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Sievers sieht im ganzen Mittelalter einen Lichtcultus, in der mittelalterlichen Liebe die menschliche Verwirklichung desselben. So wie das Licht in der Natur die Vermählung von Geist und Materie sei, so sei die Liebe das geistige Licht; die Vermählung von Mann und Weib lichte das Dunkel, in welchem die Welt dem einzelnen Menschen erscheinen mußte. Dies gehört nicht in's Germanen thum. Die Menschheit hatte vielleicht noch die asiatische und ägyptische Weltan schauung im Leibe, aber so in Blut umgeseßt, daß man im Mittelalter das Licht nur als Bild für alles Freudige und Liebe brauchte, keineswegs als ausgesprochenen Gipfel alles Glaubens und Fühlens anerkannte.

So ist denn wohl auch in der Architektur des Mittelalters nicht die Versveetive die Hauptsache — denn die Alten hatten ja auch Perspective, nur nicht nach der Höhe hin, sondern nach der Länge. Wenn man ja von Perspectiven anderswo als in der Malerei reden darf, so reichen die gothischen Dome mit_ibrer_Persvective vor Allem in die Unendlichkeit. Himmel und Jenseits versuchten sie darzus stellen, nicht etwa das Licht als solches. Die Dreieinigkeit, welche ein bloßes Ergebnis der Vergöttlichung Gbristi ist, ein Symbol der Aufhebung aller Zablens unterschiede im Weltgeist, will Sievers als eine Ausstrahlung des Lichtcentrums fassen.

Im Einzelnen soll zum Beispiel Romeo S. 25 das Licht vermeiden ans ganz besondern Lichtgründen, während es noch heut zu Tage und immer natürlich ist, daß, wer einsam und traurig sein will, sich auf jede Weise abschließt. If auch eben Manches in der Bearbeitung unvergleichlich (namentlich die Ausfassung der Julie), so verleidet die gewaltsame Beziehung auf das Licht uns die feinen Bemerkungen über Gharakteristik, die hie und da uns überraschen. Mit der Fülle von Scharfsinn und Talent, die der Verfasser auch in seinen Fehlern bekundet, müßte er, unserer Ansicht nach, sehr Bedeutendes leisten, wenn er das nonum prematur in annum sich zu Herzen nähme. Denn, wenn irgendwo, so gilt in Bezies hung auf Kunstwerke und ihre Betrachtung das Wort Göthe's:

Oft wenn es erst durch Jahre durchgedrungen,
Erscheint es in vollendeter Gestalt.

Der Verfasser hat die beste Gelegenheit, diesen Ausspruch in seinem lehten Theil an einer Arbeit über Othello zu bethätigen. Hierzu hat er im Herrig's Archiv u. a. a. D. vortreffliche Vorstudien geliefert und wir möchten seine vereinzelt ausgesprochenen Gedanken wohl in einer andern Methode als Ganzes zusammengestellt sehen. Palleske.

Englands Geschichtschreiber von der frühesten bis auf unsere Zeit. Von Friedr. W. Ebeling. Mit einem Register aus zwei Beilagen. Berlin, Herbig. 1852.

Herr Ebeling hat sich, wie er uns in der Vorrede erzählt, schon seit 7 Jahren mit dem Plane getragen, eine „Geschichte der Gesammt-Literatur Englands“ vers auszugeben. Weil er es indeß für unmöglich hält, das zu diesem Zwecke bereits angesammelte riesige“ Material schon jetzt in angemessener Weise vollständig zu bearbeiten, will er sich vorläufig darauf beschränken, aus dem vorbandenen Stoffe einzelne Theile auszuscheiden, um sie in einer selbständigen, „in sich abgerundeten* Form den Publikum vorzulegen. Die „Geschichtschreiber Englands“ bilden die erste dieser Mittheilungen und sind unseres Grachtens ein Werk, dem man einen gewissen Werth nicht absprechen darf, wiewohl der Verf. selbst seine Bedeutung in etwas überschätzt zu haben scheint. Ist auch zuzugeben, daß der vorliegenden Schrift ihrem Zwecke und Jubalte nach keine gleiche zur Seite steht", so zweiscla wir doch sehr an der Berechtigung, fie mit großartigen Leistungen wie Larrens berg's Geschichte Englands und Huber's Geschichte der englischen Universitäten“ auch nur in eine entfernte Parallele zu stellen. Und wenn es leider nur zu wahr ist, daß dem unleugbaren „Bedürfnisse nach einer Geschichte der englischen Gesammt= Literatur bis auf den heutigen Tag noch nicht abgeholfen worden“, so liegt in diesem Umstande doch keineswegs Grund zur Hoffnung, daß man das in Rede

