Page images
PDF
EPUB

für den Theseus zärtliche Sympathien, sie führte ihn von Perigenia hinweg und veranlaßte ihn der schönen. Acgle, der Antiope, und Ariadne die Treue zu brechen; Oberon seinerseits hat tagelang als Corydon der verliebten Phyllida auf dem Haberrohr gespielt und Verse der Liebe gesungen; ja die stolze Amazone Hippolyta besigt noch jezt seine Neigung. In diesen Neigungen, wie verwerflich auch vor dem Forum der Ehe, bleiben die Elfen zwar in den Grenzen des äußern Anstandes, weil sie das Zierliche und Anmuthige lieben und das Häßliche verabscheuen; wenn aber nicht das Sittengesez, sondern Willkür und Laune leiten, wo ist da eine Bürgschaft, daß die Leidenschaft zur rechten Zeit Halt mache und die Willfür nicht das Gemeine, auch dem bloß äußerlichen Anstande Verabscheuenswerthe ergreife? Dieser Gefahr entgeht Titania nicht; nicht durchdrungen von der sittlichen Idee der Ehe, der Laune, Willkür und Leidenschaft nachgebend, kann sie bis zur Liebe des eselsköpfigen Zettel herabsinken. So ist denn schon an der Person und den Schicksalen der Titania klar, daß die Willkür sich selbst in Verwirrung stürze. Aber nicht minder an Oberon; beide fassen die Ehe mit Willkür auf und verlegen ihr Wesen durch frivole Neigungen; ihre willkürliche Auffassung der Ehe führt zu Zwist und Trennung, die für beide schmerzlich und Strafe ist, während für Titania, dieser Liebhaberin des sinnlich Anmuthigen noch die besondere Strafe der Lächerlichkeit eintritt, daß sie sich zu einer geschmacklosen Neigung verirrt. Wie aber diese Willkür selbst sich auflöst, beweist am besten der Umstand, daß Oberon und Puck dem höhern Princip der Sittlichkeit, wie es in Theseus. sich ausprägt, sich unterordnen müssen.

Weil nun in dieser Welt der Elfen der sinnliche Reiz, die Willkür, Laune und der Zufall-regieren, ist Cupido der eigentliche Mitregent. Denn der Charakter des Cupido ist wie der der Elfen: die blinde und urtheilslose in ihrer Dauer unverbürgte Neigung des sinnlichen von Grundsägen nicht befestigten Lebens. So faßt Helena das Wesen des Cupido auf (1, 1). Seine Macht erstreckt sich daher nur auf dies jenigen, welche dem Müßiggange und den Einflüssen einer

leicht

leicht beweglichen Einbildungskraft verfallen find; der ernsten Betrachtung kann er nichts anhaben. Als Cupido nach jener wundervollen Erzählung des Oberon seinen Liebespfeil auf die im Westen thronende Vestalin schoß mit einer Anstrengung als sollte er hunderttausend Herzen durchbohren; da verlosch das Feuer des Geschosses in dem feuchten Strahle des Mondes und die königliche Priesterin ging weiter in jungfräulicher Betrachtung, liebefrei (in maiden meditation, fancy - free); eine milchweiße Blume wurde von dem Pfeile verwundet, welche Mädchen „Lieb im Müßiggang“ (love-in-idleness) nennen. Mit dem Safte dieser Blume bringt Oberon den Liebeszauber hervor. Durch diese Blume ist symbolisch ausgedrückt, wen dieser Liebeszauber treffen kann, den müßigen von der Einbildungskraft nur beherrschten Sinn nämlich, der auch die Beute der Elfen wird, der die Quelle der verliebten Neigungen ist und von Shakspeare fancy genannt wird. Ihm ist die ruhige Betrachtung, die besonnene Ueberlegung entgegengesezt; die königliche Priesterin von Cupidos Pfeil unberührt ist frei von dem oben bezeichneten Sinne; Theseus, in unserm Drama der ruhige und besonnene Betrachter, sezt dem siedenden Gehirne der Verliebten und Verrückten und der Gestaltenbildenden Phantasie derselben die kühle Vernunft entgegen (5, 1) und selbst Zettel, der sonst keine Autorität sein kann, sagt zu der einbildungsreichen Titania, daß Vernunft und Liebe heut zu Tage wenig Gemeinschaft haben (3, 1). Ebenso ist in unserm Drama die strenge, feusche Diana dem Cupido, der schweifenden müßigen Einbildungskraft mit ihren wechselnden Neigungen entgegengesezt.

