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rungen, jedoch haben sie im Grossen und Ganzen doch der Hydrodynamik diejenige Form gegeben, die sie noch jetzt besitzt. Wir erwähnen nur noch das Gesetz des Stosses eines Flüssigkeitsstrahles gegen feste Flächen, die Theorie der Reaction des aus Gefässmündungen fliessenden Wassers, welche man erst in letzter Zeit als Triebkraft von Schiffen, sog. Reactionspropeller verwendet, schliesslich wie schon oben ebenfalls erwähnt - die Formeln für den Druck der Flüssigkeit auf die Wände der Röhren, die es durchfliesst. Diese Untersuchung war ganz neu und führte zu dem Gesetze, dass der Druck der Flüssigkeit an einem Punkte der Gefässwand gleich sei dem der Stelle entsprechenden hydrostatischen Drucke, vermindert um die Differenz der Geschwindigkeitshöhen daselbst.

Daniel Bernoulli beschäftigte sich auch mit der mathematischen Untersuchung der Schwingungserscheinungen an Saiten und Stäben. Die Arbeiten Taylor's über die schwingenden Saiten gaben den Anstoss zu einer Reihe sehr schöner Untersuchungen, welche für die Entwicklung der Analysis fast noch wichtiger waren, als für die theoretische Physik. Bernoulli kam bezüglich der schwingenden Saiten zu dem Resultate, dass dieselbe immer die Gestalt einer Trochoide oder einer Trochoidencombination besitze, die Erscheinungen der Transversalschwingung von Stäben untersuchte er zum ersten Male, später wurden diese von Euler eingehender und vollständiger erörtert.

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Daniel Bernoulli wird von einigen auch als der Begründer jener Gastheorie angesehen, welche der mechanischen Wärmetheorie zu Grunde gelegt wird *). Zum Schlusse erwähnen wir noch eine Bemerkung unseres Forschers, welche sich auf die Erscheinung der Mittheilung der Pendelschwingungen auf benachbarte feste Körper bezieht. Er erwähnt nämlich eine Beobachtung Ferdinand Berthoud's, welcher zufolge eine pünktlich gehende, leicht befestigte Pendeluhr täglich um 5 Minuten zurückblieb, als man sie an ihrem Standplatze wohl befestigte. Guillaume François Antoine de l'Hospital, Marquis de Sainte Mesme, Comte d'Entremont, Seigneur d'Ouques, la Chaise etc. **), geboren zu Paris 1661, gestorben ebendaselbst am 2. Februar 1704, gehörte der französischen Aristokratie an. Schon in früher Jugend legte er eine grosse Vorliebe für mathematische Studien an den Tag, so dass er sich bereits in seinem 15. Lebensjahre mit dem Problem der Cycloide beschäftigte. Nachdem er einige Jahre als Rittmeister in der französischen Armee gedient hatte, gab er diese Stellung auf, theils seiner Kurzsichtigkeit wegen, theils wegen seiner Neigung zu mathematischen Studien. Kaum zwanzig Jahre alt, im Jahre 1690, war er bereits Mit

*) Vgl. Dr. Rich. Rühlmann: Handbuch der mechan. Wärmetheorie.

I. Bd. Braunschweig 1876, pag. 72.

**) Spätere Schriftsteller schreiben l'Hôpital".

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glied der Pariser Akademie. Im folgenden Jahre wurde er mit Johann Bernoulli bekannt, der damals in Paris weilte, er vermochte diesen, ihm auf seine Besitzung Ouque in Touraine zu folgen, wo er sich von dem berühmten Mathematiker in das Studium der Differenzialrechnung einweihen liess. Um diese Zeit stand er auch mit Huygens und Leibniz in Briefwechsel.

