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führt. So finden wir außer den schon früher namhaft gemachten Militairpersonen einen Stallmeister Lucas Bruo, Oberjäger Roger Lowon, Musikant Gandon, Kammerdiener Caulier, Parsarenjäger Jean Baro, französischer Gärtner René Dahuron, Tapezier la Fontaine u. a. Eine besonders interessante Episode bildet Francesco Stechinelli, den der Herzog als Bettlerknaben von Italien gebracht, sodann zum Kammerdiener angenommen, und nach und nach mit verschiedenen Privilegien begnadigt, die dem betriebsamen und unternehmenden Mann bedeutende Reichthümer verschafften. Der VII. und XXIX. Band lassen die Fortschritte vom ersten Anfange, dem Handel mit allerhand fremden Tüchern (B. VII. fol. 41), dem bald die Einräumung freier Wohnung in des Hofpredigers Witwenhause folgt, verfolgen. Bauten neuer Häuser, welche mit Freiheiten begnadigt werden, An- und Verkauf von Gütern, Geldgeschäfte, und dergleichen machen einen ansehnlichen Theil des Inhalts jener Bände.

V.

Der Schöffenstuhl zu Bülkau.

Mitgetheilt vom Amtsassessor Hintze in Neuhaus a. d. Oste.

Das zum Amte Neuhaus a. d. Oste gehörige Kirchspiel Bülkau besitzt eine in den Bremischen Marschen herkömmliche freie Gemeindeverfassung, welche jedoch seit 1828, durch ein regierungsseitig vereinbartes Regulativ näher begrenzt ist. Diese Gemeindeverfassung scheint nun in alter Zeit eine derartige Selbständigkeit und Machtvollkommenheit besessen zu haben, daß einige Mittheilungen hierüber vielleicht nicht ganz ohne Interesse sein mögen, da wenigstens gleiche frühere Zuständigkeiten in andern jetzt ähnlich wie Bülkau organisirten Kirchspielen hiesiger Gegend, mit Ausnahme vielleicht und vermuthlich der des Landes Hadeln, nicht vorhanden gewesen scheinen.

Nach einigen in der Bülkauer Schultheißen- oder GemeindeRegistratur kürzlich aufgefundenen älteren Actenstücken hat nämlich der dortigen Gemeinde noch am Schlusse des siebenzehnten und im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts eine peinliche Gerichtsbarkeit über Leben und Tod, mittelst eines anscheinend kurzen, höchst summarischen Anklageverfahrens, zugestanden. Ein in Anlage A. beigefügtes Formular vom Jahre 1698 das hochnothpeinliche Halsgericht zu hegen, nebst dahinter befindlichen Notizen aus den Jahren 1698, 1699 und 1710 enthält darüber Näheres.

Das Original jenes alten Formulars ist von unbekannter Hand geschrieben, dagegen die dahinter befindlichen Notizen über vollstreckte Urtheile sind von der Hand des derzeitigen Bülkauer Schultheißen Albers, wie die Vergleichung mit anderen gleichalterigen Actenstücken ergeben, und dürfte daher an den in

jenen Notizen oder Registraturen enthaltenen Thatsachen, wie namentlich des geschehenen Köpfens dreier Zigeuner zu Bülkau unterm Galgen am 9. Februar 1709 auf Spruch jenes Hochnothpeinlichen Halsgerichts, nicht gezweifelt werden können.

Ueber die Art und Weise der Hegung des Hochnothpeinlichen Gerichts, welches nach einem ferner aufgefundenen Documente vom Jahr 1717 (Anl. B.) auch den Namen Schöpffen-Stuhl geführt und in jenem Jahre aufgehört zu haben scheint, läßt sich außer dem Inhalte des Formulars selbst fast nichts weiter bestimmt ermitteln.

Selbst die Zahl der Gerichts - Mitglieder bleibt ungewiß, denn außer dem Schultheißen und dem Landschöpfen, deren es Drei im Kirchspiele Bülkau zu jener Zeit gab, hat das Gericht wenigstens in schwereren Fällen noch aus besondern Geschwornen bestanden, welche letztere nach dem Schluffe des Formulars auch aus andern Kirchspielen erwählt oder zugezogen sein werden.

Ueber die Zahl dieser Geschwornen aber, deren Wahlart, Verpflichtung u. s. w. finden sich Aufschlüsse nicht. Das Urtheil ward von den Landschöpffen und Geschwornen auf vorgängige Anklage des "Sünders durch den Fiscal und Vertheidigung desselben durch den Advocaten, gefunden, indem erstere Gerichtspersonen zur Findung nach Ausdruck des Formulars, sich in die "Acht begaben, worauf Einer von den Geschwornen das in der Acht gefundene Urtheil anscheinend dem Schultheißen überbrachte, um es von diesem verkünden zu lassen. Ob bei diesem Gerichte der Anklåger Fiscal und der im Formulare benannte "Sünders - Advocat rechtsgelehrte Personen gewesen, scheint um so zweifelhafter, als es deren in Bülkau selbst wenigstens nicht gab, die Herbeischaffung aber in damaliger Zeit von auswärts gewiß schwierig und für die Gemeinde kostspielig

war.

Es gab zu der Zeit in Bülkau nur einen unstudirten kaiserlichen Notar, welcher zugleich oder hauptsächlich als Organist und Küster fungirte. Ob ferner das Gericht im Freien, oder vielleicht im Kirchspielshause gehalten wurde, darüber ergeben weder die Acten, noch die Tradition etwas Näheres, die Abhal

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tung der Hegung im Kirchspielshause dürfte indeß anzunehmen sein, weil ein sonstiger besonderer Gerichtsplatz in Bülkau sich nicht findet.

