IV. Die Copeienbücher in der Registratur der Königlichen Justiz-Canzlei zu Gelle. Vom Justizrath A. von Werlhof in Celle. Die fürstliche Canzlei zu Celle, zusammengesetzt aus Statthalter, Canzler und Räthen, war nicht nur eine Recht sprechende Behörde, sondern nahm unter Leitung des Landesherrn auch die Regierung des Fürstenthums Lüneburg und der dazu gehörigen Grafschaften bis zur Vereinigung dieser Landestheile mit dem Fürstenthum Calenberg wahr. Die von derselben erlassenen mannigfaltigen Verfügungen sind abschriftlich in chronologischer Folge besondern Büchern eingetragen, von denen 29 gegenwärtig noch vorhandene Folianten den Zeitraum von 1540 bis 1696 umfassen. Man sollte glauben, daß diese Sammlungen geeignet wären, ansehnliche Beiträge zur Erläuterung der Landesgeschichte zu liefern, es ist dies jedoch nur in einem sehr geringen Maße der Fall. Zwölf Bände enthalten nämlich ausschließlich gerichtliche Entscheidungen, die nur insofern Interesse darzubieten geeignet sind, als sie Zeugniß von der früheren Anwendung des Sachsenrechts und dessen allmählicher Verdrängung durch das römische Recht liefern, und die übrigen 17 Bände beziehen sich fast ausschließlich auf innere RegierungsAngelegenheiten. Obwohl daher deren Inhalt nicht geeignet ist, über die äußere Staatsgeschichte Licht zu verbreiten, so werfen sie doch einige Schlagschatten auf die innere Geschichte. In aphoristischer Form sollen den Lesern im Nachstehenden einige Bruchstücke vorgeführt werden, die vielleicht dazu dienen, die Aufmerksamkeit der Geschichtsforscher auf diese wenig gekannte Sammlung zu lenken, zumal ihr vermuthlich in Kurzem ein Platz im Königlichen Archive angewiesen werden wird, wo sie leichter zugänglich und besser aufbewahrt sein wird, als bisher. Religions- und Kirchen-Sachen. Aus einem zwischen Herzog Ernst und dem Stift Ramelsloh Montag nach Exaudi 1540 abgeschlossenen Recesse (Band I. fol. 40.) ergiebt sich die Versunkenheit der damals zu reformirenden Stiftsgeistlichkeit, denn es sollen und wollen die Herren Dechant, Senior und Capitell sich Ihres Lebens halber unergerlich halten, und keiner so zu Ramelslo residirt uneheliche Beischlafferin haben. Dem Nonnenkloster zu Wienhausen, in welchem mehrere der jungen Prinzessinnen erzogen wurden, verbietet die Kloster-Ordnung sine anno (B. II.) die Anrufung und Verehrung der Heiligen. Eine nach Einführung der Reformation ungewöhnliche Erscheinung sind die von Herzog Ernst II. gemachten Stiftungen. Unter dem 24. März 1599 (B. VIII. f. 298) stiftet er jährliche 24 Pfund Wachs an das Kloster Isenhagen, und am Sonntag vocem jucunditatis anno 96 verleiht er den Armen-Gotteshäusern St. Jürgen und St. Annen vor Celle den Zehnten vor Lachtehausen. Hofhaltungs- Angelegenheiten. Die Hofordnungen dieser Sammlung rühren her von: Herzog Ernst I. sine anno, Heinrich und Wilhelm d. jüng. von 1563 (B. I.), Ernst II. von 1571, Wilhelm d. jüng. von 1576 und Georg Wilhelm v. 12. Febr. 1667 (B. VII. fol. 52.). Da bereits in den Annalen von Jacobi und Kraut u. a. D. olche Hofordnungen abgedruckt sind, so beschränken wir uns darauf, aus der Hofordnung von 1571 einige charakteristische Stellen hervorzuheben 