stehende „Opus“ als „einen wesentlichen Beitrag“ zu dieser Geschichte „hinnehmen werde". Vielmehr dürfte das Maß der Anerkennung, auf welche es mit Recht Anspruch machen kann, dadurch an richtigsten bestimmt werden, daß man es als eine nicht unbrauchbare Vorarbeit für die künftige Geschichte der englischen Historiographie bezeichnet.

Der Verf. gibt im Wesentlichen nichts als ein chronologisch, d. h. nach der Folge der Jahrhunderte geordnetes Register der engl. Geschichtschreiber und ihrer Werke. An die Namen der Schriftsteller knüpfen sich in der Regel einige kurze biographische Notizen, welche meist nur die Geburts- und Sterbejahre, hin und wieder auch die wichtigsten Lebensmomente hervorheben. An die Aufführung der einzelnen Schriften schließt sich fast durchgängig ein Verzeichniß der namhafte ren Ausgaben, dem nicht selten ein Hinweis auf die eine oder andere (deutsche oder französische) Uebersetzung beigefügt wird. Wir sind nicht in der Lage, um bez urtheilen zu können, ob die Angaben des Verf. überall richtig sind, wollen indeß gerne glauben, daß die Verdienste, die er sich in dieser Beziehung mehrfach vindizirt, nicht unbegründet sind, wenn auch die erschreckende Menge von Ungleichheiten, Gutstellungen, Verkehrtheiten, gewissenlosen Willkürlichkeiten und Absurditäten, die sich beinahe überall finden, wo bisher von Deutschen über einzelne Theile der engl. Literatur geschrieben worden“, einer Hyperbel sehr ähnlich sieht. Wir be schränken uns daher auf ein paar allgemeine Bemerkungen, die lediglich den Plan des Werkes und dessen Ausführung im Ganzen betreffen.

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Gs ist, scheint uns, nicht zweifelhaft, daß Herr Gbeling vollkommen Recht hat, wenn er bemerkt, daß die von ihn befolgte chronologische Anordnung vor der alphabetischen mannigfache Vorzüge biete“. Eine andere Frage aber ist, ob der Rugen, den seine Arbeit gewähren kann, nicht wesentlich erhöht worden wäre, wenn er die in ihr aufgeführten Schriftsteller nach dem Inhalte ihrer Werke gruppirt bätte. Wir meinen, eine Uebersicht der Historiker, welche die Hauptabschnitte und die verschiedenen Richtungen des geschichtlichen Lebens zur Grundlage nähme, also etwa die Werke über Universalgeschichte von denjenigen trennte, welche die Geschichte eines einzelnen Volkes, einer bestimmten Gpoche behandeln und ferner die Bearbeitungen der politischen, Literaturz, Kirchen-Geschichte u. s. w. in besonderen Abschnitten zusammenstellte, würde, namentlich in Betreff der Leichtigkeit und Mannigfaltigkeit des Gebrauchs, dem chronologischen wie dem alphabetischen Verzeichniß entschieden vorzuziehen sein. Freilich wäre eine Eintheilung dieser Art da nicht am Orte, wo eine eigentliche Geschichte des in Nede stehenden Zweiges der Literatur beabsichtigt wird. Und der Verfasser scheint, wie schon angedeutet wurde, zu glauben, daß er in seiner Schrift eine solche Geschichte, wenn auch nur in nuce, wirklich geliefert habe. Es ist das aber nach unserem Dafürhalten eine arge Täuschung; zu einer geschichtlichen Entwickelung der engl. Historiographie fehlt der vorliegenden Arbeit nicht mehr wie Alles.

