mig, daß das Alte nicht immer entfernt zu werden brauchte, um Neuem Raum zu geben; dieses konnte auch hinzukommen. 6) Das alterthümliche Panorama der Tafelrunde war eine Ansprache an das Volk, das Publikum und darum mit „ländischen Reimen begleitet; es war aber nicht vox populi, wie etwa Pasquino in Rom es ist. Die Bekleidung der Tafelrunde ging sicherlich von den Oberen aus, der jährlichen vermuthlich von der städtischen Behörde, der Tjährlichen von der bischöflichen. Daß hiernach die Reime von 1510, welche über die Verderbniß der Welt und der Kirche1) klagen, unter bischöflicher Autorisation erschienen, kann uns nicht auffallen oder unmöglich dünken. Denn Aehnliches geschah (in der Zeit vor der Reform.) öfter und die Steine am Straßburger Münfter und andern Bauwerken des Mittelalters, führen eine noch stärkere satirische Sprache. Das Mittelalter hatte, und daran erinnert auch die Tafelrunde, mehr öffentliches Leben 2) und eine größere Oeffentlichkeit, als unsere Zeit; es war zugleich mehr Poesie im Recht und dessen Handhabung, im Verkehr, in den Lustbarkeiten 2c. als jetzt, so sehr, daß Manches (manches Wort 3), Bild, Institut) 1) Der Dichter flagt sicherlich nicht darüber, daß der Ablaß so wohl= feil, sondern daß er überhaupt verkauft werde. 2) Um die Tafelrunde, welche (nach den Schlußworten von v. 4 unserer Nachricht) öfter, als die geretteten Meliquien vermuthen lassen, die Zeiten und deren Läufte, sonderlich dieses Ortes, darstellte, sammelte sich das Publikum und besprach was es in effigie sah und — nebenbei noch manches Andere. Daher ist der Braunschweigsche Dichter der Stiftsfehde (1520) übel auf die Tafelrunde zu sprechen: We wil selig wesen und gesund; De sture sinen unnutten Mund (Lüntzels Zeitschrift I., 208.) 3) Man denke nur an den Scheven Klod selber und an das Fast= nachtsspiel dieses Namens. Die Symbolik der 10 Buben ist uns so entlegen (allenfalls durch die Finger sehn" verstehn wir noch und den Baum auf beiden Schultern tragen“), daß das Spiel uns wenig Salz und Pfeffer zu haben scheint. Es enthielt aber der Vorzeit uns dunkel ist, weil unsere Zeit nichts Aehnliches darbietet, und dunkel bleibt wenn wir nicht Schwarz auf Weiß, wenn wir nicht ein Actenstück darüber auffinden. Auch dazu giebt die Tafelrunde einen Beleg, denn noch haben wir unsern Blick nicht erhoben zu Der, die über ihr thront, zu der Jungfrau im gelben und rothen Rocke, der Jumfer Phaie. Sie wird uns in labhrinthische Gänge führen und eben darum stehe ich an, sofort sie zu begleiten; vielleicht bieten inzwischen freundliche Hände mir noch etwas Stoff mehr, aus dem ich gewinne den Faden Ariadne's. dieses Gewürzes für jene Zeit sehr viel und der Herr v. Steinberg brauchte den Klod nur zu sehn, um von Leder zu ziehn. Lüntzels Zeitschrift 1, 230. Einführung der Reformation in der freien Von Dr. Friedrich August Holzhausen, Licentiaten der Theologie an der Universität zu Göttingen. Die erste Neigung für die Einführung der Reformation offenbarte sich bei den Bewohnern der freien Reichsstadt Goslar im Jahre 1521, an dem Tage der Apostel Petrus-Paulus, wo bei einer öffentlichen Procession Reliquien herumgetragen wurden. Die Bewohner Goslars begingen die Tage der Apostel Petrus-Paulus, Simon-Judas und Matthias mit großer Feierlichkeit, indem unter Anderm an denselben der Sarg mit den Reliquien des heiligen Matthias, des Schutzpatrons der Stadt, in Procession herumgetragen wurde. Als nun ein gewisser Parochus, Namens Hanning Degens, das bei dieser Gelegenheit übliche Opfergeld darzubringen die Leute ermahnte, ward er vom Volke verlacht, und der Bürgermeister Johann Weidemann (oder Meidemann) rief mit lauter Stimme, man möge dem Unwesen steuern. Johannes Kleppius, Vicar an der Kirche St. Jacobi, trat noch in demselben Jahre als Prediger der evangelischen Lehre auf, und zwar zuerst in der Jacobikirche, darauf aber, als ihn der Pleban an derselben daran hinderte, in der Kirche zum heiligen Grabe, die zu einer Commende der Ritter des Johanniter-Ordens gehörte, und in einer Vorstadt Goslars gelegen war. Der Zulauf zu seinen Predigten war groß, denn Kleppins, ein an sich nicht ungebildeter und in der heiligen Schrift belesener Mann, hatte Luthers Schriften fleißig studirt. Die