Page images
PDF
EPUB

Getreu unserm in der Einleitung zu dem Logos Spermaticos (S. 24-26 und 51-68) aufgestellten Programm haben wir unser Unternehmen, zunächst die Vorstellungen vom Zustande nach dem Tode auf dem Wege eines vergleichenden Verfahrens darzustellen, ganz objectiv und ohne Voreingenommenheit für eine bestimmte Religion durchzuführen uns bemüht, alles zugängliche Material geprüft und gesichtet und dann die wiederkehrenden, überall sich findenden Punkte constatirt, um uns aus diesen das Wesen der betreffenden Vorstellungsreihe zusammenzusehen. Ganz von selbst aber wurde das Ergebniß, welches aus der Vergleichung aller von uns verhörten Religionen folgerte, eine Bestätigung und ein Zeugniß für den christlichen Glauben an Unsterblichkeit und Vergeltung. Weitere Darlegungen über die Art und den Zweck unsrer Untersuchung sowie über das aus derselben gewonnene Resultat finden sich in unserm, eine Recapitulation anstellenden und das Facit zichenden Schlußcapitel.

Eine gesonderte Wiedergabe der christlichen Eschatologie ist in dem Buche nicht gegeben. Das könnte Manchem befremdlich und als ein Mangel erscheinen, und doch hat diese Auslassung mit Bewußtsein und Absicht stattgefunden. Einmal durfte der christliche Glaube in Betreff des erwarteten Zustandes nach dem Tode als der Hauptsache nach bei dem Leser wenn nicht als vorhanden, so doch als bekannt vorausgesezt werden, zumal über die christliche Eschatologie bald in wissenschaftlicher, bald in mehr erbaulicher Weise viele eingehende und jede durch besondere Vorzüge ausgezeichnete Arbeiten von Männern der verschiedensten theologischen Richtungen, wie - um der Aelteren gar nicht zu gedenken — C. G. Bretschneider, Ludwig Hofacker, Fr. Richter, Franz von Baader, Chr. H. Weiße, A. Lau, Chr. W. Spieker, Fr. Heinr. Kern, J. M. Scholand, J. A. Dorner, Lichtenstein, 3. Peter Lange, W. Georgii, Chr. Fr. Kling, Adolph Schumann, E. Zeller, J. A. L. Hebart, W. Hoffmann, H. Karsten, Th. Lessing, Fr. West, Herm. Cremer, Herm. Schultz, Chr. E. Luthardt, H. W. Rink, C. A. Auberlen, Rud. Stähelin und Anderen veröffentlicht worden sind.

Findet sich nun auch in unserm Buch keine Separatdarstellung

der christlichen Lehre von den lezten Dingen, so zicht sich doch eine Vergleichung der gefundenen Vorstellungen, Gebräuche und auf eine andre Welt sich richtenden Gedanken, Worte und Handlungen mit den betreffenden christlichen wie ein rother Faden durch die ganze Untersuchung, und speciell in den einleitenden Capiteln (1—5) wie in der Schlußzbetrachtung (Capitel 18) ist die christliche Anschauung über das Jenseits und das aus dem Gesichtspunkt des Jenseits angesehene Diesseits als maßgebende überall in Betracht und Vergleich gezogen.

Hätte ich der christlichen Eschatologie gerecht werden wollen, so konnte das nicht in einem einzelnen Abschnitte geschehen. Um diesen Stoff biblisch-theologisch und dogmengeschichtlich nur einigermaßen gleichmäßig und vollständig abzuhandeln, bedürfte es eines selbständigen Werkes, welches den Nachweis zu erbringen hätte, daß und in wiefern auch in Bezug auf die Hoffnung eines Lebens nach dem Tode Christus die Erfüllung gebracht habe. Verschiedene äußere und innere Gründe geboten mir indessen, von einer derartigen Darstellung der christlichen Eschatologie wenigstens zur Zeit abzusehen, namentlich auch in Erwägung des Umstandes, daß das Bedürfniß nach einer solchen bereits anderweitig zur Genüge Befriedigung finden kann.