Zwar hat der Verf. den biographischen und bibliographischen Notizen, die wir vorhin als den wesentlichen Inbalt seines Werkes bezeichneten, wenigstens bei den namhafteren Historikern einige Bemerkungen hinzugefügt, durch welche Werth und Charakter ihrer Leistungen näher bestimmt werden soll. Diese Urtheile sind indeß, wenn sie auch hin und wieder nicht grade unrichtig sein mögen, durchgängig viel zu allgemein gehalten und in der Regel gar zu wenig begründet, als daß sie zu čer beabsichtigten Gharakteristik irgendwie ausreichen sollten. Es dürfte sogar gestattet sein, die Mehrzahl derselben für ziemlich seicht und oberflächlich zu erklären. Auch finden sich unter ihnen manche, die im Grunde gar nicht das fine, wofür sie fich ausgeben. Herr Ebeling liebt es, die Resultate seiner critischen Forschungen durch mancherlei mehr oder minder piquante Zugaben, die theilweise mit jenen in gar keinem Zusammenhange stehen, zu würzen, wobei indeß vielleicht auch die Absicht mitgewirkt hat, den Umfang seiner Schrift über das nothwendige Maß hinaus zu erweitern.

So wird gewiß Niemand erwarten, in einem Werke, das von den Geschichtschreibern Englands handelt, in der ersten Beilage (S. 145 - 173) ein Verzeich= niß der Fragen zu finden, die „in den Jahren 1844 46 den Candidaten der

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Theologie des Lancashire Independent - College bei der Prüfung vorgelegt worden find“ und hier sowohl im Original wie in einer deutschen Ueberseßung - der Verf. scheint überhaupt vorausgesetzt zu haben, daß die Leser seiner Schrift des Englischen unkundig sind, s. z. B. S. 71 mitgetheilt werden. Nicht minder muß es überraschen, wenn der Verf., nachdem er den Historiker Southey in einer halben Zeile abgefertigt hat, den Dichter des Roderich durch mindestens 8 Seiten füllende Auszüge zu charakterisiren fucht (S. 13138). Einem äbnlichen hors d'oeuvre begegnet man S. 121 28, wo Herr Ebeling, statt über die historischen Leistungen James Montgomery's Auskunft zu geben, eine Blumenlese aus seinen Dichtungen zusammenstellt. Von anderer Art ist die ganz unerwartete Mitthei lung, welche uns S. 81 92 geboten wird. Wir erhalten hier zunächst eine summarische Inhaltsangabe der Geschichte Amerika's von Robertson, gegen die sich nichts würde einwenden lassen, wenn sie_nicht so ganz vereinzelt dastände. Se dann aber findet es der Verf. seltsamer Weise sowohl im Interesse seines Publicums wie im Besonderen des künftigen Geschichtschreibers Amerika's, die vorzüglichsten gedruckten Quellen und Hülfsmittel, die Robertson benußte, nambaft zu ma chen". Uns will bedünken, daß die Leser der vorliegenden Schrift im Allgemeinen gar keine Veranlassung haben, an den Quellen grade dieses Werkes eines einzelnen Historikers ein besonderes Interesse zu nehmen. Was aber den Geschichtschreiber Amerika's angeht, so zweifeln wir nicht, daß derselbe, wenn er anders seiner Aufgabe gewachsen ist, die Kenntniß der Vorarbeiten aus ihnen selber schöofen werde.

