Page images
PDF
EPUB

Palme u. dgl., während die Wände der Gänge, namentlich da wo sie sich zu fapellenartigen Räumen erweiterten, mit Bildwerfen, welche biblische Stoffe behandelten, bedeckt waren. *)

Als jedoch das Christenthum in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts die Herrschaft gewonnen hatte, zeigte sich immer ent= schiedener das Bestreben, die Gräber in der Nähe der Ruhestätten der Heiligen und Märtyrer, also in und bei den Kirchen anzulegen. Seit Mitte des 5. Jahrhunderts begann man Bischöfe und andere geistliche Personen, bald auch Fürsten und vornehme Laien in den Kirchen selbst beizusehen. Solche christliche Begräbnißstätten hießen in der kirchlichen Sprache des Mittelalters seit dem 3. Jahrhundert Coemeterien (von zoμãoda Mt. 27, 52. Joh. 11, 11. Act. 7, 60. 13, 36. 1 Cor. 7, 39 und 15, 18. 1 Thess. 4, 13. 14, 14. 2 Petr. 3, 4), was sich in dem französischen cimetière und dem italienischen cimiterio erhalten hat, d. i. Schlaf- oder Ruhestätten. Trot mancher Verbote von Seiten kirchlicher und weltlicher Gewalten erhielt sich die Unsitte und pflanzte sich auch in der protestantischen Kirche fort, Fürsten, Patrone, höhere Geistliche, ausgezeichnete Staatsmänner, Gelehrte und Künstler innerhalb der Kirchen zu bestatten, wie es ja noch jezt z. B. in der Westminsterabtei zu London geschieht. Neuerdings dürfen, einzelne Ausnahmen abgerechnet, Leichen nicht mehr in den Kirchen beigesetzt und müssen Friedhöfe außerhalb der Städte und Ortschaften angelegt werden.

Die Beerdigungsgebräuche selbst haben nach Zeit und Ort vielfach gewechselt. Das aufkeimende Christenthum folgte auch hierin zunächst der jüdischen Ueberlieferung und adoptirte die bedeutungsvolleren, geistigeren symbolischen Zeichen und Handlungen. Aber es lag in dem Charakter des christlichen Glaubens, der den Schwerpunkt der menschlichen Bestimmung aus dem Diesseits in das Jenseits verlegte und der Hoffnung auf eine Fortdauer der Seele so viele neue Stüßen gab, daß er

*) Vgl. Bellermann: „Ueber die ältesten christlichen Begräbnißstätten, besonders die Katakomben in Neapel", Hamburg 1839 und de Rossi: „,,La Roma sotteranea Christiana, Bd. 1. Rom 1864; Münter, die Sinnbilder und Kunstvorstellungen der alten Christen, sowie die bezüglichen Schriften von Schnaase, Rumohr, Piper, Merz, F. X. Krauß u. A.

eine mehr feierliche Leichenbestattung verlangte und den Uebergang in die bessere Welt mit Hymnen und Gebeten inaugurirte. Dem vorchristlichen Volksgebrauch gehörte das Leichenmahl an, an welches sich bis zum 4. Jahrhundert Agapen- und Abendmahlsfeier am Grabe anreihten, was aber später von der Kirche gemißbilligt wurde. Während nun das Zudrücken der Augen bei den Todten zunächst einen ganz natürlichen Grund hat und sich darum fast bei allen Völkern findet, erkennt der Christ darin auch ein Sinnbild, welches den Tod unter dem Gesichtspunkte des Schlafens mit der Hoffnung des Erwachens darstellt. So ist auch das Küssen eines theuern Entschlafenen ein natürlicher Ausdruck des Schmerzes und der Liebe; als pinqua ayov, nach 1 Petr. 5, 14 auch piknuɑ άɣáлs genannt, als heiliger Bruderkuß (Röm. 16, 16. 1 Cor. 16, 20. 2 Cor. 13, 12. 1 Thess. 5, 26) sollte er die christliche Gemeinschaft auch über das Grab hinaus und zugleich, nach Tertullian, als orationis signaculum das gehaltene gemeinsame Gebet besiegeln. Die Bekränzung der Leiche zum Zeichen des errungenen Sieges und die beigelegten Palmen als Symbol des erkämpften Kleinodes fanden in den ersten Zeiten noch vielen Widerspruch. Ausdrücklich mußte zu wiederholten Malen verboten werden, den Gestorbenen die consekrirten Abendmahlselemente einzuflößen oder sie in den Sarg zu legen. Dagegen rechnet Pseudo-Dionysius (im saec. 6) die Todtenweihe, tehetŋ tāv zezoyμquévov zu den Sacramenten, deren er sechs aufzählt. Leidenschaftliche Ausbrüche von Trauer, Zerreißen der Kleider, Anziehen von „Sack und Asche“, Cypressenzweige, Klageweiber u. dgl. galten als hoffnungslose heidnische Sitten. Maßloses lautes Schluchzen und Weinen sucht eine abergläubische Pietät auch jezt noch aus der unmittelbaren Nähe des Todten zu entfernen, weil dadurch der Abgeschiedene in seiner Ruhe gestört werde. Nächtliche Todtenfeier war verboten, wogegen die Leichenzüge mit Fackeln und Lampen am hellen Tage, Palm- und Celzweigen und anderem sinnbildlichen Schmuck sehr in Aufnahme kamen. Julian und die Vandalen untersagten dieselben. Die Begräbnißfeierlichkeit schloß mit dem Gebet des Herrn und der priesterlichen Segensspendung.

