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Bearbeitung des A. Gryphius, welche als Peter Squenz bekannt ist, bekam es eine veränderte Gestalt, die aber an das Original auf das deutlichste erinnert*). Einige Namen der agirenden Personen, wie Squenz und Meister Bulla Butäin sind aus dem Sommernachtstraum beibehalten **). Die Scenerie im Peter Squenz ist dieselbe wie im Sommernachtstraum. In dem ersten Acte besprechen sich der Schreiber und Schulmeister P. Squenz, Pickelhäring,,,des Königs lustiger Rath" und einige Handwerker über ein Stück, das fie vor dem König Theodorus, seiner Familie und seinem Marschall aufführen wollen. Der König hat den Reichstag glücklich beendet. Nicht zu seiner Hochzeit, wie im Sommernachtstraum, wird das Stück aufgeführt, aber der Zweck ist derselbe, die Schauspieler wollen von dem König eine Belohnung erhalten. Der Mond, der Löwe, die Wand treten als Personen und außerdem ein Brunnen auf, der sich im Sommernachtstraum nicht findet. Im zweiten Acte wird dem Könige wie im Sommernachtstraum ein Verzeichniß überreicht, auf welchem die Schauspiele angegeben sind, von denen aber Squenz mit seinen Freunden nur das lezte „,,Pyramus und Thisbe" spielen kann. In dem dritten Aufzug geht das Spiel vor sich. Die Zuschauer, der König mit seiner Familie, sprechen dazwischen, Squenz liest den Prolog vor, weil sein Gedächtniß nicht weiter kann, die Spieler fallen aus der Rolle, schimpfen und prügeln sich unter einander, so daß das Stück mit Recht ein Schimpfspiel heißt. Der Mond schlägt dem Löwen die Laterne um den Kopf, der Löwe erwischet den Monden bei den Haaren, in diesem Getümmel werfen sie den Brunnen um und zerbrechen ihm den Krug, der Brunnen schläget beiden die Scherben um die Ohren, P. Squent will Friede machen, wird aber von allen dreien darnieder geriffen und bekommt sein Theil Schläge auch davon (p. 745)". Die Person des Brunnens ist in der Art, wie sie das Geräusch des Waffers nachahmt, die originalste Figur. (Vgl.

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vately presented by several apprentices for their harmless recreation, with great applause. Lond. 1661. 4.

*) Der vollständige Titel heißt: Absurda comica oder Herr Peter Squenz. Schimpfspiel. In Andreae Gryphii um ein merkliches vermehrten teutschen Gedichten, Leipzig 1698. p. 719-752.

**) Der Name Butäin ist offenbar Bottom, wie Zettel im Originale des Sommernachtstraums heißt. Bulla Butäin scheint aus der Anrede bully Bottom (3, 1) entstanden zu sein, die Squenz an Zettel richtet.

p. 742). Der Löwe, Pyramus und Thisbe sprechen ähnlich wie ihre Driginale im Sommernachtstraum; auch im Peter Squenz ist der Löwe besorgt, für einen Löwen gehalten zu werden (p. 745): Ihr lieben Leute erschrecket nicht,

Ob ich gleich hab ein Löwen Gesicht
Ich bin kein rechter Löw bey traun,
Ob ich gleich habe lange Klaun,
Ich bin nur Klipperling der Schreiner,
Ey lieber glaubts ich bin sonst keiner.
Hie ist mein Schurzfell und mein Hubel,
Macht doch nicht einen solchen Trubel.
Ich bin doch ja ein armer Schinder,
Ich habe das Haus voll kleine Kinder,
Die mir mit ihren Brodtaschen
Das Geld in zwölff Leib vernaschen.

Die große Noth hat mich hierher getrieben,
Es wär sonst wohl unterwegen blieben.
Drum hoff ich unser Herr König

Der werd' ißund angreifen sich.

Und uns armen Comödianten

Dafern wir nicht bestehn mit Schanden

Eine kleine Berehrung geben,

Deßwegen tragir' ich den Löwen.