1). "Es soll auch das essen von Unserm Tische beigesetzt Und niemandt darein gegriffen, noch davon gegessen, oder eher des 1) Die von Havemann, Gesch. II, S. 70 angeführte Hofordnung von 1612 befindet sich nicht in den Copeienbüchern. Marschalds befehlich gegeben worden, bis daß wir gegeffen haben und die effen uff der Drosten Tisch komen. Und von demselbigen sol nichts verschicket Sonder wan die Drosten von den essen gegessen haben sollen sie uff der Junger Tisch gesetzt werden." Wir sehen hieraus, daß ein und dieselbe Schüssel an den verschiedenen Tafeln circulirte, und es schwer hielt, die Eßlust bis dahin zu bändigen, wo jeden nach seiner Stellung die Reihe traf, seinen Appetit zu stillen. Auf das Blasen des "Torne Man" hatte ein jeder sich zur Tafel einzufinden, und' zwar Morgens um 9 und Abends um 4 Uhr. Einer der Prädicanten hatte Abends und Morgens das Benedicite und Gratias vor dem Tische zu beten. Die Prädicanten, Mag. Wilhelm und einige andere namhaft gemachte Personen sollen mit den Junkern essen, wenn aber der Tisch zu voll würde, mit den Jungfrauen. Gegen das "Frowen Zimmer" foll ́eins jeder sich also erzeigen, damit es ihm zu Ruhm und Guten ge= reiche und er zur Strafe nicht Ursache gebe. Bier ward in ungeheuern Quantitäten bei Hofe consumirt (nach einem Ver= zeichnisse von 1571, B. I., täglich 412 Stübchen). Rheinischer Wein soll dagegen auf kein ander Gemach oder Tisch gebracht. werden, dan uff unserer und der Hertzogin und der Rethe." Seltsam sind die Bestimmungen über das Aufeisen des Schloßgrabens. Auf Ansagen des Schlüters sollen die dazu verpflichteten Personen, als die fürstlichen Stallknechte, des Statthalters, Canzlers, Voigts, Marschalls und anderer HofRäthe, und aller Junker Knechte, die Brauer, Bäcker, alle Feuerböter, die Landsknechte, Torne-Man, die Büchsenschützen, Schmiede, Einrosser, Einsponniger, Schworne Botten (geschworne Boten), Jäger, Finkenfänger und Wächter ohne Versäumnis ihre Pflicht thun. Wer sich hierin weigert oder säumig erzeigt, soll den andern, so zum Eisen gewesen, eine Tonne Bier geben, oder durch dieselben mit Pfeiffen und Trummen auf die Brücke geführt und in die Wocken (Wake) geworfen werden, doch daß Ihme ein strick umb den Leib gebunden, und dabei gehalten, und also ihme wieder außgeholffen werde, und welcher seinen Stalbruder oder Dischgenossen nicht meldet, der soll gleich gestrafft werden." "Diejenige so Ihr lager uff dem Schloße haben, sollen ohne Urlaub des Großen Voigts oder Marschalkes nicht daniden (i. e. in der Stadt) schlaffen bei straff einer Tunen Biers oder in den Graben zu werfen." An zahlreichen Hofdienern fehlte es der fürstlichen Hofhaltung nicht, wir finden Hofmarschälle, Jägermeister, Kammerjunker, Hofmeister, Physici, Hofmaler, Baumeister, Hofcornettisten, Violisten, Bassisten und Trompeter, Balbiere und Lakaien. Als Hofmarschälle waren u. a. angestellt: Marquard von Hodenberg, Bernwart Ruschenplat, Diedrich von Honstedt, Eitel Rawe, Christoffer von Kottwitz und Adam Heinrich von der Tannen. Dieselben pflegten unter Vorbehalt einer gegenseitigen vierteljährigen Kündigung jedesmal auf 3 Jahre angenommen zu werden. Der Gehalt betrug in der