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zu, wie Fenton und Anna Page in den lustigen Weibern von Windsor- und Posthumus und Imogen im Cymbelino beweis fen. Aber Shakspeare begnügte sich nicht mit der Dars stellung dieser Umstände. Seinem scharfen Weltblicke konnten die komischen Verwickelungen und. Katastrophen nicht entgehen, die aus dem Verhältnisse des Menschen zu den äußern Gütern des Lebens entspringen. Wo der Mensch einem wesenlosen Scheine mit hastiger Anstrengung nachhrennt, wird er komisches Object, ein Don Quichote werden: wo er den Schein nimmt für das Wesen, das Aeußere für das Innere, den Buchstaben für den Geist wird er in unausbleibliche der komischen Dar stellung ergreifbare Verirrungen stürzen. In dem Kaufmann von Venedig sind die Prinzen von Marocco und Aragon die Männer, die näch dem Scheine trachten und darüber das Wesen einbüßen; während der edle human gebildete Bassanio den Schein von der Wahrheit zu trennen vermag und so das Wes fen gewinnt. Shakspeare stellt in diesem Stücke die schöne Menschlichkeit in der Person einer Portia, eines Bassanio stegs reich der Flachheit oder der Bosheit gegenüber, zu welcher ein nur auf Aeußerlichkeiten gerichteter Sinn sich erniedrigt. Der Stolz auf nur äußere Ehre und Stand erscheint bei unserm Dichter ebenfalls in seiner Lächerlichkeit. Malvolio in,,Was ihr wollt," dessen Dünkel und Eigenliebe sich fast bis zum Wahnsinn steigert, ist am lächerlichsten, wenn er sich in der Vorstellung seines künftigen Grafenstandes aufspreizt und genießt. Daß der Werth des Menschen nicht von seinem Stande, sondern von seiner sittlichen Gesinnung und Handlungsweise abhängig ist, kann das Verhältniß des Bertram zu Helena in,, Ende gut, Alles gut“ anschaulich machen. Dieser Bertram ist ein Jüngling, der auf Stand und adelige Geburt stolz den wahren Adel der Seele durch unfittliche Hande lungen verliert; diese Helena ist eine Jungfrau, welche durch treue Liebe und aufopferungsfähige Tugend ein Glück sich verdient, das ihrem geringeren Stande versagt zu sein schien; und der König von Frankreich ist in diesem Lustspiel der Vertreter des Gedankens, daß die wahre Ehre in dem sittlichen Werthe der Persönlichkeit besteht. Und so will Posthumus im

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Cymbeline,, schlecht außen, nur kostbar innen“ erscheinen, So möchte Imogen die königliche Geburt mit dem Stande der Schäferstochter vertauschen. Im Sinne dieser Idee ist der Charakter Heinrichs V. gebildet, über welchen Gervinus vortrefflich gesprochen hat. Im Sinne dieser Idee leidet Falstaff, dem alle wahre Ehre ein Nichts ist, der aber auf sein kümmerliches Ritterthum noch große Einbildungen hat, eine so komische Niederlage durch die ehrbaren yon ihm so verachteten Bürgersleute von Windsor. Um den Gesichtspunct wahrer Ehre dem äußern Scheine gegenüber bewegt sich auch die Handlung in Troilus und Cresfida, wo Achilles in seiner Scheingröße, Agamemnon in seiner Scheinwürde, wo ein Krieg verspoftet und satirisch beleuchtet wird, dessen Veranlassungen nach Shakspeare's Anschauung so unwürdiger Art find (vgl. Act 2. Sc. 3.). So nimmt denn Shakspeare auch das Staatsleben, wo es hohl und wurmstichig ist, zum Gegenstandkomischer Behandlung. Im König Johann wird durch Faulconbridge, der ganz Vaterlandsliebe und ritterliche Ehre ist, die „, Selbstsucht der kirchlichen und staatlichen Politik“. herbe verspottet. Ebenso find die öffentlichen Verhältnisse der Gegenstand komischer Behandlung in Heinrich IV. u. V. geworden. Im Heinrich IV. muß der König die Folgen einer Usurpation erleben; die Vasallen, die ihn auf den Thron hoben, bekämpfen ihu jegt, Aufruhr und Krieg zerrüttet die Ruhe und Sicherheit des Staates; der König selbst wird von den Vorwürfen seines eignen Gewissens gequält. Diesem tragischen Zustande steht der komische erläuternd zur Seite. In dieser Unsicher heit der öffentlichen Verhältnisse, bei dieser Gebrochenheit der Regierung ist Raum für Leute, welche in ihrer Handlungsweise wie Falstaff dem „Natürrecht der Thiere“ følgen.`. Wic komisch auch eine Gestalt wie Falstaff ganz persönlich genommen ist, seine größte Bedeutung im Zusammenhange des Ganzen hat er darin, daß er die Halbheit und Gebrochenheit des Staatslebens so schlagend parodirt (vgl. vor Allem Act 2, 4.). In Heinrich dem fünften erstreckt sich die Komik und der Spott des Dichters auf die eingebildete Flachheit und den unbesonnenen® Leichtsinn der Französen, die der Dichter ́um so