Das Hauptwerk l'Hospital's ist die: „Analyse des infiniment petits pour l'intelligence des lignes courbes", welches zu Paris im Jahre 1696 erschien und im 18. Jahrhundert eine Reihe von Auflagen erlebte. Es war dies das erste brauchbare Lehrbuch der Differenzialrechnung, in welchem sich zum ersten Male die Regel findet, den Werth eines Bruches zu berechnen, wenn dieser Bruch für einen gewissen Werth der Veränderlichen durch gleichzeitiges Verschwinden von Zähler und Nenner unbestimmt wird. Ausserdem hat er sich mit der Ausbildung der Integralrechnung beschäftigt und auch an den Untersuchungen über die Brachystochrone theilgenommen. Nach seinem, im 43. Lebensjahre erfolgten. Tode fand sich eine Schrift vor, welche unter dem Titel: Traité analytique des sections coniques", ein Jahr später erschien und lange Zeit als das beste diesbezügliche Werk betrachtet wurde. Von seinen andern Schriften erwähnen wir noch: Méthode facile pour déterminer les points des caustiques par réfraction etc. (Anciens Mém. Par. Tome X.)

Solution d'un problème (proposé par M. J. Bernoulli): Trouver dans un plan vertical la courbe dans laquelle un corps descendant librement et par sa propre pesanteur, etc. (Ib. 1700.) Eine ausführliche Biographie findet sich in der: Histoire de l'Académie des sciences de Paris, année 1704."

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L'Hospital hat vorzüglich als Mathematiker Bedeutung. Für die Physik hat er bloss durch einige rein theoretisch-physikalische Arbeiten gewirkt. Besonders hat er sich um die Lösung theoretischer, mechanischer Aufgaben ausgezeichnet, wie die schon erwähnte Brachystochrone, ferner die ihm 1695 von Sauveur vorgelegte Aufgabe der Klappbrücke, welche unser Gelehrter noch im selben Jahre löste. Diese Aufgabe lautete folgendermassen: Senkrecht über dem Drehpunkte einer Klapp- oder Zugbrücke befindet sich eine Rolle, über welche ein zum Heben der Brücke bestimmtes Seil läuft, an dessen freiem Ende sich ein Aequilibrirgewicht befindet. Welches ist die Curve jener Bahn, auf welcher das Gewicht die Brücke in jeder Lage im Gleichgewichte hält? L'Hospital fand, dass die Krumme eine Curve vierten Grades sei, Johann Bernoulli gab eine allgemeinere Lösung und zeigte, dass sie zur Classe der Cycloiden gehöre. In der „Analyse des infiniment petits“ (2o éd. Paris 1716, pag. 104-130) findet sich eine ausführliche, sehr klar geschriebene Abhandlung über die Katakaustiken und Diakaustiken.

Leonhard Euler.

Leonhard Euler wurde am 4. April (alten Stiles) d. i. am 15. April (neuen Stiles) des Jahres 1707 zu Basel geboren. Sein Vater Paul Euler war der calvinistische Seelsorger des benachbarten Dorfes Riechen. Derselbe, ein Schüler Jacob Bernoulli's, war ein vorzüglicher Mathematiker und hielt auch seinen Sohn zu ähnlichen Studien an. An der Universität Basel war Johann Bernoulli der Lehrer des für Mathematik aussergewöhnlich talentirten jungen Euler, dem alle an der Universität Basel lehrenden Glieder der Familie Bernoulli alsbald im höchsten

Grade gewogen waren. Im Jahre 1723 wurde er zum Magister graduirt, auf Grund einer Vergleichung zwischen der Naturphilosophie Descartes' und Newton's. Kaum neunzehn Jahre alt, bewarb er sich schon um einen Preis, den die französische Akademie für eine Arbeit über die Handhabung der Seeschiffe ausgeschrieben hatte. Im folgenden Jahre wurde er auf die Empfehlung Daniel Bernoulli's als Adjunkt für Mathematik an die Petersburger Akademie berufen, als er jedoch an seinen neuen Bestimmungsort gelangte, hatten sich dort die Verhältnisse in Folge des Todes der Kaiserin Katharina ganz und gar geändert. Der Nachfolger jener gekrönten Verehrerin von Kunst und Wissenschaft war der Czar Peter II., der für wissenschaftliche Bestrebungen durchaus keinen Sinn hatte, Euler musste sich deshalb begnügen, als Schiffslieutenant bei der russischen Flotte eine Anstellung zu finden. Unter der Regierung der Kaiserin Anna I. besserten sich die wissenschaftlichen Verhältnisse einigermassen. Als Hermann von Petersburg weg ging, erhielt er dessen Professur für Physik, später wurde durch die Uebersiedelung Daniel Bernoulli's in seine Heimat die Stelle eines Akademikers frei, welche Euler erhielt. Nach dem Tode der Kaiserin Anna brachen Revolten aus, welche durch die Thronbesteigung der Kaiserin Elisabeth beendet wurden. Um jene Zeit erhielt Euler einen Ruf an die Berliner Akademie, welche Friedrich der Grosse wieder herstellen wollte. In Folge eines an den Gelehrten gerichteten eigenhändigen Schreibens des Königs, entschloss sich dieser seinen Aufenthaltsort nach Berlin zu verlegen. Die Mutter des Königs, Sophie Dorothea von Hannover, Tochter Georg I. von England, empfing an Stelle des im Lager abwesenden Königs den Gelehrten, welcher sich jedoch höchst einsilbig zeigte. Auf eine Bemerkung der Königin-Mutter über diese Verschlossenheit, meinte der Gelehrte, dass er aus einem Lande komme, wo man für das Reden gehängt werde.