katholische Geistlichkeit bestürmte mit lauter Klage wegen Verringerung ihrer Einkünfte den Magistrat und dieser, von welchem wir später einen Theil dem alten Glauben ferner anhänglich finden, ließ sich durch die Drohung kaiserlicher Ungnade schrecken und verbot dem Kleppius die weitere Predigt der evangelischen Lehre, so wie den Bewohnern Goslars den Besuch seiner Predigten. Dieses Verbotes ungeachtet trat nicht lange darauf ein anderer Geistlicher für die Einführung der Reformation auf, M. Theodorich Schmedecke, Capellan an der St. Jacobitirche. Da ihm ebenfalls der Pfarrer-an dieser Kirche, ein gewisser Johann Hart, das Predigen in derselben nicht gestattete, so predigte er bald unter einer großen Linde auf dem Kirchhofe, bald vor der Stadt, auf dem Lindenplane, weshalb seine Anhänger die Lindenbrüder" genannt wurden. Dieser Schmedecke hatte zwar zu Wittenberg studirt, aber seine Kenntniß der evangelischen Lehre kann nicht tief gewesen sein, er ge= hörte vielmehr unter die polternden Prädicanten, welche den Umsturz der Hierarchie zum Hauptgegenstande ihrer Vorträge machten. Derlei Prädicanten waren aber der katholischen Geistlichkeit die widerwärtigsten. Schmedecke wurde bei dem Bischofe von Hildesheim, unter dessen Jurisdiction er stand, verklagt, auf die Veranstaltung desselben verhaftet, nach Amt Steuerwald gebracht, und zu einem öffentlichen Widerruf genöthigt, den er am 6. October des Jahres 1523 leistete. Schmedecke gab dann sein geistliches Amt ganz auf, und verwaltete eine Procura-. tur, wozu er sich wahrscheinlich unter seinem frühern Pfarrer einige Geschicklichkeit erworben haben mochte; denn der erwähnte Hart trieb selbst in seinem geistlichen Berufe Notariatsgeschäfte, ein Umstand, den wir deshalb erwähnen, weil er ein Licht auf die Beschaffenheit der Geistlichkeit zu Goslar in damaliger Zeit wirft. Die Freunde der Reformation beriefen darauf den Ans tonius Gerson, welcher bisher die gereinigte Lehre zu Greifs-. walde vorgetragen hatte, nach Goslar. Dieser Gerson war nämlich, a wien viele andere Anhänger der Reformation (unter andern der berühmte Bugenhagen), damals auf der Flucht aus Pommern begriffen, als daselbst durch Herzog Bogislaus 10. das Wormser Edict vollstreckt wurde. Gerson kam jedoch nicht nach Goslar, sondern starb unterwegs. An Schmedeckes Stelle predigte Johannes Kleppius von Neuem an der St. Jacobikirche, ein Beweis, daß die der Reformation geneigte Partei zu Goslar schon mächtig war. Kleppius trieb jetzt die Predigt der reinen Lehre mit solchem Beifall, daß die Kirche zu klein war, die Menge der Zuhörer zu fassen, und viele außerhalb derselben bei seiner Predigt zuhörten. Im Jahre 1524 folgte ihm Johannes Wesselius, aus Halberstadt vertrieben, woselbst er nebst Heinrich Gefferdes Prediger an der Martinskirche gewesen war, ein durch Bildung und Frömmigkeit gleich ausgezeichneter Mann. Der Magistrat gestattete nunmehr der neuen evangelischen Gemeinde zu St. Jacobi das öffentliche Religionsexercitium, und legte auch kein Hinderniß in den Weg, wenn in den übrigen Kirchen die lutherische Lehre vorgetragen wurde. Zu folcher Gesinnung soll der Magistrat durch folgenden Vorfall veranlaßt worden sein. Ein katholischer Geistlicher predigt wider Luthers Lehre, worauf ein schlichter Bürger ihm während der Predigt aus der heiligen Schrift widerspricht. Der Geistliche verklagt den Bürger bei dem Magistrate, dieser aber vertheidigt sich wider ihn vor demselben so nachdrücklich, daß der Geistliche beschämt davongeht, und sich nachher nicht öffentlich sehen läßt. Jedoch darf dabei nicht unerwähnt bleiben, daß auch einige Hansestädte (Goslar selbst gehörte zu dem Bunde der Hansa) sich bei dem Magistrate für die Einführung der Refor= mation verwendeten. Wesselius war der erste Geistliche zu Goslar, der das Werk der Kirchenreformation thatsächlich in Ausführung brachte, indem er das heilige Abendmahl, der Einsetzung gemäß, unter beiden Gestalten austheilte. Die Reformation machte auch in kurzer Zeit solche Fortschritte, daß mit Ausnahme der Stifts- und Klosterkirchen, doch in allen Stadtkirchen evangelisch gepre= digt und die Messe nebst den übrigen päpstlichen Ceremo nien allmählich ganz abgeschafft wurde. In der Marktkirche |