Sehr frühe wurden auch Oblationen für Verstorbene üblich; gegen dieselben trat 360 zuerst Aërius, Presbyter zu Sebaste in Armenien, auf. Doch bildete sich in der katholischen Kirche dieser Usus zu der Feier von Seelenämtern und Todtenmessen aus. Hier hat sich die Liturgie der Exequien überhaupt in großer Reichhaltigkeit und mannichfaltiger Symbolik ausgebildet. Die brennenden Kerzen als Sinnbild des ewigen Lichtes (lux perpetua), das kleine Kreuz zwischen den auf der Brust gefalteten Händen, das Voraustragen eines großen umflorten Kreuzes zur Erinnerung an die in Christi Tod gewonnene Erlösung*), die je nach Stellung und Würde des Todten veränderten und gesteigerten Weihen der Kirche durch ihre Priester, die bedeutungsvollen Gebräuche, welche selbst die Unschuld der verstorbenen Kinder durch ein weißes Sargtuch der mitfühlenden Gemeinde zu versinnbildlichen wußten dieses Alles wirkte nicht nur in der Zeit der lebendigen Poesie und der Jugendfrische des Glaubens, nein es wirkt noch immer im hohen Grade ergreifend auf die Leidtragenden. Eine solche feierliche Bestattung wurde von jeher den Ungetauften, auch den ungetauft verstorbenen Kindern, den Nichtkatholiken, Excommunicirten, notorischen Religionsspöttern und Lasterhaften, Denen welche nicht wenigstens einmal im Jahr, um die österliche Zeit das Abendmahl genossen hatten, Denen welche ohne Reue gestorben waren, den Hingerichteten, Selbstmördern (d. Griechen mit Ajax), sowie den im Duell Gefallenen versagt; doch ist auch hierin die Praxis viel milder geworden.

Das Ceremoniell und Ritual in der griechisch-katholischen Kirche ist dem der römischen ähnlich, nur noch mehr veräußerlicht und der Glaubenswärme gänzlich enthoben. Eigenthümlich ist den Russen die Sitte, ihre Todten blos des Morgens zu beerdigen.

In der protestantischen und vornehmlich in der reformirten Kirche ist wie der Cultus überhaupt so auch die Todtenbestattung zu größerer Einfachheit zurückgeführt worden. Läuten der Glocken, Trauerconduct, Gesang, Leichenrede und Segen

*) Bei dieser Gelegenheit wollen wir auf Zöckler: „Das Kreuz Christi“, Gütersloh 1875, als eine reiche Fundgrube alles über Geschichte und Bedeutung des Kreuzes Wissenswerthen verweisen.

spruch bilden die Todtenfeier; ja die stille Bestattung (sepultura minus solennis) ohne Eang und Klang, ohne Grabrede und liturgische Zuthaten ist vielfach Sitte geworden. Die moderne Zeit streift auch hier vielfach das Religiöse ab; das Leichengeleite ist mehr und mehr zu einem Acte bürgerlicher, socialer Convenienz geworden, und bei der Beerdigung hört man oft Gedächtnißreden, die rein von einem weltlichen Standpunkt aus gehalten sind, und in welchen die christliche Anschauung vom Sterben und vom Jenseits mit keiner Sylbe zum Ausdruck gelangt.*) Auch das Einsegnen der Sterbenden zum Tode wie das der Leichen zum Begräbniß ist fast allenthalben abgekommen. Ueber die Zulässigkeit des Gebetes, der Fürbitte für die Entschlafenen, wie sich solche in einzelnen kirchlichen Agenden finden, ist mehrfach Streit unter den Theologen gewesen. Kliefoth („Das Gebet für die Todten") hat diese Sitte für eine unchristliche und verwerf= liche erklärt, Otto (in Herborn) sie vertheidigt. Sie ist in der That auch nur als Ausdruck der fortdauernden Liebe und Theilnahme für den Abgeschiedenen und keineswegs als ein Versuch aufzufassen, in das Schicksal des vor den Richterstuhl Gottes Berufenen mit unserm Bitten irgendwie eingreifen zu wollen.