Die Natur des behandelten Gegenstandes brachte es mit sich, daß sich zuweilen unwillkürlich zu vieles Empfinden in das Denken mischte, und daß dadurch die Nüchternheit und strenge Folgerichtigkeit der Erörterung hier und da unterbrochen wurde. Wissenschaftliche Untersuchungen über andre Fragen lassen es cher zu, daß Definitionen, Argumente und Conclusionen gleichsam wie eine schön gereihte Phalanx hinter einander aufmarschiren, aber eine lebendigere, nicht blos an den Kopf, sondern auch an das Herz sich richtende Darstellung, selbst wenn sie in Folge davon mitunter aus dem gleichmäßigen Schritt und Tact des Fortschreitens gerathen sollte, hat bei einem Thema, wie das unserige, u. E. ihr gutes, volles Recht. Der Appell an das Herz ist eine Berufung an die unmittelbaren Thatsachen des Bewußtseins der Gesammtheit, nicht an Einfälle oder Gutdünken eines cinzelnen Individuums; und weil diese ein sehr Positives und Reales sind, so können sie ohne Zweifel als Beweisinstanzen dienen.

Wiederholt habe ich einzelne Theile der Vergleichenden Religionsgeschichte („Sünde und Versöhnung nach heidnischer und nach christlicher Anschauung“, „Ueber Volksaberglauben“, „Entwicklungsgeschichte der Vorstellungen vom Zustande nach dem Tode") zum Gegenstand akademischer Vorlesungen für Zuhörer aller Facultäten gemacht, und habe ich mich dabei jedesmal eines großen, aufmerksamen und ausdauernden Auditoriums, unter dem sich immer verhältnißmäßig nicht wenige Juristen, Mediciner und sogenannte Philosophen befanden, zu erfreuen gehabt. Speciell fand gerade das Collegium über die Vorstellungen vom Jenseits eine sehr lebhafte und constante Theilnahme, was mir im Hinblick auf den Ernst und eine gewisse nicht zu vermeidende Monotonie des Themas oft überraschend war.

Das vorliegende Werk ist nun nicht erst aus jenen Vorlesungen entstanden, sondern lag vielmehr, so weit es damals ausgearbeitet oder doch vorbereitet war, denselben zu Grunde, und ich möchte wünschen, daß es auch diesem, mit Gottes Hülfe nunmehr beendigten Buche gelingen möge, für den so wichtigen Gegenstand ein gleich warmes und anhaltendes Interesse zu wecken und zu nähren, wie es die mündlichen Vorträge gefunden haben. Ich brauche kaum zu versichern, daß in dem Buche der Ertrag langer und sorgfältiger Studien niedergelegt ist. Vielfach konnte ich mich nicht strict auf die Erwartungen in Betreff eines andern Lebens allein beschränken, sondern war genöthigt, auf die Gottesvorstellungen sowie auf die gesammte religiös-sittliche Weltanschauung eines Volkes soweit einzugehen, als es entweder zur Orientirung oder aber durch den Zusammenhang der eschatologischen mit den religiösen Anschauungen überhaupt geboten war. Aus diesem Grunde wird man mehr in dem Buche finden, als man nach dem Titel darin vermuthet und als strenggenommen hineingehört. Besonders ist auch das Verzeichniß der Literatur, welche in einer Uebersicht jedem Capitel angehängt ist, so vollständig beigefügt, daß es zugleich als Repertorium aller wichtigen Werke und Schriften über die gesammte Vergleichende Religionsforschung benußt werden kann.

Im Verlaufe der Untersuchung habe ich mich bei verschiedenen Anlässen gemüßigt gesehen, mich mit Gelehrten, welche auf demselben oder einem angrenzenden Gebiete, wie ich, gearbeitet haben,

"

auseinanderzusehen. Denn es ist Pflicht eines Autors, zu wissen und zu prüfen, was Andre vor ihm in seiner Wissenschaft geleistet haben, um mit den eigenen Leistungen die rechte Stellung einzunehmen und durch die Erfahrungen seiner Vorgänger vor Abwegen und Umwegen bewahrt zu werden. Dabei bin ich von Voraussetzungen und Grundsäßen aus zu Werke gegangen, wie sie Fichte in seiner Abhandlung: „Ueber das Wesen des Gelehrten und seine Erscheinungen im Gebiete der Freiheit" (Reclam’sche Ausgabe, S. 160) in folgenden Worten ausspricht: Alle Rücksicht auf Personen ist ihm verschwunden. Auch die Persönlichkeit Andrer gilt ihm der Wahrheit und der Idee gegenüber nicht mehr als seine eigene. Es ist selbstverständlich, daß er andre Schriftsteller und Gelehrte nicht in ihren bürgerlichen oder persönlichen Verhältnissen angreife. Dies ist durchaus unter der Würde dessen, der es nur mit Sachen zu thun hat... aber er läßt sich keineswegs durch die Schonung für eine Person abhalten, den Irrthum zu widerlegen und die Wahrheit an seine Stelle zu sehen. Die Unterstellung bei irgend einem Andern: er könne dadurch beleidigt werden, daß man einen Irrthum rüge, der ihm begegnet, oder eine Wahrheit aufstelle, die ihm entgangen, wäre wohl selbst die größte Beleidigung, die einem nur halbwegs vernünftigen Manne zugefügt werden könnte."