Die lächerliche Art, wie Pyramus und Thisbe in ihrer Verzweiflung und bei ihrem Tode schon im Sommernachtstraum sich benehmen, ist im Peter Squenz noch mehr ins Lächerliche übertrieben: „Was mach ich denn nur auf der Welt? (sagt Thisbe)

Ich achte nun kein Gut und Geld.
Ich werde mich wohl auch erstechen
Oder mir ja den Hals entzwei brechen.
hätt' ich nur den Pfeil allhie,
Ich stache mir dann in die Kniee,
Doch er ist weit daheim im Schmeer,
Schaut, hier liegt Pyramus Gewehr.
Gute Nacht, liebes Mütterlein,
Es muß einmal gestorben sein;
Gute Nacht, lieber alter Vater,
Ihr allerschönster grauer Kater.
Mein Pyramus, ich folge Dir

Wir bleiben beisammen für und für.

Ade, mein liebes Mäuselein,

Ich steche mich in mein Herzhäuselein.“ (p. 749).

Den Epilog spricht dann Peter Squenz. Er zieht die Nuganwentungen aus dem Drama. Man solle lernen, wie gut es sei, von

Liebe frei zu bleiben (p. 750)*); er fügt dann noch andere nüßliche und lächerliche Lehren hinzu. Die Schauspieler erhalten von dem König die Belohnung, auf die sie es abgesehen hatten; so viel Gulden, als sie Fehler (Saue nennt es Squenz) in dem Stücke gemacht haben. Und sie scheiden mit dem Versprechen, bei der nächsten Aufführung mehr Fehler zu machen um mehr Geld zu verdienen.

Die große Abhängigkeit des Peter Squenz vom Sommernachtstraum braucht nicht weiter erörtert zu werden. Der Unterschied beider Dramen besteht darin, daß im Peter Squenz Charaktere und Situationen sehr vergröbert find. Die harmlosere Luftigkeit eines Zettel wird man bei Gryphius vergebens suchen. Es kommen ferner in dem Peter Squenz eine Anzahl von Wizen vor, die im Sommernachtstraum sich nicht finden; aber einige davon tragen das Gepräge des Cynischen und Gemeinen. Der hauptsächlichste Unterschied beider Stücke ist in dem Charakter des Squenz zu finden, der sich für ein Universalgenie (Universalem p. 728) hält, das in allen Wissenschaften bewandert sei, wovon er kümmerliche Proben giebt. Und das Stück ist dadurch, wie Gervinus treffend bemerkt**), eine Satyre auf armselige Poeten, Meistersånger und Bettelcomödianten geworden.

Wir fehren nun noch einmal zu den Elfen zurück, um zu betrachten, welche Sitten und welchen Charakter sie auf ihrer Wanderung aus Shakspeare's Sommernachtstraum in Wieland's Oberon angenommen haben.

*) Die Liebe redet Pyramus (p. 736) mit den Worten an:
Ja Cupido Du Bårenhäuter,

Du hast verderbt einen guten Reuter,

O süße Liebe, wie bistu so bitter,

Du fichest aus wie ein Moßkewiter.

Thisbe nennt den Cupido einen „schlimmen Hund“ p. 739. Der Ausdruck Moßkewiter kommt noch einmal vor p. 749, wo Thisbe sagt:

O Piramus, Du edler Ritter,

Du allerschönster Muskowitter.

Ich vermuthe, der Ausdruck Moscowiter kam in das Stück aus Shakspeare's „verlorner Liebesmühe“, wo (5, 1) die liebenden Helden vor ihren Damen als Moscowiter verkleidet erscheinen.

**) Geschichte der deutschen Dichtung 3, P. 447.

Halberstadt.

(Fortsetzung folgt.)

Dr. Carl Conrad Hense.

Ueber die

Grundidee des Shakspeare'schen Dramas Heinrich IV.

Theil I.