Der Dichter hat damit genügend zu erkennen gegeben, wie er die Elfen und den Cupido, welche beide zusammengehören und wie inviduell auch gebildet doch beide Symbole find, beurtheilt wissen will; es ist ein Reich der Willkür, Laune, des müßigen Sinnenlebens, welches in sich selbst uneins wird.

Diese Mächte des Sinnenlebens, der Einbildung und Willkür äußern einen großen Einfluß auf zwei andere Gruppen unseres Dramas, sind ein Schicksal für dieselben; aber

aber nur in dem Sinne, in welchem Shakspeare überhaupt das Schicksal behandelt, daß es nicht von außen gewaltsam wirkt, daß es vielmehr jeder in seiner eigenen Brust trägt. Auf den besonnenen Theseus, auf sein sittliches Bündniß mit Hippolyta können die Elfen und Cupido mit ihren Neckereien und Launen keinen störenden Einfluß üben; denn in dem Gebiete der sittlichen Selbstbestimmung ist die Willkür und Laune der Vernunft und dem Willen unterworfen; so daß die Elfen dieses Bündniß zwar segnen, aber nicht stören können, wie das Natur- und Sinnenleben von der Vernunft beherrscht dem Menschen dienen muß und zur Freude und zum Gedeihen wird. Dagegen werden die Gruppen des Dramas, welche sittliche Verhältnisse und Zustände mit Unbedachtsamkeit und Willkür behandeln und sich selbst dadurch verwirren, von den Elfen auch in Verwirrung gebracht; die ehrlichen Handwerker, welche die sittliche Bedeutung der Kunst nicht kennen und willkürlich und eigennüßig mit ihr schalten, werden von Puck gestört, verfolgt, gemißhandelt; Lysander und Demetrius, welche die sittliche Bedeutung der Liebe nicht erfaßt haben und Gelübde halten wie Knaben die Eide, die sie beim Spiele schwören 1), werden durch die Irrthümer des Puck in Verwirrung gefeßt; aber die Elfen mit ihrem Einflusse verhalten sich zu diesen Liebeshelden nur wie der Irrthum zur Willkür: weil Lysander und Demetrius die Willkür in sich selbst tragen, werden sie von Pucks Irrthum betroffen; und beide konnten das Wort des Cassius im Julius Cäsar in kleiner Abänderung zu dem Jhririgen machen und sagen: „Nicht durch die Schuld der Elfen, durch eigne Schuld nur sind wir Schwächlinge." Denn so wie Makbeth nicht durch die Heren verführt wird, sondern durch eignen Ehrgeiz und starke Leidenschaft, wie dem Hamlet kein

[ocr errors]

(boy Love), er sei meinbeim Spiele falsch schwören wie Buben oft im Scherze

1) Helena sagt von dem Knaben Amor eidig, wie muthwillige Knaben, die 1, 1 (Schlegel übersezt zu schwach : lügen“); ähnlich sagt Julie im Romeo: Jupiter lache des Meineids der Liebenden. Hamlet sagt von der That seiner Mutter, welche sich mit dem Bruder des ermordeten Gemahls verband, ,, sie mache Ehegelübde so falsch wie Spielereide“ (3,

3).