Seit dem Jahre 1744 war Euler Direktor der mathematischen Classe an der königl. Akademie zu Berlin, 1755 wurde er auswärtiges Mitglied der französischen Akademie. Euler wurde jedoch nicht bloss in seiner Eigenschaft als Gelehrter in Anspruch genommen, die Staats

verwaltung holte in vielen praktischen Fragen ebenfalls seinen Rath ein; so gab er ein Gutachten über die Herstellung eines Canales zwischen Oder und Havel, über die Wasserwerke zu Sanssouci, ferner über verschiedene finanzielle Fragen. Euler entschloss sich noch einmal nach Russland zu gehen, dessen wissenschaftliche Institute ihm sehr am Herzen lagen. Er folgte deshalb einem Rufe der Kaiserin Katharina II. und ging 1766 wieder nach St. Petersburg. Die Prinzessin von AnhaltDessau wünschte sich die Anwesenheit Euler's in Berlin zu Nutze zu machen und forderte ihn auf, sie in den Hauptpunkten der Physik zu unterweisen. Da er jedoch Berlin verliess, so schrieb er die „Lettres à une Princesse d'Allemagne sur quelques sujets de physique et de philosophie." (3 Vol., Petersb. 1768, 8°.)

Euler genoss in Russland einen sehr hohen Gehalt und erhielt bei seiner Rückkehr ein namhaftes Geschenk zum Kaufe eines Hauses. Er hatte das Unglück, nachdem er schon 1735 auf einem Auge erblindet war, noch im Herbste des Jahres 1766 auch sein zweites Auge zu verlieren, so dass er ganz blind wurde. Dieser Verlust seines Augenlichtes hemmte jedoch die schriftstellerische Thätigkeit des ausserordentlich fleissigen Mannes nicht im mindesten, die Zahl der Arbeiten im letzten Dezennium seines Lebens erreicht vielmehr fast die Anzahl sämmtlicher vordem verfasster Schriften. Im Jahre 1771 traf ihn das Unglück, dass eine Feuersbrunst sein Haus zerstörte. In seinem hülflosen Zustande wäre er selbst in dem brennenden Hause zu Grunde gegangen, wenn ihn nicht ein beherzter Mann gerettet hätte; seine Manuskripte wurden durch den Grafen Orloff in Sicherheit gebracht.

Euler wurde 76 Jahre, 5 Monate und 3 Tage alt. Am 18. Sept. 1783, nachdem er mit dem Professor der Mathematik in St. Petersburg, dem Astronomen Lexell gespeist und sich mit demselben über die Entdeckung des Uranus unterhalten hatte, nahm er die Berechnung der Bewegung einer Montgolfière vor, plötzlich stürzte er mit den an seinen Enkel gerichteten Worten: „Ich sterbe“ zusammen und hauchte nach kurzer Zeit seinen Geist aus.