greller zeichnet, je mehr das ganze Drama nach Vischers schönem Ausdrucke von dem Jubel der Vaterlandsliebe eingegeben ist. Man könnte Heinrich V. ein historisches Lustspiel nennen; aber auch der Kaufmann von Venedig und Maaß für Maaß sind solche. In beiden handelt es sich um den Buchstaben des Rechtes; der Härte desselben seßt aber der Dichter seinem humanen und milden Sinne zufolge die religiöse Gesinnung, die Fülle der Verzeihung und Gnade siegreich entgegen. Kann man sagen, daß in den beiden Dramen der Geist der humanen, christlichen Gesinnung als die höhere Macht, triumphirt; so ist es in dem Sturme das tiefe Wissen, welchem auch die Natur mit ihren Geheimnissen und Gewalten dienen muß das Verbrechen zu entlarven und das verleßte Recht wiederherzustellen.

Vergleicht man den Sommernachtstraum mit Shakspeare's übrigen Komödien und Schauspielen, so findet man, daß der Dichter auch in diesem heitersten aller Lustspiele uns nicht bloß allerhand bunte Gestalten vorgaukelt; vielmehr blickt aus dem heitern Scheine ein tiefer sittlich ernster Geist hervor. Der Dichter schildert uns das Traumleben des Geistes in seinen Illusionen; die Willkür des vom Scheine verführten Sinnes und die Auflösung dieses Scheines; und er hält wie überall diesem Scheine das Bild des Ernstes und der Wahrheit entgegen. Die Bedeutung der Liebe, der Ehe, der Kunst rächt sich in komischer Strafe an denen, welche von dem Scheine verführt diese Bedeutung verkannten.

7. Die Composition.

Die Aufgabe des Lustspieldichters hat Schiller in seiner Abhandlung über naive und sentimentale Dichtung vortrefflich ausgesprochen. „Die Freiheit des Gemüths in uns hervorzubringen und zu nähren, ist die schöne Aufgabe der Komödie, sowie die Tragödie bestimmt ist, die Gemüthsfreiheit, wenn sie durch einen Affekt gewaltsam aufgehoben worden, auf ästhetischem Wege wiederherstellen zu helfen. In der Tragödie muß daher künstlicher Weise und als Experiment aufgehoben werden, weil sie in Herstellung derselben ihre poetische Kraft be