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Aus dem Bülkauer Gemeinde - Conclusum und einhelligen Verwillkührung vom 28. August 1717, wodurch die Aufhebung ihres Schöpfen Stuhls wegen zwischen hiesigen Landschöpfen Eines und Interessenten Andern Theils viel vorgefallenen Dispüten und Streit auf Grund der Verordnung Schwedischer Regierung von 1690, beschlossen und sorgfältig clausulirt wird, geht die Identität des Schöpfen - Stuhls mit dem Hochnothpeinlichen Halsgerichte zwar nicht direct hervor, doch scheint anzunehmen, daß der mehr für Civilstreitigkeiten in der Gemeinde wohl aus dem Schultheißen nebst betreffenden Landschöpfen bestandene sogenannte Schöpffen-Stuhl durch Zuziehung von besondern Geschwornen zum peinlichen Gerichte vorkommenden Falls, nur selbst sich constituirt haben wird.

Das Kirchspiel Bülkau besteht noch jetzt aus drei Theilen, Norder, Mittel- und Süder-Theil, für deren jeden Theil Ein Landschöpfe gewählt wird durch die im Jahre 1717 erforderliche Neuwahl eines Landschöpfen für Mitteltheil, wird der Schöpffenstuhl obbemerkten Gemeindebeschlusse nach völlig seine Endschaft erreicht haben, es finden sich wenigstens spätere Zeichen seiner Thätigkeit actenmäßig nicht, wohingegen dem Bülkater Schultheißen noch bis Anfang dieses Jahrhunderts eine Gerichtsbarkeit in kleinen Schuldsachen verblieben ist.

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Anlage A1).

Daß hoch noth Peinlich Halßgericht zu hegen,

Der Schuldt sprict,

N.N. I will Juw fragen ümb ein Ordell gh schölen Erkennen undt sprecken, wat Necht Iß, ob Itt nicht So Veer tiet Dages Iß, dat Jc hier mag ehn hochnothpienlieck Halßgericht hegen, Sitten undt holden, Von wegen Ihro Königl. May. zu Schweden, Unsers allergnädigsten Königs undt Herrn, undt deß Landeswegen, all dewiel Itt gelecht und gebaden Iß.

1) Die Abschriften hat Herr Hintze unter Beifügung des Amtsstem= pels beglaubigt, was wir hier weggelassen haben. D. Red.

Herr Schulte will gy dat ordell weten Itt Iß so Veer Tiet Dages gh mägen hier ehn hochnohtpienlick Halßgericht hegen, Sitten und Holden, Von wegen Jhro Königl. Maj. zu Schweden, Unsers allergnädigsten Königs und Herrn, und des Landeswegen, aldewiel Itt Lecht und ge= baden Iß.

Der Schuldte

So don Ic alß hier Tho Nechte gefunden Iß, Holde und Sitte hier ehn Hochnoth Pienlick Halßgericht Von Wegen Ihro Königl. Mah. zu Schweden, Unsers allergnädigsten Königs und Herrn und deß Landeswegen, alledewiet Itt Lecht und gebaden Iß.

Der Schuldte.

N. N. Ich will Juw fragen ümb ein Ördell, gh schölt erkennen und sprecken, wat Recht Iß, wat Jck Vorbeeden schall äver ditt hochnoht Pienlick Halßgericht.

Herr Schulte will gh dat Ordell weten, gh schölen Vorbeeden aller= leh Unrecht, Recht Necht schölle gy gebeeden, äver dit hoch-noht pienlich Halfgericht, So dar idt also hier Tho Necht gefunden Iß und Vorbeede allerley Unrecht, Recht Recht gebeede Ick äver dit hochnoth Bienlick Halßgericht,

Der Schulte Fraget.

N. N. J Will Juw fragen umb ein Ördell, gy schölt erkennen und sprecken wat Recht Iß, wenn da ehner queeme und sprecke sonder Heeten, undt Orloff In dißen hochnoth Pienleickn Halßgericht, und Könden ehm mit dem Gerichte avergahn, ob he dat nich schall dem Gerichte Tho Recht geweddet hebben.

Herr Schulte will gh dat Ördell weten, wen da ehner quem und sprece, sönder Heeten und Orloff In dißen hochnoth Pienlicken Halß= gericht, und Könden ehm mit dem Gerichte avergahn, so schall dat he dem Gerichte Tho Recht geweddet hebben.

Der Schulte sprickt

Kläger und Sünder Treeden Vor dat Hochnoth pienlick Halßgericht,
So tritt der Sünder hervöer mit synen Advocaten.

Spricht der Schuldte

Latet Ehm Handt und Bandt Loeß, so maeckt dee Schlöter Loeß.
Der Schuldte sprickt weiter. So Jemandt Iß, de in ditt Hochnoht=

Pientice Halßgericht Tho Klagen Hefft, Kan hervöer Treeden,

Alßdann tritt de Fiscal alfe des Sünders Anklägers hervöer, und Klaget dem Sünder an, dat hee, dat und dat N. N. Gebott avertreeden Hefft, und also nach Keyßer Caroly Quint. Peinlich Halßgerichts - Ordnung, schall vom Leben Thom Tode gebracht werden,

Bittet des Sünders Advocat den Schulten ob he woll sprecken mag; Sprickt de Schuldt, Ja woll,

Deß Sünders Advocat spridt N. N.: Hefft dat N. N. avertreeden,

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