Mitte des 16. Jahrhunderts 100 Thlr., auf 5 Pferde gewöhnliche Hofkleidung, freier Hufschlag, Futter und mahlt (Mahlzeit) zu Hofe, auch täglich zum Schlaftrunk auf jede Person soviel als der Knechte einem gegeben wird, 8 Fuder Heu, 10 Schock Stroh und zur Feuerung 40 Fuder Holz. Als jedoch nach einem Jahrhundert der Geldwerth bedeutend gesunken war, erhöhten sich auch die Besoldungen. Zu Ostern 1653 ward Statz Werpup als Kammerjunker angestellt mit 300 Thlr. Gehalt, freiem Tisch für ihn und zwei Diener bei Hofe, Futter und freiem Hufschlag für drei Pferde, wohingegen unter dem 31. December 1650 der Gehalt eines Hofjunkers auf nur 60 Thlr. festgesetzt wurde, nebst 15 Thlr. Entschädigung für Hausmiethe und 16 Thlr. anstatt Rauhfutter für zwei Pferde. (B. XX. fol. 892.) Johann von Plessen wird am 2. Februar 1601 von Herzog Ernst zum Hofmeister seines derzeit am Coburg'schen Hofe sich aufhaltenden Bruders Georg bestellt, mit Zusicherung einer Besoldung von 160 Flor. Lüb. und Kleidung. (B. XII. fol. 4.) Mittelst Bestallungsbriefs Dienstag nach dem heiligen Pfingstfeste ao. 56 (1556) (B. IV. fol. 59.) wird Nicolaus Franciscus Swatius, Dr. med. zu einem Physico der fürst lichen Personen angenommen. Die Besoldung soll bestehen in: 100 Thlr., freier Behausung oder Bezahlung des Hauszinses von einem Hause, das er miethen mag, einem Ochsen, sechs Schafen, vier Schweinen, 30 Fuder Holz, wie zu Hoffe gewonlich, Sechs wichimpten roggen, vier wichimpten gerste, zwei wichimpten Buchweizen, Ein vaß Brandtwein, Kost zu Hoff mit einem Jungen, Hoffkleidung vor den Doctor und Jungen. Zum "anzukommen“ schenkt ihm S. F. G. 50 Thlr. In seinem Hause soll er Wein auszuschenken frei haben, auch eine Apotheke einrichten; was aus selbiger an Confect, Specerei und Arznei für den Fürsten, dessen Brüder und Schwestern genommen wird, soll nach billigem Werthe bezahlt werden. Nach dem Dienstantritt soll ein gewöhnlicher Bestallbrief und Reversal ingroßiret, und hin und wieder gegeben, auch Dr. Swatius in gewöhnliche Eid und Pflicht genommen werden. Als Hofmaler wurden am 3. Januar 1612 Wilhelm de S. Simon und am 29. Sept. 1615 Tobias Olpken angestellt. Der Gehalt der fürstlichen "Cornetisten und Musici" betrug 1622 (B. XVIII. fol. 58.) jährlich 50 Thlr. und Hofkleidung, wohingegen die Trompeter sich besser standen, indem nach einem Regulativ von 1650 (B. XX. fol. 777.) jeder jährlich außer dem Kostgelde 100 Thlr. und dann noch 20 Thlr. für Wohnung und Feuerung erhielt. Heinrich Nolte, welcher 1556 "vor einen Balbirer" angenommen wird, soll zur Besoldung haben: jährlich 15 Gulden lübisch, Scheffel Roggen, 2 fette Schweine, 2 Fuder Heu, 1 Paar Stiefel und 1 Gulden Lüb. Schuhgeld, wogegen er den Herzog und dessen freundliche lieben Brüder" als Balbirer bedienen soll. Der Lakai und Silberknecht Wilhelm erhielt 1558 außer einem ihm eingeräumten eigenen Hause nebst Hausgeräth, Kost zu Hof, jährlich 20 Gulden, Hofkleidung und 2 Scheffel Roggen. Die Kosten der Kleidung der Trabanten oder "Jahresknechte wurden im Anfange des 17. Jahrhunderts auf 5 Thlr. jährlich festgesetzt. (B. XVIII. fol. 340.) Während die Hofhaltung solchergestalt wohl geordnet und |