Gervinus sagt in seinem Werke über Shakspeare, da wo er von dem „politischen Thema" spricht, das den Dichter in Richard II. und den folgenden Dramen beschäftige: „Aus Heinrich's IV. Regierung sollen wir lernen, daß der königliche Pflichteiser zwar die Usurpation erhalten, aber das Unrecht, das in ihr begangen war, nicht sühnen könne, und daß ein widerrechtlich erworbenes Reich durch bloßes Verdienst, auch bei der geschicktesten und schlauesten Charakteranlage, nicht vor den größten Erschütterungen gesichert sei. “— Wir halten es nun zwar mit dem bekannten Worte unseres eigenen Dichterheros, Goethe's, daß die Kunst, mithin auch das Drama, nicht lehre, sondern darstelle, auch sind wir keineswegs der Meinung, daß die obige Moral, die Gervinus aus Shakspeare's Heinrich IV. gezogen hat, irgend eine Verwandtschaft mit dem „politischen Thema" oder vielmehr der historischen Idee habe, die den Stoff der beiden Theile dieses Dramas durchdringt und beherrscht; dennoch aber ist es nicht unsere Absicht, in gegenwärtiger Abhandlung ausschließlich oder auch nur vorzugsweise auf diese einzugehen, vielmehr werden wir hier die allgemein menschliche Idee herauszustellen uns bemühen, die in jedem historischen Drama Shakspeare's gleichsam den Mutterboden bildet, aus dem sich jene erst entwickelt. Auch reicht in der That weder Heinrich IV. noch irgend ein anderes einzelnes Drama des großen Cyclus, der als Ganzes den Todeskampf des Mittelalters darstellt, für sich allein aus, eine

historische Idee im eigentlichen Sinne in sich auszuprägen. Denn diese ist nichts Anderes als der Fortschritt des Menschengeistes selbst zu einer neuen Stufe des Bewußtseins, ein Fortschritt, der, da er die Umwandlung der inneren Lebensmacht der Einzelnen zur Voraussetzung hat, nur allmählig sich vollziehen und erst am Schlusse eines Zeitraums als die eigents liche Seele, als das gestaltende Princip der ganzen vorausgegangenen Entwickelung zur Erscheinung kommen kann. Es ist also erforderlich, damit ein einzelnes Drama eine historische Idee vor die Anschauung zu stellen vermöge, daß dasselbe, wie etwa Shakspeare's Julius Cäsar, an einem großen Wendepunkte der Geschichte stehe, wo der neue Geist, der lange schon in den Gemüthern webte, plöglich zum Durchbruch kommt und auch die äußeren Lebensformen nach sich gestaltet; nur an einem solchen Punkte stehend, der die vorausgegangene Bewegung zu dem neuen Geiste hin, gleichsam perspectivisch, als seinen Hintergrund in sich trägt, wird auch das Drama den Entwickelungskampf desselben in seinen engen Raum zusammenpressen können. Auch läßt sich in dem eben genannten Drama der Fortschritt, den der Menschengeist mit dem Fall der Freiheit Roms zurückgelegt hat, in der That nicht weniger klar nachweisen, als es die Philosophie an der empirisch vorliegenden Geschichte bereits gethan hat, und mit gleichem Resultate. In Shakspeare's Julius Cäsar nämlich fällt in Brutus zugleich das staatliche, nationale Princip selbst, das das ganze Alterthum beherrschte, und zwar fällt es durch die Macht der individuellen menschlichen Empfindung, die, früher vom Staat erstickt und ihm gegenüber unberechtigt, jezt schon alle Einzelnen durchdringt und selbst in Cäsar's Mördern, den Wiederherstellern der alten Zeit, so mächtig ist, daß sie durch diese mehr, als durch ihre Feinde unterliegen, die aber auch die eigent liche Quelle der Macht der Lesteren ist *).

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Der Fortschritt des Bewußtseins also, der im Julius Cäsar dargestellt wird, ist die Emancipation des Herzens als individueller Lebensmacht, das in diesem Sinne im ganzen Alterthum zu keiner Anerkennung gelangt war, das aber die Basis und die Seele der ganzen späteren Entwickelung wurde. Hier also hat Shakspeare

*) Man vergleiche meine Bearbeitung dieses Dramas, die das hier Angedeutete ausführt und beweist.

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