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wie sie zu erhalten, war, so lange das Gefühl für Ehre, Macht und Unabhängigkeit des Reiches in ihnen lebte, das Ziel ihres Strebens, man kann wohl sagen, ihre wahre Lebensaufgabe fast 300 Jahre bis zum grossen Bauernkriege des J. 1525, mit welchem ein neuer Abschnitt in der Geschichte des Städtewesens eintrat. Während aber in Italien das städtische Element für einige Zeit das fürstliche absorbirte, schon P. Innocenz III. sein Ansehen nur dadurch politisch begründen zu können glaubte, dass er sich an die Spitze des republikanischen Elementes stellte, ohne jedoch die Kirche mit demselben zu identificiren, so gelang dieses den deutschen Städten auch später nicht. Auch in Bezug auf diese Bewegung machte sich der Grundsatz wieder geltend, welcher durch alle Epochen der deutschen Geschichte hindurch geht, dass zwar das Kaiserreich der Tummelplatz für alle grossen Fragen zu werden bestimmt sei, die die menschliche Seele zu erschüttern vermögen, dass sie darin ihre Gegensätze mit aller Schärfe zu entwickeln jederzeit Raum und Gelegenheit genug finden, der ausschliesslichen Herrschaft des einen wie des andern aber stets eine höhere Gewalt entgegentritt. Zeigt sich dieses überzeugend in der Geschichte der grossen, religiösen Fragen, wo alle Kämpfe, selbst die blutigsten Wirren nicht zum Untergange der einen, zum absoluten Siege der andern Partei führten, sondern zur anschaulichen Nothwendigkeit eines Vergleiches; erwies sich die Wahrheit dieses Satzes, von dessen Anerkennung eine richtige Auffassung des Wesens unserer Geschichte abhängt, auch in den Tagen, als die Fürsten den das Reich beeinträchtigenden Übergriffen der Städte entgegen den Grundsatz einer „Vergleichung" der republikanischen und fürstlichen Partei geltend machten, so beurkundete er sich nicht minder im grossen Städtekriege des XIV. Jahrhundertes, als auf den Sieg bei Reutlingen die Niederlage bei Dörfingen erfolgte, und so beiden streitenden Theilen das Gebot des Nebeneinanderlebens verkündet wurde. Ja man hat ein Recht zu sagen, dass mit der Beendigung des Städtekrieges, ohne dass den Fürsten und dem Adel die Unterdrückung der Städte, ohne dass diesen wie in der Schweiz so heraussen die Unterdrückung der Fürsten und des Adels gelang, eine neue Epoche eingeleitet wurde, welche der nachfolgenden Zeit bis zum Jahre 1525 ein ziemlich gleichmässiges Gepräge verlieh. Es ist nothwendig, sich die Stellung der Parteien klar zu machen, um die Entwickelung vollständig übersehen zu können. Die Fürsten hatten gesiegt, weil ein Theil des republikanischen Elementes, der Reichsadel, sich an sie angeschlossen, und den anderen Theil, die Städte und Bauern, bekriegt hatte. Das natürliche Interesse verlangte aber, dass jeder Gegensatz sich klar ausspreche, seine Kräfte sammle, und so dem andern gegenüber trete. Allein kaum dass die Ausbildung der Territorialhoheit, welche den Adel um seine Existenz besorgt machte, endlich diesem den Gedanken eingab, der Adel könne sich nur im Anschluss an die Städte in Unabhängigkeit erhalten; im XIV. Jahrhunderte war dafür noch kein Raum. Als es möglich wurde, knüpfte im XV. Jahrhunderte die Politik des Hauses Hohenzollern den unmittelbaren Adel enger als je an das fürstliche Interesse an. M. Friedrich I. von Brandenburg empfahl auf seinem Todbette seinen Söhnen diese Politik zu bewahren, und Söhne wie Enkel sahen sich desshalb für die natürlichen Schirmherren des Adels an, und beobachteten

jeden Versuch desselben, die Schutzherrschaft zu lösen, mit Spannung, Eifersucht und Besorgniss. Gemeinsam bekämpften die Fürsten dieses Hauses mit dem Adel die Reichsstädte, vor allem Nürnberg, dessen Bürger und Knechte zu erschlagen traditionelle Übung des Hohenzollerschen Hauses und seiner Anhänger geworden war. Wie M. Albrecht that hierin sein Sohn M. Friedrich, wie dieser M. Casimir, Friedrich's Sohn, bis endlich, was Feindliches und Wildes in dem Geschlechte oder der Zeit war, sich in Albrecht Alcibiades concentrirte, einem Fürsten, der, wenn man andere den Löwen oder Bären nannte, mit Recht als den Wolf Deutschlands bezeichnet werden sollte.