Wo die symbolischen Zeichen und Handlungen, mit welchen die Bestattungen früher umgeben waren, völlig destruirt sind, da wird es schwerlich gelingen, dieselben zu reformiren; wo sich aber ein wenn auch nur schwacher Rest davon erhalten hat, da lohnt sich vielleicht dennoch die Mühe, an das noch Erhaltene und Ueberlieferte anzuknüpfen und eine einfach würdige Feierlichkeit wieder einzurichten, bei welcher durch Wort und Zeichen der christliche Glaube an Auferstehung und ewiges Leben verkündigt wird. Das ist wichtiger, als wenn der Parentator nur eine Gedächtnißrede, sei es in lobender, sei es in tadelnder Weise auf den Verstorbenen hält. Darum halten wir es auch für gerathen,

*) Wenn Hagenbach in seinen „Grundlinien der Liturgik und Homiletik“ (S. 180) meint: „Es wäre thöricht, hier eingreifen zu wollen; die Kirche soll sich mit dem Leichenceremoniell nicht allzuviel zu schaffen machen, eingedenk des Wortes: Laßt die Todten ihre Todten begraben“ (Mt. 8, 22), so sagen wir dagegen: „Die Kirche darf sich nicht mundtodt machen lassen; sie darf sich keine Gelegenheit rauben lassen, von dem Herrn über Leben und Tod Zeugniß abzulegen."

es lieber bei einem gläubigen, erbaulichen Trostgebet bewenden zu lassen, als das offene Grab zu einer blos Personalien enthaltenden Casualrede zu benußen.

Die Brüdergemeinden zeichnen sich mehr als andere protestantische Genossenschaften durch Theilnahme und Sorgfalt für die Bestattung und Ehre ihrer und selbst fremder unter ihnen verblichenen Todten aus. Solchen aber, welche murren über die Kosten, welche für ein würdiges Begräbniß theurer Angehöriger aufgewendet werden und sagen, das Geld werde besser den Armen gegeben, als für Feierlichkeiten und Pomp ausgegeben, die dem Todten Nichts nüßen können, halten wir das herrliche Wort unjeres Heilandes (Marc. 14, 6 u. folg.) entgegen: „Laßt sie mit Frieden; was kümmert ihr sie?! Sie hat ein gutes Werk an mir gethan. Sie hat gethan, was sie konnte; sie ist zuvorgekommen, meinen Leichnam zu salben zu meinem Begräbniß.“ Es kann nur im christlichen Interesse liegen und es wird die Gemeinden ehren, wenn die Leichenbestattung und die Gräbersymbolik eine recht sinnig und würdig ausgebildete ist. Ob es rathsam und thunlich ist, das alte Institut der Copiaten wieder zu erneuern - was Hagenbach a. a. D. S. 185 vorschlägt an Stelle der jezigen, oft des Tactes und jedes liturgischen Anstandes entbehrenden Todtengräber, dürfte fraglich erscheinen, wenn wir auch gern zugeben, daß eine solche Einrichtung recht veredelnd und wohlthätig auf den Eindruck der Beerdigungsfeier wirfen fönnte.

Außer den Juden und Christen sind es auch die diesen sich anschließenden Mohammedaner, welche ihre Todten begraben. Ebenso herrscht die Sitte des Beerdigens außer bei den schon genannten Völkern bei Chinesen und Japanesen, sowie bei den amerikanischen und afrikanischen Urvölkern und findet sich bei den übrigen Völkern wenigstens überall als Bestattungsweise neben der Conservirung wie neben dem Verbrennen der Todten.

Besonderer Erwähnung werth scheint uns noch, was von den Tungusen berichtet wird. Dieselben hängen nämlich ihre Todten an Bäumen auf (siehe Andreae a. a. D. S. 247 und Meiners, Geschichte der Religionen, Bd. 2 S. 725), ein Verfahren, was ganz an die skythische Bestattungsweise erinnert, die uns aus der Erzählung

« PreviousContinue »