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VIII.

Die samojedische Sprache.

Diese Sprache wird jezt nur noch in dem äußersten nordöstlichen Winkel Europens gesprochen; ist aber mit mehrern Mundarten und Sprachen desselben Stammes verbunden, die sich jenseits des, unsern Welttheil begrenzenden Gebirges, langs der Nordküste Asiens, in weite Ferne verbreiten. Sie hat, wie vorerwähnt, viele Wörter mit den tschudischen Sprachen gemein, die mit ihr, in frühern Zeiten, mehr Berührungspunkte als jeßt, gehabt haben müssen. Denn die Sprache der Oståken, im Innern Sibiriens, ist aus dem Tschudischen und Samojedischen zusammengefeßt, oder der Übergang aus einer dieser Sprachen zur andern. Man bemerkt auch einige Ähnlichkeit zwischen der samojedischen Sprache, und der Sprache der Lesgier und anderer, weniger bekannten, kleinen kaukasischen Völkerschaften. Sie scheint übrigens blos eine Art von Sprach - Anfang, oder eine lebende Ursprache zu seyn; wenn man nehmlich dieses Wort in einem Sinne nehmen will, in welchem man, zu unsern Zeiten, von einer Ursprache etwas wissen und sagen kann. Sie besteht nehmlich aus wenigen leicht formirten Lönen und Wörtern, welche oft mehrere Gegenstände bezeichnen, die jede nur einigermaßen gebildete Sprache zu unterscheiden weiß. So hat sie z. B. nur Ein Wort für Schnee, und weiß, und hell; nur Ein Wort für grün, und blau, und gelb; nur Ein Wort für die Begriffe Mensch und Samojede u. s. w. Als eine Probe von ihrer Beschaffenheit mögen folgende Wörter dienen.

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Njéfe, Bater; Njébe, Mutter; Nju, Kind; Njiu, Sohn; Njenju, Lochter; Njeu, Bruder; Njenjeu, Schwester; Njénjéts, somojedisch, Mensch.'

mayiarischen Wörter find, so wie die mit ihnen verglichenen, nach der, im allgemeinen vergleichenden Wörterbuche mit russischen Buchstaben bezeichneten Aussprache geschrieben, welches ohne Zweifel in vielen Stellen gegen din herrschende mayiarische Orthographie verstoßen wird, aber hier in gare keine Betrachtung kömmt. (S. den Vorbericht.)

Die Samojeden ziehen in elenden öden Wüsten umher, die wenig Abwechselung darbieten; sie sind mit ihrem Zustande, so wie er ist, vollkommen zufrieden. Ein Volk, das so wenige Dinge sieht und hört, so wenig weiß und verlangt, kann eine reichere und gebildetere Sprache entbehren.

Da es indessen kaum glaublich ist, daß diese Sprache ursprünglich in dieser jezt so unwirthbaren Gegend der Erde entstanden sey: so könnte man sie als einen frühe abgerissenen Zweig, eines ehedem unter einem mildern Himmel ausgebreiteten Stammes betrachten; als einen Zweig, der durch fernere gewaltige Stürme immer weiter und weiter, bis an die Küsten des Eismeeres getrieben worden, wo er zwar eingewurzelt, aber im Wachsthume aufgehalten worden, oder verkrüppelt ist.

Wir haben oben die unverkennbare Ähnlichkeit verschiedener baskischer, wie auch ersischer, gallischer und albanischer Wörter, mit gleichbedeutenden Wörtern der samojedisches Mundarten, bemerkt, und die Vermuthung gewagt, daß diese Wörter vielleicht der eigentlichen alten keltischen oder ersten Ursprache Europens angehört haben könnten, die durch nachher eingedrungene fremde Sprachen, theils an die äußersten Enden unsers Welttheiles verdrängt, theils verschlungen worden wåre. Die Samojeden sollen noch jezt von alten Überlieferungen sprechen, nach welchen ihre Vorfahren einmal viel südlicher gewohnt, und sich nur nach und nach so weit nach Norden begeben haben. (Anmerk. Nr. 72.) Nur Schrecken und Abscheu vor einem harten Joch, konnten diese Menschen bewegen, sich in solche schauervolle, von ewigem Frost starrende Einöden zu retten; wo sie denn freylich ihre unbeneidete Freyheit, und mit selbiger zugleich die Dauer ihrer årmlichen Sprache, so ziemlich gesichert haben. Doch vielleicht war die Urnation ein auf hohen und kalten Gebirgen wohnendes Volk, das an ein arktisches Clima sich leichter gewöhnte.

IX.

Die turukischen oder tatarischen

Sprachen.

Dieser Sprachstamm ist, in Vergleich mit den vorbeschriebenen, nur seit kurzer Zeit in Europa einheimisch geworden, und hat sich daselbst weit weniger, als man anfangs befürchtete, verstärkt und verbreitet. Denn, obgleich die Besizungen der Türken in unserem Welttheile sehr ansehnlich sind, so hat doch ihre Sprache in demselben nur geringe Fortschritte gemacht; weil, wie bekannt, die große Mehrheit der Einwohner fast aller europäisch-türkischen Länder, theils griechisch, theils slawisch, theils rumänisch (wallachisch) spricht.