Die Städte hatten überhaupt wenig Freunde. Wo Fürstbischöfe waren, gab es immerwährenden Hader, und die deutsche Geschichte hat mehr wie einen Bischof oder Erzbischof aufzuweisen, der im Kampfe mit den Bürgern sein Leben verlor, oder wie Anton v. Rotenhan, Bischof von Bamberg, eine schwere Wunde davontrug. In Augsburg verbot der Rath 1421 den Bürgern den allzu vertraulichen Umgang mit den Geistlichen. Bald darauf erweiterte sich die Kluft so sehr, dass fünfzig Jahre später sich Bischof Johann (1475) mit seinem Domcapitel verabredete, dass Augsburger Bürgersöhne hinfüro nicht auf das Hochstift aufgenommen werden sollten, und obwohl der Rath dagegen protestirte, der Bischof, um nicht nachgeben zu müssen, nach Dillingen zog, blieb es doch bei dem Ausschlusse der Bürger vom Capitel. In andern Bisthümern war es schon früher dahin gekommen, dass nur mehr der Adel allein Sitz im Capitel erlangte, die bischöfliche Würde erhielt.

Das Haus Wittelsbach hatte im XV. Jahrhunderte versucht, wie Donauwörth und Regensburg sich eigen zu machen, so Prinzen seines Hauses auf die Erz- und Bisthümer von Augsburg, Salzburg, Würzburg und Eichstädt, Cöln, Trier zu erheben. Das erste hatte einen wiederholten Reichskrieg entzündet, in welchem Niemand mehr die Partei der Städte nahm, als ihre ärgsten Gegner, die Hohenzollern. Auch der Versuch in Betreff der Bisthümer gelang nur zum Theile. Man fürchtete überall den territorialistischen Einfluss und territorialistische Gelüste der Fürsten. Es verging aber auch hierin kein halbes Jahrhundert und es erfolgte ein allgemeines Sturmlaufen auf die Stifter, und wurden diese in Ober-Deutschland nur dadurch erhalten, dass Habsburg und Wittelsbach Bedenken trugen, den kühnen Griff zu wagen, den Sachsen und Brandenburg ihrerseits nicht scheuten. Unter diesen Verhältnissen war die Politik der Städte eine von den Umständen vorgeschriebene. Sie gebot einerseits die grösste Einheit unter sich, andererseits mit den Reichsständen zu laviren, mit dem Kaiser sich zu halten, Niemanden einen tiefen Blick in das Innere zu gestatten, frei in diesem, möglichst ungeirrt nach aussen zu sein. Wie die Wohnungen jener Tage die schönsten Gemächer gegen den Hofraum zu hatten, nach der Strasse zu leere Gänge und einen dasselbe überwachenden Erker, so im Bilde die städtische Politik; konnten sie sich auch in wichtigen Fragen nicht einen, wenn sie nur nach aussen einig schienen, wenn nur Niemand ihren Zwiespalt gewahrte, Niemand davon Vortheil zog. Angesehen, sagten die Abgesandten im Städtetagsabschiede von Esslingen, 21. Sept. 1481 1), dass sie sich

1) Siehe Höfler's Vorrede zum ersten kaiserlichen Buche.

durch Einhelligkeit bisher der grossen, und merklichen Beschwerden und Ufflegungen, so furgenommen worden sind, loblichen habent offenthalten, wollten sie sich ja nicht als zwieträchtig merken lassen, dan inen das zu Zerstörung und unleidentlichen Beschwerden reichen wird. Mit grosser Klugheit wurde diese delicate Stellung behauptet, und dadurch dem Reiche selbst ein Impuls gegeben, der mächtig fortwirkte.

Das Gefühl für die Würde und die Erhaltung des Reiches war bereits im XV. Jahrhunderte bei den deutschen Fürsten, wenigstens bei der Mehrzahl, untergegangen. Sie schlossen sich an den Kaiser an, und bekämpften ihn, je nachdem es ihr Vortheil gebot, und wie sie mit dem Reiche und dessen Oberhaupte verfuhren, handelten sie auch mit der Kirche, und deren Haupte. Sie schienen weder den Sturm zu gewahren, welcher sich im Osten von Seiten der Türken heranzog, noch die Gefahr zu beherzigen, die von der Concentration des französischen Reiches den Deutschen drohte. Im Norden machte man sich kein Gewissen daraus, dem Dänenkönig die Schlüssel zu Deutschland in die Hände zu spielen. Im Innern aber war der Zustand des Faustrechtes niemals offener und gewaltsamer hervorgetreten, als damals. Unter derartigen Verhältnissen gab es, da die Bande des Reiches so viel als zerrissen war, eigentlich nur die Wahl zwischen einem doppelten Auswege.