Euler war ohne Zweifel das bedeutendste mathematische Talent seiner Zeit. Wir können es als eine besondere Fügung betrachten, dass ein solcher Genius zu so glücklicher Zeit erstand, der für die Ausbildung der mathematischen Analyse durch die Richtung seiner mathematischen Fähigkeiten in solcher Weise geschickt war. Besonders war es die mathematische Zeichensprache, deren Ausbildung für die Entwicklung des Calculs unumgänglich nothwendig geworden, um welche sich Euler bedeutende Verdienste erworben hat. Durch seinen, in der Geschichte der mathematischen Wissenschaften beispiellosen Fleiss hat er es vermocht, sich mit allen Fragen der reinen und angewandten Mathematik zu beschäftigen, welche damals die Aufmerksamkeit der gelehrten Welt in Anspruch nahmen. Ja, er liebte es, sich selbst

Probleme aufzugeben, welche oftmals bloss auf mathematische Spielereien hinausliefen; hieher gehört z. B. die Aufgabe der Bewegung eines Springers auf dem Schachbrette, der der Reihe nach auf sämmtliche Felder des Brettes geräth, oder die Aufgabe der 7 Brücken, welche von beiden Seiten des Stromufers auf eine Insel führen, über welche der Weg eines Passanten in der Weise bestimmt werden soll, dass derselbe jede Brücke einmal, jedoch nur ein einzigesmal benütze. Euler hat ausser einer vollständigen, systematischen Durcharbeitung des Differenzialund Integralcalculs auch die erste vollständige analytische Bearbeitung der Mechanik geliefert. Sein hierauf bezügliches Werk: „Mechanica, sive motus scientia" ist im Jahre 1736 zu Petersburg erschienen.

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Bei der ausserordentlichen Fruchtbarkeit Euler's in der Verfassung der verschiedenen wissenschaftlichen Abhandlungen ist ein vollständiges Verzeichniss derselben an dieser Stelle unmöglich. Wir müssen uns deshalb mit einer Aufzählung der wichtigsten Werke begnügen. Euler hat im Ganzen 756 Abhandlungen und selbstständige Werke verfasst, von denen jedoch acht, als doppelt gezählt, in Abrechnung zu bringen sind. Von rein mathematischen Werken sind die wichtigsten: „Institutiones calculi differentialis (Berlin 1755), Institutiones calculi integralis (Petersb. 1768-70). Methodus inveniendi lineas curvas etc. (Lausanne und Genf 1744). Das mechanische Fundamentalwerk: Mechanica, sive motus scientia analytice exposita" (2 vol. 4° Petrop. 1736) haben wir schon oben erwähnt. Wir erwähnen noch: Diss. physica de sono (Basil. 1727). Theoria motuum planetarum et cometarum etc. (4o Berol. 1744).

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Lettres à une Princesse d'Allemagne sur quelques sujets de physique et de philosophie (3 Vol. 8° Petersb. 1768-72, deutsch von F. Kries, Leipz. 1792-94, etc. Die Abhandlungen Euler's finden sich hauptsächlich in den Comment. Acad. Petrop. 1729-51, Nov. Comment. Acad. Petrop. 1750-56, Nova Acta Acad. Petrop. 1777-81, Mém. de l'Acad. des Sciences, 1765-78. Recueil de l'Acad. 1727 etc., Miscell. Berol. (Tome 7), Mém. de l'Acad. de Berlin, 1745–67.

er seine

Euler war zweimal verheirathet, beide Male nahm Lebensgefährtin aus derselben Familie. In den letzten Lebensjahren war er von einer grossen Schaar von Kindern und Enkeln umgeben. Unter seinen Söhnen erwähnen wir bloss den ältesten: Johann Albrecht Euler, (geb. 1734, gestorben 1800), der im Jahre 1758 Aufseher der Berliner Sternwarte wurde, hierauf 1766 Professor der Physik und Secretär der Akademie der Wissenschaften in Petersburg, zugleich Aufseher der dortigen Militär-Akademie. Von ihm existirt eine ziemlich bedeutende Anzahl von Schriften mathematischen und physikalischen Inhaltes. Als naturwissenschaftliche Schriftsteller sind noch der zweite und dritte Sohn Euler's: Carl und Christoph zu erwähnen, welche astronomische Abhandlungen verfasst haben.

Bevor wir von Euler's Bedeutung für die Entwicklung der ana

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