Wir wiederholen, was wir schon an einer früheren Stelle ausgesprochen ba: ben: die vorliegende Schrift kann durchaus keinen Anspruch darauf machen, als „ein wesentlicher Beitrag zur Geschichte“ der engl Historiographie zu gelten. Fern davon, den innern Entwicklungsgang dieses Zweiges der Literatur irgendwie aufgedeckt zu haben, gibt sie selbst über die einzelnen Historiker und deren Werke nur unerhebliche, bedeutungslose Aufschlüsse. Man sieht daher nicht wohl ab, mit wel chem Rechte der Verf. (§. VII.) erklärt, daß seine Arbeit zu einem bistorischen Bücher Cataloge im strictesten Gegensaße stehe". Uns scheint, daß sie von einem solchen gar nicht wesentlich verschieden ist. Bringt man die vorhin erwähnten ganz ungehörigen Zugaben, sowie die fast durchgängig werthlesen räsonnirenden Partien in Abzug, so bleibt eben nur das Verzeichniß der Schriftsteller und ihrer Werke als der eigentliche Kern des Buches übrig. Diesen Kern wollen wir keineswegs gering achten; er hat in unsern Augen einen weit höheren Werth wie die buntfars bige Schaale, in welche er vom Verf. eingehüllt worden ist. Ein mit Umsicht und Geschick angefertigter Catalog ist eine um so verdienstlichere Arbeit, da die zu ihrer Ausführung erforderliche Beharrlichkeit nur sehr selten angetroffen wird. Man hat allen Grund, dem Verf. eines solchen Werkes für die aufgewandte Mübe zu danken, besonders dann, wenn seine Angaben so zuverlässig und vollständig sind, wie das in der vorliegenden Schrift der Fall zu sein scheint.

Wir sagten schon, daß uns die Mittel fehlen, um die Richtigkeit der ven Herrn Ebeling gegebenen Bestimmungen zu prüfen. Was aber die Vollständigkeit derselben betrifft, so konnten wir wenigstens für die neuere Zeit unfre eigenen Vers zeichnisse zur Vergleichung heranziehen. Und da hat sich denn ergeben, daß in dieser Beziehung die vorliegende Arbeit allen billigen Anforderungen Genüge leistet. Wir haben zwar den einen oder andern Schriftsteller, wiewohl keinen der namhafteren, vermißt; auch sind bei Manchen nicht alle in Betracht kommende Werke aufgeführt worden, doch sind diese Lücken nicht so erheblich, daß sie der eben ausgesprochenen Anerkennung Eintrag thun könnten. Ueberdem ist eine absolute Vollständigkeit auf dem in Rede stehenden Gebiete kaum möglich. Wenn aber der Verf. sie von vornherein als etwas bezeichnet, was gar nicht in seiner Absicht ges legen habe, so können wir wenigstens in dem eigenthümlichen Charakter der Schrist selbst keinen zureichenden Grund für diese freiwillige Beschränkung auffinden.

Ebenso ungerechtfertigt erscheint uns die zeitliche Grenze, die sich Herr Gbeling gesteckt hat er schließt sein Verzeichniß mit dem Jahre 1845 ab — ; denn wenn S. XII bemerkt wird: die Historiographie kann zu ihrer völligen Würdigung das Neberleben wenigstens einer Generation verlangen“, so können wir zus

nächst nicht zugeben, daß eine solche Würdigung“ hier in Frage_stehe, würden aber auch, falls dem doch so wäre, in Abrede stellen, daß eine Ansicht, welche der Geschichte gegenüber vielleicht nicht ganz grundlos ist, auch in Bezug auf die Geschichtschreiber geltend gemacht werden dürfe. Uebrigens scheint der Verf. selbst sich später eines Andern besonnen zu haben; wir lesen wenigstens auf dem Umschlage unserer Schrift die Ankündigung eines Supplementes", in welchem Englands historische Literatur seit den legten fünf Jahren“ vorgeführt werden soll. Hoffentlich besißt diese Fortseßung der vorliegenden Arbeit alle Vorzüge derselben, ohne ihre Mängel zu theilen. Namentlich würde es sehr erwünscht sein. wenn der Verf. die Beurtheilung der angeführten Schriftwerke, die in der bisher beliebten Form nichts nüßen, wohl aber in mehr als einer Rücksicht schaden kann, bei Seite lassen und an Stelle derselben ein gedrängtes, objectiv gehaltenes Resumé ihres wesentlichen Inhaltes geben wollte. Brockerhoff.

Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete des Deutschen, Griechischen und Lateinischen, herausgegeben von Dr. Theod. Aufrecht, Privat- Docenten an der Universität in Berlin und Dr. Adalb. Kuhn, Lehrer am Cöln. Gymnafium daselbst. I IV. Heft. Berlin, 1851. —

Der Zweck, den die obengenannte Zeitschrift befolgt, wird von den Herausge bern in folgenden Worten bestimmt: Sie soll durch eine kritische Begründung der deutschen, griech. und latein. Sprache, zuallermeist aber des etymologischen Theiles derselben, deren ursprüngliche Gestalt wieder aufbauen, die Bedeutung der ausgebildeten Formen erforschen und hierdurch die Weise auffinden helfen, in welcher die Urvölker ihre Anschauungen in Raum und Zeit vermittelst der Sprache ausgedrückt haben. Diese Untersuchung soll entweder durch eine methodische Behandlung einer der drei Sprachen, unter steter Berücksichtigung ihrer Dialekte, oder eine besonnene Vergleichung derselben untereinander, wobei das Sanskrit zu Rathe zu ziehen unentbehrlich sein wird, angestellt werden“. Man muß unbedenklich zugeben, daß die so gefaßte Aufgabe vollkommen berechtigt und ihre Lösung, wenn fie anders mit einigem Erfolge angestrebt wird, ein eben so würdiges wie verdienstvolles Unternehmen ist. Die historische Sprachforschung, diese unentbehrliche, einzig zuverlässige Grundlage einer wahrhaft wissenschaftlichen Erkenntniß der Sprache, hat zwar in jüngster Zeit außerordentlich an Umfang und Bedeutung gewonnen. Dennoch läßt sich nicht in Abrede stellen, daß die Anerkennung ihres Werthes und die thätige Theilnahme an ihrer Fortbildung noch keineswegs so verbreitet ist, wie es im Interesse sowohl der Wissenschaft selbst als in dem ihrer Anwendung für die Praxis des Unterichts zu wünschen wäre. Die Mehrzahl derer, welche an unseren höheren Lehranstalten den sprachlichen Unterricht zu ertheilen haben, sind mit dem in Rede stebenden Zweige der Sprachwissenschaft entweder gar nicht oder doch nur in sehr oberflächlicher Weise bekannt. Mindestens ist das Interesse, mit dem sie die Entwicklung desselben begleiten, nicht so rege und lebendig, daß es irgend welche reelle Frucht tragen könnte. Man würde ihnen indeß ohne Frage großes Unrecht thun, wollte man sie allein für diese Theilnahmlosigkeit verantwortlich machen. Sie ist wesentlich eine Folge des Umstandes, daß man ihnen bisher die Methode und die Ergebnisse der betreffenden Untersuchungen nicht in der Weise nahe gelegt hat, welche einzig und allein ihre Theilnahme hervorrufen und sichern kann. Wo die Berufsthätigkeit den weitaus größten Theil der Zeit und Kraft in Anspruch nimmt, darf ein mühsames und zeitraubendes Studium umfassender Werke weder verlangt noch erwartet werden. Und dies waren bis dahin die einzigen Quellen, aus welchen die Kenntniß der historischen Sprachforschung und ihrer Resultate ge schöpft werden konnte. Jede Wissenschaft, die noch in den ersten Stadien ihrer Gutwicklung begriffen ist, hat einen mehr oder weniger esoterischen Charakter und die Zahl derer, welche fie anbauen, pflegt zu dem Umfange der Werke, in denen sie

behandelt wird, in umgekehrtem Verhältnisse zu stehen. Das sicherste Mittel, den Kreis ihrer werkthätigen Freunde zu erweitern, ist die Verengung der Darstelluns gen, welche sie zum Gegenstande haben. Es unterliegt daher keinem Zweifel, daß, wenn die Herausgeber der vorliegenden Zeitschrift zu ihrem Unternehmen theilweise durch die Absicht bestimmt worden sind, die Sprachvergleichung auch dem Lebrerstande zugängig zu machen, sie zu diesem Ziele den geeignetsten Weg eingeschlagen haben.