Entweder gelang es durch das System des freien Unionsrechtes innerhalb des Reiches dieses selbst in der Art zu verjüngern oder umzubilden, dass die Familienverbindungen der Fürsten, die Erbverbrüderungen, den Kern weiterer Vereinigung bildeten, und die Zukunft des Reiches in Auflösung in eine gewisse Anzahl von Staatengruppen bestand, neben welchen ein Kaiser, namentlich wenn er selbst Monarch eines ausserdeutschen Königreiches war, mit verhältnissmässig geringem Ansehen noch bestehen konnte. Dies war denn auch das offene Streben des brandenburgischen Hauses, das mit seinen Erbeinigungen bereits halb Deutschland umspannte, daneben auf die Ritterschaft sich stützte, auf die geistlichen Fürstenthümer aber nur in so ferne einwirkte, als es mit dem einen oder anderen Haupte desselben verschwägert war.

Der andere Weg, welchen man als den rechtlichen, jenen als den politischen bezeichnen konnte, bestand darin, jene Unterabtheilungen genau festzuhalten, welche die deutsche Verfassungsgeschichte selbst aufgestellt hatte, das ständische Element in möglichster Integrität zu bewahren, dadurch die Freiheit und Selbstständigkeit der einzelnen Theile zu sichern und mit diesen das Ganze vor jener Auflösung zu retten, wohin zuletzt die fürstliche Politik das Reich unaufhaltsam führen musste und führte. Beide Wege wurden neben einander eingeschlagen, bis der eine den anderen verschlang. Den letzteren aber haben die Städte betreten, und bis zur Mitte des XVI. Jahrhunderts mit Glück und Consequenz verfolgt.

Wohin es auf dem einen Wege mit dem deutschen Reiche kommen musste, konnte man aus den Zuständen desselben unter der Regierung Kaiser Friedrich's IV. ersehen; welche heilende Kräfte in der gehörigen Auseinandersetzung des reichsständischen Elementes lagen, erprobte sich in dem Zeitalter Berthold's

von Mainz und K. Maximilians. Es war hohe Zeit, das System ständischer Integrität mit aller Gewalt zu umfassen. Denn schon war aus der Kette des rheinischen Städtebundes, welcher zuerst die deutschen Städte vereinigt, das Reich vielfach gestützt, das Städtewesen selbst in Aufnahme gebracht hatte, gerade seine Gründerin, seine erste Stadt Mainz 1) herausgerissen worden. Nur die dem Bunde treu ergebenen Städte Worms und Speier blieben noch von seinem Ursprunge übrig, schwach nach dem Verluste ihrer Hauptstütze. Gross war der Bund bei seinem Anfange in diesem kleinen Kreise gewesen, schwach wurde er bei der Vermehrung seiner Genossen, klein bei seiner Verbindung mit dem von Schwaben, Franken und Baiern. Als nun von Seite des Churerzkanzlers, welcher mehr wie andere berufen war, die Wagschale des Rechtes zu halten, der Schlag erfolgte, so war auch die Stunde gekommen, sich um ein festeres Band umzusehen, als das des blossen Städtebundes war. Hatte doch Churfürst Berthold selbst es dahin gebracht, dass Maximilian von der Behauptung seines Vaters Friedrich's IV., Mainz als notabile membrum imperii ihm zu überantworten, abstand und erklärte, die Stadt Mainz für ewige Zeiten nicht von dem Stifte fordern lassen zu wollen.

Mehrere Ereignisse von Wichtigkeit trugen das Ihrige bei, den Städten eine andere Stellung zu geben. Die grosse Gefahr, welche Deutschland im Toben der Hussitenkriege bedrohte, brachte unter den Ständen des Reiches eine wenn auch vorübergehende Annäherung hervor, und gab den Städten, die wenigstens in Oberdeutschland dem Reichsheere seinen Kern verliehen, eine Stellung im Reichsrathe. Überhaupt darf man diese Bewegung nichts weniger als gering anschlagen. Abstrahirt man von der religiösen Seite derselben, so sieht man dass kein Ereigniss mehr die Hinfälligkeit der damaligen Reichsverfassung blosslegte, keines geeigneter war die Grundzüge einer neuen gleichsam wie im Sturmeswehen zu bilden als sie. Jetzt trat die Nothwendigkeit der Ergreifung bestimmter Massregeln zur Formation eines Reichsheeres mit aller Schärfe hervor; die Geldbeisteuer musste so gut geregelt werden, als die Eintheilung des Reiches in (4) Kreise, die Unterstellung des Reichsheeres unter 4 Feldherren sich als unabweisbares Bedürfniss anmeldete. Ebenso lag es aber auch im Charakter der Zeit, sobald der mächtig daherrauschende Strom nur ein wenig verronnen war, in die alte Lethargie zurückzufallen und die Benützung der so schweren und blutigen Erfahrungen in eine ferne Zeit zu verschieben. Hingegen blieb Eine zurück, die für Deutschland äusserst empfindlich werden musste. Das Hussitenthum hatte die Grundsuppe der Bevölkerung aufgerührt, Bauern und Handwerker, von welchen Andreas von Regensburg erzählt 2), sie seien so heissblütig gewesen, dass sie immer in die erste Schlachtreihe gestellt wurden. Der Hass,

1) Schaab, Geschichte des grossen Städtebundes, gestiftet zu Mainz 1254 durch Arnold Walpold, I, 494.