Geist zu erscheinen brauchte um ihm zu sagen, daß sein Oheim ein Brudermörder ist, wie diese Erscheinungen bei aller Individualität doch nichts anderes sind als die verkörperte Inner lichkeit der Personen, auf die sie wirken, so sind auch unsere Elfen in Bezug auf die genannten Gruppen nur die Verkörperung des Schicksals, welches die Personen in sich selbst tragen. Darin besteht aber die Genialität des Dichters, daß er dem unsichtbaren, innern Leben Körper und Gestalt giebt, wie Shakspeare den Theseus schön sagen läßt (5, 1), daß des Dichters Auge. im schönen Wahnsinn rollend vom Himmel zur Erde blizt, die Vorstellungen der Einbildungskraft gestaltet und dem „luftigen Nichts" (airy nothing, ein charakteristischer Ausdruck zur Bezeichnung der Elfen, festen Wohnsig und Namen giebt. Solche Kunststücke (tricks) macht die starke Einbildungskraft, daß, wo sie eine Freude faßt, fie auch einen Bringer dieser Freude erfaßt'). Wir können hinzufügen, wo sie eine Willkür im Innern wahrnimmt, bildet fie auch einen äußerlichen Urheber dieser Willkür.

3. Die Gruppe der Liebenden.

Das Verhältniß der athenischen Jünglinge zur Liebe wird uns dieß bestätigen. Demetrius und Lysander sind beide wankelmüthige und leichtsinnige Wesen. Eine so tief eingehende Charakteristik, wie man sonst von Shakspeare gewohnt ist, konnten sie der Anlage des Stücks nach nicht erfahren. Aber der

1) Das Original hat hier ein schönes Wortspiel, welches die Schle gelsche Uebersehung nur schwach wiedergiebt mit den Worten

[ocr errors][merged small]

Such tricks hath strong imagination:

That, if it would but apprehend some joy,
It comprehends some bringer of that joy.
Shakspeare liebt dergleichen Wortspiele. Vgl. Ende gut,
gut 1, 3:

You ne'er oppress'd me with a mother's groan,
Yet I express to you a mother's care.

[ocr errors]

Heinrich IV. II, 1, 2. a decreasing leg? an increasing belly? ibid. 3, 2. he shall charge you and discharge you.

Dichter hat doch genug gethan, daß wir Alles, was mit ihnen und durch sie vorgeht, aus ihrem Innern erklären können. Demetrius wandte seine Neigung der schönen Helena zu, wurde ihr Verlobter, bewies sich untreu und wirbt um Hermia. Einen Charakter von derselben Beschaffenheit hat Shakspeare schon vor der Abfassung des Sommernachtstraums in den beis den Veronesern mit aller Meisterschaft der Charakteristik geschildert. Er stellt uns in dem Proteus einen Jüngling dar, der frühzeitig durch Bildung und Wissenschaft sich auszeichnet 1), der aber in seinem gebildeten Sinne die Liebe trägt, wie die zarteste Knospe den Wurm, von dem sie zernagt wird. Dies Schwelgen in Liebesempfindungen unterhöhlt seine männliche Kraft, entfernt von der Geliebten sucht er für seine Neigungen neue Beschäftigung uud einen neuen Gegenstand und er gebraucht seine geistige Gewandtheit zum „, Vernünfteln und zu falscher Sophistik." Ein Charakter von ähnlicher Art, nur nicht so durchgeführt, ist Demetrius. Wie er sich in seiner Neigung zu Helena verhielt, giebt ein Ausdruck der letzteren zu erkennen, der in seiner charakteristischen Kraft in der Schlegelschen Uebersetzung beeinträchtigt ist. Helena sagt: „, ehe Demetrius in Hermia's Auge blickte, hagelte er Schwüre nieder, daß er einzig der meine sei (he hail'd down oaths, that he was only mine); und als dieser Hagel einige Glut von Hermia fühlte so zerging er und die Schauer von Eiden zerschmolzen (and when this hail some heat from Hermia felt, so he dissolv'd, and showers of oaths did melt 1, 1) 2). Er war also ein Liebender, dessen Neigung, über die er wohl selbst nicht im Klaren war, im umgekehrten Verhältniß zu den großen, prahlerischen Worten stand, mit welchen er sie übertreibend versicherte. Sieht man sich in andern Dichtungen

1) Die beiden Veroneser 2, 4.

2) Schlegel überseßt:

Eh' Hermia meinen Liebsten mußt' entführen,
Ergoß er mir sein Herz in tausend Schwüren ;
Doch kaum erwärmt von dieser neuen Glut,
Verrann, versiegte diese wilde Flut.

« PreviousContinue »