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Gbenso gewiß ist, daß es zur schnelleren und sicheren Erreichung des gedachten Zweckes durchaus angemessen war, - die übrigen mehr sachlichen Motive wollen uns nicht recht einleuchten, die Zahl der zu behandelnden Sprachen in der Eingangs erwähnten Weise zu beschränken. Weder die orientalischen, noch die übrigen, neben dem deutschen bestehenden europäischen Zweige des indogermanischen Sprachstammes sind geeignet, die Gesammtheit der Lehrer, welche nur in sehr sel tenen Fällen durch ihren Beruf auf sie hingewiesen werden, für sich zu interessiren. Um so mehr ist dies bei den drei Sprachen der Fall, welche den Umkreis der Gr: örterungen, die in der vorliegenden Zeitschrift gegeben werden sollen, auszufüllen bestimmt sind. Die Herausgeber haben, als sie ihre Wahl trafen, wie es scheint ausschließlich die Gymnasiallehrer“ im Auge gehabt (s. den Prospectus). Bir glauben indeß, daß sie auch die Theilnahme derer, welche an Real- und anderu höheren Schulen im sprachlichen Unterrichte thätig sind, mit allem Rechte in Auss sicht hätten nehmen dürfen. Sehen wir auch davon ab, daß das Studium der neuern Sprachen, welches an den genannten Anstalten vorzugsweise gepflegt wird, sich selbstverständlich auch auf die deutsche zu erstrecken bat, so ist es ja tech hent zu Tage keine Frage mehr, daß, wer sich einer wissenschaftlichen Kenntniß des Französischen und Englischen rühmen will, mit den wichtigsten Glementen dieser Idiome, der deutschen und lateinischen Sprache vertraut sein muß. Man dari daher wohl erwarten, daß die Zeitschrift sich auch unter den Vertretern der meders nen Philologie recht zahlreiche Freunde erwerben werde, namentlich wenn die Redaction dafür Sorge trägt, daß die angedeuteten Berührungspunkte in ihren Mittheilungen möglichst oft und deutlich hervortreten. Schon finden sich in den 4 ersten Heften, die hier zur Besprechung vorliegen, einzelne Auffäße, deren Inbalt geeignet ist, die wünschenswerthe Vermittlung zu fördern. Dahin gehört ver Allem die Abhandlung von Pott: „Plattlateinisch und Romanisch“ (S. 309 — 330), die zwar zunächst im Interesse der lateinischen Sprache geschrieben ist, aber, wie es die Natur des Gegenstandes und die stupende Gelehrsamkeit des Verf. mit sich bringt, eine Menge sprachlicher Erscheinungen aus dem Gebiete der romanischen, ins Be sondere des (alt- und neu-) franzöf. Idioms behandelt. Andrerseits sind unter den deutschen Wörtern, deren etymologische Erklärung versucht wird, nicht wenige, die grade der angelsächf. Mundart angehören und deßhalb für den Freund und Bears beiter der englischen Sprache ein unmittelbares Interesse haben. (s. z. B. Jac. Grimm: Neber Sâgara, S. 209 fgg.). Vielleicht ist es den Herausgebern möglichk, ohne daß sie darum ihren nächsten Zweck aus den Augen zu verlieren brauchen, in der hervorgehobenen Beziehung künftig noch etwas mehr zu thun, wie bis jest schon geschehen ist.

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Im Allgemeinen aber muß unbedingt anerkannt werden, daß die bereits er: schienenen Lieferungen der Zeitschrift allen Anforderungen, die dem Programm gemäß an sie gestellt werden können, im vollsten Maße Genüge leisten. Die Res daction darf es sich mit allem Grunde gestatten, „auf die Fülle des bis jezt be handelten Stoffes aufmerksam zu machen“ und ist ganz in ihrem Rechte, wenn sie meint, daß der vorliegende erste Halbband zeigen werde, wie sie „beflissen sei, ibren sest ausgesprochenen Plan beharrlich fortzuführen." Derselbe enthält eine Reihe von Aufsätzen, die sich im Ganzen ebenso sehr durch die Gediegenheit wie durch die Mannigfaltigkeit ihres Inhaltes auszeichnen. Wir haben eine nicht geringe Anzahl dieser Abhandlungen durchgelesen, aber keine angetroffen, der wir das Brácicat einer tüchtigen Arbeit versagen möchten. Es versteht sich von selbst, daß man den Gang der hier geführten Untersuchungen nicht überall billigen und ebensowenig die Ergebnisse der Darstellung durchgängig acceptiren kann. Man wird aber kaum

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