2) Rustici et mechanici vel artifices ad optinendas munitiones vel civitates etiam fortissimas sic erant fervidi ut in prima semper acie ponerentur. An einer anderen Stelle S. 191 b, hebt Andreas die besondere Theilnahme der Sutorum, sartorum, braxatorum, lanificum, textorum et aliorum mechanicorum hervor. Ms. Bibliothek. Reg. Universit. Monac.

welcher diese wider den Klerus beseelte, war die einzige Beute, welche die von panischem Schrecken ergriffenen deutschen Schaaren bei ihrer Flucht aus Böhmen nach Deutschland brachten und welcher von nun an so üppig fortwucherte, dass zu dem Kampfe der Städte mit dem Adel sich ein neuer gesellte, der mit den Fürstbischöfen und Domcapiteln, und wer sich erinnert, dass fast alle bischöflichen Reichsstädte im XVI. Jahrhunderte der Glaubensspaltung anheimfielen, wird erkennen, dass der Same des XV. auf fruchtbares Erdreich gefallen war. Das letztere Jahrhundert wurde der Häresie Herr, schon desshalb, weil in den Reichsstädten noch der Adel (Patricier) herrschte, welcher dem Emporkommen der Handwerker mindestens ebenso gründlich gram war, als dem Siege der Häresie; das nachfolgende sah fast zugleich das Emporkommen des demokratischen Elementes und den Sieg der Häresie auf dem religiösen Gebiete.

Der nachfolgende Krieg um Donauwörth vereinigte die schwäbischen und fränkischen Reichsstädte wider ihren Willen unter dem Banner des Reichshauptmannes Albrecht v. Brandenburg und lehrte sie in äusserst delicater Stellung dem Reiche dienen und dadurch den einmal errungenen Vortheil wieder zu erlangen. Die Noth des Reiches durch den drohenden Türkenkrieg, die noch immer obschwebende Gefahr eines Böhmenkrieges, den der ungarische ablöste, brachte dann die Frage über Erhöhung des Reichsanschlages, die Einführung einer allgemeinen Reichssteuer hervor; je dringender aber diese wurden, desto höher stieg die Bedeutung der Städte, von deren geordnetem Haushalte das Reich in seinen Finanzverlegenheiten schnellere und ergiebigere Hülfe erwarten konnte, als von den Fürsten. Bei diesen Verhandlungen benahmen sich aber die Städte mit so vieler Klugheit, Eintracht und Umsicht, dass ihrem Widerstande gegen eine Massregel, von welcher sie den Anfang der Knechtschaft im Reiche besorgten, vorzüglich zugeschrieben werden muss, wenn, was anfänglich nur eine Finanzmassregel sein sollte, jetzt nur mehr im Gefolge einer allmählichen Umwandlung des Reiches auf dem Wege successiver und allgemeiner Reform ins Werk gesetzt werden konnte. Der Gewinn der letztern lag aber auch vorzüglich auf Seite der Städte. Sie gewannen am meisten bei Promulgirung des 10jährigen Landfriedens; die von nun an so häufigen Reichstage, auf welchen die weiteren Reformen berathen wurden, und auf denen bei Maximilian's Kriegen die Subsidien-Frage eine so grosse Rolle spielte, verschaffte ihnen ein gleichmässiges Verfahren in den Berathungen der Reichstage. Während man ihnen unter Karl V. Sitz und Stimme im Reichsrathe absprach, genossen sie dieses Vorrecht ungestört in der ganzen Reformperiode und der dieser vorangehenden des finanziellen Dranges. Am glänzendsten zeigte sich aber die natürliche Folge des consequenten Festhaltens an dem Systeme der Standschaft ihren Erbfeinden, den Reichsrittern gegenüber. Hier ist es jedoch nothwendig, etwas weiter auszuholen, weil nur dadurch der Übergang zu dem Späteren vermittelt werden kann. Die Reichsritterschaft hatte den Landfriedenbruch bekanntlich zu ihrem Geschäfte gemacht und in der Wildheit ihres auf Thiere und Menschen gerichteten Jägerlebens die Veränderung nicht wahrgenommen, welche im Laufe der Zeit fast plötzlich eingetreten war. Wohl wissen wir, als zum Schutze des Landfriedens die schwäbischen Städte und Prälaten zusammentraten, die Ritter von St. Georgenschild auch zu dem

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