Ähnliche, doch nicht gleiche Ursachen, welche den Anwachs der türkischen Sprache in Europa beschränkt haben (Anmerk. Nr. 74.), verhinderten auch zu ihrer Zeit die weitere Ausbreitung der tatarischen (turukischen) Sprachen in dem europäischen Theile des russischen Reiches, wo gegenwärtig nur noch das Nogaisch-tatarische, und das sogenannte Kasanischtatarische, als zwey bedeutende Dialekte dieses Sprachstammes, gesprochen werden. An die weitere Ausbreitung dieser leßtern turukischen Mundarten ist jezt kaum zu denken; die eigentliche türkische Sprache aber scheint jezt eine Art von Crisis erlebt zu haben, nach welcher sie entweder einen neuen Schwung nehmen, oder nach und nach ganz aus Europa verschwinden muss.

Aus allem diesem erhellet, daß der turukische Sprachstamm, ohngeachtet er das europäische Bürgerrecht errungen hat, doch gegenwärtig noch), weit mehr und eigentlicher zu den asiatischen, als zu den europäischen Sprachen zu rechnen sey. Denn, außer der türkischen Sprache, die in Asien mehr als in Europa verbreitet ist, und außer verschiedenen tatarischen Dialekten im asiatischen Theile des russischen Reiches, gehö ren auch zu dem turukischen Sprachstamme in Asien, die Sprachen der Turkomanen oder Truchmenen, der Kirgisen, Basch

kiren, Jakuten und verschiedener anderer tatarischen Stämme, die mit besonderen Namen benannt werden.

Schlüßlich verdient es bemerkt zu werden, daß die gefammten Zweige des turukischen Sprachstammes,* ohngeachtet ihrer weiten Zerstreuung, einander weit mehr, als die verschiedenen Sprachen und Dialekte des tschudischen und anderer Sprachstämme gleichen; so daß, nach dem allgemeinen vergleichenden Wörterbuche zu urtheilen, selbst die in ihrer Art kultivirten europäischen Türken, wenig Mühe haben möchten, sich den wilden rohen Jakuten des nordöstlichen Sibiriens, in ihrer Sprache verständlich zu machen. Dieses scheint die Vers muthung zu bestärken, daß die turukischen Stämme viel spåter, als die der tschudischen und anderer Nationen, getrennt oder zersprengt worden sind.

X.

Die maltesische Sprache

scheint aus einem Gemisch des Arabischen mit italiänischen, französischen und andern, aus verschiedenen europäischen Sprachen entlehnten Wörtern entstanden zu seyn. Ein ähnliches Gemisch, aus arabischen und spanischen Wörtern, soll auf den kleinen spanischen Inseln im mittelländischen Meere gesprochen werden; `anderer aus verschiedenen Sprachen zusammengestoppelter, unbedeutender Idiome nicht zu erwähnen.

Außer diesen vorbeschriebenen Sprachen giebt es in Europa noch zwey merkwürdige Sprachen, die zwar niemals irgendwo das europäische Bürgerrecht erlangt haben; aber doch in vielen Gegenden und Låndern unseres Welttheiles von zweyen ausgezeichneten Völkern gesprochen werden.

1.

Die jüdische oder neuhebräische Sprache.

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Die alte hebräische Sprache war zu ihrer Zeit ein vor andern kultivirter Dialekt eines großen Sprachstammes, der sich von den Höhen Äthiopiens an, durch Arabien und Syrien bis an und über den Euphrat erstreckte. Man könnte diesen Sprachstamm, nach seinem noch in voller Kraft bestehenden stärksten Zweige, am füglichsten den arabischen nennen; um so mehr, da die alten Hebråer, ehe sie sich mit gewaffneter Hand in Palåstina fest seßten, wohl nichts mehr und nichts weniger, als eine durch Religion und Sitten ausgezeichnete arabische Horde waren. Auch sollen, nach dem Urtheile der Kenner, die åltesten Denkmåler der hebräischen Sprache (im Buche Hiob und der Schöpfungsgeschichte) noch weit mehr als die spåtern, dem Arabischen gleichen.

Seitdem die Juden, nach der völligen Zertrümmerung ihrer Herrschaft in Palästina, sich nach und nach, nicht nur in Asien und Afrika, sondern auch fast in allen Ländern Europens ausgebreitet haben, ist die alte hebräische Sprache auch unter ihnen als eine todte oder geschlossene Sprache zu betrachten, deren sie sich, (so wie sonst die mehresten christlichen Nationen Europens, der lateinischen Sprache), theils als Religions theils als Gelehrten-Sprache bedienen; zu welchem leztern Behufe sie aber, nach der jeßigen Lage der Dinge keinesweges geeignet ist. Dagegen haben sich die neueren Juden, aus dem alten Hebräischen und den Sprachen der Lånder, in welchen sie leben, eine Art von eigener ConversationsSprache zusammengestoppelt, die auch wohl unter ihnen mit dem Namen des Hebräischen beehrt wird. Sogar wähnt mancher jüdische Schacherer seine Kenntniß der hebräischen Sprache schon dadurch zu bewähren, wenn er sein verstümmeltes Deutsch mit hebräischen Buchstaben schreibt; eine thörichte Sitte, die zu keinem guten Zwecke dienen kann. — Es scheint wohl über, haupt, zur Beförderung der Kultur und Humanitåt unter den jüdischen Einwohnern europäischer Länder, recht sehr zu wüns

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