Page images
PDF
EPUB

Als der neununddreißigste Chalif seit Muhamed, der zwanzigste aus dem Hause der Abbasiden, Al Rahdi, Moktaders Sohn, unvermögend den Parteien zu widerstehen. (933 Jahre nach Christus, 300 Jahre nach Abubekr, 183 Jahre nach Erhebung des Hauses Abbas), die höchste Gewalt 5 und alle Einnahmen des Reiches dem Statthalter von Bassora, Ibn Rajek, als höchstem Emir übertrug, war fast alle Herrschaft schon in den Händen anderer Geschlechter. Nur die geistliche Gewalt, welche unbedeutend und nie von abendländischer Wirksamkeit war, blieb den Chalifen.

ΙΟ

Im Anfange des 10. Jahrhunderts der christlichen Zeitrechnung begründete Abu Muhamed Obaidalla (der gemeinen Meinung nach ein Abkömmling des Ali und der Fatime) die Herrschaft der Fatimiden im nordwestlichen Afrika. Unter seinem Sohne Kajem und seinem Enkel 15 Mansur vergrößerte sich das Reich, erhielt aber erst unter Moez, dem Sohne Mansurs, die höchste Ausdehnung. Deffen Heere fochten in Italien und Sicilien gegen die Griechen und Deutschen, in Spanien gegen die Ommyaden ; sie drangen in Westafrika bis zum Weltmeere, eroberten 20 Aegypten im Jahre 968 von den Thagagiden und später sogar Mekka, Medina und einen großen Theil von Syrien und Palästina. Moez erkannte, als Alide, nur den Ali als rechtmäßigen Nachfolger Muhameds an und verfluchte die drei ersten Chalifen; er führte in der von ihm erbauten 25 Stadt Kairo Kirchengebräuche ein, welche von denen in Bagdad abwichen, und blieb aus religiösen und Staats

[blocks in formation]

gründen ein steter Feind der sunnitischen Abbasiden. Deshalb hielt er sich auch durch die günstigen, von ihnen den Christen ertheilten Versprechungen nicht für gebunden; doch war sein Sohn Aziz, unter dem die Macht der Fatimiden ungeschwächt 5 blieb, duldsam gegen alle Religionsbekenner, ja sein Geheimschreiber war ein Christ und sein Schazmeister in Syrien ein Jude. Hakem, des Aziz Sohn und Nachfolger, ein Zeitgenosse Ottos III. und Heinrichs II., wüthete desto unverständiger gegen Einheimische, Fremde und gegen alle 10 Religionsparteien; er zerstörte die Auferstehungskirche in Jerusalem und untersagte bei schwerer Strafe allen christlichen Gottesdienst. Da verschwuren sich endlich einige Heerführer und sogar seine Schwester wider ihn und erhoben seinen Sohn Taher, welcher sogleich die Herstellung jener Kirche 15 und des Gottesdienstes erlaubte. Ueberhaupt heilte dieser

durch eine funfzehnjährige löbliche Regierung manche Wunde des fatimidischen Reichs: unter seinem Sohne Mostanser verlor hingegen dasselbe an Umfang und Macht, und Mosta Abul Kasem, welcher im Jahre 1094 (ein Jahr vor dem 20 Ausbruche der Kreuzzüge) den Thron bestieg, war nicht im Stande, die vielen vorhandenen Uebel sogleich abzustellen.

Noch weit ausgebreiteter als die Herrschaft der Fatimiden war die der Seldschuken. Im Often und Nordosten des kaspischen Meeres zogen türkische Stämme umher mit Pferden, 25 Vieh, Sklaven und Mägden; sie kannten keinen Ackerbau und keinen Handel, sie trieben nur Tauschgeschäfte und warteten ihrer Heerden. Dukak und sein Sohn Seldschuk, tapfere Führer solcher Stämme, dienten dem Chane der Chazaren Bigu mit Auszeichnung, bis ihm die großen 30 Anlagen Seldschuks gefährlich erschienen. Zur Flucht gezwungen vereinigte dieser bald mehrere Stämme unter seiner

Leitung und beunruhigte von der Nordseite des Sihon her die Länder des Chans mit Erfolg. Seldschuks Söhne mußten noch vertheidigungsweise verfahren; aber sein Enkel Toghrul eroberte allmählich alle Länder vom Orus bis zum Euphrat, besiegte die Gasneviden, stürzte die Buiden in 5 Bagdad, ward hier höchster Emir und beherrschte den Chalifen um dieselbe Zeit, als Kaiser Heinrich IV. mit Sachsen und Päpsten stritt, Robert Guiskard Apulien und Kalabrien von diesen zu Lehen erhielt, Wilhelm der Normann England eroberte und Komnenen in Konstantinopel ihre Herrschaft 10

antraten.

