift „der Wasserträger“ mittheilt: Sich, der dumpfe Wasserträger,

Der des Morgens von Haus zu Haus
Schreit Wasser in allen Gassen aus,
Wenn er kommt zu deiner Schwelle,

Und du trittst heraus,

Steht er wie gebannt auf die Stelle,

Und als gieng ihm das Wasser im Eimer aus.

Verlangen macht sein Auge zur Quelle,
Das gießt am Boden sein Wasser dir aus,
Von Liebe begeistert wird der Gefelle,
Er macht sich selbst einen Vers daraus,
Und trägt so mit verdoppelter Schnelle
Singend sein Wasser von Haus zu Haus.

Bei Daumer (S. 10) tritt dies Gedicht in einer Gestalt auf, in welcher es recht wohl unter Heine's Gedichten stehen könnte, ohne daß Jemand die ausländische Herkunft ihm anmerken würde:

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Endlich das Gedicht, welches unter den Daumer'schen Ueberseßungen wohl am populärsten geworden ist, weil es den eigenthümlichen

Charakter der Hafis’schen Poesie am prägnantesten ausspricht! In Rückert's „östlichen Rosen“ steht es unter der Aufschrift „Liebesandacht" in folgender Gestalt:

Osei in keinem Augenblick,

Mein Herz! von Rausch und Liebe leer!
wirf die Welt dir vom Genick, ·
Und deine Ichheit wirf ins Meer!

Der Liebe Meer ist reich und tief,
Die Eigenlieb' ist kahl und seicht.
Der Gang der Welt ist dumpf und schief.
Der Flug der Lieb' ist hoch und leicht.

Sich an den frommen Mönch, und nimm

Ein Beispiel dran, nicht so zu sein.
Der Herr läßt leben gut und schlimm,
Die Selbstsucht nur verdammt allein.

Wenn du den Himmel hast in dir,

So ist dir Tod und Leben gleich,
Und hast du nicht den Himmel hier,
Was nüht dir dort das Himmelreich?

Lieb' etwas hier und bet' es an,
Vergöttre nur dich selber nicht.
Mir brach der Eigenliebe Wahn,
Als ich dir sah in's Angesicht.

Du hast mit deiner Locken Band
Der Ichheit Fesseln abgeknüpft,
Und an der Seelen Vaterland
Mit deinen Blicken mich geknüpft.
Es hätte mich Verzweifelung
Getödtet über deinen Glanz,
Hätt' ich in Liebeshuldigung
Nicht dir mich hingegeben ganz.

Du hast die Welt in Licht getaucht
Und hast mich außer mich gestellt,
Von deinem Oden angehaucht,
In dir zu schauen Gott und Welt.

Ein Gößendiener bist du zwar,
Hafis, doch dienst auch du dem Herrn,
Denn wessen Rausch die Liebe war,
Wie wär' dem Quell der Lieb' er fern?

Dagegen lautet es bei Daumer (S. 82):

Enthalte dich der Nüchternheit,

So bist du auf der rechten Bahn; Denn daß der Rausch zur Seligkeit

Unnüße sei, das ist ein Wahn.

Wahrhafter Offenbarung_Licht,
Das wirst du nur im Rausch empfah’n;
Denn daß der Unberauschte nicht

Ganz finster sei, das ist ein Wahn.

Sich an den Mönch, den fluchenden,

Und nimm dir ein Exempel dran! Denn daß er nicht mit Haut und Haar Des Teufels sei, das ist ein Wahn.

Mit aller Andacht früh und spat

Lies in der Schönheit Alkoran! Denn daß ein ander heilig Buch Authentisch sei, das ist ein Wahn. Nur nicht dein Ich vergöttere;

Doch was du liebst, o bet' es an! Denn daß die Liebe Gößendienst

Und Keßerei, das ist ein Wahn.

Wie kniet Hafis vor seinem Stern!

Und o, wie ist es wohlgethan! Denn daß dem Gott der Liebe fern Die Liebe sei, das ist ein Wahn.

Wie sehr auch das Gedicht bej Rückert durch Zartheit, Innigkeit und Gedankentiefe anspricht: es erhält in Daumer's Nachbildung

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