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weist; in der Komödie dagegen muß verhütet werden, daß es niemals zu jener Aufhebung der Gemüthsfreiheit komme. Diese Säße passen auf Shakspeare's Lustspiele vollkommen. Sie erhalten uns in unserer Gemüthsfreiheit und steigern dieselbe. Shakspeare erreicht dieses Ziel aber nicht etwa dadurch, daß er in seinen Luftspielen unser Gemüth nicht tief und_ernst genug beschäftigte; vielmehr macht er uns den Ernst des Lebens fühlbar und führt uns selbst in seinen Lustspielen bis an die Grenze des Tragischen. Aber die Gemüthsfreiheit bewahrt er uns immer. Muß er Scenen bieten, durch welche wir erschüttert werden," so sorgt er durch komische Partieen der heitersten Art für die schnelle Herstellung des Gleichgewichts unserer Empfindung; oder er hat uns durch die ganze Anlage und Composition des Stückes so vorbereitet, daß wir wissen, die drohenden Gefahren werden glücklich vermieden. Wer die Kunst, durch welche Shakspeare in seinen Lustspielen unser Gemüth auch in tragischen Situationen frei zu erhalten weiß, gründlich entwickelt sehen will, der lese Rötschers treffliches Capitel über die Composition des Kaufmanns von Venedig. Was den Sommernachtstraum betrifft, so hat der Dichter auch in diesem heitersten Spiele seiner Phantasie den Ernst nicht fern gehalten; er hat die Verwickelungen unter den Liebenden dargestellt, welche mit einem tragischen Ausgange drohen; er hat eine Tragödie, wenn auch in komischer Verzerrung, in der Darstellung von Pyramus und Thisbes Geschick eingelegt. Durch nichts aber wird die Freiheit und Heiterkeit des Gemüths beeinträchtigt, mit welcher wir dem Laufe der Geschicke in diesem Lustspiele folgen. Bereits die erste Scene des ersten Actes erfüllt unser Gemüth mit der Ueberzeugung, daß die Verwirrungen, die wir kennen lernen, eine glückliche und heitere Lösung erfahren werden. In dieser ersten Scene werden wir mit dem Unglück der Hermia und des Lysander befannt, denen die Vermählung verweigert wird; wir sehen die arme Helena und ihre unerwiederte Liebe; von Lysander und Hermia wird der Fluchtplan gefaßt, von Helena dem Demes trius perrathen. Eine Besorgniß um das Schicksal dieser Perfonen kann in unserm Gemüthe aufsteigen: steht es doch fest

im Rathe des Geschicks, wie Hermia sagt, daß treue Liebe immer von Leid getroffen wurde. Aber ehe wir von der Besorgniß um das Schicksal der Liebenden berührt werden, hat uns der Dichter bereits den Theseus gezeigt, vor dessen Forum Hermia und Lysander angeklagt werden. Bei seinem Auftreten fündigt Theseus sein Hochzeitsfest an und heißt den Philostrat die junge Welt Athens zu Lustbarkeiten berufen. Die Aussicht auf das Fest und der Charakter des Theseus erfüllen unser Gemüth gleich am Anfange des Dramas mit heiterer Stimmung. Theseus tritt auf in seiner Eigenschaft als Wahrer des Geseges: aber seine Ruhe und Milde, seine Neigung zur Vermittelung erfüllt mit der Zuversicht, daß das Geschick der Liebenden sich glücklich entfalten werde. Theseus wie er hier am Eingange des Lustspiels steht, macht einen ähnlichen Eindruck und hat eine ähnliche Bedeutung, wie ein Maaß für Maaß der Herzog. Sollte aber in Folge des Fluchtplans der Liebenden eine Unruhe und Unfreiheit der Stimmung in unserem Gemüthe haften, so ist die zweite Scene des ersten Actes ganz geeignet, uns durchaus heiter zu stimmen. Wir finden hier die glückliche Handwerker-Compagnie beisammen, wie sie die Rollen zu Pyramus und Thisbe vertheilen. Diese hausbackenen Gesellen, wie arg fie auch die Poesie mißhandeln, machen doch durch ihre Selbstzufriedenheit, durch die ungebrochene Heiterkeit ihres Wesens einen höchst erheiternden Eindruck.

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In dem zweiten Acte lernen wir die Elfen kennen, diese Schicksalsgötter der Komödie, den Zwist des Oberon und der Titania. Die Verwirrungen und Zwistigkeiten der Liebenden, die dem Zwiste des Oberon und der Titania parallel laufen, werden eingeleitet. Die Verwirrungen der verschiedenen Gruppen bilden den Inhalt des dritten Acts: die Gespensterfurcht und Flucht der Handwerker wie die Verwandlung Zettels, die Verirrung Titanias, der leidenschaftliche Streit der Liebenden. Die Leidenschaften und Leiden der legteren spannen und beunruhigen hier am meisten; wir leiden mit Helena, ja für das Unglück der Hermia, der ihr Lysander sich so plößlich entfremdet hat, haben wir Sympathie; wir beklagen die armen Her

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