Alp Arslan, der Neffe und Nachfolger des kinderlosen Togrulbeg, machte die Okailiden in Nisibis und die Mardasiten in Aleppo zinsbar. Da erhob Romanus Diogenes, der griechische Kaiser, im Jahre 1070 wider ihn Krieg, verlor 15 aber durch eine unglückliche Schlacht bei Mandzgerd (24. August 1071) Heer und Freiheit und wurde erst gegen Uebernahme sehr lästiger Bedingungen losgelassen. Die Griechen wälzten, damit ihre eigene Schwäche verdeckt bliebe, alle Schuld des Verlustes auf ihn, blendeten den Unglück- 20 lichen und ernannten Michael Dukas zu seinem Nachfolger. Schon zitterte man in Konstantinopel vor den weiteren Fortschritten der Seldschuken, als Unruhen den Sultan in die Länder jenseit des Orus riefen. Hier ließ er einen ungetreuen Diener, den Chowaresmier Jussuf, an einen Pfahl 25 binden und wollte ihn mit eigener Hand strafen, aber dreimal fehlte sein Pfeil; da riß jener verzweifelnd sich los und stürzte dem Sultan entgegen, welcher, auf der Flucht strauchelnd, zu Boden fiel und von jenem tödtlich verwundet wurde. „Ich habe heute nicht gebetet (sprach Alp Arslan), ich habe mich 30 beim Anblicke meines Heeres erhoben als unüberwindlich,

mit Recht trifft mich die Strafe Gottes!"-Der Sultan starb am 15. December 1072, und die Türken zerrissen den Mörder.

Unter Malek (Melek), dem größten von allen seldschu5 kischen Herrschern, welcher seinem Vater Arslan folgte, wurde Kleinasien bis zu den Meeresküsten und Damaskus nebst einem großen Theile Syriens erobert, ja selbst auf Aegypten mehrere Jahre lang ein bedeutender Einfluß ausgeübt. Als der Sultan im Jahre 1092, drei Jahre vor dem Ausbruche 10 der Kreuzzüge, starb, huldigte man ihm von den Grenzen Chinas bis zum Mittelmeere und von Samarkand bis zu der südlichen Spize Arabiens. Die oströmischen Kaiser waren ihm zinsbar, Ruhe beglückte das Reich, Gerechtigkeit wurde gehandhabt, die Städte kamen in Aufnahme, und die Wissen15 schaften blühten. Gleich nach seinem Tode aber brachen innere Kriege aus, in welchen sich Brüder und Verwandte nicht schonten und Muhamedaner einander aufs äußerste verfolgten; wie viel weniger durften Christen und Pilger auf eine irgend gemäßigte Behandlung rechnen!

20

In dem Maaße aber, als jeßt, und überhaupt seit der türkischen Herrschaft im vorderen Asien, die Gefahren für die Pilger zunahmen, wuchs die Liebe zu den Pilgerungen. Denn in christlichen Ländern fanden jene in der Regel gastfreundliche Aufnahme und sicheres Geleit; anch war man 25 mehr als je überzeugt, daß die Wallfahrten zum Heile der Seele dienten und als Bußübungen von großer Schuld lösten. Hiezu kam die ganz außerordentliche, selbst grobe Betrügereien übersehende Vorliebe für Reliquien aus Palästina und Jerusalem, sowie der Umstand, daß die italienischen Frei30 staaten, nebst den Seestädten des südlichen Frankreich, einen wichtigen Handel nach den syrischen Küsten begannen und

die Pilger gern für einen mäßigen Lohn dahin überseßten. Aber wenn schon diese Meerfahrt ihnen oft den Untergang brachte, wie viel gefährlicher war da nicht der Landweg! Im Jahre 1064 zogen der Erzbischof Siegfried von Mainz, die Bischöfe Günther von Bamberg, Otto von Regensburg, 5 Wilhelm von Utrecht nebst vielen andern Begleitern nach Jerusalem und erreichten die Stadt, aber nicht ohne große Gefahr und vielfachen Verlust. Ein Jahr später traten 7000 Christen die Wallfahrt an, wurden aber von den Türken angefallen und in einer Burg belagert; nur 2000 retteten 10 ihr Leben. Graf Theodorich von Trier, welcher den Erzbischof Kuno von Köln erschlagen hatte, mußte auf Befehl des Kaisers das Land meiden und entschloß sich zur Pilgerfahrt nach Jerusalem; allein nie hat man von ihm und den Seinen wieder gehört.

15

Und diejenigen, welche alle Gefahren des Weges glücklich überstanden, fanden sich zulezt am Ziele getäuscht. Schon unter der Regierung Alp Arslans war nämlich Jerusalem und Ramla durch Joseph, einen Chowaresmier, den Fatimiden entrissen worden; Orthof, ein Führer türkischer Stämme, 20 beherrschte mit Bewilligung von Thuthusch (einem Bruder Sultan Maleks) die heilige Stadt. Unter seinen Söhnen und Nachfolgern Ilgazzi und Sokman nahm nun die Noth überhand und die Gewalt. Kein Altar, kein kirchliches Gefäß war den Türken mehr heilig, die Geistlichen wurden 25 geschlagen und gestoßen, ja der Patriarch bei Haar und Bart zur Erde geriffen. Strenger als je forderte man von den Pilgern, deren Vermögen durch die Reise fast immer schon erschöpft worden, ein Goldstück für die Erlaubniß, Jerusalem zu besuchen. Die Einwohner dieser Stadt konnten nicht 30 Jeden unterstüßen; allgemein verbreiteten sich Wehklage,

« PreviousContinue »