Wenn ich dem Buche den Titel: „Entwicklungsgeschichte der Vorstellungen vom Zustande nach dem Tode" gegeben habe, so wollte ich damit keineswegs ausdrücken, daß wir alle einzelnen Stadien und Momente, welche die eschatologische Vorstellungsreihe durchlaufen hat, unterscheiden und feststellen können, ohne daß Lücken bleiben und Zwischenstufen fehlen, sondern daß die Entstchung, Ausbildung und Veränderung auch dieses Bestandtheiles des religiösen Bewußtseinsinhaltes unter dem Gesichtspunkte eines einheitlichen Processes zu begreifen und darzustellen ist, und daß sich eine Aufeinanderfolge von bestimmten, allerwärts sich wiederholenden Knotenpunkten nachweisen läßt. Wir sind aber keineswegs blos bemüht gewesen, den allmähligen Auf- und Umbau der Erwartungen in Betreff des dereinstigen Geschickes der Seele des Menschen nach seinem Tode zu beschreiben, sondern wir haben überall versucht, die Genesis und Metamorphose des Glaubens

an das Jenseits aus dem wechselnden Zusammenwirken der verschiedenen Coefficienten oder Constituenten zu erklären.

Haben wir aber unsre Aufgabe noch nicht so vollkommen gelöst, daß man sagen könnte, es schwebe der Geist frei über dem von ihm bewältigten und gestalteten Stoff, so trösten wir uns mit dem Worte Schelling's (Philosophie der Mythologie, S. 107): „Das Verdienst einer Forschung besteht nicht blos darin, schwierige Fragen aufzulösen; das größere ist vielleicht, neue Probleme zu erschaffen und für eine künftige Untersuchung zu bezeichnen oder den schon bestehenden eine neue Seite abzugewinnen.“

Unser Buch, zunächst für Gelehrte von Fach bestimmt, crwartet vor dem Forum wissenschaftlicher Kritik sein Urtheil; nur wünschen wir ihm erstlich Leser, welche nicht blos ihre eigne Meinung zu hören und für unfehlbar zu halten gewohnt sind, und zum anderen Richter, welche nicht von vornherein dem Autor wie dem behandelten Gegenstand mit Mißtrauen und Uebelwollen entgegentreten; denn,,male judicant qui maligne legunt". Uebrigens geben wir uns der Hoffnung hin, daß für unsre angestellte Untersuchung sich auch in den weiteren Kreisen der theologischen wie der gebildeten Welt im Allgemeinen Verständniß und Interesse finden werde.

Der Herr Verleger, welcher sich in Zukunft der Herausgabe wissenschaftlicher Werke in viel größerem Maaße hinzugeben gedenkt, als bisher, hat das Buch vortrefflich ausgestattet, und ebenso sind Scher und Drucker mit großer Sorgfalt bemüht gewesen, eine typographisch correcte und gefällige Arbeit zu liefern. Bei der Anfertigung des hoffentlich willkommnen Namenund Sachregisters haben mich drei meiner Zuhörer, die Studiosen Ludwig Zülke aus Stendal, Alfred Schneider aus Kronstadt und Albert Silex aus Petersdorf in Siebenbürgen, mit großer Bereitwilligkeit unterstüßt, was ich auch hier dankbar anerkenne.

Meine Wünsche und Hoffnungen geleiten das Buch, an welchem ich nicht selten unter erschwerenden Umständen und ,,invita Minerva" gearbeitet und auf welches ich viele Geduld und Mühe verwendet habe. Ich möchte nun auch mit dem Apostel (Phil. 2, 16) sagen können: „,öri ovn eis nevòv edgaμov ovde eis κενὸν ἐκοπίασα.

« PreviousContinue »